Amtsgericht München 341 C 920/22 vom 27.07.2022
1. Bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungsaufwandes für ein gebraucht erworbenes und einem Totalschaden unterliegenden Flottenfahrzeuges ist schadenrechtlich nicht zu unterstellen, dass der Flottenhalter einen Großkundennachlass auf Gebrauchtfahrzeuge bekommt.
2. Der Schädiger kann Neufahrzeug-Preisnachlässe, die dem Geschädigten möglicherweise gewährt werden, nicht auf die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes eines Gebrauchtfahrzeuges übertragen. Auch wenn Autovermieter bei Neufahrzeugen nennenswerten Nachlass erhalten, kommt es für den Wiederbeschaffungswert auf die Situation am Gebrauchtwagenmarkt an.
3. Selbst wenn das beschädigte Gebrauchtfahrzeug mit Rabatt gekauft worden wäre, ließe sich nicht der Schluss ziehen, dass die Ersatzbeschaffung wiederum mit einem Rabatt auf den Gebrauchtfahrzeugpreis möglich wäre.
4. Bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungsaufwands ist der volle Wiederbeschaffungswert eines Gebrauchtfahrzeuges anzusetzen, sofern die Geschädigte ein mittelständisches Autovermietunternehmen ist.
Zusammenfassung: Die von Versicherungen unterstellte Gewährung von Rabatten des Kfz-Handels an Autovermieter ist in der Pauschalität nicht hinzunehmen. Zumindest wenn es sich um eine Schadenregulierung für ein gebraucht erworbenes Flottenfahrzeuges handelt, ist der vollständige Wiederbeschaffungswert zu unterstellen.
Bedeutung für die Praxis: Die Schädigerversicherung zahlte nur einen Teil des Wiederbeschaffungsaufwandes nach Totalschaden und Restwertvermarktung für ein Flottenfahrzeug eines mittelständischen Autovermieters. Der Vermieter hatte sich im regionalen Gebrauchtwagenmarkt ein Flottenfahrzeug beschafft und per Zeugenaussage angegeben, dass hier wegen einer lediglich losen Geschäftsbeziehung kein Rabatt zu erzielen war. Der Versuch der Versicherer, die Rabattgewährung im Reparaturmarkt auf den Wiederbeschaffungsaufwand für Flotten zu übertragen, ist schadenrechtlich nicht haltbar. Daher war wurden den Autovermieter restliche Schadenkosten in Bezug auf den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) zugesprochen.
Über dieses Urteil hinaus gilt das auch dann, wenn der Autovermieter das beschädigte Fahrzeug als Neuwagen erworben hatte. Denn der Wiederbeschaffungswert ist keine Kaufpreisersatz, sondern der Betrag, der aufgewendet werden muss um “so ein” (nun also ein Gebrauchtfahrzeug) am Markt zu erwerben. Allenfalls, wenn ein Neufahrzeug sofort erhältlich wäre und mit dem Rabatt billiger wäre, als der Gebrauchte, könnte die Schadenminderungspflicht gebieten, statt des Gebrauchten einen Neuen zu nehmen (vgl. AG Bad-Hersfeld, Urteil vom 06.04.2022, Az. 10 C 687/21 (20)).
Es ist nicht konkret bekannt, ob das Urteil rechtkräftig geworden ist.