Mit einem kleinen Beitrag konnten wir mithelfen, ein hervorragendes Ergebnis in einem Mietwagenprozesse vor dem Oberlandesgericht in Koblenz zu erzielen.
Einem örtlichen Autovermieter – BAV-Mitglied – hatte das Landgericht Trier restlichen Schadenersatz aus abgetretenem Recht in vierstelliger Höhe zugesprochen; der Versicherer ging daraufhin in Berufung zum Oberlandesgericht Koblenz. Er meinte, der Vermieter hätte Wucherpreise vereinbart und der Geschädigte daher gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verstoßen.
Ergebnisse des Urteils:
1. Die vom Kläger in der Berufung nachgeschobene Abtretungsvereinbarung mit dem Geschädigten ist wirksam, der Kläger daher aktivlegitimiert.
Zitat: „Im Hinblick auf die von der Klägerin sodann als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 05.04.2023 vorgelegte erneute Abtretungsvereinbarung gleichen Datums hat der Senat (…) darauf hingewiesen, dass die Klägerin mit ihrer Berufung auf diesen geänderten Sachverhalt nicht wegen Verspätung prozessual ausgeschlossen ist (§ 531 Abs. 2 ZPO), da ein Hinweis auf die Unwirksamkeit der formularmäßigen Abtretung vom 29.04.2022 in erster Instanz nicht erfolgt und die Klägerin daher nicht in die Lage versetzt worden war, sich auf diese Rechtslage einzustellen.“
2. Keine generelle Erkundigungspflicht des Geschädigten
Zitat: „Soweit die Beklagte eine Verletzung der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) darin erblickt, dass der Kläger ohne jegliche vorherige Marktforschung einen Anbieter mit – nach ihrer Auffassung – weit überhöhten Preisen gewählt und bereits in dieser Hinsicht gegen die Verpflichtung, den Schaden gering zu halten, verstoßen habe, trägt auch dieser Einwand nicht, jedenfalls ergeben sich insoweit aus dem Vortrag der Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine derartige Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch den Geschädigten.“
3. Internetangebote der Beklagten irrelevant
Zitate: „Die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote der Firmen „Sixt Autovermietung“ und „Enterprise“ sind in mehrfacher Hinsicht nichtrepräsentativ und besitzen keinerlei Aussagekraft. Sie beziehen sich nicht auf den hier in Rede stehenden Jahreszeitraum (April, Mai und Juni 2020) und weisen nicht einmal das gleiche Mietjahr aus, sondern beinhalten die Monate Juli, August und September des Jahres 2021. (…) noch ist insoweit anderweitig ersichtlich, inwieweit die Mietpreise, etwa infolge einer besonders hohen oder niedrigen Nachfrage in Ferien- oder ferienfreien Zeiten variieren noch lässt der Vortrag der Beklagten erkennen, dass die genannten Alternativfahrzeuge dem geschädigten Verein gerade in dem benötigten Zeitraum auch tatsächlich zur Verfügung gestanden hätten und dieser sie problemlos hätte anfragen und mieten können. Dass die Beklagte dem Geschädigten entsprechende Alternativangebote rechtzeitig, vor Abschluss des Mietvertrages, unterbreitet hätte, ist ebenfalls nicht dargetan.“
„Ferner ist auch zu beachten, dass konkrete Mängel der jeweils in Anwendung gebrachten Liste/Tabelle mit solchen „Vergleichsangeboten“ nur dann aufgezeigt werden, wenn tatsächlich eine Vergleichbarkeit der Angebote gegeben ist. Als Kriterien seien u.a. genannt: Vorlagepflicht einer Kreditkarte zur Erlangung des günstigeren Tarifes, Höhe der jeweiligen Selbstbeteiligung betreffend die Vollkaskoversicherung, vergleichbare Anmietungszeiträume, Anfall von Zusatzkosten, Fahrzeugklasse und Ausstattung des geschädigten Fahrzeuges und des Mietfahrzeuges, Anmietungszeitraum (Übersicht in OLG Koblenz 12 U 233/11, juris). Selbst wenn man über die Tatsache, dass die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote sich zu einem völlig anderen Anmietzeitraum verhalten, wie vorstehend aufgezeigt wurde, hinwegkommen würde, verbleibt es bei der obigen Feststellung, dass die von der Beklagten als Anlagen B5 bis B8 vorgelegten Angebote keine geeignete Vergleichsgrundlage darstellen, die die Angemessenheit des hier in Rechnung gestellten Mietpreises in einer der Beweisaufnahme zugänglichen Weise in Frage stellen könnte.
Nicht nur, dass die von der Beklagten als Anlage zu ihrem Berufungsbegründungsschriftsatz vorgelegten Internetausdrucke hinsichtlich diverser Angebote der Firmen Enterprise und Sixt-Autovermietung einen anderen Jahresmietzeitraum betreffen und jeweils eine Beschränkung der Kilometerleistung enthalten, wohingegen die Klägerin dem Geschädigten keine Mehrkilometer in Rechnung gestellt hat, enthalten die von der Beklagten vorgelegten Vergleichspreise keine Zusatzkosten (Unfallersatztarif usw. [die Berechtigung des Ansatzes dieser Zuschläge wird im Folgenden ausgeführt]). Hinsichtlich der Kilometerbegrenzung ist auszuführen, dass der Geschädigte bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2024 ausgeführt hat, dass die Entfernung zu seinem Arbeitsplatz ca. 113 km betrage. Die von der Beklagten vorgelegten Internetangebote enthalten eine unterschiedliche Kilometerbegrenzung die von einem Wert von 3262 Kilometern (Firma Sixt-Autovermietung) bis hin zu 7715 Kilometern (Firma Enterprise) [bezogen auf den gesamten Zeitraum von 52 Tagen] reicht. Allein die vorgenannte tägliche Strecke zu und vom Arbeitsplatz des Geschädigten ist selbst von dem Angebot mit der höchsten Kilometerpauschale nicht gedeckt, auch dann nicht, wenn man in den konkreten Zeitraum sieben Wochenenden hineinrechnet, an denen insoweit keinerlei Bewegung des Mietfahrzeugs stattfindet. Die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote unterscheiden sich weiter darin, dass die Unfallsituation veranlassten Mehrkosten hierin nicht enthalten.“
4. Verlängerte Mietdauer: Keine Vorhersehbarkeit für Langzeittarif
Zitat: „Im Übrigen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.05.2021 (…) – unwidersprochen – dargelegt, dass sie sehr wohl auf Basis eines Wochentarifs in Höhe von 632,03 € kalkuliert habe, sodass dieser Einwand schon im Ansatz nicht greift. Ferner darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich für den Geschädigten zunächst die Tatsache, dass die Anmietung eines Fahrzeugs über einen so langen Zeitraum erforderlich werden würde, nicht abzeichnete, sondern die Gesamtmietdauerdurch jeweilige sukzessive, nicht vorhersehbare Verzögerungen bei der Reparaturfertigstellung zustandekamen und die Frage nach einem eventuell günstigeren „Langzeittarif damit zunächst gar nicht im Raum stand. Auch insoweit ist eine Verletzung der Schadensminderungspflicht seitens des Klägers nicht erkennbar, sodass ihm nicht vorzuwerfen ist, ihm wäre in der konkreten Situation unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten mit zumutbarer Anstrengung auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt ein wesentlich günstigeres Angebot zugänglich gewesen.“
5. Schätzung mit Schwacke
Zitat: „Auch dem generellen Hinweis der Beklagten, die Berechnung des Mietpreises nach der „Schwacke-Liste“ sei ungeeignet und die daran anknüpfende Auffassung, die Berechnung nach dem Fraunhofer Marktpreisspiegel sei die allein richtige, kann in dieser Pauschalität nicht gefolgt werden. (…) Nach dem anzuwendenden § 287 ZPO kann der Normaltarif grundsätzlich nach wie vor auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels im maßgebenden Postleitzahlengebiet festgestellt werden (…) Das bedeutet aber nicht, dass eine Schätzung auf der Grundlage einer anderen Liste, wie zum Beispiel der des Fraunhofer Instituts grundsätzlich fehlerhaft wäre (…). Auch kommt die Verwendung des arithmetischen Mittelwertes („Fracke“) beider oben aufgeführten Markterhebungen in Betracht (…) Die Folge hieraus ist es, dass der Geschädigte dem ihm obliegenden Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich dann genügt, wenn er sich bei Anmietung des jeweiligen Ersatzfahrzeuges an einer dieser Listen orientiert. Die jeweilige Eignung der Listen bzw. Tabellen braucht nämlich grundsätzlich nur dann näher geklärt zu werden, wenn von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH VI ZR 300/09, juris; OLG Koblenz 12 U 233/11, juris). Die Tatsachen müssen sich hierbei auf die Mietwagenpreise im konkreten Fall und gerade nicht auf die abstrakt generelle Eignung der Schätzgrundlage (also die angewendete Liste/Tabelle) auswirken (BGH in VersR 2010, 545; OLG Koblenz 12 U 233/11, juris). Diese konkreten Tatsachen werden in der Rechtspraxis „Vergleichsangebote“ anderer Mietwagenunternehmen sein, mit denen der Schädiger aufzuzeigen versucht, dass die von dem Geschädigten in Ansatz gebrachten Mietpreise unverhältnismäßig hoch sind. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass derartige Vergleichsangebote von der Beklagten nicht bereits im Vorfeld der Anmietung präsentiert wurden, sodass der Kläger aufgrund dieser Alternativangebote bereits auf die Problematik der von der Beklagten behaupteten erheblichen Preisunterschiede hätte aufmerksam werden und hätte gewarnt sein müssen.“
6. Höherer Preis aufgrund Besonderheiten gerechtfertigt
Zitat: „Soweit die Beklagte deren Berechtigung generell bestreitet, ist auf Folgendes hinzuweisen: Nach der neueren Rechtsprechung insbesondere des BGH, hängt die Erforderlichkeit der aufzuwendenden Kosten, also auch eines auf die Grundmiete erhobenen Zuschlags, des sog. „Unfallersatztarifs“ davon ab, ob die höheren Kosten betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sind. weil diese auf der besonderen Unfallsituation beruhen (…) Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn folgende Kriterien erfüllt sind, die letztlich alle mit der besonderen Eil- oder Notsituation des Geschädigten einhergehen und sich von der normalen Mietsituation deutlich unterscheiden: erhöhter Verwaltungsaufwand, z.B. wegen mehrerer Beteiligter oder wegen schadensrechtlich gebotener korrekter Fahrzeugauswahl, gesteigertes Forderungsausfallrisiko durch Verzicht auf Vorfinanzierung durch Kreditkarte oder Sicherheitsleistung (Kaution), höhere Kosten durch erweiterte Mietwagenflotte, um in allen Fahrzeugklassen Mietautos anbieten zu können, anstatt sich auf gängige Modelle zu beschränken, unbestimmte Mietdauer mit Verlängerungsoption bzw. vorzeitiger Rückgabemöglichkeit, Verzicht auf jede Kilometerbegrenzung, um dem Geschädigten einen vollen zumutbaren Ausgleich für sein Unfallfahrzeug zu ermöglichen. Hinzu kommen Aspekte wie die Anmietung außerhalb üblicher Geschäftszeiten oder schlechtere Auslastungsmöglichkeiten wegen unbestimmten Rückgabezeitpunkts (…). Auch wenn nicht festgestellt werden kann, dass sämtliche genannten unfallspezifischen Kostenfaktoren hier vorliegen, wird doch erkennbar, dass die Mietsituation betreffend das streitgegenständliche Mietfahrzeug des Geschädigten dadurch gekennzeichnet war, dass die Mietdauer völlig unbestimmt war; sie verlängerte sich von dem ursprünglich angedachten Reparaturzeitraum bis hin zu der Fertigstellung der Reparatur. Schon diese zeitlichen Faktoren, die einhergehen mit der Tatsache, dass die Anmietung kurzfristig, ohne vorherige Reservierung und Planung gewährleistet sein muss, bedingen die Vorhaltung einer größeren Fahrzeugflotte, um eine wirtschaftliche Auslastung zu gewährleisten, dies ungeachtet der vorstehend aufgezeigten gesteigerten Forderungsausfallrisiken durch die fehlende Vorfinanzierung mittels Kreditkarte (auch vorliegend erfolgte die Aushändigung des Fahrzeugs an den Geschädigten ohne Vorlage einer Kreditkarte) oder die alternative Sicherheit durch die Leistung einer Kautionszahlung. Aus alledem sieht auch der Senat die dem Geschädigten berechneten unfallbedingten Mehrkosten nicht als per se unberechtigt an und – übertragen auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt – als gerechtfertigt an, sodass die dadurch konkret erfolgte Verteuerung des Grundtarifs dem Geschädigten nicht anspruchsmindernd als Nachlässigkeiten bei der Auswahl des Mietverhältnisses entgegengehalten werden kann.
Daraus resultierend folgt aber, dass auch die Tatsache, dass die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote nicht vergleichbar und damit auch nicht geeignet sind, die Angemessenheit des vorliegend beanstandeten Mietpreises überhaupt in Frage zu stellen.“
(Anmerkung: Der Senat sagt damit in aller Deutlichkeit, was bisher nur selten ein Gericht ausgesprochen hat:
Ein Internetangebot kann für eine Vermietung nach einem Unfall keine Vergleichbarkeit haben. Internetangebote sind deshalb immer irrelevant, weil der Geschädigte mit einem Angebot – zu finden im Internet – keine Alternative für seinen Ersatzwagen hat. Dafür fehlen die Voraussetzungen wie die konkrete Eingruppierung des abgebildeten Fahrzeuges „oder ähnlich“ in eine Schwacke-Klasse, die Verbindlichkeit, die unbeschränkte Mietdauer, die Finanzierung durch den Vermieter bis ein Versicherer einige Jahre später alles bezahlt, …).
7. Mietwagendauer berechtigt, kein Überwachungsverschulden
Zitat: „Anders als die Beklagte meint, sind die ersatzfähigen Mietwagenkosten im Streitfall der Höhe nach auch nicht auf die Dauer von insgesamt sechs Tagen beschränkt, wie sie in dem von dem Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Reparaturzeitraums kalkuliert waren. Der Geschädigte und damit die Klägerin als Zessionarin des Anspruchs muss sich vorliegend nicht so stellen lassen, als sei die Mietdauer auf diesen Zeitraum beschränkt gewesen.
Zwar weist die Beklagte hier mit Blick auf die lange Dauer der Inanspruchnahme des Mietfahrzeugs zu Recht darauf hin, dass der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gehalten ist, die Schadensbehebung in angemessener Frist durchzuführen. Die Beweislast für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht trägt nach allgemeinen Grundsätzen aber der Schädiger.
(…) gilt, dass der Geschädigte durch die Einschaltung eines Dritten, hier der Reparaturwerkstatt, nicht von seiner Pflicht entbunden ist, sich um eine wirtschaftliche Abwicklung des Schadens zu kümmern. Er hat insoweit für eine zügige Durchführung der Reparatur Sorge zu tragen, wenn er für den Nutzungsausfall Ersatz verlangen will (BGH a. a. O.). (…) Nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht jedoch zu Überzeugung des Senats fest, dass der Geschädigte all dies vorliegend beachtet hat. (…) Die Verzögerung der Reparaturfertigstellung war nach der glaubhaften Aussage des Zeugen der Tatsache geschuldet, dass die zeitnah mit dem Eintreffen des Fahrzeugs begonnenen Reparaturarbeiten nicht fertiggestellt werden konnten, weil (zuletzt noch) eine Dichtung für die beschädigte Fahrertür fehlte und diese zunächst nicht lieferbar war.(…) Eine Behelfsreparatur, so der Zeuge, sei hiernach nicht möglich gewesen.(…) Bei dieser Sachlage ist die Frage, ob der Zeuge (Geschädigter) in hinreichendem Maße für eine schnellstmögliche Reparaturdurchführung Sorge getragen, zumindest insoweit auf eine schnelle Erledigung gedrängt hat, nur noch von nachrangiger Bedeutung, denn er hatte, ebenso wie die Werkstatt selbst, keinen Einfluss auf die Lieferfrist für die fehlende Türdichtung.“
Das Urteil ist – für BAV-Mitglieder kostenlos – in der Urteilsdatenbank des Verbandes abrufbar. siehe urteilsdatenbank.bav.de