Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 02-24
Kammergericht Berlin 22 U 71/22 vom 08.01.2024
1. Zur Bestimmung der Höhe erstattungsfähiger Mietwagenkosten nach einem Unfall sind die Fraunhofer-Liste und das Mischmodell nicht anwendbar.
2. Der von der Beklagten zu zahlende Schadenersatz bzgl. Mietwagenkosten bestimmt sich nach der Schwacke-Liste.
3. Der Verweis der Beklagten auf die Fraunhofer-Liste kann den von ihr zu verlangenden konkreten Sachvortrag nicht ersetzen, warum die von den Geschädigten mit der Klägerin vereinbarten Mietwagentarife unangemessen hoch gewesen sein sollen.
4. Eine Erkundigungspflicht nach günstigeren Angeboten besteht für Geschädigte erst bei einer deutlichen Überteuerung des vorliegenden Angebotes.
5. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Winterreifen und Navigation sind ebenso erstattungsfähig.
6. Der Anspruch auf Kostenerstattung nach außergerichtlicher anwaltlicher Tätigkeit ist berechtigt.
Zusammenfassung: Das Berliner Kammergericht hebt eine Entscheidung des Landgericht Berlin auf, das die zu erstattenden Mietwagenkosten mit dem Mischmodell geschätzt und dem Kläger Nebenkosten versagt hatte. Der Kläger aus abgetretenem Recht argumentierte gegen die Verwendbarkeit der Fraunhofer-Liste erfolgreich mit dem BAV-Gutachten zu Internetpreisen 2020 in seiner Region.
Bedeutung für die Praxis: Nochmals hat das Berliner Kammergericht das Mischmodell abgelehnt, nachdem ihm vom Kläger das BAV-Gutachten und weitere Argumente gegen die Anwendbarkeit der Fraunhofer-Liste (bezogen auch auf das Mischmodell Fracke) vorgelegt wurden. Das ist von großer Bedeutung, weil sich andere Gerichte derzeit noch eher schwer tun, ihren eingetretenen Pfad (wir machen Mischmodell wie unser Obergericht) zu überdenken. In solchen Verfahren wird (falsch) in den Urteilsgründen behauptet, das BAV-Gutachten wäre nicht mit der Fraunhofer-Liste vergleichbar. Nicht so beim Kammerbericht, dem Oberlandesgericht von Berlin.
Der Kläger hat – will er die Nichtanwendbarkeit von Fraunhofer entsprechend der BGH-Linie darstellen – nicht nur die Aufgabe, die Fehler der Liste zu benennen. Darüber hinaus muss er die Fehler belegen und deren konkrete Auswirkungen auf den zu entscheidenden Fall verdeutlichen. Das BAV-Gutachten zeigt konkrete Internetbeispiele auf und bildet für den regionalen Markt des Geschädigten Werte für Minimum, Mittelwert und Maximum. Diese werden mit den Werten aus Fraunhofer verglichen. Das Kammergericht sieht das als ausreichend konkreten Sachvortrag an, wie vom BGH gefordert.
Die Berechtigung auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ergibt sich für mehrere separate Schadenfälle jeweils in Höhe einer 1,3-Gebühr zuzüglich Auslagenpauschale.