Abtretung / RDG / Aktivlegitimation

Im Bereich Aktivlegitimation sammeln wir Argumente und Urteile zur Frage, wie Dienstleister nach einem Kfz-Schaden Forderungen aus abgetretenem Recht gegen den eintrittspflichtigen Versicherer geltend machen können. Dabei konzentrieren wir uns auf das Rechtsdienstleistunggesetz und seine Auswirkungen.Ursache ist der verstärkte Angriff der Versicherer in diesem Bereich.

OLG Koblenz pro Schwacke, ausführlich begründet

Mit einem kleinen Beitrag konnten wir mithelfen, ein hervorragendes Ergebnis in einem Mietwagenprozesse vor dem Oberlandesgericht in Koblenz zu erzielen.

Einem örtlichen Autovermieter – BAV-Mitglied – hatte das Landgericht Trier restlichen Schadenersatz aus abgetretenem Recht in vierstelliger Höhe zugesprochen; der Versicherer ging daraufhin in Berufung zum Oberlandesgericht Koblenz. Er meinte, der Vermieter hätte Wucherpreise vereinbart und der Geschädigte daher gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verstoßen.

Ergebnisse des Urteils:

1.  Die vom Kläger in der Berufung nachgeschobene Abtretungsvereinbarung mit dem Geschädigten ist wirksam, der Kläger daher aktivlegitimiert.

Zitat: „Im Hinblick auf die von der Klägerin sodann als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 05.04.2023 vorgelegte erneute Abtretungsvereinbarung gleichen Datums hat der Senat (…) darauf hingewiesen, dass die Klägerin mit ihrer Berufung auf diesen geänderten Sachverhalt nicht wegen Verspätung prozessual ausgeschlossen ist (§ 531 Abs. 2 ZPO), da ein Hinweis auf die Unwirksamkeit der formularmäßigen Abtretung vom 29.04.2022 in erster Instanz nicht erfolgt und die Klägerin daher nicht in die Lage versetzt worden war, sich auf diese Rechtslage einzustellen.“

2. Keine generelle Erkundigungspflicht des Geschädigten

Zitat: „Soweit die Beklagte eine Verletzung der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) darin erblickt, dass der Kläger ohne jegliche vorherige Marktforschung einen Anbieter mit – nach ihrer Auffassung – weit überhöhten Preisen gewählt und bereits in dieser Hinsicht gegen die Verpflichtung, den Schaden gering zu halten, verstoßen habe, trägt auch dieser Einwand nicht, jedenfalls ergeben sich insoweit aus dem Vortrag der Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine derartige Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch den Geschädigten.“

3. Internetangebote der Beklagten irrelevant

Zitate: „Die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote der Firmen „Sixt Autovermietung“ und „Enterprise“ sind in mehrfacher Hinsicht nichtrepräsentativ und besitzen keinerlei Aussagekraft. Sie beziehen sich nicht auf den hier in Rede stehenden Jahreszeitraum (April, Mai und Juni 2020) und weisen nicht einmal das gleiche Mietjahr aus, sondern beinhalten die Monate Juli, August und September des Jahres 2021. (…) noch ist insoweit anderweitig ersichtlich, inwieweit die Mietpreise, etwa infolge einer besonders hohen oder niedrigen Nachfrage in Ferien- oder ferienfreien Zeiten variieren noch lässt der Vortrag der Beklagten erkennen, dass die genannten Alternativfahrzeuge dem geschädigten Verein gerade in dem benötigten Zeitraum auch tatsächlich zur Verfügung gestanden hätten und dieser sie problemlos hätte anfragen und mieten können. Dass die Beklagte dem Geschädigten entsprechende Alternativangebote rechtzeitig, vor Abschluss des Mietvertrages, unterbreitet hätte, ist ebenfalls nicht dargetan.“
„Ferner ist auch zu beachten, dass konkrete Mängel der jeweils in Anwendung gebrachten Liste/Tabelle mit solchen „Vergleichsangeboten“ nur dann aufgezeigt werden, wenn tatsächlich eine Vergleichbarkeit der Angebote gegeben ist. Als Kriterien seien u.a. genannt: Vorlagepflicht einer Kreditkarte zur Erlangung des günstigeren Tarifes, Höhe der jeweiligen Selbstbeteiligung betreffend die Vollkaskoversicherung, vergleichbare Anmietungszeiträume, Anfall von Zusatzkosten, Fahrzeugklasse und Ausstattung des geschädigten Fahrzeuges und des Mietfahrzeuges, Anmietungszeitraum (Übersicht in OLG Koblenz 12 U 233/11, juris). Selbst wenn man über die Tatsache, dass die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote sich zu einem völlig anderen Anmietzeitraum verhalten, wie vorstehend aufgezeigt wurde, hinwegkommen würde, verbleibt es bei der obigen Feststellung, dass die von der Beklagten als Anlagen B5 bis B8 vorgelegten Angebote keine geeignete Vergleichsgrundlage darstellen, die die Angemessenheit des hier in Rechnung gestellten Mietpreises in einer der Beweisaufnahme zugänglichen Weise in Frage stellen könnte.
Nicht nur, dass die von der Beklagten als Anlage zu ihrem Berufungsbegründungsschriftsatz vorgelegten Internetausdrucke hinsichtlich diverser Angebote der Firmen Enterprise und Sixt-Autovermietung einen anderen Jahresmietzeitraum betreffen und jeweils eine Beschränkung der Kilometerleistung enthalten, wohingegen die Klägerin dem Geschädigten keine Mehrkilometer in Rechnung gestellt hat, enthalten die von der Beklagten vorgelegten Vergleichspreise keine Zusatzkosten (Unfallersatztarif usw. [die Berechtigung des Ansatzes dieser Zuschläge wird im Folgenden ausgeführt]). Hinsichtlich der Kilometerbegrenzung ist auszuführen, dass der Geschädigte bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2024 ausgeführt hat, dass die Entfernung zu seinem Arbeitsplatz ca. 113 km betrage. Die von der Beklagten vorgelegten Internetangebote enthalten eine unterschiedliche Kilometerbegrenzung die von einem Wert von 3262 Kilometern (Firma Sixt-Autovermietung) bis hin zu 7715 Kilometern (Firma Enterprise) [bezogen auf den gesamten Zeitraum von 52 Tagen] reicht. Allein die vorgenannte tägliche Strecke zu und vom Arbeitsplatz des Geschädigten ist selbst von dem Angebot mit der höchsten Kilometerpauschale nicht gedeckt, auch dann nicht, wenn man in den konkreten Zeitraum sieben Wochenenden hineinrechnet, an denen insoweit keinerlei Bewegung des Mietfahrzeugs stattfindet. Die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote unterscheiden sich weiter darin, dass die Unfallsituation veranlassten Mehrkosten hierin nicht enthalten.“

4. Verlängerte Mietdauer: Keine Vorhersehbarkeit für Langzeittarif

Zitat: „Im Übrigen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.05.2021 (…) – unwidersprochen – dargelegt, dass sie sehr wohl auf Basis eines Wochentarifs in Höhe von 632,03 € kalkuliert habe, sodass dieser Einwand schon im Ansatz nicht greift. Ferner darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich für den Geschädigten zunächst die Tatsache, dass die Anmietung eines Fahrzeugs über einen so langen Zeitraum erforderlich werden würde, nicht abzeichnete, sondern die Gesamtmietdauerdurch jeweilige sukzessive, nicht vorhersehbare Verzögerungen bei der Reparaturfertigstellung zustandekamen und die Frage nach einem eventuell günstigeren „Langzeittarif damit zunächst gar nicht im Raum stand. Auch insoweit ist eine Verletzung der Schadensminderungspflicht seitens des Klägers nicht erkennbar, sodass ihm nicht vorzuwerfen ist, ihm wäre in der konkreten Situation unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten mit zumutbarer Anstrengung auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt ein wesentlich günstigeres Angebot zugänglich gewesen.“

5. Schätzung mit Schwacke

Zitat: „Auch dem generellen Hinweis der Beklagten, die Berechnung des Mietpreises nach der „Schwacke-Liste“ sei ungeeignet und die daran anknüpfende Auffassung, die Berechnung nach dem Fraunhofer Marktpreisspiegel sei die allein richtige, kann in dieser Pauschalität nicht gefolgt werden. (…) Nach dem anzuwendenden § 287 ZPO kann der Normaltarif grundsätzlich nach wie vor auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels im maßgebenden Postleitzahlengebiet festgestellt werden (…) Das bedeutet aber nicht, dass eine Schätzung auf der Grundlage einer anderen Liste, wie zum Beispiel der des Fraunhofer Instituts grundsätzlich fehlerhaft wäre (…). Auch kommt die Verwendung des arithmetischen Mittelwertes („Fracke“) beider oben aufgeführten Markterhebungen in Betracht (…) Die Folge hieraus ist es, dass der Geschädigte dem ihm obliegenden Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich dann genügt, wenn er sich bei Anmietung des jeweiligen Ersatzfahrzeuges an einer dieser Listen orientiert. Die jeweilige Eignung der Listen bzw. Tabellen braucht nämlich grundsätzlich nur dann näher geklärt zu werden, wenn von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH VI ZR 300/09, juris; OLG Koblenz 12 U 233/11, juris). Die Tatsachen müssen sich hierbei auf die Mietwagenpreise im konkreten Fall und gerade nicht auf die abstrakt generelle Eignung der Schätzgrundlage (also die angewendete Liste/Tabelle) auswirken (BGH in VersR 2010, 545; OLG Koblenz 12 U 233/11, juris). Diese konkreten Tatsachen werden in der Rechtspraxis „Vergleichsangebote“ anderer Mietwagenunternehmen sein, mit denen der Schädiger aufzuzeigen versucht, dass die von dem Geschädigten in Ansatz gebrachten Mietpreise unverhältnismäßig hoch sind. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass derartige Vergleichsangebote von der Beklagten nicht bereits im Vorfeld der Anmietung präsentiert wurden, sodass der Kläger aufgrund dieser Alternativangebote bereits auf die Problematik der von der Beklagten behaupteten erheblichen Preisunterschiede hätte aufmerksam werden und hätte gewarnt sein müssen.“

6. Höherer Preis aufgrund Besonderheiten gerechtfertigt

Zitat: „Soweit die Beklagte deren Berechtigung generell bestreitet, ist auf Folgendes hinzuweisen: Nach der neueren Rechtsprechung insbesondere des BGH, hängt die Erforderlichkeit der aufzuwendenden Kosten, also auch eines auf die Grundmiete erhobenen Zuschlags, des sog. „Unfallersatztarifs“ davon ab, ob die höheren Kosten betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sind. weil diese auf der besonderen Unfallsituation beruhen (…) Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn folgende Kriterien erfüllt sind, die letztlich alle mit der besonderen Eil- oder Notsituation des Geschädigten einhergehen und sich von der normalen Mietsituation deutlich unterscheiden: erhöhter Verwaltungsaufwand, z.B. wegen mehrerer Beteiligter oder wegen schadensrechtlich gebotener korrekter Fahrzeugauswahl, gesteigertes Forderungsausfallrisiko durch Verzicht auf Vorfinanzierung durch Kreditkarte oder Sicherheitsleistung (Kaution), höhere Kosten durch erweiterte Mietwagenflotte, um in allen Fahrzeugklassen Mietautos anbieten zu können, anstatt sich auf gängige Modelle zu beschränken,  unbestimmte Mietdauer mit Verlängerungsoption bzw. vorzeitiger Rückgabemöglichkeit, Verzicht auf jede Kilometerbegrenzung, um dem Geschädigten einen vollen zumutbaren Ausgleich für sein Unfallfahrzeug zu ermöglichen. Hinzu kommen Aspekte wie die Anmietung  außerhalb üblicher Geschäftszeiten oder schlechtere Auslastungsmöglichkeiten wegen unbestimmten Rückgabezeitpunkts (…).  Auch wenn nicht festgestellt werden kann, dass sämtliche genannten unfallspezifischen Kostenfaktoren hier vorliegen, wird doch erkennbar, dass die Mietsituation betreffend das streitgegenständliche Mietfahrzeug des Geschädigten dadurch gekennzeichnet war, dass die Mietdauer völlig unbestimmt war; sie verlängerte sich von dem ursprünglich angedachten Reparaturzeitraum bis hin zu der Fertigstellung  der Reparatur. Schon diese zeitlichen Faktoren, die einhergehen mit der Tatsache, dass die Anmietung kurzfristig, ohne vorherige Reservierung und Planung gewährleistet sein muss, bedingen die Vorhaltung einer größeren Fahrzeugflotte, um eine wirtschaftliche Auslastung zu gewährleisten, dies ungeachtet der vorstehend aufgezeigten gesteigerten Forderungsausfallrisiken durch die fehlende Vorfinanzierung mittels Kreditkarte (auch vorliegend erfolgte die Aushändigung des Fahrzeugs an den Geschädigten ohne Vorlage einer Kreditkarte) oder die alternative Sicherheit durch die Leistung einer Kautionszahlung. Aus alledem sieht auch der Senat die dem Geschädigten berechneten unfallbedingten Mehrkosten nicht als per se unberechtigt an und – übertragen auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt – als gerechtfertigt an, sodass die dadurch konkret erfolgte Verteuerung des Grundtarifs dem Geschädigten nicht anspruchsmindernd als Nachlässigkeiten bei der Auswahl des Mietverhältnisses entgegengehalten werden kann.
Daraus resultierend folgt aber, dass auch die Tatsache, dass die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote nicht vergleichbar und damit auch nicht geeignet sind, die Angemessenheit des vorliegend beanstandeten Mietpreises überhaupt in Frage zu stellen.“

(Anmerkung: Der Senat sagt damit in aller Deutlichkeit, was bisher nur selten ein Gericht ausgesprochen hat:
Ein Internetangebot kann für eine Vermietung nach einem Unfall keine Vergleichbarkeit haben. Internetangebote sind deshalb immer irrelevant, weil der Geschädigte mit einem Angebot – zu finden im Internet – keine Alternative für seinen Ersatzwagen hat. Dafür fehlen die Voraussetzungen wie die konkrete Eingruppierung des abgebildeten Fahrzeuges „oder ähnlich“ in eine Schwacke-Klasse, die Verbindlichkeit, die unbeschränkte Mietdauer, die Finanzierung durch den Vermieter bis ein Versicherer einige Jahre später alles bezahlt, …).

7. Mietwagendauer berechtigt, kein Überwachungsverschulden

 Zitat: „Anders als die Beklagte meint, sind die ersatzfähigen Mietwagenkosten im Streitfall der Höhe nach auch nicht auf die Dauer von insgesamt sechs Tagen beschränkt, wie sie in dem von dem Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Reparaturzeitraums kalkuliert waren. Der Geschädigte und damit die Klägerin als Zessionarin des Anspruchs muss sich vorliegend nicht so stellen lassen, als sei die Mietdauer auf diesen Zeitraum beschränkt gewesen.
Zwar weist die Beklagte hier mit Blick auf die lange Dauer der Inanspruchnahme des Mietfahrzeugs zu Recht darauf hin, dass der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gehalten ist, die Schadensbehebung in angemessener Frist durchzuführen. Die Beweislast für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht trägt nach allgemeinen Grundsätzen aber der Schädiger.
(…) gilt, dass der Geschädigte durch die Einschaltung eines Dritten, hier der Reparaturwerkstatt, nicht von seiner Pflicht entbunden ist, sich um eine wirtschaftliche Abwicklung des Schadens zu kümmern. Er hat insoweit für eine zügige Durchführung der Reparatur Sorge zu tragen, wenn er für den Nutzungsausfall Ersatz verlangen will (BGH a. a. O.). (…) Nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht jedoch zu Überzeugung des Senats fest, dass der Geschädigte all dies vorliegend beachtet hat. (…) Die Verzögerung der Reparaturfertigstellung war nach der glaubhaften Aussage des Zeugen der Tatsache geschuldet, dass die zeitnah mit dem Eintreffen des Fahrzeugs begonnenen Reparaturarbeiten nicht fertiggestellt werden konnten, weil (zuletzt noch) eine Dichtung für die beschädigte Fahrertür fehlte und diese zunächst nicht lieferbar war.(…) Eine Behelfsreparatur, so der Zeuge, sei hiernach nicht möglich gewesen.(…) Bei dieser Sachlage ist die Frage, ob der Zeuge (Geschädigter) in hinreichendem Maße für eine schnellstmögliche Reparaturdurchführung Sorge getragen, zumindest insoweit auf eine schnelle Erledigung gedrängt hat, nur noch von nachrangiger Bedeutung, denn er hatte, ebenso wie die Werkstatt selbst, keinen Einfluss auf die Lieferfrist für die fehlende Türdichtung.“

Das Urteil ist – für BAV-Mitglieder kostenlos – in der Urteilsdatenbank des Verbandes abrufbar. siehe urteilsdatenbank.bav.de

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 22-21

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 22-21

Landgericht Coburg 33 S 49/20 vom 28.05.2021
(Vorinstanz: Amtsgericht Coburg 12 C 2825/19 vom 22.07.2020)

1. Das verwendete Formular der „Abtretung erfüllungshalber“ stellt nach seinem Inhalt keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 BGB dar, diesbezüglich wird das Urteil der Erstinstanz korrigiert.
2. Da keine Regelung zur Rückabtretung enthalten ist, ist auch keine unklare oder missverständliche Regelung zum Schicksal der Schadenersatzforderung für den Fall vorhanden, dass der Honoraranspruch gegenüber dem Auftraggeber geltend gemacht würde.
3. Eine Pflicht zur Regelung in der Abtretungsvereinbarung ergibt sich nicht aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund.
4. Die Kammer gibt ihre bisherige Auffassung auf, dass nach aktueller BGH-Rechtsprechung (BGH VI ZR 274/17 und BGH ZR 135/19) Klauseln als unwirksam anzusehen seien, wenn sie keine Regelungen zur Rückabtretung der Schadenersatzforderungen enthalten für den Fall der Inanspruchnahme aus dem Dienstleistungsauftrag.

Zusammenfassung: Das Landgericht Coburg gibt seine bisherige Rechtsprechung zu § 307 BGB und der Frage auf, ob für den Fall der Inanspruchnahme des Kunden aus dem Gutachten- oder Mietwagenauftrag im Abtretungsformular die Regelung enthalten sein muss, wann und wie der Geschädigte seinen abgetretenem Schadenersatzanspruch zurück erhält. Da sich diese Frage eindeutig aus dem Gesetz ergibt, muss sie in der Abtretung nicht geregelt werden.

Bedeutung für die Praxis: Viele Versicherer streiten um die Aktivlegitimation der Kläger aus abgetretenem Recht. Die Formulierungen der Abtretungen werden unter anderem mit dem Argument eines Verstoßes gegen 307 BGB angegriffen. Konkret wird behauptet, dass eine Abtretung erfüllungshalber ungültig sei, wenn darin nicht geregelt sei, was (und wann) passiere, wenn der Geschädigte die geschuldete Vergütung für die Leistung einer Autovermietung oder eines Sachverständigen teilweise oder vollständig selbst bezahlt. Die Gerichte hantieren bundesweit noch immer mit der Frage, ob eine Abtretung dann wegen Verstoßes gegen 307 BGB unwirksam sei, wenn eine solche Regelung zur Rückabtretung fehlt. Den üblichen Abtretungsvereinbarungen liegt die Annahme zugrunde, dass der Geschädigte grundsätzlich weiterhin als Schuldner zur Begleichung der beauftragten Leistung zur Verfügung steht. Nur soll der Auftragnehmer eben die Schadenersatzforderung des Geschädigten beim Schädiger durchsetzen, damit sich a) der Geschädigte nicht darum kümmern muss und b) der Geschädigte eine Leistung auch dann am Markt erhält, wenn er sich das aus eigenen finanziellen Mittel eigentlich nicht leisten kann. Zahlt der Versicherer nicht, könnte demgemäß der Auftragnehmer auch auf den Geschädigten zugehen und eine Bezahlung des Mietzinses oder der Sachverständigenkosten verlangen. Täte er dies, hätte der Geschädigte die an den Auftragnehmer abgetretenen Forderungen selbstverständlich von diesem zurück zu erhalten. Wie und wann, das – so auch das Landgericht Coburg bisher – müsse bereits im Abtretungsformular transparent geregelt sein. Diese Auffassung wurde nun mit diesem Urteil korrigiert. Es sind also nach neuer Auffassung des Berufungsgerichtes auch Forderungsabtretungen wirksam vereinbart, wenn in den Abtretungsformularen diese Frage nicht geregelt wurde.

Zitiervorschlag: „Kein Transparenzverstoß 307 BGB wenn keine Regelung zur Rückabtretung“

„Die Abtretung vom 29.05.2020/05.06.2020, vorgelegt als Anlage K 11, ist wirksam. Sie ist nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. (…) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertrags¬partners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. (…) Diesen Anforderungen genügt die Abtretung in Anlage K 11. Im Unterschied zu der vom BGH in der zitierten Entscheidung zu beurteilenden Abtretung findet sich in der vorliegenden Abtretung keine unklare oder missverständliche Regelung zum Schicksal der Schadensersatzforderung für den Fall der Geltendmachung des Honoraranspruchs gegenüber dem Auftraggeber. (…) Es fehlt mithin bereits an einer Bestimmung, die unklar oder unverständlich sein könnte. Die Klägerin war allerdings weder nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen noch aus einem anderen Rechtsgrund gehalten, formularmäßig auf die sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz oder aus der Rechtsnatur eines Vertrages folgenden Rechte des Vertragspartners hinzuweisen, diese ausdrücklich zu regeln oder den Vertragspartner darüber zu belehren; das Transparenzgebot will lediglich verhindern, dass Rechte und Pflichten durch unklar oder schwer verständlich gefasste Klauseln verschleiert oder für den Vertragspartner schwer durchschaubar werden, vgl. BGH, Urteil vom 14.5.1996, Az. XI ZR 257/94, NJW 1996, 2092. Das Transparenzgebot will den Verwender nicht zwingen, jede AGB-Regelung gleichsam mit einem umfassenden Kommentar zu versehen, vgl. BGH, Urteil vom 10.7.1990, Az. XI ZR 275/89, NJW 1990, 2383. (…) Der BGH hat bereits in dem o. g. Urteil vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17, darauf hingewiesen, dass der Geschädigte im Falle einer Sicherungsabtretung der Schadensersatzforderung an den Sachverständigen auch ohne ausdrückliche Regelung zur Zahlung der Honorarforderung nur Zug um Zug gegen Rückübertragung der Forderung verpflichtet ist. Nichts anderes kann allerdings bei einer Abtretung erfüllungshalber gelten (wie hier), da auch dann selbstverständlich der Sachverständige das ihm zustehende Honorar nur einmal vereinnahmen kann und dieser bei Erfüllung durch den Auftraggeber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zur Zug-um-Zug-Rückabtretung der erfüllungshalber abgetretenen Schadensersatzforderung verpflichtet ist. Gelingt nämlich dem Gläubiger die Verwertung des erfüllungshalber geleisteten Gegenstands nicht, so kann er auf die ursprüngliche Forderung zurückgreifen; er muss dem Schuldner dann aber die Leistung erfüllungshalber zurückgewähren. Kommt der Gläubiger der Rückgewährpflicht nicht nach, hat der Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht; er muss die ursprüngliche Forderung erst erfüllen, wenn er die Leistung erfüllungshalber zurückerhält, vgl. BeckOGK/Looschelders, 1.12.2020, BGB § 364 Rn. 48. Dadurch, dass die vertragsimmanente Verpflichtung der Klägerin, den abgetretenen Anspruch bei Inanspruchnahme des Auftraggebers Zug um Zug zurück zu gewähren, nicht ausdrücklich geregelt wird, wird die geltende Rechtslage weder verschleiert noch für den Geschädigten schwer durchschaubar.
Es besteht auch nicht die Gefahr des Auseinanderfallens von Honorar- und Schadensersatzanspruch, da allein der konkrete Betrag von 646,15 € für Sachverständigenhonorar – noch – im Raum steht.
Auch in der Entscheidung vom 18.02.2020, Az. VI ZR 135/19, NJW 2020, 1888, hat der Bundes¬gerichtshof maßgeblich darauf abgestellt, dass aus der gewählten Formulierung der Abtretung nicht hinreichend deutlich hervorgehe, unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch zurückerhält und welche Rechte er in diesem Zusammenhang hat. Die Klausel wurde daher als intransparent angesehen. Eine solche unklare Regelung ist hier aber gar nicht enthalten.
Soweit die Kammer in früheren Entscheidungen, z.B. Urteil vom 21.12.2018, Az. 33 S 120/16, Abtretungen als unwirksam angesehen hat, weil eine Regelung zur Inanspruchnahme des Ge-schädigten aus dem vertraglichen Honoraranspruch und dem Schicksal der abgetretenen Schadensersatzforderung nicht getroffen wurde, hält sie an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest.“
(Landgericht Coburg 33 S 49/20 vom 28.05.2021)

Aktualisierung der Informationen zum Formular Abtretung

Wie sich zeigt, neigen einzelne Gerichte dazu, die in der Abtretungsformulierung eingearbeitete Stundung der Mietzinsforderung an eine Frist zu knüpfen. Gerichte, die unserer Rechtsansicht folgen, gehen davon aus, dass eine Stundung der Forderung gegenüber dem Mieter so lange besteht, bis der Versuch des Vermieters, die abgetretene Forderung beim Versicherer geltend zu machen, gescheitert oder erfüllt ist. Gerichte, die das anders beurteilen, sehen vor dem Hintergrund der in der bisherigen Abtretung enthaltenen Formulierung „in angemessener Zeit“ eine Frist von z.B. drei Monaten nach der Unterzeichnung der Abtretung, nach der die Stundung beendet sei und die Verjährungsfrist zu laufen beginne. So kommt es dazu, dass ein solches Gericht urteilt, die Ursprungsforderung sei verjährt, der Geschädigte habe keinen Schaden mehr und so könne auch aus abgetretenem Recht der Vermieter nichts mehr bekommen (derzeit LG Düsseldorf und AG Heinsberg). Vorsichthalber wollen wir daher eine Formulierung im Abtretungsformular verändern.

Bisher steht da:

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Hiermit ...

OLG Stuttgart bestätigt: Kein RDG-Problem mehr in Stuttgart

Die Entscheidung des OLG Stuttgart, erstritten von Rechtsanwalt Ulrich Wenning, bestätigt unsere Rechtsauffassung, dass die erfüllungshalber erfolgte Abtretung einer Forderung – Formular wie vom BAV empfohlen – nicht gegen das RDG verstößt. Damit ist die Linie des Landgericht Stuttgart nicht zu halten. Das ist in allen Prozessen zu verdeutlichen, in denen die Frage der Aktivlegitimation diskutiert wird.

OLG Stuttgart 7 U 109/11 vom 18.08.2011

Drei mal OLG-Entscheidung: Schätzung mit Schwacke, Abtretung konform mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz

In drei OLG-Entscheidungen wurde neuerlich bestätigt:

Die Schätzung mit Schwacke 2007 ist nicht zu beanstanden. Fraunhofer und Internetangebote sind kein konkreter dagegen gerichteter Vortrag. Die Abtretung der Mietwagenforderung an den Autovermieter verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz.

Die Urteile des 16. Senates des OLG Köln sind in der BAV-Urteilsdatenbank abrufbar.

BGH I ZR 118/09 wettbewerbsrechtlich wegen Nebenleistung zur Hauptleistung nach § 5 RDG

Wir waren immer der Auffassung, dass sich seit Inkrafttreten des RDG die Aktivlegitimation des Autovermieters aus der Abtretung erfüllungshalber (unser Formular) zumindest dadurch ergibt, dass nach § 5 RDG, Abs. 1 beim Tätigkeitsbild des Autovermieters eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung vorliegt. Der erste Senat hat mit der hier abzurufenden Entscheidung in einem anderen Zusammenhang bestätigt, dass § 5 Abs. 1 RDG eher weit als eng auszulegen ist. 

Die Revision des beklagten Dienstleisters (hier Lebensmittelchemiker) war erfolgreich. Das Berufungsgericht wird nun zu prüfen haben, ob doch eine erlaubte Nebenleistung vorliegt, „weil auch eine nachfolgende, aber noch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Haupttätigkeit stehende Nebenleistung in einem sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätgikeit stehen kann, wenn sie zum Ablauf oder zur Abwicklung der Haupttätigkeit gehört )…“ (mit Verweis auf die Gesetzesbegründung, Seite 52).

Überträgt man das auf die uns interessierende Frage, stützt diese Entscheidung unsere Sicht zur Abtretung.

Urteil ansehen

Gesetzesbegründung (zunehmend wichtig für die Klärung der Frage, ob aktivlegitimiert oder nicht)

Da die Gesetzesbegründung von großer Bedeutung für das Verständnis des RDG ist und immer wieder Urteile durch Halbwissen in die falsche Richtung weisen (siehe zum Beispiel AG Donaueschingen 31 C 265/10 vom 28.01.11 mit ausführlicher Passage zu nicht entscheidenden Teilen der Begründung), werden hier die wichtigsten Seiten zur Verfügung gestellt.

Es ist fast zu vermuten, dass dem Gericht in Donaueschingen bestimmte Seiten des Dokumentes ...

LG Aachen: kein Verstoß gegen RDG

Aktuelles Urteil des Landgericht Aachen sehr ausführlich zum RDG:

1.  Keine Inkassodienstleistung nach § 2 Ab. 2 RDG, da das kein eigenständiges Geschäft darstellt.

2.  Kein Ausschluss nach § 2 Abs. 1 RDG, kann aber dahinstehen, denn:

3.  Es handelt sich auch um eine erlaubte Rechtsdienstleistung nach § 5 RDG, da sie als Nebenleistung zum Tätigkeitsbild eines Autovermieters gehört.

Urteil ansehen

Argumente gegen die Auffassung des LG Stuttgart aus Urteil 4 S 154/10

Argumente gegen die Auffassung des LG Stuttgart aus Urteil 4 S 154/10

Der Rechtsausschuss des Bundesrates hielt die gestrichene Passage für „obsolet“ (!), also für überflüssig, weil das, was die Passage aussagte, eine Selbstverständlichkeit sei. Denn wenn die Haupttätigkeit rechtliche Komponenten enthalte, seien die auch ohne die Passage im Gesetzesentwurf von vornherein eine Nebenleistung nach dem Berufs- oder Tätigkeitsbild.

Insoweit lag der Rechtsausschuss des Bundesrates richtig, wenn er ...

MRW: Dauerbrenner RDG

In der Rechtszeitschrift Mietwagenrechtswissen „MRW“ ist das Thema Rechtsdienstleistungsgesetz und Aktivlegitimation ein Dauerbrenner.

Folgende Beiträge sind bisher dazu erschienen:

„Das Rechtsdienstleistungsgesetz und der Autovermieter“, Rechtsanwalt Joachim Otting in MRW 2-10, Seite 2

„Aktualisierung: Das Rechtsdienstleistungsgesetz und der Autovermieter“, RA Joachim Otting in MRW 3-10, Seite 2

„Überwiegend heiter, im Südwesten jedoch Regen und Sturm: Noch mal die Abtretungsfrage.“ RA Joachim Otting in MRW 1-11, Seite 3.

Positiv: LG Stade 1 S 37/10 vom 03.09.2010

Das Landgericht Stade bejaht die Aktivlegitimation, weil:

– keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung vorliegt, § 2 Abs. 2 deshalb nicht einschlägig ist (Stichwort Werklohnpfandrecht durch Rückgriff auf die Schadenersatzforderung)

– keine vertiefte rechtliche Prüfung zum Zeitpunkt der Unterschrift

– selbst wenn eine rechtlich vertiefte Prüfung in einer fremden Angelegenheit, dann trotzdem nicht erlaubnispflichtig, weil Nebenleistung

Urteil in Urteilsdatenbank ansehen

Positiv: LG Frankfurt/Main 2-01 S 189/10 vom 12.11.10

Rechtsberatungsgesetz (Abtretung vor dem 31.07.2008)

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger aktivlegitimiert. Die Sicherungsabtretung ist nicht wegen Verstoßes gegen die §§2 Abs. 2, 3 RDG i.V.m. § 134 BGB nichtig.
Es fehlt bereits an der Besorgung einer fremden Angelegenheit durch den Kläger. Der Kläger hat sich die Ansprüche der Geschädigten sicherheitshalber abtreten lassen. Der Sicherungsfall ist auch eingetreten, da er vorprozessual vergeblich versucht hat, die Geschädigten in Anspruch zu nehmen.

Siehe Urteilsdatenbank

LG Köln 9 S 252/10 vom 29.12.10

Berufung erfolgreich: Abtretung wirksam, kein Fraunhofer, Aufschlag ist zuzugeben.

Die Geltendmachung von Mietwagenkosten mittels Abtretungsformular neueren Typs ist wirksam und verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist FRaunhofer nicht vorzugswürdig, geschätzt wird mit Schwacke 2009.

Dass bei der Vermietung nach Unfällen ein höherer Preis gerechtfertigt ist, als der Normaltarif, steht nicht mehr grundsätzlich in Streit (Aufschlags-Diskussion).

Die Revision ist zugelassen, davon wird der Versicherer aber sicherlich eher keinen Gebrauch machen.

Siehe Urtelsdatenbank

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