Vermietung nach Unfall

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 48/24

Amtsgericht Ahrensburg 48a C 133/24 vom 26.09.2024

  1. Die Geschädigte musste keine Marktforschung betreiben, um während der Ausfallzeit einen Mietwagen zu nutzen, dessen Kosten erstattungsfähig sind.
  2. Die von der Geschädigten von dem Schädiger bzw. seiner eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherung verlangten Schadenersatzzahlungen für die Nutzung eines Ersatzmietwagens sind vollständig berechtigt.
  3. Anhand der Beispiele anderer Anbieter, welche die Klägerin vorgelegt hat, wird erkennbar, dass die Mietwagenabrechnung im Rahmen gängiger Marktpreise erfolgte.
  4. Die von der beklagten Haftpflichtversicherung dagegen aufgezeigten Internetbeispiele sind nicht relevant, weil sie einen Markt ein Jahr später betreffen und die Kunden dort eine Kreditkarte benötigt hätten. 
  5. Zusatzkosten des Autovermieter für Nebenleistungen wie Automatikgetriebe und Zustellen und Abholen sind ebenso vom Versicherer des Unfallverursachers zu erstatten.
  6. Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen entfällt bei klassenkleinerer Anmietung.

Zusammenfassung:

Das Amtsgericht Ahrensburg spricht der Geschädigten die vollen restlichen Mietwagenkosten zu, da die Klägerseite dem Gericht aufzeigen konnte, dass die Preise des Autovermieters marktkonform gewesen sind. Dazu nutzte der Anwalt der Geschädigten Internetpreise des regionalen Marktes, die zuvor angefertigt und für eine spätere Verwendung archiviert wurden. Auch vom Versicherer wurden Internetbeispiele verwendet, die jedoch nicht den Anmietzeitraum betrafen und vom Gericht auch deshalb als irrelevant angesehen wurden.
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 47/24

Amtsgericht Fürstenfeldbruck 4 C 910/23 (2) vom 01.02.2024

  1. Die Leasingnehmerin ist zur Durchsetzung der Forderungen nach einem Haftpflichtschaden aktivlegitimiert, da sie – wie sich aus dem Leasingvertrag ergibt – sich selbst um den Schaden zu kümmern habe.
  2. Eine Leasingnehmerin kann sich grundsätzlich darauf berufen, dass Werkstattrisiko und Mietwagenrisiko beim Schädiger liegen.
  3. Die Einwendungen der Beklagten zu unberechtigten Reparaturpositionen und in der Höhe überzogenen Rechnungspositionen können aufgrund der subjektbezogenen Schadenbetrachtung unbeachtet bleiben, ebenso wie die Frage, ob die Rechnung vom Geschädigten bezahlt ist.
  4. Bei Mietwagenkosten unterhalb des Schwacke-Normaltarifes muss sich der Geschädigte nicht nach günstigeren Alternativen umsehen.
  5. Lediglich wenn konkrete Tatsachen mit erheblichen Auswirkungen auf den Fall vortragen werden, begegnet die Anwendung der Schwacke-Liste Bedenken, denen dann nachzugehen wäre.
  6. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten hat nicht zu erfolgen, da ein klassenniedrigeres Fahrzeug angemietet wurde.

Zusammenfassung:

Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck spricht der Klägerin weitere Reparaturkosten auf der Basis der subjektbezogenen Schadenbetrachtung zu. Zu Mietwagenkosten wendet das Gericht § 287 ZPO an und schätzt mittels Schwacke. Die dagegen vorgebrachten Bedenken mittels Internet-Screenshots und Fraunhofer werden zurückgewiesen.

Bedeutung für die Praxis:

Die Rechtsprechung des BGH vom 16.01.2024 zum Herstellungsrisiko (Werkstattrisiko, Sachverständigenrisiko, Abschlepprisiko, Mietwagenrisiko,…) konnte das Gericht Ende Januar eher noch nicht kennen. Und doch urteilte es auf der Basis der subjektbezogenen Schadenbetrachtung zumindest bezüglich der Reparaturkosten. Eventuelle Rückforderungsansprüche – sollte der Versicherer hier einen ungerechtfertigten Nachteil erlitten haben – wurden Zug um Zug vom Geschädigten an ihn abgetreten. Der subjektbezogene Schadenbegriff wurde Ende Januar bereits blitzsauber angewendet.
Bei den Mietwagenkosten entschied das Gericht jedoch, sich mit den Details zu befassen. Die Schwacke-Liste sei zur Schätzung der erforderlichen Schadenersatzzahlung anwendbar, die Fraunhofer-Liste nicht. Mängel bei Fraunhofer werden in der geringen Anzahl der beteiligten Autovermieter gesehen und zusätzlich in der Beschränkung auf Internet-Werte, der Zusammenstellung in 2-stelligen PLZ-Gebieten sowie in der Nähe zur Versicherungswirtschaft, die diese Liste beauftragt habe. Daher sei Fraunhofer keine neutrale Markterhebung.
Auch im Bereich der Mietwagenkosten hätte bei Vorteilsausgleichsabtretung ein detailliertes Befassen mit den Argumenten der Beklagten unterbleiben können. Eine Feststellung „Geschädigte/n trifft bei Preisen unter Schwacke kein Auswahlverschulden“ hätte genügt.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 45/24

Amtsgericht Hamburg -St. Georg 916 C 55/23 vom 12.07.2023

  1. Die vom Zessionar / Autovermieter aus abgetretenem Recht geforderten Mietwagenkosten in Höhe der Mietwagenrechnung sind vom Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers vollständig zu ersetzen.
  2. Die verwendete Abtretungserklärung zur Übertragung des Schadenersatzanspruchs von der Geschädigten an den Vermieter ist gültig und der Autovermieter daher für den Schadenersatzprozess aktivlegitimiert.
  3. Die Hinweise der Beklagten auf die Fraunhofer-Liste und Internetbeispiele sind kein hinreichendes Argument gegen ihre Pflicht zur Kostenerstattung des Ersatzwagens.
  4. Die Geschädigte musste sich nicht nach günstigeren Angeboten erkundigen.
  5. Kosten für die Reduzierung der Mieterhaftung für eventuelle Schäden am Mietwagen und für das Zustellen und Abholen sind ebenso erstattungsfähig.
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 44/24

Landgericht Koblenz 5 S 18/24 vom 09.09.2024 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht Linz am Rhein 23 C 455/23 vom 26.03.2024)

1. Die erstinstanzliche Heranziehung der Schwacke-Werte zur Bestimmung der ersatzfähigen Mietwagenkosten nach einem Unfall ist nicht zu beanstanden.
2. Die gegen die Verwendbarkeit der Schwacke-Liste durch die Beklagte vorgelegten Preisbeispiele sind kein konkreter Sachvortrag.
3. Auf den Grundbetrag ist ein unfallbedingter Aufschlag wegen der Eilbedürftigkeit der Anmietung gerechtfertigt.
4. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Winterreifen und Zustellen/Abholen sind ebenfalls von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu ersetzen.

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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 43/24

Landgericht Düsseldorf 20 S 153/22 vom 11.09.2024
(Vorinstanz AG Düsseldorf 25 C 129/22 vom 21.12.2022)

1. Die für die Aktivlegitimation der Klägerin verwendete Abtretungserklärung verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und auch nicht gegen das Transparenzgebot des BGB.
2. Die Höhe erstattungsfähiger Mietwagenkosten wird mittels Fracke-Werten bestimmt.
3. Für ersparte Eigenaufwendungen sind 5 Prozent vom Grundbetrag in Abzug zu bringen.
4. Die Kosten Nebenleistungen in Höhe der Werte aus der Schwacke-Nebenkostentabelle sind ersatzfähig, da die Leistungen für eine Reduzierung der SB auf Null, Navigationsgerät, Zweitfahrererlaubnis und Zustellen und Abholen vereinbart und erforderlich gewesen sind. 
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 42/24

Amtsgericht Hamburg-Altona 315b C 30/23 vom 24.05.2024

1. Der Restbetrag der Mietwagenkosten für ein kleineres Ersatzfahrzeug im Vergleich zum nicht mehr fahrbereiten beschädigten Fahrzeug der Gruppe 07 ist vollständig vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zu ersetzen.
2. Zur Bestimmung der schadenrechtlich ersatzfähigen Kosten wird nicht auf die Fraunhofer-Liste abgestellt.
3. Maßgeblich zur Bestimmung des ortsüblichen Betrages erscheint der klägerische Vortrag zur Erschütterung der Anwendbarkeit der Fraunhofer-Werte mittels konkreter vergleichbarer Preisbeispiele.
4. Erkundigt sich die Geschädigte nicht selbst durch eine Marktrecherche nach dem günstigsten Angebot, liegt darin – anders als die Beklagte behauptet – kein Verstoß gegen die Pflicht zur Geringhaltung des Schadens.
5. Kosten der Nebenleistungen für Winterreifen und Navigation sind erstattungsfähig. 

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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 41/24

Landgericht Itzehoe 1 S 41/23 vom 10.09.2024 (Datum mündliche Verhandlung) 
(Vorgericht Amtsgericht Meldorf 97 C 74/22 vom 11.04.2023)

1. Die Berufung der Klägerin mit dem Ziel der Erstattung vollständiger Mietwagenkosten ist begründet.
2. Es geht nicht zu Lasten des Geschädigten, wenn er dadurch höhere Mietwagenkosten auslöst, dass er den Reparaturauftrag erst nach Regulierungszusage des gegnerischen Haftpflichtversicherers erteilt.
3. Lieferverzögerungen von Ersatzteilen und die sich daraus ergebende längere Reparaturdauer sind Risiken des Schädigers aus denen sich höhere Mietwagenkosten ergeben können, die der Schädiger zu ersetzen hat.
4. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann nicht angenommen werden, wenn der Geschädigte bei einer fünfstelligen Summe den Schaden nicht zunächst aus eigener Tasche reguliert. Eine Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit ist daher zu verneinen.
5. Da die Höhe der Schadenpauschale von 25 Euro zwischen den Parteien unstreitig war, wurde sie vom Erstgericht zu Unrecht auf 20 Euro gekürzt. 

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Schwacke-Automietpreisspiegel 2024 erschienen

Die Firma Schwacke hat auch in 2024 wieder Preise für den Mietwagenkosten-Normaltarif erhoben. Die Ergebnisse wurden nun wie gewohnt im Online-Portal SchwackeNet veröffentlicht. Ein erster Blick auf die Werte „arithmetisches Mittel / Bundesdurchschnitt“ ergibt wenig Veränderung zum Vorjahr.

BAV-Mitglieder erhalten in Kürze eine kleine Auswertung nach einem etwas detaillierteren Blick in die Zahlenreihen.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 40/24

Landgericht Köln 22 O 124/24 vom 05.08.2024

1. Die erforderlichen Kosten für den Mietwagen zum Ersatz der entzogenen Mobilität werden mittels Mischmodell Fraunhofer / Schwacke geschätzt.
2. Die wechselseitig geäußerte Kritik an den beiden Schätzgrundlagen wird durch das Mischmodell berücksichtigt.
3. Auf den Grundtarif der Mietwagenkosten ist ein unfallbedingter Aufschlag in Höhe von 20 Prozent als angemessen anzusehen, zuzusprechen bereits aufgrund der unbestimmten Mietdauer.
4. Ein Abzug für ersparte eigene Aufwendungen wäre unbillig, da das Mietfahrzeug bereits klassenniedriger eingestuft war, als das Fahrzeug des Geschädigten.
5. Die Kosten erforderlicher und erbrachter Nebenleistungen sind zu erstatten, hier Haftungsreduzierung ohne Selbstbeteiligung, Winterreifenkosten, Navigationsgerätekosten sowie Kosten für Zustellen und Abholen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Köln spricht eine geforderte restliche Schadenersatzforderung aufgrund Mietwagen vollständig zu. Zur Schätzung des Grundbetrages des Mietwagens wird Fracke angewendet. Hinzu kommen ein 20%iger Aufschlag für unfallbedingte Mehrleistungen und die Kosten für Nebenleistungen, bestimmt anhand der Werte der Schwacke-Nebenkostentabelle.  

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht bleibt beim Mischmodell und folgt der Klägerin nicht in dem Punkt, dass die Fraunhofer-Liste wegen aktuell feststellbarer Mängel überhaupt im Rahmen des Mischmodells noch eine anwendbare Schätzgrundlage ist. Die klägerische Kritik wurde inhaltlich nicht diskutiert, sondern lediglich damit weggewischt, dass beide Erhebungen in der Rechtsprechung und Literatur kritisiert würden und man eben deshalb ja den Mittelwert Fracke bilde.
Die Kritik des Gerichtes an der Schwacke-Liste ist die übliche Falschinformation „Fragebögen“, von der die Gerichte nicht wegkommen, weil sie sich nicht ausreichend dafür interessieren und statt dessen nur ein Richter vom anderen per copy ’n‘ paste Urteilsbegründungen abschreibt. Der außerdem genannte Kritikpunkt, dass Schwacke den Internetmarkt nicht abbilde, ist einerseits falsch, wie das eigene Zitat des Vorwortes belegt und darüber hinaus auch unsinnig. Denn eben diejenigen Angebote im Internet, die Fraunhofer berücksichtigt, sind ja das Problem. Wie daraus, dass Schwacke das nicht so mache ein Nachteil erwachsen könnte, erschließt sich nicht. Letztlich will das Gericht beim Mischmodell bleiben und auch das führt bei Berücksichtigung des Aufschlages und der Nebenkosten bereits zum vollständigen Obsiegen der Klägerseite.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 39/24

Amtsgericht Siegburg 113 C 10/24 vom 28.08.2024

1. Die „Hinweise“ der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers an den Geschädigten binden diesen nicht an die dort genannten Höchstpreise für einen Ersatzwagen.
2. Die von der Beklagten genannten Preise beruhen nicht auf konkrete und vergleichbare und damit auch nicht auf annahmefähige Mietwagenbeispiele.
3. Die Aussage der Versicherung wird nicht bestätigt, solche Angebote seien bereits dann verpflichtend zu beachten, wenn sie ein vergleichbares Modell und die Zustellung zum Anmietort verspreche.
4. Die Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten erfolgt anhand des Mischmodells zuzüglich eines 20-prozentigen Aufschlages für unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters.
5. Der klägerische Vortrag gegen die Anwendung der Fraunhofer-Werte im Rahmen des Mischmodells wird nicht diskutiert.
6. Auch die Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind erstattungsfähig.
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 37/24

Amtsgericht Rheinbach 5 C 90/24 vom 11.09.2024

1. Die Fraunhofer-Liste ist aufgrund von Mängeln für diesen konkreten Fall nicht verwendbar.
2. Eine Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten erfolgt anhand der Werte der Schwacke-Liste.
3. Die Argumentation der Beklagten mittels Internet-Screenshots ist unkonkret, weil nicht auf den zu entscheidenden Fall bezogen.
4. Auf den Grundpreis der zu erstattenden Mietwagenkosten ist ein Aufschlag wegen erforderlicher unfallbedingter Mehrleistungen gerechtfertigt.
5. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Winterreifen, Zustellen, Zweitfahrer-Erlaubnis, Anhängerkupplung und Navi sind ebenso erstattungsfähig und werden nach der Schwacke-Nebenkostentabelle bemessen.
6. Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen entfällt bei klassenkleinerer Anmietung.
7. Kosten durch die außergerichtliche Anwaltseinschaltung sind vom Schädiger zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Rheinbach wendet allein die Schwacke-Werte an, weil die Fraunhofer-Liste für die in Rede stehende Mietwagenklasse keine Werte liefert. Auf den Grundbetrag des Normaltarifes ist ein unfallbedingter Aufschlag gerechtfertigt, ebenso wie die Kosten der erforderlichen Nebenleistungen. 
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 36/24

Landgericht München I 6 S 7498/22  vom 27.08.2024 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht München 242 C 651/22 vom 23.06.2022)

1. Reguliert die Versicherung des Schädigers vorgerichtlich einen Teilbetrag der Mietwagenrechnung, ist das für den Anspruchsteller nur so zu verstehen, dass der Versicherer sich gegenüber seinem Versicherungsnehmer als deckungspflichtig ansieht und Ansprüche aus dem Haftpflichtschaden grundsätzlich gegenüber dem Anspruchsteller anerkennt. Der Versicherer kann die Frage, ob ein Erstattungsanspruch für den Mobilitätsbedarf besteht, sodann im Gerichtsprozess nicht mehr bestreiten.
2. Die erstinstanzliche Schätzung der Höhe erforderlicher Mietwagenkosten ist nicht zu beanstanden.
3. Der Schädiger hat keinen Anspruch darauf, dass die Rechtsprechung für ihn verlässlich immer gleich erfolgt. Im Übrigen kann eine Entscheidung unter Verwendung der Werte der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel nicht überraschend sein, wenn sich die Klägerin bei der Bezifferung des Anspruchs darauf berufen hatte.
4. Die Anwendung des Mischmodells Fracke erscheint geeignet, die vieldiskutieren Schwächen der Erhebungen von Fraunhofer und Schwacke auszugleichen.
5. Allgemeiner Vortrag der Beklagten und zwei mit dem Fall nicht vergleichbare Internet-Screenshots sind nicht als konkreter Sachvortrag gegen die Anwendung einer Schätzgrundlage anzusehen. Die Internet-Screenshots sind vier Jahre später erstellt und es wird nicht klar, welche Leistungen sie konkret umfassen. 

Zusammenfassung: Das Landgericht München I bestätigt eine erstinstanzliche Entscheidung, die nach einem Vergleich mit den Werte der Schwacke-Liste sämtliche restliche Forderungen des Autovermieters zugesprochen hatte. Das erstinstanzliche Gericht hatte ausdrücklich die Verwendbarkeit der Schwacke-Liste betont, die Restforderung belief sich jedoch nur auf einen Forderungsbetrag im Rahmen des Mischmodells Fracke. Daher stellte die Berufungskammer auf Fracke ab. Die wie selbstverständlich vorgetragene Position der Beklagten, in München müsse es nach den Fraunhofer-Werten gehen, wurde durch das Gericht mit klaren Formulierungen verneint.
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 35/24

Amtsgericht Dresden 113 C 5624/23 vom 07.06.2024

1. Die vom Haftpflichtversicherer zu ersetzen Kosten für einen Ersatzwagen bestimmen sich nach der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel.
2. Das Gericht folgt der Auffassung der Versicherung nicht, es sei statt dessen die Fraunhofer-Liste anzuwenden und der dort abgedruckte Wert heranzuziehen.
3. Als nicht angemessen sind lediglich solche Mietwagenkosten zu bewerten, die ab 50 Prozent über dem Normaltarif des Marktes erheblich überhöht sind.
4. Eine generelle Erkundigungspflicht nach alternativen Angeboten besteht nicht.
5. Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen entfällt bei klassenkleinerer Anmietung.
6. Außergerichtliche Anwaltskosten sind erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Dresden wendet die Werte der Schwacke-Liste an . Es gibt keine grundsätzliche Erkundigungspflicht nach anderen Angeboten, wenn sich das erste und realisierte Angebot im Rahmen des Normaltarifes nach Schwacke bewegt.
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 34/24

Landgericht Schweinfurt 47 S 18/23  vom 02.02.2024
(Vorinstanz AG Bad Kissingen 72 C 3/23 vom 25.04.2023)

1. Die Beklagte zeigt weder eine Rechtsverletzung nach § 546 ZPO noch die Rechtfertigung einer Änderung der Entscheidung des Erstgerichts aufgrund der berücksichtigten Tatsachen auf.
2. Die Auffassung des Erstgerichtes ist zutreffend, dass das von der Beklagten unterbreitete Angebot eines Mietwagens an den Kläger für diesen nicht bindend war.
3. Das Angebot der Beklagten war schon deshalb unbeachtlich, weil es an die Reparaturwerkstatt übermittelt wurde, was der Kläger im Zweifel nicht einmal gewusst haben muss. Eine Nebenpflicht der Werkstatt zur Weitergabe der Information ist fernliegend.
4. Das Angebot selbst war auch unzureichend, denn es enthielt lediglich eine Preisvorgabe und ein Versprechen einer Bereitstellung, jedenfalls kein annahmefähiges Angebot mit allen Details zu Fahrzeug, Nebenleistungen und zum Wie und Wann.
5. Die Kosten außergerichtlicher anwaltlicher Tätigkeit sind erstattungsfähig. 

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht in Schweinfurt bestätigt das Vorgericht in seiner Auffassung, dass die zu erstattenden Mietwagenkosten entsprechend der Erforderlichkeit nach § 249 BGB zu bestimmen sind. Denn ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht durch den Kläger – der eine Preisvorgabe des Haftpflichtversicherers nicht beachtet hatte – wurde nicht festgestellt.
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 33/24

Amtsgericht Andernach 62 C 100/24 vom 12.07.2024

1. Die Höhe erforderlicher Mietwagenkosten nach einem Unfall kann mittels der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel geschätzt werden.
2. Das Gericht widerspricht der Auffassung der Beklagten, lediglich die Fraunhofer-Liste sei verwendbar.
3. Der Geschädigte verstößt mit einem höheren Mietpreis über dem Normaltarif nicht gegen seine Schadenminderungspflicht, wenn die Besonderheiten des Tarifs auf unfallbedingten Zusatzleistungen des Vermieters beruhen, die aus Sicht des Geschädigten als erforderlich anzusehen sind.
4. Forderungen aufgrund von vereinbarten Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Zustellen / Abholen, Navigation, Winterreifen und Zusatzfahrer sind zusätzlich erstattungsfähig.
5. Die Kosten außergerichtlicher Anwaltsvertretung sind ebenso vom Schädiger zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Andernach wendet zur Bestimmung der Höhe von Mietwagenkosten nach einem Unfall die Schwacke-Werte an. Wegen unfallbedingter Zusatzleistungen wird ein Aufschlag zugesprochen. Auch die Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind vom Versicherer des Unfallverursachers zu ersetzen.
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R+V-Preisliste wieder ein Fall für die Rundablage?

Die R+V-Versicherung fährt folgende Strategie: Man zahlt fast nichts, lässt sich verklagen und gibt auf dem Postweg an alle Geplagten eine freundliche Preisliste heraus, was man außergerichtlich und freiwillig zu zahlen bereit wäre. Die Werte darin sind weniger als das, was Gerichte landauf landab für angemessen halten (außer vielleicht in Hamburg).

Das soll folgendes Beispiel zeigen:

Nach Mischmodell Fracke zuzüglich Nebenkosten für Haftungsreduzierung, Zweitfahrer und Zustellen/Abholen (nur eine Auswahl an möglichen Nebenleistungen) ergibt sich für eine Miete der Mietwagenklasse 05 in Wiesbaden (PLZ 651** und 652**) pro Woche:

431,33 Euro Grundpreis
+ 159,25 Euro Haftungsreduzierung
+ 84,63 Zweitfahrer
+ 60,88 Zustellen/Abholen

Summe = 736,09 Euro brutto

Die R+V bietet den Autovermietern als freiwillige Zahlung nach ihrem Tableau für diese Leistung einen Betrag in Höhe von 524,79 Euro brutto (klassenkleiner).

Wer allerdings sowieso keine Nebenkosten mit dem Mieter vereinbart oder wer seinen Mieter, obwohl der dem Versicherer gegenüber einen Anspruch auf eine niedrige Selbstbeteiligung für Schäden hat, mit einer SB von 1000 Euro fahren lässt, der kann das Tableau nutzen.

Welche anderen Schweinereien in dem Tableau versteckt sind, erklären wir den Mitgliedern im internen Bereich der Seite und zeigen dort auch das Tableau selbst.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 32/24

Amtsgericht Köln 276 C 179/23 vom 17.05.2024

1. Ein Verstoß des Geschädigten gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schaden ist nicht festzustellen, denn das an ihn gerichtete Schreiben des Schädiger-Versicherers enthält kein annahmefähiges Angebot.
2. Die Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten wird bezüglich des Grundwertes mit dem Mischmodell bestimmt.
3. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten in Höhe von 4 Prozent ist ausreichend.
4. Für unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters ist ein Aufschlag in Höhe von 20 Prozent vorzunehmen.
5. Ebenso sind die Kosten angefallener Nebenleistungen für eine Haftungsreduzierung, für Winterreifen und für das Zustellen und Abholen des Mietwagens zum Ort des Ersatzbedarfs erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Köln weist einen Vorwurf der Verletzung der Schadenminderungspflicht zurück und spricht die erforderlichen Mietwagenkosten nach dem Mischmodell zuzüglich Aufschlag und Nebenkosten zu.
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 31-24

Landgericht Schweinfurt 32 S 15/23 vom 15.07.2024
(Vorinstanz Amtsgericht Schweinfurt 1 C 152/23 vom 26.04.2023)

1. Der Geschädigte hat mit der Miete des Ersatzfahrzeuges nicht gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verstoßen.
2. Das Schreiben der Beklagten enthielt kein relevantes Mietwagenangebot und damit waren auch die genannten Höchstpreise nicht relevant für den Geschädigten.
3. Der erforderliche Betrag für den Mietwagen bemisst sich daher nach regionalen Marktpreisen, welche mittels der Werten der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel geschätzt werden.
4. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten ist in Höhe von drei Prozent als angemessen anzusehen.
5. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung und Winterreifen sind vom Versicherer des Unfallgegners ebenso zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Landgericht Schweinfurt spricht dem Geschädigten weiteren Schadenersatz nach Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zu. Der Geschädigte hat nicht gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen, als er bei einem regionalen Vermieter mietete, da ein Schreiben des Versicherers kein konkretes Mietwagenangebot enthielt. Die Höhe erstattungsfähiger Mietwagenkosten wird mittels Schwacke geschätzt.
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Stiftung Warentest und Unfallschadenregulierung: Verbraucherinformation inzwischen korrekt

Vor einiger Zeit hat die Stiftung Warentest noch sehr oberflächlich formulierte Hinweise für Unfallgeschädigte veröffentlicht. Dazu hatten wir sie konkret angeschrieben und auf Probleme mit Versicherungen des Unfallgegner bei frühem Kontakt hingewiesen, über die man wohl keine Kenntnis hatte.

Inzwischen heißt es bei der Stiftung Warentest richtig, dass Geschädigte sich vor einem zu frühen Kontakt mit dem Gegnerversicherer hüten sollten. Verlockende Angebote sind trügerisch, Absprachen gelten einseitig. Das Wissen um das Schadenrecht ist ungleich verteilt, daher:

Ohne einen Anwalt kein Wort zum Versicherer des Unfallgegners.

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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 30-24

Oberlandesgericht Oldenburg 1 U 173/22 vom 21.09.2023 (Vorinstanz Landgericht Osnabrück 7 O 1492/22 vom 19.10.2022) 1. Dem Kläger steht die Zahlung einer Nutzungsausfallpauschale für 148 Tage zu. 2. Der Anspruch besteht für den Zeitraum, der zur Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes erforderlich ist, in Form eines Wahlrechts eines konkreten Nutzungsausfallschadens wie Mietwagenkosten oder einer pauschalierten Entschädigung. 3. Der zu prüfende Nutzungswille ist grundsätzlich auch dann als gegeben anzusehen, wenn der Geschädigte ein beklagtenseits finanziertes Mietfahrzeug vorzeitig zurück gibt.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 29-24

Amtsgericht Siegburg 112 C 151/23 vom 13.05.2024

1. Die Kosten des Ausfallschadens für einen Ersatzwagen sind nach den Mittelwerten aus Schwacke bestimmbar.
2. Eine Anwendung der Fraunhofer-Werte ist nicht mehr möglich, auch im Rahmen des Mischmodells Fracke nicht angezeigt.
3. Die Internetbeispiele, auf die die Beklagte verwies, sind kein konkreter Sachvortrag, beziehen sich nicht auf den zu entscheidenden Fall.
4. Kosten für Nebenleistungen, die für die Kompensation des Ausfallschadens des Geschädigten erforderlich gewesen sind, sind nach der Schwacke-Nebenkostentabelle erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Diese Abteilung des Amtsgerichts Siegburg wendet die Fracke-Liste nicht mehr an. Da die Fraunhofer-Werte zumindest seit 2021 den örtlichen Markt – gerichtsbekannt – nicht mehr wenigstens einigermaßen realistisch abbildet, steht dem Gericht nur noch die Schwacke-Liste als verwendbare Schätzgrundlage zur Verfügung. Nebenkosten aus der Schwacke-Nebenkostentabelle kommen hinzu.

Bedeutung für die Praxis: Die
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Vorsicht vor Versprechungen der Versicherung des Unfallgegners

Das Schadenersatzrecht verlangt von Geschädigten eine gewisse Beachtung des Grundsatzes, dass der Schadenumfang nicht unnötig ausufern darf. Schadenminderungs-Obliegenheit lautet der korrekte Begriff. Versicherer versuchen seit Jahren, die unschuldig in einen Unfall verwickelten Geschädigten ganz früh – am Besten noch an der Unfallstelle – anzurufen und/oder ihnen ein erstes Schreiben zuzusenden und darin in freundliche Worte geparkte rechtliche Vorgaben zu machen.

Das Interesse des Haftpflichtversicherers des Unfallgegners ist dabei trotz der Freundlichkeit des Auftretens mitnichten das Wohl des Geschädigten, sondern ihr eigenes Budget. Es werden Behauptungen aufgestellt. Der Nennung von
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 28-24

Amtsgericht Köln 264 C 88/23 vom 29.04.2024 (Datum mdl. Verhandlung)

1. Der Vorwurf der Versicherung gegen den Geschädigten ist unberechtigt, er hätte eine Preisvorgabe in Bezug auf die Mietwagenkosten beachten müssen. Der Versicherer hat ihm kein passendes annahmefähiges Angebot unterbreitet.
2. Die erforderlichen Mietwagenkosten richten sich nach dem auf dem Markt üblichen Preis, der mit Fracke geschätzt wird, abzüglich 4 Prozent Eigenersparnis bei gleicher Mietwagenklasse.
3. Zum Grundtarif kommen Kosten für Nebenleistungen hinzu, hier für Haftungsreduzierung, Winterreifen und Zustellen/Abholen.
4. Die Corona-bedingten Desinfektionskosten kann der Autovermieter nicht verlangen.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Köln sieht keinen Verstoß des Geschädigten gegen die Schadenminderungspflicht darin, dass eine Preisvorgabe nicht beachtet wurde. Das Gericht schätzt mit Mischmodell und fügt die Nebenkosten hinzu.

Bedeutung für die Praxis: Der
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 26-24

Amtsgericht Leverkusen 24 C 163/23 vom 19.04.2024 

1. Ein Geschädigter muss sich im Normalfall nicht nach einem besonders günstigen Mietwagen erkundigen, um einen Ersatzwagen zu mieten und den Preis vom Haftpflichtversicherer vollständig ersetzt zu bekommen. 
2. Dem Vorwurf der Versicherung des Unfallgegners gegen den Geschädigten, der habe gegen seine Pflicht zur Schadengeringhaltung verstoßen, da er dessen Mietwagenangebot ausgeschlagen habe, widerspricht das Gericht.
3. Die Schätzung der zu erstattenden Mietwagenkosten entsprechend der Erforderlichkeit erfolgt mittels Mischmodell.
4. Kosten konkret angefallener Nebenleistungen für Haftungsreduzierung auf SB 150 und Zustellen/Abholen sind vom Versicherer zu erstatten.
5. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten ist in Höhe von 10 Prozent als angemessen anzusehen, hier jedoch wegen einer klassenkleineren Anmietung nicht vorzunehmen.
6. Außergerichtliche Anwaltskosten hält das Gericht nicht für erforderlich.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Leverkusen sieht keinen Verstoß des Geschädigten durch Anmietung eines Ersatzwagens zum Marktpreis. Denn das angebliche Direktvermittlungsangebot war unzureichend. Die Mietwagenkosten werden mittels Fracke bestimmt zuzüglich Nebenkosten.

Bedeutung für die Praxis: Ob sich der Geschädigte nach günstigeren Mietwagenangeboten erkundigen muss, hängt einzig und allein vom Preis des Ersatzwagens ab, den er angeboten bekommt. Ist der Preis nicht deutlich zu teuer, muss er sich auch nicht nach Alternativen erkundigen.
Der Geschädigte erhielt von der Beklagten kein konkretes Mietwagenangebot. Es war lediglich ein allgemeiner Hinweis, der umfangreiche Prüfungen und umständliche Erkundigungen erfordert hätte. Das hat dem Gericht nicht ausgereicht, daher durfte er sich ein Fahrzeug seiner Wahl zum Marktpreis besorgen. Dieser wird an Fracke gemessen. Hier zieht das Gericht zweifelhafte Schlussfolgerungen: Wenn die Kläger von sich aus nur Fracke einklagen würden, sei erkennbar, dass das Mischmodell richtig ist. Der Grund dafür dürfte jedoch sein, dass Gerichte beim Mischmodell verharren wollen und Argumenten der Kläger nicht zugänglich sind, da ein Abweichen Aufwand nach sich zieht. Kläger reduzieren nur aus einem Grund ihre Forderungen auf Fracke: Weil es zu teuer ist, immer wieder per Quote Verfahrenskosten zu tragen.
Die Kosten einer Haftungsreduzierung mit geringer Selbstbeteiligung sind unabhängig von der Frage zu erstatten, ob der Geschädigten sein eigenes beschädigtes Fahrzeug auch mit einer niedrigen Selbstbeteiligung bei einem Kaskoversicherer abgesichert hat. Bereits die Unsicherheiten im Umgang mit einem Mietwagen seien Grund genug dafür. 
Sonderbar urteilt das Gericht auch in Bezug auf die Kosten der außergerichtlichen Anwaltsbeauftragung. Danach hätte der Zessionar vorgerichtlich keinen Anwalt einschalten dürfen, da er als Dienstleister selbst rechtskundig sei. Als würden alle Versicherer und dort alle Sachbearbeiter gleich reagieren. Doch so ist es nicht und der Versuch, jeden Regulierungsfall außergerichtlich zu klären, sollten Gerichte fördern und nicht abwürgen.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 25-24

Amtsgericht Brühl 25 C 121/23 vom 03.06.2024 

1. Zur Schätzung der nach einem Unfall erforderlichen Mietwagenkosten ist der Mittelwert aus Schwacke und Fraunhofer geeignet.
2. Der Beklagten gelingt es mit den vorlegten Internetbeispielen nicht, geeignete Argumente gegen die Verwendung der Schwacke-Liste im Rahmen des Mischmodells anzubringen, u.a. da ein von der Klägerin vorgelegtes Internetangebot einen weit höheren Betrag enthält.
3. Auf den Grundbetrag ist ein Aufschlag wegen unfallbedingter Mehrleistungen in Höhe von 20 Prozent zuzusprechen.
4. Kosten der erweiterten Haftungsreduzierung sind schon deshalb erstattungsfähig, weil ein eventueller Schaden bei einem nahezu neuen Mietfahrzeug viel teurer werden könnte als beim eigenen in der Regel älteren Fahrzeug.
5. Der Beklagten ist nicht in der Ansicht zu folgen, eine Navigations-Ausstattung sei nicht erforderlich, weil der Geschädigte  sein Mobiltelefon hätte verwenden können.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Brühl wendet den Mittelwert aus den Listen an zuzüglich unfallbedingtem Aufschlag und Nebenkosten.

Bedeutung für die Praxis: In zwei Punkten gibt das Gericht ausführliche Antworten auf abenteuerliche Vorstöße der Beklagten: zur Haftungsreduzierung und zum Anspruch auf Ausstattung mit einem Navigationsgerät.
Das Anrecht des Geschädigten auf die vertraglich vereinbarte Reduzierung der Haftung für eventuelle Beschädigungen am Mietwagen und die Erstattung der entstehenden Kosten wird im Verfahren vom Versicherer – im Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung – in Abrede gestellt. Das Gericht sieht das anders und begründet ausführlich, warum der Geschädigte einen Anspruch auf diese Absicherung hat. Das Mietfahrzeug habe in der Regel einen viel höheren Wert als das Fahrzeug des Geschädigten. Kommt es zu Schäden, sind die drohenden Kosten dann viel höher als beim eigenen Fahrzeug. Auch steige das Risiko eines Schadens, weil der Mietwagen (im Umgang und seinen Abmessungen) ungewohnt sei. Auch im Selbstzahler-Markt mieten Kunden mit niedriger Selbstbeteiligung an. Daher könne der Kläger die Erstattung der Kosten für Haftungsreduzierung verlangen.
Zur Ausstattung des Ersatzfahrzeuges mit Navigation verweist die Beklagte darauf, dass der Geschädigte sein Mobiltelefon dafür nutzen könnte und daher die Navigationsausstattung nicht erforderlich, Kosten dafür nicht ersatzfähig seien. Das Gericht verneint auch das, da die Funktionalität eine herabgesetzte sei, wie die Größe des Bildschirms, Bild- und Tongebung, und die Bedienung eines Mobiltelefons zum Navigieren eine Handyhalterung voraussetzen würde, um es dem Straßenverkehrsrecht entsprechend nutzen zu dürfen. Ein integriertes System ist daher erforderlich und dessen Kosten zu erstatten. 

Zitat: „Kosten Haftungsreduzierung sind vom Schädiger zu übernehmen“ 

Die Kosten für eine Vollkaskoversicherung sind zu ersetzen. Dies liegt darin begründet, dass die Kosten für einen Schaden am Mietwagen meist höher sind als die für den eigenen Wagen. Mietwägen sind in der Regel moderner als der eigene Wagen und dadurch kommt es auch zu höheren Reparaturkosten. Zudem sind die Fahrer eines Mietwagens zumeist an ihren eigenen Wagen gewöhnt und nicht an den Mietwagen. Dadurch bestehende Besonderheiten sind einem Mietwagenfahrer meist nicht sofort bekannt. Weiterhin ist es auch in Fällen der Anmietung eines Wagens über gängige Vermieter auf dem Markt nicht unüblich, dass die Kunden eine Vollkaskoversicherung mit einbeziehen. Zudem ist zu beachten, dass die Beklagte mit ihren Ausführungen, weswegen ein Zusatzfahrer nicht erstattungsfähig ist, sich widersprüchlich zu ihren Aussagen bezüglich der Vollkaskoversicherung verhält. Wenn aus ihrer Sicht angemerkt wird, dass die Kosten eines Zusatzfahrers nicht zu ersetzen sind, weil eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen wurden ist, dann erkennt sie so indirekt doch selbst an, dass bestimmte extra Risiken bestehen, die abgesichert werden sollten.“ (Amtsgericht Brühl 25 C 121/23 vom 03.06.2024)

Zitat: „Kosten Navigation-Ausstattung sind vom Schädiger zu übernehmen“ 

„Auch die Kosten für ein Navigationssystem sind zu ersetzen. Dass die Beklagte darauf verweist, dass die Nutzung durch eine App auf einem Smartphone sinnvoller gewesen wäre, ändert daran nichts. Der Vorteil der einschlägigen Programme auf dem Smartphone liegt vor allem darin, auf aktuelle Staus, Unfälle oder ähnliche Probleme zu reagieren (wenn diese auftreten). Im Rahmen der üblichen Ansage der Fahrtstrecke, ergibt sich aber selten ein Vorteil. Die Wegführung dürfte in der Regel über ähnliche Strecken gehen. Die Straßenführung ändern sich nicht so schnell wie es die Technik tut. Zudem hat die Nutzung eines Smartphones für die Navigation den Nachteil, dass der Bildschirm im Verhältnis zum Navigationssystem in einem Auto kleiner ist. Die Erkennbarkeit ist zwar grundsätzlich möglich, aber es macht einen Unterschied, ob auf einen ca 6 Zoll oder auf einen ca 14 Zoll großen Bildschirm geschaut wird. Weiterhin wäre bei der Navigation über ein Smartphone regelmäßig noch eine Halterung notwendig, damit das Smartphone in einer Höhe sichtbar ist, die es erlaubt, auf das Gerät zu schauen, ohne erheblich vom Straßenverkehr abgelenkt zu sein. Eine solche Halterung hat nicht jede Person und würde selbst neue Kosten erzeugen. Weiterhin dürften die meisten Autofahrer sowohl die Bild- als auch Tonfunktion eines Navigationssystems nutzen. Im Rahmen dessen muss sichergestellt werden, dass die Person sich nicht zu sehr auf das Navigationssystem konzentriert, vgl. § 23 la Nr. 2 b) StVO. Ob dies durch die Umstände bei einem Smartphone nun besser ist als bei einem im Auto integrierten Navigationssystem erfolgen kann, ist zweifelhaft.“ (Amtsgericht Brühl 25 C 121/23 vom 03.06.2024)

Versicherungen schwer getroffen

Eine Kammer des Landgerichtes Bonn hatte sich vor einiger Zeit von der Fracke-Rechtsprechung abgewendet und schätzt nun wieder allein mit den Werten der Schwacke-Liste. Hintergrund dafür war der erfolgreiche Nachweis eines örtlichen Vermieters, dass die Fraunhofer-Werte den Preis des Mietwagenmarktes nicht bzw. falsch abbilden und sein Verweis auf viele Ungereimtheiten bei Fraunhofer, u.a. dass dort bei Internetpreisen die gefundenen Fahrzeug-Darstellungen lediglich auf die Fahrzeug-Kategorisierung von ACRISS zu beziehen sind und nicht auf die schadenersatzrechtlich notwendige Einteilung der Fahrzeuge in Mietwagenklassen nach Schwacke.

Das Ergebnis: Fraunhofer kann nicht richtig sein, wenn die Fahrzeugeinteilung aus dem Blickwinkel des Schadenrechts willkürlich erfolgt.

Dadurch scheinen Versicherer hart getroffen. Sie wollen wohl versuchen, diesen Gedanken soweit wie möglich im Keim zu ersticken, bevor auch andere Gerichte den Gedanken „willkürliche Fahrzeugeinteilung“ verfolgen und (weil der Gedanke zwingend ist) das Mischmodell ebenso verwerfen wie es das LG Bonn getan hat.

Woran ist die Aufregung bei den Versicherern erkennbar?

Man will das Problem bekämpfen und nutzt dazu versicherungsnahe (aus unserer Sicht) Autoren in der Anwaltschaft, teilweise Ex-OLG-Richter.

Zunächst formulierte ein Dr. Scholten, früher schon als Vorsitzender eines OLG-Senates mit wilden Urteilsbegründungen zu Fraunhofer u.a. aufgefallen und nun als Anwalt tätig, einen unter Richtern unüblichen Angriff auf die renommierte erste Kammer des Landgerichtes in Bonn. Nun schreiben weitere Autoren einer „Versicherungskanzlei“ mit Blick auf das Landgericht Bonn „Zweifelhaft erscheint die kaum einleuchtende Meinung, die Fraunhoferliste sei wegen der Anwendung des ACRISS-Systems im Rahmen der Kategorisierung der Mietwagen nicht verwendbar“ (Halm + Fitz in DAR 6/2024, S. 308). 

Wer sich mit der ACRISS-Einteilung befasst oder sie sich erklären lässt, wird zwangsläufig feststellen, dass Fraunhofer keine korrekten Mietwagenklassen daraus ableiten kann und damit alle Werte der Fraunhofer-Liste willkürlich sein müssen. Das beginnt bereits bei der Preisnennung im Internet, die immer nur eine Beispielangabe darstellt, Zitat: „oder ähnlich“, aber nicht konkret und schon gar nicht mit Ausstattung und Motorisierung versehen ist. Eine korrekte Schwacke-Mietwagenklasse lässt sich für einen Beispiel-Preis daher nie und nimmer ableiten.

Das hat das Landgericht Bonn verstanden und wollen die genannten Autoren – aus ihrer Position im Lager des Versicherers nachvollziehbar – nicht verstehen.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 27-24

Landgericht Bonn 5 S 30/24 vom 17.06.2024 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht Bonn 116 C 262/23 vom 09.04.2024)

1. Ein Geschädigter verstößt nicht gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens, wenn er einen Ersatzwagen zum Marktpreis anmietet.
2. Ein telefonischer Anruf erfüllt grundsätzlich nicht die Anforderungen an ein verbindliches Direktvermittlungsangebot für den Geschädigten.
3. Wenn nicht erkennbar ist, dass dem Geschädigten die genauen Konditionen transparent gemacht wurden, reicht ein Angebot auch über ein Telefonat hinaus nicht aus und ist daher für den Geschädigten nicht bindend.
4. Der bloße Versuch, den Geschädigten zu einem eigenen Kontakt mit einem kooperierenden Autovermieter zu verpflichten, ersetzt nicht die Notwendigkeit eines „ohne weiteres“ zugänglichen Angebotes. 

Zusammenfassung: Das Landgericht Bonn weist die Berufungsausführungen der Beklagten zur Schadenminderungspflicht des Geschädigten mit der Begründung zurück, dass der Versicherer kein konkretes und annahmefähiges Angebot unterbreitet hat.

Bedeutung für die Praxis: Der
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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 23-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 23-24

Amtsgericht Bielefeld 403 C 16/24 vom 13.03.2024 

1. Die Miete eines Ersatzfahrzeugs war über die gesamte der Mietwagenforderung zugrunde liegende Mietdauer gerechtfertigt.
2. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten ist anhand des Mischmodells der Listen Schwacke und Fraunhofer vorzunehmen.
3. Dem sich daraus ergebenden Grundbetrag sind Kosten für eine erweiterte Haftungsreduzierung hinzuzufügen, da beide Listen eine solche Zusatzleistung nur mit sehr hohen Selbstbeteiligungen berücksichtigt haben, der Geschädigte einen Anspruch auf einen Haftungsausschluss (SB = 0) hat und diese zusätzlichen Kosten angefallen sind.
4. Weitere Nebenkosten für Zustellen und Abholen, wintertaugliche Bereifung, die Erlaubnis zur Nutzung durch einen weiteren Fahrer und die Zusatzausstattung des Mietfahrzeuges mit einem Navigationsgerät sind ebenso als erforderlich anzusehen und da die Leistungen erbracht wurden, dem Kläger aus abgetretenem Recht auch zu erstatten.
5. Im Rahmen einer während des Prozesses vom Kläger vorgenommenen Klageerweiterung gelten übliche Verjährungszeiträume für zivilrechtliche Forderungen und da der Betrag der Klageerweiterung nicht Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes war, ist zwischenzeitlich Verjährung eingetreten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Bielefeld orientiert sich an der Mittelwert-Rechtsprechung des Berufungsgerichtes. Nebenkosten für Haftungsreduzierung, Zustellfahrten, Winterreifen, Zusatzfahrer und Navigation sind ebenso erstattungsfähig. Eine verlängerte Mietdauer geht zu Lasten des Schädigers, wenn dem Geschädigten kein Überwachungsverschulden vorzuwerfen ist.

Bedeutung für die Praxis: Zunächst nicht ungewöhnlich wendet das Gericht das Mischmodell Fracke an. In den Begründungen offenbart es jedoch eigene Erkenntnisse, die das infrage stellen. So wird die Verwendung lediglich der Fraunhofer-Liste damit verneint, dass von der Beklagten vorgelegte Internet-Screenshots von einer Vorauszahlungspflicht des Mietzinses und vom Einsatz einer Kreditkarte spätestens bei Abholung des Fahrzeuges ausgehen. Das sei unzumutbar. Aber genau dies und viele weitere Vorbedingungen treffen auch auf die Internetwerte der Fraunhofer-Liste zu. Außerdem seien Internetangebote kein genereller Tarif. Konsequent wäre es daher gewesen, auch die Fraunhofer-Liste im Rahmen des Mischmodells abzulehnen. 
Das Gericht arbeitet deutlich und korrekt die Details zum lediglich geringen Umfang der Haftungsreduzierung heraus, wie sie in den Listen-Grundpreisen inkludiert ist (Fraunhofer 750 € bis 1.500 € und Schwacke 500 € bis 1.500 €). Damit ist dem häufigen Versicherer-Behauptung zu begegnen, dass Zusatzkosten der Haftungsreduzierung unberechtigt gefordert würden, da angeblich bereits im Grundpreis inkludiert.
In Bezug auf die tatsächliche Mietdauer, die der klägerischen Forderung zugrunde liegt, sieht das Gericht das Risiko einer im Vergleich zur Angabe im Sachverständigengutachten längeren Reparatur beim Schädiger. Der Kläger hat mit einem Ablaufplan dargestellt, warum die Reparatur länger dauerte. Damit ist dem Geschädigten in dem konkreten Fall weder Auswahl- noch Überwachungsverschulden vorzuwerfen. Mit Blick auf die neue Rechtsprechung des BGH ist für die Zukunft zu vermuten, dass Gerichte, zumindest wenn der Geschädigte klagt, dieser Frage nicht mehr nachgehen werden. Liegt kein offensichtlicher und laienerkennbarer Grund dafür vor, dass der Geschädigte woanders hätte reparieren oder während des Reparaturprozessen hätte eingreifen müssen, muss der Frage nicht mehr nachgegangen werden. Hat der Schädiger einen Grund, dem Reparaturbetrieb etwas vorzuwerfen, muss er das in einem separaten Verfahren auf dem Rückweg versuchen, wozu ihm vom Geschädigten eventuelle Rückforderungsansprüche abgetreten werden müssen. Klagt der Rechnungsaussteller aus abgetretenem Recht dagegen, dürfte es wie bisher bereits im Schadenersatzprozess zu klären sein, warum die Reparatur länger dauerte. 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 22-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 22-24

Amtsgericht Königswinter 15 C 2/24 vom 08.05.2024

1. Den Maßstab für die wirtschaftliche Erforderlichkeit für Mietwagenkosten bildet der am Markt übliche Normaltarif nach der Schwacke-Liste.
2. Das Gericht ändert seine bisherige Rechtsprechung in der Frage der heranziehbaren Listen mit Verweis auf den BGH ausdrücklich und hält die Fraunhofer-Liste nicht mehr für anwendbar und die Anwendung des Mischmodells nicht mehr für gerechtfertigt.
3. Die Beklagte hat weder mit dem Hinweis auf angebliche Vorzüge von Fraunhofer noch mit allgemeiner Kritik an Schwacke und auch nicht mit Internetbeispielen die Anforderungen an den konkreten Sachvortrag zur Erschütterung der Verwendbarkeit einer Schätzgrundlage erfüllt. 
4. Dem Geschädigten ist grundsätzlich nicht zuzumuten, im Internet oder anderswo nach besonders günstigen Anbietern zu suchen, da lediglich der Normaltarif nach Schwacke gefordert wird.
5. Der erstattungsfähige Betrag ist im Rahmen der Addition von Pauschalen (Woche + 3 Tage + Tag) zu ermitteln, Kosten erforderlicher Nebenkosten kommen hinzu.
6. Die Klägerin – eine Autovermietung – durfte sich eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung ihrer Forderungen bedienen, weshalb auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten von der Beklagte zu erstatten sind.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Königswinter schließt sich dem Landgericht Bonn an und beendet die Ära des Mischmodells Fracke. Aus zwei vermeintlich falschen Erhebungen könne man nicht eine richtige machen und die neueren Argumente der Klägerin in Bezug auf die jüngsten Ausgaben der Fraunhofer-Liste führen zur kompletten Abkehr von der Auffassung, man könne Fraunhofer im Rahmen der Schadenschätzung einsetzen.

Bedeutung für die Praxis: Das Amtsgericht Königswinter folgt dem Landgericht Bonn bei der Änderung der Mietwagen-Rechtsprechung im Listenstreit. Zur Begründung werden die Fehler und methodischen Kniffe der Fraunhofer-Liste genannt. Das Überwiegen der Internet-Preise bei wenigen Anbietern schließ es aus, dass die Fraunhofer-Werte den Markt angemessen repräsentieren. Der Mieter eines Fahrzeuges nach einem Unfall kann nicht auf Internetangebote verwiesen werden, zum Beispiel weil deren Miete nicht mit offenem Miet-Ende erfolgen kann. Der BGH hat den Internetmarkt als Sondermarkt angesehen. Internetangebote sind nicht allgemein für jeden zugänglich. Dem Geschädigte steht daher der regionale Markt zur Verfügung. Die Vorbuchungszeit – die die Höhe der Preise beeinflusst – kann der Geschädigte meist nicht einhalten. Die Werte im Internet sind Lockvogelangebote, eine Reservierung keine sichere Buchung (invitatio ad offerendum).
Die Methode der Schwacke-Liste hingegen ist breiter angelegt, berücksichtigt auch Preisangaben im Internet und anders als es die Beklagte behauptet, führt es nicht zur Unbrauchbarkeit der Schwacke-Werte, dass keine anonyme Befragung durchgeführt wird. Die immer wieder behaupteten falschen Angaben der Vermieter sind eine Unterstellung, d.h. es liegen dafür keine Belege vor.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 21-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 21-24

Landgericht Bonn 1 O 324/23 vom 01.03.2024

1. Eine Anwendung der Fraunhofer-Werte zur Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten ist sowohl in Reinform als auch in Form der Mittelwertbildung Fracke abzulehnen.
2. Die Fraunhofer-Liste ist nach neuesten Erkenntnissen nicht mehr zur Schätzung des Schadenersatzes für die Anmietung eines Ersatzwagens geeignet.
3. Ein Gutachten des Bundesverbandes der Autovermieter für die Region der Anmietung durch den Geschädigten bestätigt die nochmals konkretisierten Kritikpunkte der Klägerin gegen die Verwendbarkeit der Fraunhofer-Werte.
4. Durch Reparaturrechnung und -ablaufplan nachgewiesene Ausfallzeit begründet die lange Mietdauer, das Werkstattrisiko trägt der Schädiger.
5. Aufgrund unfallbedingt erforderlicher Zusatzleistungen ist ein Aufschlag auf den Normaltarif zu berücksichtigen.
6. Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind ebenso vom Schädiger zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Landgericht Bonn bestätigt seine Abkehr von der Fraunhofer-Liste und begründet das ausführlich mit neuen Erkenntnissen für aktuelle Ausgaben der Liste. Daher wird der erforderliche Schadenersatzbetrag für Mietwagenkosten mit Schwacke geschätzt. Unfallbedingter Aufschlag und Nebenkosten nach Schwacke kommen hinzu.

Bedeutung für die Praxis: Das erstinstanzliche Urteil, das der Haftpflichtversicherer nicht zur Überprüfung zum OLG Köln tragen wollte, enthält mehrere bedeutende Argumente, warum die Fraunhofer-Liste auch im Rahmen des Mischmodells nicht mehr angewendet werden kann. Viele Gerichte wollen die für sie bequeme Fracke-Linie nicht verlassen und verwiesen dann lapidar darauf, dass beide Listen kritikwürdig seien. Gegen die Schwacke-Liste wird dann nur Unkonkretes, Unbewiesenes und Falsches wiederholt wie ungerechtfertigte Preissteigerungen.
Das Landgericht Bonn hat sich mit den vielfältigen Argumenten der Klägerin ihres für das Gericht „einleuchtenden und nachvollziehbaren“ Vortrages befasst. Dazu zählen a) kein realer Marktpreis durch „Glättung“ (= Entfernung) von Daten, b) Erhebungen keine Totalerhebungen, c) unvollständig und fehlerhaft, da keine Werte für untere Klassen, dadurch unklarer Verbleib der Preise mit Nennung in höheren Klassen und dann niedrigeren und daher falschen Durchschnittswerten in höheren Mietwagenklassen (wird ein Preis für ein Fahrzeug der Klasse 1 fehlerhaft der Klasse 4 zugeordnet, sinkt der Durchschnittspreis in Klasse 4 ungerechtfertigt), d) Unmöglichkeit der korrekten Zuordnung von im Internet angebotenen Fahrzeugen in Mietwagenklassen, e) konkrete Internetbeispiele und das Gutachten des Bundesverbandes der Autovermieter Deutschlands e.V. belegen falsche Fraunhofer-Ergebnisse. Diese Kritikpunkte zu inhaltlichen und methodischen Fehlern bei Fraunhofer konnte die Beklagte nicht ausräumen und das Gericht hielt sie für so gravierend, dass es für eine Schätzung der erforderlichen Kosten nur noch die Schwacke-Liste heranzieht.
Bereits mit der Vorleitungs-Notwendigkeit des Mietwagenunternehmens in Bezug auf den Mietzins und der Breite des vorzuhaltenden Fuhrparks begründet das Gericht einen unfallbedingten Aufschlag auf den Normaltarif.
Hinweis: Das Urteil ist rechtskräftig.

Zitat: „Fraunhofer nicht mehr verwendbar, kein Mischmodell“ 

Hinsichtlich der Eignung der Fraunhofer-Liste seit den neuesten Ausgaben ab 2020 als Schätzungsgrundlage hat die Klägerin indes substantiiert und einleuchtend konkrete Umstände dargelegt, aus denen sich ergibt, dass dieser neue Marktpreisspiegel an inhaltlichen und methodischen Fehlern leidet. Diese Mängel stehen einer Heranziehung der vorgelegten Fraunhofer-Liste 2022 (so Seile 3 der Klageerwiderung) beziehungsweise 2021 (so Seite 18 der Replik) im vorliegenden Fall entgegen. Insoweit wird auf das deshalb ausführlich im Tatbestand wiedergegebene Vorbringen der Klägerin Bezug genommen.
Die Beklagte (…) verweist allein auf die fehlende Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels (Seite 6 der Klageerwiderung) und stützt dies auf die Erhebung Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008 (Seite 8 ebenda) sowie auf die Eignung der Fraunhofer-Liste aussprechende Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09 – (Seite 8 ebenda) sowie des Oberlandesgerichts Köln vom 30.07.2013 – 15 U 186/12 – (Seiten 3ff. des Schriftsatzes vom 04.12.2023). (…)
Gleiches gilt für die Eignung der Fraunhofer-Liste in der/den diesem Rechtsstreit zugrundeliegenden Fassung/en, die bereits in einem weiteren rechtskräftigen Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 22.09.2023 – 1 O 36/23 – (Kopie Bl. 119 – 130 d.A) für den dort zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt verneint worden ist. Diese Entscheidung ist in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen erörtert worden (vgl. Seite 1 des Sitzungsprotokolls), ohne dass die Beklagte hierzu konkrete Umstände dargetan hat, die eine abweichende Beurteilung tragen könnten.
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 19.01.2024 (Seite 2) führt die Beklagte erstmals aus: Es wird bestritten, dass in der Fraunhofer-Liste für eine bestimmte Mietwagenklasse die Werte verschiedener Mietwagenklassen vermischt sind. (…) Dieses erstmalige Bestreiten entkräftet aber in dieser Allgemeinheit unabhängig von der bestehenden Präklusionswirkung (arg. § 296a ZPO) den eingangs dargestellten substantiierten Klägervortrag nicht (arg. § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO).
3.Anschließend an diese Würdigung verbleibt damit als Grundlage für eine Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten in den streitgegenständlichen Fällen 1. und 2. nach § 287 ZPO allein das arithmetische Mittel der in der klägerseits vorgelegten Schwacke-Liste (Automietpreisspiegel 2022).“
(Landgericht Bonn 1 O 324/23 vom 01.03.2024)

Zitat: „Unfallbedingter Aufschlag gerechtfertigt“ 

Ausgehend von dem eingangs errechneten Normaltarif von 6.478,45 € erhöht sich dieser noch um einen Aufschlag von 20 % (vgl. OLG Köln, Urt. v. 16.06.2015 – 15 U 220/14 = BeckRS 2016, 06499 Rd.14 – 16; OLG Köln NZV 2011, 450, 452; sowie bereits das erkennende Gericht mit Urteil vom 16.03.2018 – 1 O 224/17). Denn ein Aufschlag auf den Normaltarif rechtfertigt sich im Unfallersatztarif-Geschäft schon deshalb, weil hiermit für den Mietwagenunternehmer, der regelmäßig in Vorleistung tritt und sein Fahrzeugangebot in diesem Marktsegment ausgesprochen flexibel gestalten muss, gegenüber dem Normaltarif ein höherer Risiko- und Kostenaufwand verbunden ist. Der Aufschlag von 20 % bildet dieses Risiko in angemessener, aber auch in ausreichender Weise ab.“
(Landgericht Bonn 1 O 324/23 vom 01.03.2024)

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 20-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 20-24

Amtsgericht Duisburg-Hamborn 9 C 329/23 vom 07.05.2024

1. Ein Verstoß des Geschädigten gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens ist nicht festzustellen.
2. Insbesondere hatte der Geschädigte keine Veranlassung, das Mietwagen“angebot“ des Haftpflichtversicherers anzunehmen.
3. Die Schätzung der erforderlichen Kosten der Ersatzmobilität mittels Mischmodell ergibt höhere Mietwagenkosten, als von der Klägerin verlangt werden.
4. Auch Kosten erforderlicher Nebenleistungen des Mietwagen-Services sind von der Beklagten zu erstatten.
5. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten entfällt bei klassenkleinerer Anmietung.
6. Die Kosten des Reparaturablaufplan sind erstattungsfähig, wenn der Versicherer des Schädigers die berechtigte Mietdauer bestreitet. 

Zusammenfassung: Der Versicherer zahlte – sehr moderat berechnete – Mietwagenkosten des Reparaturbetriebes nicht vollständig, da er dem Geschädigten ein Direktvermittlungsangebot unterbreitet hatte. Mit dem Schreiben lag dem Geschädigten jedoch kein konkretes und daher kein annahmefähiges Angebot vor, sodass der Schadenersatzanspruch im Rahmen der Erforderlichkeit mittels Mischmodell bestimmt wurde. Nebenkosten kamen ebenso hinzu wie die Kosten des Reparaturablaufplans.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht prüft das Direktvermittlungsangebot des gegnerischen Haftpflichtversicherers an den Geschädigten in der gebotenen Ausführlichkeit. Das Ergebnis lautet wenig überraschend, dass es sich nicht um ein konkretes Angebot handelt. Die Anforderung lautet, dass der Geschädigte in der Lage versetzt wird, dieses Angebot mit Alternativen anderer Anbieter zu vergleichen, zum Beispiel von seiner Werkstatt oder dem mit der Werkstatt kooperierenden Autovermieter. Die häufige Aussage des Schädigerversicherers „Vermieter sind viel zu teuer, bei uns bekommen Sie den Mietwagen für Preis X und mehr zahlen wir nicht“ reicht nicht, um den Geschädigten auf diesen Preis zu verpflichten.

Zitierhilfe: „Direktvermittlungsangebot muss konkret und annahmefähig sein“ 

„Dem steht auch kein Verstoß der Klägerin gegen ihre Schadenminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB entgegen, weil sie ein konkretes Mietwagenangebot der Beklagten vor Anmietung nicht angenommen hätte. (…)
Der Geschädigte muss sich nur auf das Angebot des Versicherers einlassen, wenn es sich um ein konkretes Angebot zur Anmietung eines Fahrzeuges handelt. Die Versicherung muss ein derartig individualisierten Angebot für einen Mietwagen machen, dass der Geschädigte nur noch mit bloßer Zustimmung annehmen muss. Das Mietwagenangebot des Haftpflichtversicherers muss konkret annahmefähig und zumutbar sein. Dies ist nur der Fall, wenn das Angebot  Angaben zum Standort des Fahrzeuges, zum Ort und der zeit der Anmietung, zum Fahrzeugtyp/-modell, dem Tages-/Grundpreis/Tarif, dem konkreten Zeitpunkt der Zurverfügungstellung, den Übergabemodalitäten (Übergabeort, kostenlose Zustellung/Abholung) zur Kilometerlaufleistung, den Kosten für eventuelle Zusatzleistungen (z.B. Zusatzfahrer, Sonderausstattung), zu den Zahlungsmodalitäten (Vorkasse, Kreditkarte) und den Versicherungsbedingungen (Selbstbeteiligung) enthält.“
(
Amtsgericht Duisburg-Hamborn 9 C 329/23 vom 07.05.2024)

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 19-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 19-24

Oberlandesgericht Koblenz 12 U 884/22 vom 29.04.2024 
(Vorinstanz Landgericht Trier 4 O 8/21 vom 24.05.2022) 

1. Die Auffassung der Beklagten gegen den Geschädigten, ihm sei ein Überwachungsverschulden vorzuwerfen mit dem Ergebnis einer verlängerten Reparatur und erheblich erhöhten Mietwagenkosten, wird zurückgewiesen.
2. Die in der Berufung nachgeschobene neue Abtretungserklärung führt zur Aktivlegitimation der Klägerin.
3. Auch die Auffassung der Beklagten dazu, dass der Geschädigte gegen seine Schadenminderungspflicht verstößt, wenn er sich vor einer Anmietung eines Ersatzwagens nicht am Markt erkundigt, wird vom Berufungsgericht nicht geteilt, da der Geschädigte sich mit der Anmietung zu Werten nahe Schwacke das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet habe. 
4. Die Schätzung des Erstgerichtes mittels Schwacke-Vergleichswerten ist nicht zu beanstanden.
5. Eine Argumentation pro Fraunhofer ist kein Argument gegen die Anwendung der Schwacke-Liste.
6. Auch die von der Beklagten aufgezeigten Internet-Screenshots gebieten aus mehreren Gründen kein Absehen von einer Anwendung der Schwacke-Liste zur Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten. 
7. Das konkrete Mobilitäts-Paket des Vermieters für den Geschädigten enthält – für den Geschädigten erforderliche – unfallbedingte Mehrleistungen, die einen höheren Mietwagenpreis rechtfertigen.
8. Die Kosten der erforderlichen Nebenleistungen sind darüber hinaus vom Versicherer des Schädigers zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Oberlandesgericht Koblenz bestätigt eine Schwacke-Entscheidung der Vorinstanz vollständig und verwirft die grundlegenden Argumente der Versicherer im Mietwagenstreit: keine Erkundigungspflicht, Fraunhofer kein Argument, Internet-Screenshots völlig neben der Sache, Aufschlag nachvollziehbar, Nebenkosten hinzu.

Bedeutung für die Praxis: Ein in vielen Teilen der Mietwagenkosten-Diskussion beachtenswertes Berufungsurteil kommt aktuell vom Pfälzischen Oberlandesgericht in Koblenz. 
Zunächst bestätigt das Gericht die Aktivlegitimation der Klägerin, die zuvor in der ersten Gerichtsinstanz beim Landgericht eine unwirksame und erst in der Berufung beim OLG eine weitere Abtretungsvereinbarung vorgelegt hatte. Da das Erstgericht – aus seiner Sicht nachvollziehbar – nicht darauf hinwies, dass die in der ersten Instanz verwendete Abtretung unwirksam war, konnte die Klägerin eine weitere Abtretung mit wirksamen Formulierungen noch in der Berufungsinstanz nachschieben und war damit nicht verspätet.
Die Vorwürfe der Beklagten gegen den Geschädigten bezüglich eines Überwachungsverschulden für eine zu lange andauernde Reparatur gehen ins Leere. Nach dem Vorbringen der Zeugen waren es objektive Gründe, die zu der Verzögerung führten. Hätte sich der Geschädigte hier eingemischt, hätte das nach der Überzeugung des Gerichts nichts geändert.
Das Landgericht Trier hatte zur Schätzung der Höhe erforderlicher Mietwagenkosten die Schwacke-Liste angewendet. Das wollte die Beklagte beim OLG unbedingt ändern. Doch das OLG sah weder in Fraunhofer noch in Fracke eine Alternative und mehr noch, das OLG sah in den Internet-Screenshots kein Argument gegen die Verwendbarkeit von Schwacke. Das OLG sezierte quasi die in den Internet-Beispielen dargestellten „Angebote“ und urteilte, dass diese nichts mit der tatsächlichen Anmietung des Geschädigten zu tun haben. Wichtig dabei ist die Tatsache, dass die Internet-Beispiele den üblicherweise von Versicherern verwendeten Beispielen entsprachen. Sie waren sehr viel später erhoben, sie betrafen kein auf das verunfallte Fahrzeug bezogen vergleichbare Fahrzeug, nicht die relevanten Nebenleistungen, nicht die vollständige Kilometerfreigabe und die Bedingungen der Internet-Beispiele wie z.B. „Bezahlung vorab“ sind mit dem Bedarf des Geschädigten nicht in Einklang zu bringen.
Zur Frage der Vortrags- und Beweislast stellt das Gericht klar, dass die Beklagte auf der Basis der (unpassenden) Screenshots nicht behaupten kann, der Geschädigte hätte sich nach günstigeren Preisen erkundigen müssen und weil er das unterlassen habe, hätte er gegen seine Schadenminderungspflicht (§ 254 BGB) verstoßen. Damit könne sie ihre Beweislast für einen Verstoß gegen § 254 BGB nicht umgehen. Daraus ist zu schließen: So lange sich der aus der Ersatzanmietung resultierende Betrag im Rahmen der Listen bewegt, gibt es keine Erkundigungspflicht für den Geschädigten.
Zum Aufschlag wegen unfallbedingter Mehrleistungen (O-Ton BGH in einem seiner Urteile „erforderlicher Unfallersatztarif“) klärt das Gericht, dass die Leistungen, die der Geschädigte vom Vermieter erhalten hat, einen höheren Preis über dem Listenpreis rechtfertigen. Hier werden der Verzicht auf die Vorkasse und andere Beispiele genannt, die nicht alle gleichzeitig vorliegen müssten.
Bezüglich der Nebenkostenposition Haftungsreduzierung argumentierte die Gegnerversicherung mit der vollkommen absurde Auffassung, der Vermieter dürfe in der Schadenabrechnung nur seine tatsächlichen Kosten der Fuhrparkversicherung berechnen. Auch das hat das Gericht nicht mitgemacht.

Zitat: „Neues Abtretungsformular an Berufung statthaft“ 

„Im Hinblick auf die von der Klägerin sodann als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 05.04.2023 vorgelegte erneute Abtretungsvereinbarung gleichen Datums hat der Senat (…) darauf hingewiesen, dass die Klägerin mit ihrer Berufung auf diesen geänderten Sachverhalt nicht wegen Verspätung prozessual ausgeschlossen ist (§ 531 Abs. 2 ZPO), da ein Hinweis auf die Unwirksamkeit der formularmäßigen Abtretung vom 29.04.2022 in erster Instanz nicht erfolgt und die Klägerin daher nicht in die Lage versetzt worden war, sich auf diese Rechtslage einzustellen.“
(OLG Koblenz 12 U 884/22 vom 29.04.2024)

Zitat: „Schwacke-Liste bestätigt“ 

„Auch dem generellen Hinweis der Beklagten, die Berechnung des Mietpreises nach der „Schwacke-Liste“ sei ungeeignet und die daran anknüpfende Auffassung, die Berechnung nach dem Fraunhofer Marktpreisspiegel sei die allein richtige, kann in dieser Pauschalität nicht gefolgt werden. (…) Nach dem anzuwendenden § 287 ZPO kann der Normaltarif grundsätzlich nach wie vor auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels im maßgebenden Postleitzahlengebiet festgestellt werden (…) Das bedeutet aber nicht, dass eine Schätzung auf der Grundlage einer anderen Liste, wie zum Beispiel der des Fraunhofer Instituts grundsätzlich fehlerhaft wäre (…). Auch kommt die Verwendung des arithmetischen Mittelwertes („Fracke“) beider oben aufgeführten Markterhebungen in Betracht (…) Die Folge hieraus ist es, dass der Geschädigte dem ihm obliegenden Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich dann genügt, wenn er sich bei Anmietung des jeweiligen Ersatzfahrzeuges an einer dieser Listen orientiert. Die jeweilige Eignung der Listen bzw. Tabellen braucht nämlich grundsätzlich nur dann näher geklärt zu werden, wenn von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH VI ZR 300/09, juris; OLG Koblenz 12 U 233/11, juris). Die Tatsachen müssen sich hierbei auf die Mietwagenpreise im konkreten Fall und gerade nicht auf die abstrakt generelle Eignung der Schätzgrundlage (also die angewendete Liste/Tabelle) auswirken (BGH in VersR 2010, 545; OLG Koblenz 12 U 233/11, juris).“
(OLG Koblenz 12 U 884/22 vom 29.04.2024)

Zitat: „Internet-Screenshots der Beklagten nicht relevant“ 

Die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote der Firmen „Sixt Autovermietung“ und „Enterprise“ sind in mehrfacher Hinsicht nicht repräsentativ und besitzen keinerlei Aussagekraft. Sie beziehen sich nicht auf den hier in Rede stehenden Jahreszeitraum (April, Mai und Juni 2020) und weisen nicht einmal das gleiche Mietjahr aus (…) noch lässt der Vortrag der Beklagten erkennen, dass die genannten Alternativfahrzeuge dem geschädigten Verein gerade in dem benötigten Zeitraum auch tatsächlich zur Verfügung gestanden hätten und dieser sie problemlos hätte anfragen und mieten können.
(…) 
Ferner ist auch zu beachten, dass konkrete Mängel der jeweils in Anwendung gebrachten Liste/Tabelle mit solchen „Vergleichsangeboten“ nur dann aufgezeigt werden, wenn tatsächlich eine Vergleichbarkeit der Angebote gegeben ist. Als Kriterien seien u.a. genannt: Vorlagepflicht einer Kreditkarte zur Erlangung des günstigeren Tarifes, Höhe der jeweiligen Selbstbeteiligung betreffend die Vollkaskoversicherung, vergleichbare Anmietungszeiträume, Anfall von Zusatzkosten, Fahrzeugklasse und Ausstattung des geschädigten Fahrzeuges und des Mietfahrzeuges, Anmietungszeitraum (Übersicht in OLG Koblenz 12 U 233/11, juris). Selbst wenn man über die Tatsache, dass die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote sich zu einem völlig anderen Anmietzeitraum verhalten, wie vorstehend aufgezeigt wurde, hinwegkommen würde, verbleibt es bei der obigen Feststellung, dass die von der Beklagten als Anlagen B5 bis B8 vorgelegten Angebote keine geeignete Vergleichsgrundlage darstellen, die die Angemessenheit des hier in Rechnung gestellten Mietpreises in einer der Beweisaufnahme zugänglichen Weise in Frage stellen könnte. 
(…) und jeweils eine Beschränkung der Kilometerleistung enthalten, wohingegen die Klägerin dem Geschädigten keine Mehrkilometer in Rechnung gestellt hat, enthalten die von der Beklagten vorgelegten Vergleichspreise keine Zusatzkosten …“
(OLG Koblenz 12 U 884/22 vom 29.04.2024)

Zitat: „Geschädigter musste keine Marktforschung betreiben“ 

„Soweit die Beklagte eine Verletzung der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) darin erblickt, dass der Kläger ohne jegliche vorherige Marktforschung einen Anbieter mit – nach ihrer Auffassung – weit überhöhten Preisen gewählt und bereits in dieser Hinsicht gegen die Verpflichtung, den Schaden gering zu halten, verstoßen habe, trägt auch dieser Einwand nicht, jedenfalls ergeben sich insoweit aus dem Vortrag der Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine derartige Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch den Geschädigten.“ 
(OLG Koblenz 12 U 884/22 vom 29.04.2024)

Zitat: „Unfallbedingter Aufschlag gerechtfertigt“ 

„Nach der neueren Rechtsprechung, insbesondere des BGH, hängt die Erforderlichkeit der aufzuwendenden Kosten, also auch eines auf die Grundmiete erhobenen Zuschlags, des sog. „Unfallersatztarifs“, davon ab, ob die höheren Kosten betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sind, weil diese auf der besonderen Unfallsituation beruhen (…) Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn folgende Kriterien erfüllt sind, die letztlich alle mit der besonderen Eil- oder Notsituation des Geschädigten einhergehen und sich von der normalen Mietsituation deutlich unterscheiden: erhöhter Verwaltungsaufwand, z.B. wegen mehrerer Beteiligter oder wegen schadensrechtlich gebotener korrekter Fahrzeugauswahl, gesteigertes Forderungsausfallrisiko durch Verzicht auf Vorfinanzierung durch Kreditkarte oder Sicherheitsleistung (Kaution), höhere Kosten durch erweiterte Mietwagenflotte, um in allen Fahrzeugklassen Mietautos anbieten zu können, anstatt sich auf gängige Modelle zu beschränken,  unbestimmte Mietdauer mit Verlängerungsoption bzw. vorzeitiger Rückgabemöglichkeit, Verzicht auf jede Kilometerbegrenzung, um dem Geschädigten einen vollen zumutbaren Ausgleich für sein Unfallfahrzeug zu ermöglichen.
Auch wenn nicht festgestellt werden kann, dass sämtliche genannten unfallspezifischen Kostenfaktoren hier vorliegen, wird doch erkennbar, dass die Mietsituation betreffend das streitgegenständliche Mietfahrzeug des Geschädigten dadurch gekennzeichnet war, dass die Mietdauer völlig unbestimmt war; sie verlängerte sich von dem ursprünglich angedachten Reparaturzeitraum bis hin zu der Fertigstellung der Reparatur. Schon diese zeitlichen Faktoren, die einhergehen mit der Tatsache, dass die Anmietung kurzfristig, ohne vorherige Reservierung und Planung gewährleistet sein muss, bedingen die Vorhaltung einer größeren Fahrzeugflotte, um eine wirtschaftliche Auslastung zu gewährleisten, dies ungeachtet der vorstehend aufgezeigten gesteigerten Forderungsausfallrisiken durch die fehlende Vorfinanzierung mittels Kreditkarte (auch vorliegend erfolgte die Aushändigung des Fahrzeugs an den Geschädigten ohne Vorlage einer Kreditkarte) oder die alternative Sicherheit durch die Leistung einer Kautionszahlung. Aus alledem sieht auch der Senat die dem Geschädigten berechneten unfallbedingten Mehrkosten nicht als per se unberechtigt an und – übertragen auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt – als gerechtfertigt an, sodass die dadurch konkret erfolgte Verteuerung des Grundtarifs dem Geschädigten nicht anspruchsmindernd als Nachlässigkeiten bei der Auswahl des Mietverhältnisses entgegengehalten werden kann. 
Daraus resultierend folgt aber, dass auch die Tatsache, dass die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote nicht vergleichbar und damit auch nicht geeignet sind, die Angemessenheit des vorliegend beanstandeten Mietpreises überhaupt in Frage zu stellen.“ 
(OLG Koblenz 12 U 884/22 vom 29.04.2024) 

OLG Koblenz pro Schwacke, ausführlich begründet

Mit einem kleinen Beitrag konnten wir mithelfen, ein hervorragendes Ergebnis in einem Mietwagenprozesse vor dem Oberlandesgericht in Koblenz zu erzielen.

Einem örtlichen Autovermieter – BAV-Mitglied – hatte das Landgericht Trier restlichen Schadenersatz aus abgetretenem Recht in vierstelliger Höhe zugesprochen; der Versicherer ging daraufhin in Berufung zum Oberlandesgericht Koblenz. Er meinte, der Vermieter hätte Wucherpreise vereinbart und der Geschädigte daher gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verstoßen.

Ergebnisse des Urteils:

1.  Die vom Kläger in der Berufung nachgeschobene Abtretungsvereinbarung mit dem Geschädigten ist wirksam, der Kläger daher aktivlegitimiert.

Zitat: „Im Hinblick auf die von der Klägerin sodann als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 05.04.2023 vorgelegte erneute Abtretungsvereinbarung gleichen Datums hat der Senat (…) darauf hingewiesen, dass die Klägerin mit ihrer Berufung auf diesen geänderten Sachverhalt nicht wegen Verspätung prozessual ausgeschlossen ist (§ 531 Abs. 2 ZPO), da ein Hinweis auf die Unwirksamkeit der formularmäßigen Abtretung vom 29.04.2022 in erster Instanz nicht erfolgt und die Klägerin daher nicht in die Lage versetzt worden war, sich auf diese Rechtslage einzustellen.“

2. Keine generelle Erkundigungspflicht des Geschädigten

Zitat: „Soweit die Beklagte eine Verletzung der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) darin erblickt, dass der Kläger ohne jegliche vorherige Marktforschung einen Anbieter mit – nach ihrer Auffassung – weit überhöhten Preisen gewählt und bereits in dieser Hinsicht gegen die Verpflichtung, den Schaden gering zu halten, verstoßen habe, trägt auch dieser Einwand nicht, jedenfalls ergeben sich insoweit aus dem Vortrag der Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine derartige Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch den Geschädigten.“

3. Internetangebote der Beklagten irrelevant

Zitate: „Die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote der Firmen „Sixt Autovermietung“ und „Enterprise“ sind in mehrfacher Hinsicht nichtrepräsentativ und besitzen keinerlei Aussagekraft. Sie beziehen sich nicht auf den hier in Rede stehenden Jahreszeitraum (April, Mai und Juni 2020) und weisen nicht einmal das gleiche Mietjahr aus, sondern beinhalten die Monate Juli, August und September des Jahres 2021. (…) noch ist insoweit anderweitig ersichtlich, inwieweit die Mietpreise, etwa infolge einer besonders hohen oder niedrigen Nachfrage in Ferien- oder ferienfreien Zeiten variieren noch lässt der Vortrag der Beklagten erkennen, dass die genannten Alternativfahrzeuge dem geschädigten Verein gerade in dem benötigten Zeitraum auch tatsächlich zur Verfügung gestanden hätten und dieser sie problemlos hätte anfragen und mieten können. Dass die Beklagte dem Geschädigten entsprechende Alternativangebote rechtzeitig, vor Abschluss des Mietvertrages, unterbreitet hätte, ist ebenfalls nicht dargetan.“
„Ferner ist auch zu beachten, dass konkrete Mängel der jeweils in Anwendung gebrachten Liste/Tabelle mit solchen „Vergleichsangeboten“ nur dann aufgezeigt werden, wenn tatsächlich eine Vergleichbarkeit der Angebote gegeben ist. Als Kriterien seien u.a. genannt: Vorlagepflicht einer Kreditkarte zur Erlangung des günstigeren Tarifes, Höhe der jeweiligen Selbstbeteiligung betreffend die Vollkaskoversicherung, vergleichbare Anmietungszeiträume, Anfall von Zusatzkosten, Fahrzeugklasse und Ausstattung des geschädigten Fahrzeuges und des Mietfahrzeuges, Anmietungszeitraum (Übersicht in OLG Koblenz 12 U 233/11, juris). Selbst wenn man über die Tatsache, dass die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote sich zu einem völlig anderen Anmietzeitraum verhalten, wie vorstehend aufgezeigt wurde, hinwegkommen würde, verbleibt es bei der obigen Feststellung, dass die von der Beklagten als Anlagen B5 bis B8 vorgelegten Angebote keine geeignete Vergleichsgrundlage darstellen, die die Angemessenheit des hier in Rechnung gestellten Mietpreises in einer der Beweisaufnahme zugänglichen Weise in Frage stellen könnte.
Nicht nur, dass die von der Beklagten als Anlage zu ihrem Berufungsbegründungsschriftsatz vorgelegten Internetausdrucke hinsichtlich diverser Angebote der Firmen Enterprise und Sixt-Autovermietung einen anderen Jahresmietzeitraum betreffen und jeweils eine Beschränkung der Kilometerleistung enthalten, wohingegen die Klägerin dem Geschädigten keine Mehrkilometer in Rechnung gestellt hat, enthalten die von der Beklagten vorgelegten Vergleichspreise keine Zusatzkosten (Unfallersatztarif usw. [die Berechtigung des Ansatzes dieser Zuschläge wird im Folgenden ausgeführt]). Hinsichtlich der Kilometerbegrenzung ist auszuführen, dass der Geschädigte bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2024 ausgeführt hat, dass die Entfernung zu seinem Arbeitsplatz ca. 113 km betrage. Die von der Beklagten vorgelegten Internetangebote enthalten eine unterschiedliche Kilometerbegrenzung die von einem Wert von 3262 Kilometern (Firma Sixt-Autovermietung) bis hin zu 7715 Kilometern (Firma Enterprise) [bezogen auf den gesamten Zeitraum von 52 Tagen] reicht. Allein die vorgenannte tägliche Strecke zu und vom Arbeitsplatz des Geschädigten ist selbst von dem Angebot mit der höchsten Kilometerpauschale nicht gedeckt, auch dann nicht, wenn man in den konkreten Zeitraum sieben Wochenenden hineinrechnet, an denen insoweit keinerlei Bewegung des Mietfahrzeugs stattfindet. Die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote unterscheiden sich weiter darin, dass die Unfallsituation veranlassten Mehrkosten hierin nicht enthalten.“

4. Verlängerte Mietdauer: Keine Vorhersehbarkeit für Langzeittarif

Zitat: „Im Übrigen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.05.2021 (…) – unwidersprochen – dargelegt, dass sie sehr wohl auf Basis eines Wochentarifs in Höhe von 632,03 € kalkuliert habe, sodass dieser Einwand schon im Ansatz nicht greift. Ferner darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich für den Geschädigten zunächst die Tatsache, dass die Anmietung eines Fahrzeugs über einen so langen Zeitraum erforderlich werden würde, nicht abzeichnete, sondern die Gesamtmietdauerdurch jeweilige sukzessive, nicht vorhersehbare Verzögerungen bei der Reparaturfertigstellung zustandekamen und die Frage nach einem eventuell günstigeren „Langzeittarif damit zunächst gar nicht im Raum stand. Auch insoweit ist eine Verletzung der Schadensminderungspflicht seitens des Klägers nicht erkennbar, sodass ihm nicht vorzuwerfen ist, ihm wäre in der konkreten Situation unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten mit zumutbarer Anstrengung auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt ein wesentlich günstigeres Angebot zugänglich gewesen.“

5. Schätzung mit Schwacke

Zitat: „Auch dem generellen Hinweis der Beklagten, die Berechnung des Mietpreises nach der „Schwacke-Liste“ sei ungeeignet und die daran anknüpfende Auffassung, die Berechnung nach dem Fraunhofer Marktpreisspiegel sei die allein richtige, kann in dieser Pauschalität nicht gefolgt werden. (…) Nach dem anzuwendenden § 287 ZPO kann der Normaltarif grundsätzlich nach wie vor auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels im maßgebenden Postleitzahlengebiet festgestellt werden (…) Das bedeutet aber nicht, dass eine Schätzung auf der Grundlage einer anderen Liste, wie zum Beispiel der des Fraunhofer Instituts grundsätzlich fehlerhaft wäre (…). Auch kommt die Verwendung des arithmetischen Mittelwertes („Fracke“) beider oben aufgeführten Markterhebungen in Betracht (…) Die Folge hieraus ist es, dass der Geschädigte dem ihm obliegenden Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich dann genügt, wenn er sich bei Anmietung des jeweiligen Ersatzfahrzeuges an einer dieser Listen orientiert. Die jeweilige Eignung der Listen bzw. Tabellen braucht nämlich grundsätzlich nur dann näher geklärt zu werden, wenn von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH VI ZR 300/09, juris; OLG Koblenz 12 U 233/11, juris). Die Tatsachen müssen sich hierbei auf die Mietwagenpreise im konkreten Fall und gerade nicht auf die abstrakt generelle Eignung der Schätzgrundlage (also die angewendete Liste/Tabelle) auswirken (BGH in VersR 2010, 545; OLG Koblenz 12 U 233/11, juris). Diese konkreten Tatsachen werden in der Rechtspraxis „Vergleichsangebote“ anderer Mietwagenunternehmen sein, mit denen der Schädiger aufzuzeigen versucht, dass die von dem Geschädigten in Ansatz gebrachten Mietpreise unverhältnismäßig hoch sind. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass derartige Vergleichsangebote von der Beklagten nicht bereits im Vorfeld der Anmietung präsentiert wurden, sodass der Kläger aufgrund dieser Alternativangebote bereits auf die Problematik der von der Beklagten behaupteten erheblichen Preisunterschiede hätte aufmerksam werden und hätte gewarnt sein müssen.“

6. Höherer Preis aufgrund Besonderheiten gerechtfertigt

Zitat: „Soweit die Beklagte deren Berechtigung generell bestreitet, ist auf Folgendes hinzuweisen: Nach der neueren Rechtsprechung insbesondere des BGH, hängt die Erforderlichkeit der aufzuwendenden Kosten, also auch eines auf die Grundmiete erhobenen Zuschlags, des sog. „Unfallersatztarifs“ davon ab, ob die höheren Kosten betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sind. weil diese auf der besonderen Unfallsituation beruhen (…) Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn folgende Kriterien erfüllt sind, die letztlich alle mit der besonderen Eil- oder Notsituation des Geschädigten einhergehen und sich von der normalen Mietsituation deutlich unterscheiden: erhöhter Verwaltungsaufwand, z.B. wegen mehrerer Beteiligter oder wegen schadensrechtlich gebotener korrekter Fahrzeugauswahl, gesteigertes Forderungsausfallrisiko durch Verzicht auf Vorfinanzierung durch Kreditkarte oder Sicherheitsleistung (Kaution), höhere Kosten durch erweiterte Mietwagenflotte, um in allen Fahrzeugklassen Mietautos anbieten zu können, anstatt sich auf gängige Modelle zu beschränken,  unbestimmte Mietdauer mit Verlängerungsoption bzw. vorzeitiger Rückgabemöglichkeit, Verzicht auf jede Kilometerbegrenzung, um dem Geschädigten einen vollen zumutbaren Ausgleich für sein Unfallfahrzeug zu ermöglichen. Hinzu kommen Aspekte wie die Anmietung  außerhalb üblicher Geschäftszeiten oder schlechtere Auslastungsmöglichkeiten wegen unbestimmten Rückgabezeitpunkts (…).  Auch wenn nicht festgestellt werden kann, dass sämtliche genannten unfallspezifischen Kostenfaktoren hier vorliegen, wird doch erkennbar, dass die Mietsituation betreffend das streitgegenständliche Mietfahrzeug des Geschädigten dadurch gekennzeichnet war, dass die Mietdauer völlig unbestimmt war; sie verlängerte sich von dem ursprünglich angedachten Reparaturzeitraum bis hin zu der Fertigstellung  der Reparatur. Schon diese zeitlichen Faktoren, die einhergehen mit der Tatsache, dass die Anmietung kurzfristig, ohne vorherige Reservierung und Planung gewährleistet sein muss, bedingen die Vorhaltung einer größeren Fahrzeugflotte, um eine wirtschaftliche Auslastung zu gewährleisten, dies ungeachtet der vorstehend aufgezeigten gesteigerten Forderungsausfallrisiken durch die fehlende Vorfinanzierung mittels Kreditkarte (auch vorliegend erfolgte die Aushändigung des Fahrzeugs an den Geschädigten ohne Vorlage einer Kreditkarte) oder die alternative Sicherheit durch die Leistung einer Kautionszahlung. Aus alledem sieht auch der Senat die dem Geschädigten berechneten unfallbedingten Mehrkosten nicht als per se unberechtigt an und – übertragen auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt – als gerechtfertigt an, sodass die dadurch konkret erfolgte Verteuerung des Grundtarifs dem Geschädigten nicht anspruchsmindernd als Nachlässigkeiten bei der Auswahl des Mietverhältnisses entgegengehalten werden kann.
Daraus resultierend folgt aber, dass auch die Tatsache, dass die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote nicht vergleichbar und damit auch nicht geeignet sind, die Angemessenheit des vorliegend beanstandeten Mietpreises überhaupt in Frage zu stellen.“

(Anmerkung: Der Senat sagt damit in aller Deutlichkeit, was bisher nur selten ein Gericht ausgesprochen hat:
Ein Internetangebot kann für eine Vermietung nach einem Unfall keine Vergleichbarkeit haben. Internetangebote sind deshalb immer irrelevant, weil der Geschädigte mit einem Angebot – zu finden im Internet – keine Alternative für seinen Ersatzwagen hat. Dafür fehlen die Voraussetzungen wie die konkrete Eingruppierung des abgebildeten Fahrzeuges „oder ähnlich“ in eine Schwacke-Klasse, die Verbindlichkeit, die unbeschränkte Mietdauer, die Finanzierung durch den Vermieter bis ein Versicherer einige Jahre später alles bezahlt, …).

7. Mietwagendauer berechtigt, kein Überwachungsverschulden

 Zitat: „Anders als die Beklagte meint, sind die ersatzfähigen Mietwagenkosten im Streitfall der Höhe nach auch nicht auf die Dauer von insgesamt sechs Tagen beschränkt, wie sie in dem von dem Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Reparaturzeitraums kalkuliert waren. Der Geschädigte und damit die Klägerin als Zessionarin des Anspruchs muss sich vorliegend nicht so stellen lassen, als sei die Mietdauer auf diesen Zeitraum beschränkt gewesen.
Zwar weist die Beklagte hier mit Blick auf die lange Dauer der Inanspruchnahme des Mietfahrzeugs zu Recht darauf hin, dass der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gehalten ist, die Schadensbehebung in angemessener Frist durchzuführen. Die Beweislast für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht trägt nach allgemeinen Grundsätzen aber der Schädiger.
(…) gilt, dass der Geschädigte durch die Einschaltung eines Dritten, hier der Reparaturwerkstatt, nicht von seiner Pflicht entbunden ist, sich um eine wirtschaftliche Abwicklung des Schadens zu kümmern. Er hat insoweit für eine zügige Durchführung der Reparatur Sorge zu tragen, wenn er für den Nutzungsausfall Ersatz verlangen will (BGH a. a. O.). (…) Nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht jedoch zu Überzeugung des Senats fest, dass der Geschädigte all dies vorliegend beachtet hat. (…) Die Verzögerung der Reparaturfertigstellung war nach der glaubhaften Aussage des Zeugen der Tatsache geschuldet, dass die zeitnah mit dem Eintreffen des Fahrzeugs begonnenen Reparaturarbeiten nicht fertiggestellt werden konnten, weil (zuletzt noch) eine Dichtung für die beschädigte Fahrertür fehlte und diese zunächst nicht lieferbar war.(…) Eine Behelfsreparatur, so der Zeuge, sei hiernach nicht möglich gewesen.(…) Bei dieser Sachlage ist die Frage, ob der Zeuge (Geschädigter) in hinreichendem Maße für eine schnellstmögliche Reparaturdurchführung Sorge getragen, zumindest insoweit auf eine schnelle Erledigung gedrängt hat, nur noch von nachrangiger Bedeutung, denn er hatte, ebenso wie die Werkstatt selbst, keinen Einfluss auf die Lieferfrist für die fehlende Türdichtung.“

Das Urteil ist – für BAV-Mitglieder kostenlos – in der Urteilsdatenbank des Verbandes abrufbar. siehe urteilsdatenbank.bav.de

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 18-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 18-24

Amtsgericht Nürtingen 44 C 3916/23 vom 23.04.2024

1. Die Schätzung der Höhe erstattungsfähiger Mietwagenkosten erfolgt anhand der Vergleichswerte aus der Schwacke-Liste.
2. Die Anwendung des Mischmodells Fracke oder gar der Fraunhofer-Liste begegnet erheblichen Bedenken.
3. Die Geschädigte ist nicht verpflichtet, darzulegen und zu beweisen, dass ihr auf Nachfrage kein günstigeres Angebot zur Verfügung stand.
4. Auch Kosten der Nebenleistungen für Winterreifen, Navigationsgerät, Zusatzfahrer und Zustellen/Abholen sind der Geschädigten vom gegnerischen Versicherer zu erstatten.
5. Der Abzug für ersparte Eigenkosten entfällt bei klassenniedrigerer Anmietung.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Nürtingen lehnt eine Anwendung der Fraunhofer-Liste und des Mischmodells ab. Warum Schwacke zur Schätzung verwendbar ist, wird begründet. Auch die Kosten der erforderlichen Nebenleistungen werden als erstattungsfähig angesehen und ein Eigenersparnisabzug verneint. 

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht stellt klar, dass Geschädigte im Normalfall nicht verpflichtet sind darzulegen, dass ihnen kein günstigeres Mietfahrzeug zur Verfügung gestanden hätte. Eine generelle Erkundigungspflicht nach Alternativen gibt es nicht, auch nicht für das Amtsgericht Nürtingen. Die Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten endet dort, wo er nachweist, dass die Höhe der geforderten Schadenkosten dem Üblichen entspricht. Lediglich wenn er einen Betrag über dem erforderlichen Geldbetrag erhalten möchte, muss er nachweisen, dass dem unfallbedingte Mehrleistungen zugrunde liegen, auf die er angewiesen war (BGH: „erforderlicher Unfallersatztarif = unfallbedingter Aufschlag) oder im konkreten Fall nichts günstigeres zu haben war (ggf. Unfallersatztarif, der eigentlich zu teuer ist).
Die Behauptungen der Versicherer, die Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten bedeuten eine generelle Erkundigungspflicht des Geschädigten sind eine Falschbehauptung, die nicht richtiger wird, wenn man sie tausendfach wiederholt. 
Das Amtsgericht Nürtingen äußert sich deutlich gegen die Verwendbarkeit der Werte aus der Fraunhofer-Liste und in der Folge auch der Fracke-Liste / des Mischmodells. 

Ausführliche Mitglieder-Info zur neuen BGH-Rechtsprechung zum Schadenersatz nach Unfall

BAV-Mitglieder haben im internen Bereich der BAV-Seite eine ausführliche Ausarbeitung zur Rechtsprechung des BGH nach den Urteilen vom 16.01. (Fahrzeugreparatur) und 12.03.24 (Sachverständigengutachten) zur Verfügung.

Dabei geht es um die Frage, welche Auswirkungen auf den Bereich Mietwagenkosten zu erwarten sind und worauf sich Autovermieter einstellen müssen.

Schadenersatzrecht: Neue BGH-Rechtsprechung zum Herstellungs-Risiko 

BAV-Mitglieder, die die Informationen und das Urteil (PDF) direkt als E-Mail zugesandt bekommen wollen, können eine kurze Mail senden an info@bav.de 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 17-24

Landgericht Kaiserslautern 1 S 91/23 vom 29.02.2024 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht Kaiserslautern 7 C 535/23 vom 05.10.2023)  

1. Die erstinstanzliche Anwendung der Schwacke-Liste ist nicht zu beanstanden. Auch die Kammer bekräftigt die vorzugswürdige Anwendung der Schwacke-Werte vor den Fraunhofer-Werten.
2. Für die Schwacke-Liste sprechen die örtliche Nähe der Werte, die Berücksichtigung auch von Nebenkosten und die Verwendung nicht ausschließlich von Internetpreisen, wie bei den Werten der Fraunhofer-Liste festzustellen ist.
3. Auch die Anwendung der Fracke-Liste wäre lediglich eine Mischung aus zwei dann für bedenklich gehaltenen Erhebungen und wird daher abgelehnt.
4. Gegen die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste hat die Beklagte keinen konkreten Sachvortrag gehalten.
5. Ein Sachverständigengutachten wird als ungeeignet angesehen, den Mietwagenmarkt von vor zwei Jahren zu begutachten.

Zusammenfassung: Das Landgericht weist die Berufung der Beklagten gegen eine erstinstanzliche Anwendung der Schwacke-Liste zurück. Die Fraunhofer-Liste und das Mischmodell werden nicht als vorzugswürdig angesehen.

Bedeutung für die Praxis: Das Amtsgericht hat die Beklagte zu weiterem Schadenersatz verurteilt. Die Linie lautete Schwacke statt Fracke oder Fraunhofer. Dagegen habe die Beklagte nichts konkretes vorgebracht. Vorzüge der Fraunhofer-Liste aufzuzählen sei kein konkreter Sachvortrag. Eine generelle Erkundigungspflicht des Geschädigten könne nicht festgestellt werden und insofern auch kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht. Insbesondere ist der Geschädigte nicht verpflichtet, sich an die Schädiger-Versicherung zu wenden. Kosten der Reduzierung der Mieterhaftung für Schäden am Mietwagen sind vom Versicherer zu erstatten. Kosten für eine Zweitfahrer-Erlaubnis allerdings nicht, wenn auch das verunfallte Fahrzeug von mehreren Fahrern genutzt wurde.
Das Berufungsgericht hat das Urteil des Amtsgerichts vollständig bestätigt und seine eigene Auffassung von der Anwendbarkeit der Schwacke-Liste und der Ablehnung von Fracke und Fraunhofer ausführlich begründet und betont. 

Nochmals deutlich: Abtretung darf nicht Sicherungsabtretung heißen

Wir halten Sie zum Thema Abtretung und korrekter Formulierungen eines Formulars immer auf dem Laufenden. Wir kämpfen auch für unser Formular, wenn Gerichte es falsch verstehen und ablehnen (Ergebnis positiv: BGH VI ZR 27/23, wir haben vielfach dazu berichtet).

Mit dem Urteil des BGH vom 10.10.2023, Az. VI ZR 257/22 wird zusätzlich noch einmal klar, dass bereits die falsche Bezeichnung des Formulars den Geschädigten in die Irre führt und der Abtretungsvertrag daher nichtig ist.

Trennen Sie sich also von Formularen, die alt und ungeprüft sind. Sie haben mit unserem Formular eine korrekte Formulierung eines Formulars „Abtretung erfüllungshalber“, die Ihnen kein Gericht mehr auseinandernehmen kann.

https://www.iww.de/ue/schadenregulierung/aktivlegitimation-bgh-die-als-sicherungsabtretung-bezeichnete-abtretung-ist-wegen-unklarheit-ihres-inhalts-unwirksam-f157418

Hier stellen wir den Mitgliedern die notwendigen Informationen zur Verfügung und das von uns entwickelte und vom BGH bestätigte Formular: 

Dringend: Alle Abtretungen sind zu prüfen (intern. für Mitglieder des BAV)

Bundesgerichtshof bestätigt Abtretungsformular des BAV (intern. für Mitglieder des BAV)

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 16-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 16-24

Landgericht Köln 9 S 131/23 vom 06.03.2024 
(Vorinstanz Amtsgericht Köln 272 C 145/22 vom 19.09.2023)  

1. Es besteht ein grundsätzlicher Schadenersatzanspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten, da ein Zustand herzustellen ist, als wäre der Unfall nicht eingetreten.
2. Den Unfallgeschädigten trifft eine Obliegenheit zur Geringhaltung des Schadens (§ 254 BGB) und er muss daher Maßnahmen treffen, die nach Treu und Glauben von ordentlichen Menschen getroffen werden, um einen höheren Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern.
3. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zur Vorfinanzierung von Reparatur- oder Mietwagenkosten verpflichtet.
4. Einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht hat der Schädiger zu beweisen.
5. Wurde der Schädiger zwar nicht über fehlende Mittel zur Auslösung des Reparaturauftrages informiert und ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Versicherer zur Vermeidung höherer Mietwagenkosten schneller reguliert hätte, ist der Schadenersatzanspruch des Geschädigten nicht wegen eines Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht zu reduzieren.
6. Streitet der Versicherer bis zur gerichtlichen Entscheidung um die Frage seiner grundsätzlichen Einstandspflicht, bleibt eine Verletzung der Warn- und Hinweispflicht des Geschädigten auf mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit folgenlos. 

Zusammenfassung: Das Landgericht Köln schätzt erforderliche Mietwagenkosten anhand des Mittelwertes der einschlägigen Listen zuzüglich der Nebenkosten aus der Schwacke-Nebenkostentabelle. Ein Verstoß des Geschädigten gegen die Schadenminderungspflicht wegen Unterlassens einer rechtzeitigen Warnung an den Versicherer, er könne die Reparatur mangels finanzieller Möglichkeiten nicht beauftragen und müsse daher so lange einen Mietwagen fahren, bis die Beklagte ihre Einstandspflicht erklärt, wurde zwar festgestellt, aber als irrelevant anerkannt. Denn die Beklagte ist erst nach einem Gerichturteil zwei Jahre nach dem Unfall in die Regulierung eingetreten. 

Bedeutung für die Praxis: Zunächst ist die Betonung der Obliegenheit zur Schadenminderung hervorzuheben, die vom Geschädigten dann eine Warnung an den eintrittspflichtigen Versicherer verlangt, wenn ein Mietwagen merklich länger benötigt würde, weil der Mieter mangels  eigener finanzieller Möglichkeiten die Fahrzeugreparatur ohne eine Kostenübernahmeerklärung der gegnerischen Versicherung oder einen Vorschuss nicht beauftragen kann.
Im konkreten Fall jedoch stellte das Berufungsgericht fest, dass eine solche Verletzung seiner Warnpflicht für eine längere Mietzeit nicht kausal war. Denn der Versicherer sah sich sehr lange nicht als regulierungspflichtig an. Stattdessen warf er dem Geschädigten vor, einen Unfall fingiert zu haben. Erst zwei Jahre nach dem Unfall hatte der Versicherer aufgrund Gerichtsurteil seine Einstandspflicht zu akzeptieren. Sodann konnte er dem Geschädigten auch nicht ernsthaft vorhalten (was ihn natürlich nicht davon abhielt, es im Prozess trotzdem zu versuchen), dass, hätte dieser ihn früher gewarnt, er auch einen Vorschuss bezahlt oder seine Einstandspflicht erklärt hätte, um den frühen Beginn der Reparatur und damit eine kurze Mietdauer zu ermöglichen. 
Das Gericht erkennt, dass der Geschädigte nicht zu einer Vorfinanzierung von Schadenkosten verpflichtet ist. Dann hätte es jedoch auch das Mischmodell Fracke nicht anwenden dürfen. Denn dann ist Fraunhofer nicht anwendbar, auch nicht im Mischmodell. Werte der Fraunhofer-Liste sind – und das wird niemand bestreiten können – Mittelwerte von reinen Internet-Preisen, bei denen jeder einzelne Wert eine Vorfinanzierung des Mietzinses zuzüglich einer Kaution voraussetzt, vorab zu zahlen per elektronischem Zahlungsmittel und ggf. auch per Kreditkarte(n) (und weitere Einschränkungen).
Die Feststellung, dass der Geschädigte grundsätzlich nicht zur Vorfinanzierung verpflichtet ist und daher auf eigenes Risiko auch keinen Reparaturauftrag unterschreiben braucht, wenn er die entstehenden Kosten nicht selbst bezahlen kann, ist unbedingt beachtenswert. Denn selbst das OLG Düsseldorf, einst als „der Verkehrssenat“ gerühmt, lag in dieser für die Schadenregulierung extrem bedeutenden Frage unter dem Vorsitzenden Scholten fehlerhaft komplett auf Versicherer-Linie („Ein Geschädigter ist grundsätzlich nicht berechtigt, eine Schadenbeseitigung bis zu einer Klärung der Haftungsfrage zurückzustellen. (…) Stattdessen hat sich der Geschädigte so zu verhalten, als ob ihm kein ersatzpflichtiger Schädiger gegenüberstünde.“, Urteil vom 09.03.2021, Az. 1 U 77/20), obwohl der BGH das eindeutig bereits ein Jahr vorher anders entschieden hatte (BGH vom 18.02.2020, Az. VI ZR 115/19, hier Rz. 17). Leider gibt es dort Instanzgerichte, die das – anders als das LG Köln – noch immer nicht verstanden haben.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 15-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 15-24

Landgericht Aurich 4 S 85/23 vom 19.02.2024 
(Vorinstanz Amtsgericht Norden 5 C 381/22 vom 01.06.2023)  

1. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes kommt es für die Erstattungsfähigkeit des geforderten Ersatzes für Mietwagenkosten nicht auf die von der Beklagten vorgelegten Internet-Beispiele an.
2. Die Klägerin hat zur Erforderlichkeit der Mietwagenkosten anhand einer Vergleichsberechnung nach Mischmodell Fracke hinreichend vorgetragen.
3. Auf den Grundbetrag des Normaltarifes ist ein unfallbedingter Aufschlag als erforderlich anzusehen, da im konkreten Fall unfallbedingte Mehrleistungen von Autovermieter zu erbringen waren.
4. Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen des Geschädigten in Höhe von 10 Prozent erscheint angemessen.
5. Kosten erforderlicher und erbrachter Nebenleistungen für Haftungsreduzierung und Ausrüstung des Fahrzeuges mit Navigation sind ebenso vom Schädiger zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Landgericht Aurich korrigiert eine klageabweisende Entscheidung des Erstgerichtes und wendet zur Bestimmung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten die Formel Mischmodell minus 10 Prozent Eigenersparnis zuzüglich Aufschlag und Nebenkosten an.

Bedeutung für die Praxis: Manchmal lassen sich Gerichte von den Internet-Screenshots der Beklagten und ihrem Vortrag zu einer angeblich bestehenden generellen Erkundigungspflicht des Geschädigten nach günstigeren Angeboten blenden. Diese Screenshots zeigen bewusst Minimalpreise durch geschicktes Weglassen. Dann kommt der Vorwurf, der Geschädigte hätte hier ja günstiger mieten können. Dem Kläger obliegt es dann, das konkret aufzugreifen. Hier antwortete er, dass bei einem Normaltarif eine generelle Erkundigungspflicht aus dem Reich der Fabel stammt und dass die Screenshots erkennen lassen, dass die dargestellten Inhalte unzureichend sind (konkretes Mietende, begrenzte Kilometer, Fahrzeug und damit auch Mietwagengruppe unklar, Nebenleistungen unklar oder unpassend, …).
Das Erstgericht meinte, der Schadenersatzanspruch sei auf die Beträge aus den Screenshots zu begrenzen und wies die Anwendbarkeit von Schätzgrundlagen zurück. Das Berufungsgericht korrigierte das und sah auch den Vortrag des Klägers zum unfallbedingten Aufschlag als konkret an. Lediglich der Eigenersparnis-Abzug wurde von 4 auf 10 Prozent hochgesetzt.

Zitat: „Nicht die Screenshots der Beklagten, sondern Schätzung nach § 287 ZPO“ 

„Den von der Beklagten vorgelegten Screenshots kann die Kammer schon nicht entnehmen, dass es sich bei den angefragten Fahrzeugen um vergleichbare Mietfahrzeuge derselben Fahrzeugklasse handelt. Darüber hinaus hat die Klägerin zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten vorgelegten „Angebote“ eine feste Anmietdauer unterstellen, zum Teil eine Kilometerbegrenzung und keinen konkreten Fahrzeugtyp enthalten und Angaben zu den Versicherungsregelungen sowie den Allgemeinen Anmietbedingungen, aus denen sich weitere Auflagen und Kosten ergeben können, fehlen. Letztlich kann mit den von der Beklagten vorgelegten Screenshots nicht sichergestellt werden, dass dem Mieter das genannte Fahrzeug auch tatsächlich zur Verfügung gestellt werden kann und mit dem von dem Geschädigten tatsächlich angemieteten Fahrzeug sowie dem Unfallfahrzeug vergleichbar ist.“
(
Landgericht Aurich 4 S 85/23 vom 19.02.2024)

Zitat: „Obergerichtlich anerkannter Aufschlag hier zuzusprechen“

„Der von der Klägerin vorgenommene Aufschlag von 20 % für notwendige Mehraufwendungen (hier: Vorfinanzierung der Mietwagenkosten und Vereinbarung einer flexiblen Mietdauer) bei einer Anmietung des Fahrzeugs binnen einer Wochenfrist nach dem Unfall ist obergerichtlich anerkannt und begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. nur OLG Koblenz NJW 2015, 1615, juris Rn. 22).“
(Landgericht Aurich 4 S 85/23 vom 19.02.2024)

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 14-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 14-24

Amtsgericht Köln 263 C 14/23 vom 07.11.2023 

1. Das Schreiben der Beklagten an den Geschädigten enthielt kein annahmefähiges Angebot. Ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht ist dem Geschädigten nicht vorzuwerfen.
2. Daher sind die zu erstattenden Kosten für Mietwagen anhand der Erforderlichkeit zu beurteilen, § 249 BGB.
3. Die Schätzung der Höhe der Mietwagenkosten erfolgt mittels Mischmodell Fracke.
4. Zur Bestimmung der Nebenkosten sind die Mittelwerte aus der Schwacke-Liste Nebenkostentabelle zu verwenden.
5. Ein Eigenersparnis-Abzug ist entbehrlich aufgrund der Anmietung eines klassenniedrigeren Fahrzeuges.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Köln sieht in dem Schreiben der Beklagten an den Geschädigten kein konkretes und bindendes Mietwagenangebot und weist den Vorwurf der Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit zurück. Es schätzt die zu erstattenden Kosten mittels Fracke zuzüglich Nebenkosten, ohne Abzug einer Eigenersparnis-Pauschale.

Bedeutung für die Praxis: Auch wenn das „Angebot“ hier schriftlich und nicht lediglich mündlich erfolgte, war der Geschädigte nicht daran gebunden. Denn dem Geschädigten obliegt es nicht, für den Versicherer mit einem dem Versicherer genehmen Mietwagenanbieter die Details der Mobilitäts-Ersatzleistung zu verhandeln. So lange der Schädiger-Versicherer kein in der Weise konkretes Angebot an den Geschädigten unterbreitet, dass dieser erkennen kann, dass es seinen Bedürfnissen (im Rahmen seiner Schadenersatzrechte) entspricht, hat er kein annahmefähiges Angebot erhalten. Dazu müsste er wissen, welches konkrete Fahrzeug gemeint ist und welche Teilleistungen bis hin zur Höhe der Selbstbeteiligung im als Maximum genannten Preis inkludiert sind. 
Im Zusammenhang mit den erstattungsfähigen Kosten der Haftungsreduzierung betreibt das Gericht allerdings Rosinen-Picken zwischen konkreten Beträgen der Rechnung und abstrakten Werten der Liste. Der Grundpreis wird vom Rechnungsbetrag auf den Listenwert Fracke reduziert, bei der Kasko wird sodann jedoch der Rechnungsbetrag als Obergrenze zur Schätzung herangezogen, obwohl der Listenwert höher ist. Hier wird abgezogen wegen Liste und dort wird abgezogen wegen Rechnung. Das erscheint als eine unzulässige Vermischung, denn letztlich geht es um den Gesamtbetrag des Schadenersatzanspruches.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 13-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 13-24

Amtsgericht Berlin-Mitte 151 C 12/23 vom 13.09.2023 

1. Erstattungsfähige Mietwagenkosten nach Unfall werden mit dem Mischmodell Fracke bestimmt.
2. Dabei ist das PLZ-Gebiet des regionalen Marktes relevant, auf welchem das Ersatzfahrzeug angemietet wurde.
3. Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendung entfällt, wenn Geschädigte ein klassenkleineres Fahrzeug anmieten.
4. Kosten der erforderlichen Nebenleistungen werden mittels Schwacke-Nebenkostentabelle geschätzt.
5. Ein Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadenminderungspflicht kommt erst in Betracht, wenn ihm ein konkretes und annahmefähiges Angebot vorgelegt wurde.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Berlin widerspricht der Auffassung der Beklagten, sie hätte dem Geschädigten ein annahmefähiges Mietwagenangebot unterbreitet und der dürfte daher keinen höheren Schadenersatzbetrag verlangen, als sie bezahlt habe. Der stattdessen als erforderlich zu haltenden Betrag wird mittels Mischmodell Fracke geschätzt zuzüglich Kosten von Nebenleistungen. 

Bedeutung für die Praxis: Zur Schätzung anhand Mischmodell: Das Berliner Kammergericht hat in zwei Verfahren entschieden, dass sich die Mietwagenkosten wieder nach Schwacke bestimmen lassen (Urteil  vom 08.01.2024, Az. 22 U 71/22). Die notwendigen Details liegen vor (KG 22 U 119/13: „Der Senat hält es (…) im Anschluss an das OLG Celle und das OLG Köln für vorzugswürdig, aus beiden Tabellen jeweils das darin ausgewiesene arithmetischen Mittel zu entnehmen.“ und nun KG 22 U 71/22: „… hat die Klägerin für den hier maßgeblichen Bereich ein Gutachten mit sämtlichen Ermittlungsergebnissen als Anlage (Gutachten… BAV …) eingereicht, dass zu dem Schluss kommt, die Ergebnisse der Fraunhofer-Liste 2021 entsprechen nicht der Wirklichkeit. Es ist daher sachgerecht in den vorliegenden Fällen die Schwacke Liste heranzuziehen, die als taugliche Schätzgrundlage einzuordnen ist (BGH…).“ Das muss nun auch vorgetragen werden.
Ob die Beklagte, wie sie selbst meint, dem Geschädigten ein konkretes annahmefähiges und damit preisbindendes Angebot unterbreitet hatte, wurde ausführlich untersucht. Diese Untersuchung ergab, dass dem Geschädigten lediglich mitgeteilt wurde, wohin er sich wenden solle und welchen Höchstpreis der Versicherer des Schädigers bereit war, freiwillig zu bezahlen. Ein annahmefähiges Angebot hätte erst dann vorgelegen, wenn dem Geschädigten mitgeteilt worden wäre, welches konkrete Fahrzeug (Hersteller, Typ/Untertyp, Ausführung, Motorisierung, Ausstattung) er wann, wo, von wem und unter welchen Bedingungen für den angegebenen Preis bekommen hätte. Denn nur so hätte er die Mietwagenklasse bestimmen und das Angebot mit anderen Anbietern am Markt vergleichen können. Die Versichererdenke „Angebot = Angebotsannahme“ ist ein Irrtum. Lediglich können den Geschädigten solche Angebote, wenn sie denn annahmefähig sind, an den genannten Preis binden.  

Zitat: „Angebot des Schädiger-Versicherers nicht bindend“

“ … kann i.S.d. höchstrichterliche Rechtsprechung feststehen, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich gewesen wäre.
Nach der Überzeugung des Gerichtes (…) genügt das Angebot der Beklagten diesen Anforderungen jedoch nicht. Die von der Beklagtenseite genannte Zeugin führte aus Sicht des Gerichtes überzeugend und nachvollziehbar aus, dass sie dem Zeugen die Anmietung eines klassenniedrigeren Mietwagens zum Nettopreis von 31,50 Euro angeboten hat. Zugleich gab sie aber auch an, dass dieses Angebot noch kein konkretes Fahrzeug betraf, sondern allein in der Vermittlung an ein Mietwagenunternehmen bestand, welches seinerseits die Abwicklung der Anmietung übernommen hätte. Üblicherweise vor der Anmietung zu klärende Punkte wie eine Haftungs- oder Kilometerbegrenzung seien nicht besprochen worden, da dies durch den Geschädigten direkt mit dem Mietwagenunternehmen geklärt werden müsse. Schließlich sei eine Kostenübernahme bei ungeklärter Haftung auch nur für maximal drei Tage vorgesehen, wobei die Zeugen nicht mehr sagen konnte, ob diese Beschränkung im vorliegenden Fall einschlägig gewesen wäre. Für den Zeugen … als Geschädigten blieb damit zu diesem Zeitpunkt also noch völlig offen, welches konkrete Fahrzeug, bei welchen Mietwagenunternehmen vermietet werden würde und ob dieses überhaupt verfügbar gewesen wäre. Ferner blieb im Hinblick auf etwa erforderliche Nebenleistungen oder ein klassengleiches Fahrzeug nicht nur der endgültige Gesamtpreis offen, sondern auch die vollständige oder nur teilweise Übernahme eben jenes Gesamtpreises durch die Beklagte. Die ohne weiteres gegebene Zugänglichkeit eines günstigeren Tarifes bestand damit letztlich gerade nicht fest.“
(Amtsgericht Berlin-Mitte 151 C 12/23 vom 13.09.2023) 

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 12-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 12-24

Amtsgericht Königswinter 12 C 70/23 vom 19.03.2024

1. Zur Bestimmung der erforderlichen Mietwagenkosten für Ersatzmobilität ist die Schwacke-Liste Automietpreisspiegel anzuwenden.
2. Werte der Fraunhofer-Liste sind insofern willkürlich, dass Erhebungswerte nicht den korrekten Mietwagenklassen zugeordnet worden sind und eine Schätzung anhand Fraunhofer oder Mischmodell Fracke daher nach dem klägerischen Vorbringen mittels BAV-Gutachten und der weiteren Erläuterungen nicht mehr in Betracht kommt.
3. Es besteht keine generelle Pflicht für den Geschädigten, sich vor der Anmietung nach mehreren Angeboten zu erkundigen.
4. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Zustellen und Abholen sowie die Nutzung eines Fahrzeuges mit Navigationsgerät sind ebenso erstattungsfähig. 

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Königswinter verwirft die bisherige Mittelwert-Linie Fracke und wendet wieder die Schwacke-Liste zu Bestimmung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten an. Die Fraunhofer-Liste ist auch im Rahmen des Mischmodells nicht mehr anwendbar. Hinzuzufügen sind Kosten für Nebenleistungen.

Bedeutung für die Praxis: Der Kläger hat sehr konkret und ausführlich dargelegt, warum die Fraunhofer-Liste weder allein noch im Rahmen des Mischmodells noch zur Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten geeignet sein kann. Neben den allgemeinen Darlegungen wie Auftraggeber Versicherungswirtschaft, undurchsichtige Methode, völlig substanzlose Telefonerhebung usw. waren es vor allem zwei Aspekte, die das Gericht überzeugten.
Da ist zunächst der konkrete Nachweis durch den Kläger, dass die Ersteller der Liste für keinen einzigen ihrer Internetwerte die korrekte Mietwagenklasse bestimmen konnten. Das führt zwangsläufig dazu, dass die Werte, das Minimum einer Mietwagenklasse, deren Maximum und auch der arithmetische Mittelwert beliebig sind. Die Beklagte als Verteidigerin der Fraunhofer-Tabellen konnte das auch nicht erklären und verstrickte sich immer weiter.
Des Weiteren wurde für die konkrete Region des Falles ein BAV-Gutachten „
Gutachten Mietwagenpreise Internet 2022 – Region Bonn“ vorgelegt, dessen Mittelwert aus mehreren Nennungen verschiedener Mietwagenklassen ganz erheblich vom Mittelwert der Fraunhofer-Liste abwich, obwohl doch die Methode der Erhebung von Internetpreisen an die Fraunhofer-Methode angepasst war und daher zu denselben oder ähnlichen Ergebnissen hätte führen müssen. Wenn im Gutachten der Mittelwert jedoch je nach Mietwagenklasse zwischen 37 und 125 Prozent vom Mittelwert der Fraunhofer-Erhebung abweicht und in der Anlage des Gutachtens vorgelegten 87 Internetpreise (bei Vorkasse, Kaution, feststehende Mietdauer usw.) eher im Bereich der Schwacke-Mittelwerte liegen, dann sieht das Gericht die Anforderung als erfüllt an, konkret und auf den Fall bezogen klar zu machen, wie sich angebliche Mängel der Liste auf den konkreten Fall auswirken.

Zitat: „Kein Fraunhofer, kein Mischmodell mehr“ 

Abweichend von der Entscheidung des OLG Köln sieht das Gericht vorliegend jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, den ortsübliche Tarif anhand des arithmetischen Mittels zwischen der Schwacke Liste sowie der Fraunhofer Liste zu berechnen. Denn das Gericht zweifelt vor dem Hintergrund des seitens der Klägerin vorgelegten „Gutachten Mietwagenpreise, Internet 2022 Region Bonn“ an der Eignung der Fraunhofer Liste als Schätzgrundlage, welche zur Berechnung eines arithmetischen Mittels zugrunde gelegt werden könnte. Die Klägerin hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass ihr zu mindestens seit der Ausgabe des Jahres 2021 Erhebungsmethoden zugrunde liegen, die erhebliche Zweifel daran begründen, dass die Ergebnisse den relevanten Mietmarkt wenigstens einigermaßen realistisch widerspiegeln.
Ausschlaggebend hierfür ist der Umstand, dass im Vorwort zu zum Fraunhofer Mietpreisspiegel Mietwagen unstreitig seit dem Jahre 2021 erläutert wird, dass die Auswertung auf Basis der Schwacke- Klassifikation und zusätzlich anhand der ACRISS-Klassifikation der Fahrzeuge durchgeführt wird. Es steht außer Streit, das Letztere Einordnung nach Ausstattungsmerkmalen für touristische Zwecke im Internet erfolgt. Damit steht fest, dass Fraunhofer bei seiner Datenerhebung die ACRISS-Kategorien, Fahrzeugkategorie, Bauart, Getriebe, Treibstoff und Klima automatisiert abgreifen konnte; weitere Informationen, insbesondere über den Listenpreis der angebotenen Mietwagen waren dagegen auf Grundlage der Methodik der Datenerhebung bei Frauen nicht abrufbar. Die Klägerin hat anhand eines Beispiels nachvollziehbar dargelegt, dass diese Klassifizierung für die Ermittlung des Anschaffungspreis nicht geeignet ist. So hat sie auf Seite 7 ff. der Replik erläutert, dass zwei verschiedene Modelle des VW Golf zwar den gleichen ACRISS-Code (CLMR), jedoch abweichende Anschaffungspreise von knapp 30.000 EUR und knapp 60.000 EUR und damit die Gruppen vier beziehungsweise sieben nach Schwacke aufweisen. Dies ist auch zwanglos nachvollziehbar, dabei ACRISS
 bereits grundlegende Wert bildende Faktoren wie die Motorisierung und die Ausstattung nicht differenzierend erfasst werden. Damit steht fest, dass die von Fraunhofer herangezogen Daten lediglich Rückschlüsse auf grundlegende Fahrzeugmerkmale, nicht jedoch auf den eigentlichen Fahrzeugwert zulassen. Letzterer ist jedoch maßgeblich für die Frage, ob der entsprechende Mietpreis erforderlich ist, da der Geschädigte berechtigt ist, ein gleichwertiges btw.. – zur Vermeidung der Anrechnung ersparter Aufwendungen ein um eine Gruppe niedriger eingeordnetes Fahrzeug anzumieten.“
(Amtsgericht Königswinter 12 C 70/23 vom 19.03.2024)

Es ist nicht bekannt, ob das Urteil bereits rechtskräftig geworden ist.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 10-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 10-24

Landgericht Braunschweig 10 S 101/23 vom 23.11.2023 (letzte Frist, kein konkretes Urteilsdatum bekannt)
(Vorinstanz Amtsgericht Wolfsburg 37 C 96/22 vom 27.03.2023)  

1. Der erstattungsfähige Betrag für Mietwagenkosten nach einem Unfall ist anhand des Mischmodells der Listen von Schwacke und Fraunhofer zu schätzen (§ 287 ZPO).
2. Die Auffassung der Beklagten, die Schwacke-Liste sei keine anwendbare Schätzgrundlage, wird zurückgewiesen.
3. Der Beklagten ist nicht zu folgen in Bezug auf ihre Auffassung, der Geschädigte hätte das Sachverständigengutachten zu spät beauftragt und und zu lange abgewartet und daher die Mietdauer in Verletzung seiner Schadenminderungspflicht unberechtigt ausgeweitet. 
4. Mit einer Fahrstrecke von über 20 Kilometern pro Tag hat der Geschädigte seinen Nutzungswillen nachgewiesen.
5. Zur Schätzung des erstattungsfähigen Gesamtbetrages ist eine Vermischung aus konkreten Positionen und abstrakten Schätzwerten unzulässig.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht wendet zur Bestimmung des Grundwertes des Normaltarifs die Fracke-Methode an und fügt die Kosten der erforderlichen und angefallenen Nebenleistungen hinzu. Die vom Versicherer mit mehreren Argumenten bezweifelte Berechtigung der konkreten Dauer der Ersatzwagenanmietung wird bestätigt. Zur Schätzung des Regulierungsbetrages wendet sich das Gericht deutlich gegen die Rosinentheorie, nach der in gerichtlichen Entscheidungen der niedrigste diskutierte Betrag aus Rechnung oder Schätzwerten herausgezogen und zu einem erstattungsfähigen Gesamtbetrages zusammengestellt werden.

Bedeutung für die Praxis: Die Anwendung des Mischmodells durch das Erstgericht wird bestätigt und die Angriffe der Beklagten auf die Schwacke-Liste zurückgewiesen. Anhand der Internetbespiele der Beklagte hätte gar die Frage nahegelegen, warum diese Internetpreise auf dem Niveau der Fracke-Werte und nicht auf dem Niveau der Fraunhofer-Werte lagen. Das Gericht hätte durchaus feststellen können, dass die Beklagte mit ihren Internetbeispielen die Korrektheit der Fraunhofer-Liste infrage stellt. Denn die methodische Herangehensweise ist gleich: Internet-Reservierungsangebot, Vorkasse, Kaution, elektronisches Zahlungsmittel, festgelegte Mietdauer, Einschränkungen bei Kilometer-Leistungen, Mindestführerscheinbesitz-Dauer, Mindestalter usw. Wenn bei gleicher Methode Fracke-ähnliche Werte herauskommen, ist die Anwendung der Fraunhofer-Liste auch im Rahmen der Fracke-Berechnung sehr zweifelhaft.
In der Entscheidung bestätigt das Berufungsgericht die Berechtigung für eine Miete von 23 Tagen, auch wenn im Gutachten lediglich eine Reparaturdauer von 15 Tagen veranschlagt war. Weder die Beauftragung des Sachverständigen nicht am Samstag (Unfalltag), sondern erst am folgenden Montag wurde als Verletzung der Schadenminderungs-Obliegenheit gewertet. Noch sei dem Geschädigten vorzuwerfen, er habe erst mit dem Gutachten in der Hand und der konkreten Kenntnis des Totalschadens mit der Suche nach einem (für ihn) neuen eigenen Fahrzeug begonnen. Die Vorwürfe der Beklagten waren daher völlig überzogen.
Die größte Bedeutung kommt den Ausführungen zur konkreten Anwendung der Schätzgrundlagen zu. Viele Gerichte schauen bei Einzelpositionen wechselnd in die Liste und in die Rechnung und wenden dann jeweils den niedrigeren Betrag an, um die gesamten erstattungsfähigen Kosten zu bestimmen (Rosinentheorie). Ein solches Vorgehen ist strikt abzulehnen. Eine Vermischung von abstrakter und konkreter Schadenberechnung ist unzulässig. Der eine Vermieter hat einen höheren Teilbetrag hier und einen niedrigeren dort und bei einem anderen Vermieter ist es umgekehrt. Der Geschädigte kann aber nicht das Fahrzeug bei A und die Erlaubnis zur Berechtigung eines weiteren Fahrers bei B bekommen. Korrekt ist eine Vergleichsberechnung von Anfang bis Ende nach einer konkreten Methode wie hier das Mischmodell und ein anschließender Vergleich mit dem Endbetrag über alle Einzelpositionen, die nach der abstrakten Methode verwendet wurden. Erst dann ist bei niedrigerem Rechnungswert lediglich dieser Betrag als erstattungsfähig anzusehen. Ist der Betrag nach der Schätzung niedriger, dann ist das die berechtigte Schadenersatzforderung. 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 09-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 09-24

Oberlandesgericht Naumburg 3 U 54/23 vom 08.02.2024 
(Vorinstanz Landgericht Halle 6 O 334/22 vom 31.08.2023) 

1. Der Kläger kann weitere Mietwagenkosten nach einem Unfall vollständig erstattet verlangen. 
2. Anders als das Erstgericht sieht der Senat einen Erstattungsanspruch nach Vergleich der Mietwagenforderung mit Werten der Schwacke-Liste.
3. Bei zu erwartender längerer Mietdauer ist vom Wochentarif auszugehen.
4. Vorprozessuale Rechtsanwaltskosten sind nach einem Gebührensatz von 1,6 erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das OLG Naumburg wendet die Schwacke-Werte zur Bestimmung erstattungsfähiger Mietwagenkosten an. Nebenkosten für eine Reduzierung der Haftung kommen hinzu. Für die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit ist eine 1,6- Gebühr anzusetzen.

Bedeutung für die Praxis: Das OLG Naumburg entscheidet hier einen besonderen Fall, denn der Geschädigte hatte einen Anspruch auf ein Ersatzfahrzeug der Mietwagenklasse 08, ersatzweise gefahren ist er jedoch einen Mietwagen der Klasse 04. Grundsätzlich ging der Senat davon aus, dass er ein eigenes Schätzungsermessen habe und daher der Fraunhofer-Entscheidung des Landgerichtes nicht folgen müsse. Zwar habe der Geschädigte auch bei einer Eilsituation keine vollkommen freie Hand und könne sich telefonisch am regionalen Markt ein Vergleichsangebot einholen. Das ist wohl zu verstehen als Antwort auf die Frage, ob bei einer Eilsituation jedes auch viel zu teure Mietwagenangebot vom Schädiger zu erstatten wäre. Daher zieht der Senat hier die Grenze, dass dann eine Erkundigung im Rahmen der Gegebenheiten notwendig ist. Möglichweise wurde klägerseits die Variante „unfallbedingter Aufschlag“ im Rahmen der Erforderlichkeit (§ 249 anstatt § 254) nicht bespielt. Durch diese Grenzziehung kommt der Senat zurück zur Schätzung der erstattungsfähigen Kosten auf der Basis von anerkannten Listen und sieht die klägerische Forderung als berechtigt an. Denn er vergleicht den grundsätzlichen Anspruch auf ein Ersatzfahrzeug der Mietwagenklasse 08 mit den Listenwerten Schwacke sowie nach dem Mischmodell und stellt zusätzlich einen Vergleich mit den regionalen Schwacke-Werten der Klasse des angemieteten Fahrzeuges her. Das Berufungsgericht sieht wegen der hingenommenen Einbuße durch Anmietung eines erheblich klassenniedrigeren Fahrzeuges keinen Grund für weitere Kürzungen. Im Ergebnis hält der Senat die geforderten Beträge für angemessen. 
Aufgrund der bereits vorprozessual umfangreichen anwaltlichen Tätigkeit nach zögerlicher Regulierung der Versicherung des Schädigers und deren Verweis auf zwingend notwendige Abrechnung zunächst über die Kaskoversicherung des Geschädigten sieht das Gericht eine 1,6-Gebühr als angemessen an.

 

Lieber nicht zum BGH und wenn, dann bitte melden

Der Bundesgerichtshof ist die höchste Zivilinstanz im deutschen Rechtssystem. Was dort in Einzelfragen entschieden wird, gilt erst einmal für längere Zeit. Gleichzeitig ist der BGH lediglich die Revisionsinstanz. Das bedeutet, dass eine BGH-Entscheidung in hohem Maße abhängig davon ist, was in den beiden Vorinstanzen (Erstgericht und Berufungsgericht) in der konkreten Angelegenheit vorgetragen und von Richtern entschieden wurde. Und das kann für ein Revisionsverfahren entweder hilfreich oder sehr gefährlich sein und ist während des BGH-Verfahrens dann nicht mehr zu korrigieren.

Daher soll hier bitte der Hinweis gehört werden, dass Rechtsanwälte von Geschädigten und Autovermietern, bevor sie sich auf den risikoreichen Weg einer Revision beim BGH begeben, sofern es sich um Mietwagenfälle handelt, bitte zu uns Kontakt herstellen mögen. Wir glauben behaupten zu dürfen, uns bestmöglich mit der Thematik auseinanderzusetzen und die Kenntnisse vieler auf Verkehrsrecht spezialisierter Anwalte mindestens mal sinnvoll ergänzen zu können. 

Es ist selbstverständlich nachvollziehbar, dass ein regionales Berufungsurteil – welches als vollkommen falsch empfunden wird – so nicht stehengelassen bleiben soll. Doch die viel größere Wirkung für die Versicherungswirtschaft einerseits und die Geschädigtenseite anderseits haben Alleingänge zum BGH, die dort im Ergebnis negativ ausgehen.

Die Versicherer warten nach unserer Auffassung nur darauf, auf diese Weise die Rechtsprechung in einigen Bereichen zu kippen. Die Versicherer selbst sind miteinander schon über die geringe Anzahl der damit befassten Großkanzleien, über Vorträge, Schulungen und ggf. auch den GDV so aufgestellt, dass ihnen Alleingänge weniger unterlaufen und schaden als uns als größtenteils unorganisierte Einzelkämpfer (Werkstätten, kleine Vermieter, kleine Anwälte).

Bevor Sie also an einen solchen für alle in der Branche relevanten Schritt gehen, suchen Sie in Mietwagenfällen bitte den Kontakt zu uns, auch wenn die Gegenseite an Revision denkt und im Berufungsverfahren beantragt hat. Nur dann kann versucht werden, binnen Stunden die Akte zu studieren und den ggf. fehlenden Sachvortrag noch in der Berufung nachzuschieben.

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 07-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 07-24

Amtsgericht Stuttgart 42 C 3345/23 vom 17.01.2024 (Datum mdl. Verhandlung) 

1. Der Geschädigte verstößt durch die Anmietung eines Ersatzwagens am freien Markt nicht gegen seine Obliegenheit zur Geringhaltung des Schadens, wenn die Beklagte ihm lediglich ein klassenniedrigeres Fahrzeug vermitteln wollte.
2. Der Schwacke-Automietpreisspiegel ist grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten anwendbar.
3. Der Grundbetrag ist über eine Addition von Pauschalen für Wochentarif, 3-Tages-Tarif und 1-Tages-Tarif vom arithmetischen Mittel aller Nennungen zu bilden.
4. Die Beklagte erfüllt weder mit dem Verweis auf Fraunhofer noch mit Internetbeispielen die Anforderungen an ihren Vortrag zur Erschütterung einer Schätzgrundlage.
5. Vom Grundbetrag ist ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von 10 Prozent vorzunehmen.
6. Auch die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Winterreifen, Navigation und Zustellen und Abholen sind erstattungsfähig. 

Zusammenfassung: Das Angebot der Beklagten an den Geschädigten zur Mietwagenvermittlung bei Enterprise wird als unbeachtlich angesehen. Die erforderlichen Mietwagenkosten sind nach den Schwacke-Pauschalen zu bemessen, abzüglich 10 Prozent Eigenersparnis. Nebenkosten kommen hinzu.

Bedeutung für die Praxis: Auf die Beachtlichkeit eines Direktvermittlungsangebotes im Detail kommt es gar nicht erst an, wenn von vornherein feststeht, dass die Beklagte zwar rechtzeitig ein Angebot unterbreitet haben will, dieses Angebot jedoch kein vergleichbares Fahrzeug betraf in Bezug zum beschädigten Fahrzeug des Geschädigten.
Warum das falsche Fahrzeug? Es ist nicht unbedingt zu unterstellen, dass die Beklagte hier schummeln und etwas Geld sparen wollte. Nein, die Ursache dürfte darin liegen, dass es die Beklagte zum Zeitpunkt des Angebotes nicht besser wusste. Denn ein „early-bird“-Anruf und die sofort folgende E-Mail an den Geschädigten erfolgen, ohne dass die notwendigen Informationen zum beschädigten Fahrzeug und zu den notwendigen Leistungen des Vermieters bei der gegnerischen Versicherung vorliegen und damit ins Blaue hinein. Versicherer des Unfallverursachers behaupten zwar in immer mehr Fällen der Schadenregulierung, sie könnten zu jeder Zeit und überall das passende Fahrzeug zur Verfügung stellen. Doch dem ist schon grundsätzlich nicht so, wie viele Beispiele zeigen. Wenn dann wie hier das „Angebot“ noch auf ein klassenniedriges Fahrzeug bezogen ist, ist das ein Ausdruck des Stocherns im Nebel des Schadensachbearbeiters und fällt zurück auf den Versicherer, der beweisen muss, dass dem Geschädigten ein konkretes und annahmefähiges Angebot vorlag, dass er hätte annahmen müssen (§ 254 BGB).
Und daher zeigt auch diese Beispiel wieder das grundsätzliche Problem der BGH-Rechtsprechung auf, Geschädigte seien durch rechtzeitige „Angebote“ der Versicherer an deren Vorgaben gebunden. Denn die Versicherer können auf die Schnelle keine annahmefähigen Angebote abgeben. Ein „Sofortanruf“ und die nachfolgende E-Mail sind immer ein Schuss ins Blaue. Der kann auch mal treffen, aber dann zufällig. Die Anforderung eines konkreten nachvollziehbaren und dem Anspruch des Geschädigten entsprechenden Angebotes ist für die Versicherer heute in der Regulierungspraxis zweitrangig. Das sollte es für die Rechtsprechung aber nicht sein. 
Viele weitere Fragen rund um die Beachtlichkeit des „Angebotes“ musste hier wegen des Fehlschusses bei der Fahrzeuggruppe nicht geklärt werden. Dazu gehört u.a. die Frage, ob die Zusendung einer E-Mail an den Geschädigten geeignet ist, ihn an das Angebot zu binden. Immerhin ist die tägliche Überwachung des elektronischen Postfachs bei Privatpersonen eher unüblich, auch können Mails im Posteingang übersehen werden oder vom Mailserver als unsicher oder unerwünscht klassifiziert im Spam-Ordner landen.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 08-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 08-24

Amtsgericht Bonn 111 C 248/22 vom 02.05.2023

1. Anders als die Beklagte ist das Gericht nicht der Auffassung, der Geschädigte habe aufgrund eines von ihm ausgeschlagenen Vermittlungsangebotes der Beklagten gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen. 
2. Die Erforderlichkeit der Mietwagenkosten ist anhand des Mischmodells aus Fraunhofer und Schwacke zu bestimmen.
3. Aufgrund der Notwendigkeit, im konkreten Fall bei subjektbezogener Schadenbetrachtung unfallbedingte Sonderleistungen des Vermieters in Anspruch zu nehmen, ist ein pauschaler Aufschlag von 20 Prozent als angemessen zu betrachten.
4. Die Kosten der Zusatzleistungen Zustellen und Abholen, für eine erweiterte Kaskoversicherung, für eine Ausstattung mit Navigation und für die Erlaubnis eines weiteren Fahrers sind zusätzlich zu erstatten, da sie in den Listen-Grundwerten nicht enthalten sind.
5. Die Klägerin war berechtigt, außergerichtlich einen Rechtsanwalt zu mandatieren, sodass dessen Kosten schadenrechtlich erstattungsfähig sind.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Bonn sieht in einem – vom Geschädigten missachteten – Schreiben des Schädigerversicherers bezeichnet mit „Vermittlungsangebot“ und dort enthaltenen unkonkreten Angaben keinen Grund für einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht. Die zu erstattenden Schadenkosten für einen Ersatzwagen bemessen sich daher nach der Erforderlichkeit, zu schätzen mit dem Mischmodell zuzüglich Aufschlag und Nebenkosten.

Bedeutung für die Praxis: Die Grundlinie des Gerichtes lautet derzeit Mischmodell und (i.d.R.) Aufschlag und Nebenkosten. Nur wenn die Beklagte ein konkretes und annahmefähiges vergleichbares Angebot rechtzeitig unterbreitet, ist davon abzusehen und der Schadenersatz auf den Preis eines Kooperationsanbieters des Versicherer zu reduzieren. Das war hier nicht gegeben, denn die Beklagte hat lediglich allgemein auf andere Anbieter und deren Preise hingewiesen.
Zum unfallbedingten Aufschlag liegt das Gericht auf BGH-Linie insofern, dass eine von mehreren möglichen Aufschlagsgründen als ausreichend anzusehen ist, um ihn als berechtigt anzusehen. Hier waren es drei Aufschlagsgründe. Nicht dabei war die Eil- und Notsituation. Denn auch viele andere Sonderleistungen des Vermieters können erforderlich sein, damit der Geschädigte überhaupt in der Lage ist, sein Anrecht wahrzunehmen, einen Ersatzwagen nach einem Unfall zu nutzen. Das sind zum Beispiel die notwendige Vorfinanzierung durch den Vermieter, die fehlende Sicherheit einer letztendlichen Bezahlung und Erstattung von Schäden am Mietwagen, die unbestimmte Mietdauer und eine fehlende Kaution, die sich kostenerhöhend für den Vermieter auswirken.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 06-24

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 06-24

Amtsgericht Linz am Rhein 24 C 326/23 vom 09.01.2024

1. Die von der Klägerin an der Schwacke-Liste orientierten Mietwagenkosten sind schadenrechtlich als erstattungsfähig anzusehen.
2. Zur Bestimmung des Gesamtbetrages ist ein Aufschlag in Höhe von 20 Prozent wegen erforderlicher unfallbedingter Mehrleistungen des Autovermieters gerechtfertigt.
3. Gegen die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste zur Schätzung nach § 287 ZPO hat die Beklagte mit ihrem Verweis auf die Fraunhofer-Liste keine konkreten Einwendungen vorgebracht.
4. Die Auffassung der Beklagten wird zurückgewiesen, dass Kosten einer Haftungsreduzierung nur erstattungsfähig seien, wenn das Geschädigten-Fahrzeug kaskoversichert ist.
5. Kosten für die Ausstattung mit Winterreifen kommen in der Winterzeit hinzu.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Linz wendet die Schwacke-Liste zur Schätzung der erforderlichen Kosten einer Ersatzmiete an und lehnt darüber hinaus die Verwendbarkeit der Werte der Fraunhofer-Liste ab. Ein 20%iger Aufschlag und Nebenkosten für Haftungsreduzierung, Winterreifen, Zweitfahrer und Zustellen/Abholen kommen hinzu.

Bedeutung für die Praxis: Das Amtsgericht in Linz befindet sich mit seiner Auffassung zur Mietwagen-Frage auf einer Linie mit dem BGH: Sofern kein konkreter Sachvortrag etwas anderes aufzeigt, ist die Schwacke-Liste eine verwendbare Schätzgrundlage.
In der Diskussion der Erstattungsfähigkeit der Kosten für Nebenleistungen behauptet die Beklagte doch tatsächlich, diese seien in den Grundwerten der Fraunhofer-Liste bereits enthalten. Deshalb dürften Winterreifen, Zweitfahrer, Zustellung und Haftungsreduzierung nicht noch als Zusatzkosten verlangt werden. Die Beklagte dürfte selbst ganz genau wissen, dass das bis auf die Haftungsreduzierung (mit einer sehr hohen Selbstbeteiligung bis 2.000 Euro) nicht korrekt ist. Sie  trägt das aber – so steht es im Urteil – dreist so vor. Das Gericht formuliert im Urteil (lediglich) sachorientiert, was daran nicht korrekt ist. Man hätte sich einen Satz gewünscht, wie: „… versucht die Beklagte die Tatsachen zu verdrehen“. 

Fraunhofer 2023 und Ausmaß der angeblichen Preisreduzierungen

Es ist wie in den vergangenen Jahren: Fraunhofer stellt Ergebnisse vor, die mit den Zahlen anderer Quellen nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.

Fraunhofer behauptet in seiner Veröffentlichung Anfang 2024 ein Absinken der durchschnittlich festgestellten Preise im Jahr 2023 zum Vorjahr in den ...

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