Vermietung nach Unfall

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 17-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 17-23

Landgericht Berlin 50 O 113/22 vom 14.04.2023

1. Das Gericht bestätigt die Auffassung der Klägerin, dass die zu erstattenden Mietwagenkosten anhand der Werte der Schwacke-Liste zu schätzen sind. Der marktübliche Normaltarif ist als Mindestbetrag anzusehen.
2. Für die Verwerfung einer Liste komme es darauf an, ob behauptete Mängel mit konkreten Tatsachen unterlegt sind, die sich erheblich auf den Fall auswirken.
3. Ein Verweis auf Fraunhofer ist kein konkreter Sachvortrag, da dortige Werte nicht mit den konkreten Angeboten der Klägerin vergleichbar sind. 
4. Dass den Geschädigten günstigere Angebote zur Verfügung standen, die sie nur nicht wahrgenommen hätten, hat die Beklagte lediglich behauptet
 (Internet-Screenshots), aber nicht bewiesen.
5. Die Kosten der erforderlichen Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Winterreifen, Navigation, Zusatzfahrer und Zustellen/Abholen sind von der Beklagten zu erstatten.
6. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten entfällt bei klassenkleinerer Anmietung.
7. Die aus abgetretenem Recht erhobenen Ansprüche sind nicht durch Zahlung erfüllt, wenn die Beklagte anstatt an den Forderungsinhaber an den Geschädigten zahlt.

Zusammenfassung: Das Landgericht Berlin schätzt die erforderlichen Mietwagenkosten nach Unfall anhand der Schwacke-Liste. Die Anwendung der Fraunhofer-Liste und die Bildung des Mittelwertes Fracke werden abgelehnt. Die Auffassungen der Beklagten zu Beweislastregeln, zur Erkundigungspflicht und zur Auffassung des Kammergerichts zur Anwendung von Fracke werden durch das Gericht zurückgewiesen. Der Anspruch auf Erstattung von Nebenkosten wird bestätigt, ebenso für außergerichtliche Anwaltskosten.

Bedeutung für die Praxis: Hervorzuheben sind einige vom Gericht genannte grundlegende Prinzipien des Schadenrechts, die hier und da in Vergessenheit zu geraten drohen. Wenn die Beklagte behauptet, dass alles viel zu teuer sei und auf aktuelle Internet-Screenshots verweist, hat sie die Beweislast dafür, dass die Geschädigten, die zu marktüblichen Preisen angemietet haben, gegen ihre Schadenminderungs-Obliegenheit verstoßen haben. Das geht weit über das bloße Vorlegen von Screenshots hinaus. Auch die Korrektur der Auffassung der Beklagten zur angeblichen Erkundigungspflicht des Geschädigten ist bedeutsam. Wenn die Geschädigten lediglich Kosten im Rahmen der Marktpreise verursachen, obliegt ihnen keine solche Nachfragepflicht nach günstigeren Angeboten und auch nicht die Darlegungs- und Beweislast, dass es nicht auch günstigere Angebote gegeben habe.
Das Gericht korrigiert die Auffassung der Beklagten, dass die Rechtsprechung des Kammergerichts eine Schätzung anhand der Fracke-Werte gebiete. Lediglich hat das Kammergericht eine Anwendung des Mischmodells nicht verworfen.
Die Werte der Fraunhofer-Erhebung sieht das Landgericht Berlin nicht als vergleichbar mit der konkreten Vermietung an. Denn die konkrete Leistung, die der Vermieter erbringt, entspricht nicht den Angeboten, die Fraunhofer berücksichtigt. Die dortigen Details erscheinen dem Gericht unklar.
Lediglich wenn die Geschädigten einen Preis oberhalb der Erforderlichkeit eines Normaltarifs beanspruchen (BGH: einen weit überhöhten Tarif), haben sie für eine Erstattung dieses höheren Preises nachzuweisen, dass sie sich nach günstigeren Anmietmöglichkeiten erkundigt haben.

Hinweis: Ob das Urteil rechtskräftig ist, ist nicht bekannt.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 15-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 15-23

Landgericht Stuttgart 5 S 67/22 vom 09.03.2023 (Datum mündliche Verhandlung)
(Vorinstanz Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt 10 C 2188/21 vom 31.03.2022)

1. Die Anwendung der Schwacke-Liste zur Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten durch das Erstgericht wird bestätigt.
2. Einwendungen der Beklagten mittels Verweises auf die Fraunhofer-Liste sind kein konkreter Sachvortrag, der geeignet wäre, von der Schwacke-Liste abzurücken.
3. Die von der Beklagten aufgezeigten Internetbeispiele sind zur Erschütterung der Schätzgrundlage schon deshalb ungeeignet, weil sie aus einem anderen Anmietzeitraum stammen.
4. Gegen die Berücksichtigung der im Fall vorgelegten Internetangebote spricht zudem, dass sie mit der tatsächlichen Anmietung nicht vergleichbar sind, da sie kein offenes Mietende enthalten.
5. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Winterreifen sind erstattungsfähig.
6. Ist das beschädigte Fahrzeug vollkaskoversichert, ergibt sich schon dadurch eine Zahlungspflicht des Schädigers für die Kosten einer erweiterten Haftungsreduzierung.

Zusammenfassung: Das Landgericht Stuttgart bestätigt seine Linie zur Schätzung erstattungsfähiger Ersatzwagen-Kosten. Es wird die Schwacke-Liste angewendet. Der Beklagtenvortrag mittels Fraunhofer und Internet-Beispielen ist zu unkonkret. Nebenkosten kommen hinzu.

Bedeutung für die Praxis: Das Urteil aus Stuttgart lässt eine Verärgerung der Berufungskammer erkennen. Wenn – wie in diesem Fall – ein Versicherer zum x-ten Mal mit den immer gleichen Argumenten ein Berufungsverfahren durchlaufen will und dabei Prozesskosten verursacht, kann die Kammer das nicht nachvollziehen.
In Bezug auf die Internetangebote, auf die sich die Berufung stützt, macht das Gericht deutlich, dass diese kein konkreter maßgeblicher Vortrag sein können. Denn dort ist immer ein End-Datum vorgegeben. Die Klägerin hat mit offenem Miet-Ende vermietet. Daher sind die Internetbeispiele nicht mit dem konkreten Fall vergleichbar.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 14-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 14-23

Landgericht Leipzig 9 O 948/20 vom 06.02.2023

1. Die von der Klägerin erstellte Vergleichsberechnung der erhobenen Schadenersatzforderung mit den Werten der Schwacke-Liste ist nicht zu beanstanden.
2. Von der Beklagten aufgezeigten Internetangebote sind kein konkreter Sachvortrag, sind zeitlich unpassend und vor allem inhaltlich nicht vergleichbar mit dem konkreten Mobilitätsbedarf des Geschädigten.
3. Die Kosten für die erforderlichen Nebenleistungen, hier einer erweiterten Haftungsreduzierung, sind vom Schädiger zu erstatten.
4. Auch die Gebühren vorgerichtlicher Anwaltseinschaltung sind schadenrechtlich als erstattungsfähige Kosten anzusehen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Leipzig verurteilt die Beklagte zur vollständigen Zahlung der aufgewendeten Mietwagenkosten. Die Erstattungsfähigkeit wird anhand der Schwacke-Werte beurteilt, ebenso die Nebenkosten. Ein Abzug wegen ersparter Eigenaufwendungen muss im konkreten Fall nicht erfolgen.

Bedeutung für die Praxis: Das Landgericht Leipzig schätzt Mietwagenkosten mittels Schwacke und lässt die Werte der Internetbeispiele nicht gelten, auf die die Beklagte mit dem Argument der Verletzung der Schadenminderungspflicht verweist. Die Beispiele sind nicht relevant, weil sie aus anderen Zeiträumen stammen und weil die dort erkennbaren konkreten Inhalte und Bedingungen der Vermietung nicht mit der konkret erbrachten Leistung vergleichbar sind. Der Versicherungsschutz sei ein anderer und die notwendige Zahlung per Vorkasse sei ein Grund, eine mangelnde Vergleichbarkeit festzustellen.
Und doch gibt es drei Aspekte der Urteilsbegründung zu monieren.
Den Grund der Erstattungspflicht der Kosten einer Haftungsreduzierung sieht das Gericht in Abhängigkeit von der Versicherung des Geschädigtenfahrzeuges. Das ist eine Sondermeinung und nicht von der BGH-Rechtsprechung gedeckt. Der BGH gesteht dem Geschädigten auch dann die Kosten einer Haftungsreduzierung auf 0 Euro zu, wenn sein eigenes Fahrzeug nicht vollkaskoversichert ist. Denn er trägt mit dem Mietfahrzeug immer ein höheres Kostenrisiko.
Des Weiteren wird zwar die Auffassung der Klägerin bestätigt, dass ein Eigenersparnis-Abzug nicht zu erfolgen hat. Das jedoch mit der Begründung, dass die Kosten insgesamt unterhalb der Schätzgrundlage liegen. Das hat nichts miteinander zu tun, ist lediglich Ergebnis korrekt, weil im konkreten Fall klassenniedriger vermietet wurde.
Und zu guter Letzt formuliert das Gericht , dass der Geschädigte „den günstigsten Mietpreis“ ersetzt verlangen kann, das mit Einschränkungen wie „innerhalb eines gewissen Rahmens“ usw. Dabei zitiert es den BGH, konkret das Urteil zum Az. VI ZR 563/15. Liest man das Urteil, steht da ein anderer Begriff, Zitat: „Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (…) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann…“ Es geht dabei um das Detail, ob es lediglich der günstigste am Markt verfügbare Preis sein darf, den der Geschädigte verlangen kann. Ein günstigerer Preis ist etwas anderes, z.B. ein Mittelwert, mit dem entsprechend § 287 ZPO geschätzt wird, was das Gericht ja auch macht. Versicherer formulieren gern die Anforderung vom „günstigsten“ Preis, Gerichte übernehmen das immer wieder falsch.

Es ist nicht bekannt, ob das Urteil rechtskräftig geworden ist.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 13-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 13-23

Amtsgericht Köln 268 C 77/22 vom 21.02.2023 (Datum der mündlichen Verhandlung)

1. Die Beklagten blieb beweisfällig für ihre Behauptung, den Geschädigten rechtzeitig konkrete und annahmefähige Mietwagenangebote unterbreitet zu haben, die als vergleichbar zum Ersatzanspruch der Geschädigten anzusehen sind.
2. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten für Ersatzmobilität nach einem Unfall kann anhand des Mischmodells der Listen von Schwacke und Fraunhofer erfolgen.
3. Die Einwendungen der Klägerin gegen die Verwendbarkeit der Fraunhofer-Werte im Rahmen des Mischmodells führen nicht zur Aufgabe der Mittelwertrechtsprechung.
4. Kosten für Nebenleistungen, die nach den Grundsätzen des Schadenrechts erforderlich sind, sind zu erstatten und nach den Werten der Schwacke-Liste zu messen.
5. Außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten sind ebenso als Teil der Schadenersatzforderungen erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Köln schätzt weiter mit dem Mischmodell der Listen zuzüglich angefallener Nebenkosten. In Bezug auf die in zwei Fällen erfolgten Preisvorgaben sieht das Gericht keine annahmefähigen Angebote und damit auch keinen Verstoß gegen die Schadenminderungsobliegenheit nach § 254 Abs. 2 BGB.

Bedeutung für die Praxis: Soweit die Beklagte mehrere der Geschädigten angerufen hat, um ihnen Preisvorgaben zu machen, sind diese für die Geschädigten aus Sicht des Gerichte nicht bindend. Dass die angeblichen Mietwagenangebote dem Anspruch der Geschädigten entsprachen, hat die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Das anzumietende Fahrzeug war dem Geschädigten gegenüber auch nicht konkret benannt. Das Gericht stellt daher fest, dass kein Verstoß gegen die Schadenminderungsobliegenheit darin besteht, dass die Geschädigten bei der Klägerin zu Marktpreisen anstatt zu minimalen Direktvermittlungspreisen angemietet haben.
Das Gericht schätzte weiterhin mit dem Mischmodell. Es ließ sich auch mit neuem, erheblichem und vor allem konkretem Sachvortrag gegen die Werte der Fraunhofer-Liste nicht von seiner Mittelwert-Linie abbringen. Die Linie scheint so eingefahren, dass Richter nicht einsehen, dass ein konkreter Sachvortrag auch zu einer Änderungen der Rechtsprechung führen kann. Der Kläger hatte sehr genau die Fehler der Fraunhofer-Methode zum Beispiel bei der Eingruppierung von Fahrzeugen dargestellt. Auch die Auswirkungen der unsinnigen Herangehensweise der Fraunhofer-Gesellschaft wurden mit einem Gutachten bzgl. Internetpreisen plausibilisiert. Das Gutachten nahm das Gericht zur Kenntnis, sah zu wenige Informationen zur Gutachten-Methodik. Die Methodik ist jedoch ausführlich in 13 Punkten beschrieben. Zudem sind alle verwendeten Werte der Berechnungen des Gutachtens als Anlage zum Gutachten beigefügt, sodass es keiner weiteren Erklärungen bedarf. An den im Gutachten getroffenen Aussagen, dass die Fraunhofer-Werte im Vergleich zur Realität nur halb so hoch sind, kommt das Gericht eigentlich nicht vorbei. In dem Fall war die Klägerische Forderung allerdings trotz Anwendung des Mischmodells erfüllt, sodass eine Berufung zur Klärung der Anwendbarkeit der Fraunhofer-Liste nicht möglich ist.

Es ist nicht bekannt, ob das Urteil rechtskräftig ist.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 12-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 12-23

Landgericht Landshut 12 S 1359/21 vom 08.09.2021 (Hinweisbeschluss) 
(Vorinstanz Amtsgericht Eggenfelden 1 C 671/20 vom 12.04.2021)

1. Die Schätzung der Höhe erstattungsfähiger Mietwagenkosten des Erstgerichts mittels Schwacke-Liste wird bestätigt.
2. Lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen die Anwendung der Schätzgrundlage hat das Gericht nicht nachzugehen.
3. Die vom Amtsgericht vorgenommene Reduzierung des Schätzbetrages um 10 Prozent, die wegen der fehlenden Zulassung des vermieteten Fahrzeuges als Vermietfahrzeug für Selbstfahrer vorgenommen wurde, wird nicht aufrechterhalten.
4. Die üblichen Preise für Werkstattersatzwagen sind andere als die Preise des Mietwagenmarktes gewerblich und gewinnorientiert tätiger Autovermieter.
5. Das Gericht sieht sich außer Stande, den Marktpreis für Werkstattersatzwagen ohne Einholung eines Sachverständigenbeweises zu schätzen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Landshut bestätigt die grundsätzliche Anwendung der Schätzgrundlage Schwacke durch das Erstgericht. Allerdings verwirft die Kammer einen 10%igen Abzug wegen Nicht-Zulassung des Ersatzfahrzeuges als Selbstfahrervermietfahrzeug. Einen pauschale Vorgehensweise eines prozentualen Abzuges vom Normaltarif der Schätzliste für Selbstfahrer-Preise sind das Gericht nicht als von § 287 ZPO gedeckt an. Das Gericht sieht jedoch einen Preisunterschied und kündigt die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Marktpreises für Werkstattersatzwagen an.

Bedeutung für die Praxis: Es wird her wird lediglich ein Hinweisbeschluss diskutiert. Der Ausgang des Verfahrens ist leider nicht bekannt. Möglicherweise haben sich die Parteien (eine gelbe Versicherung in München und ein Reparaturbetrieb, der seine vermieteten Fahrzeuge wohl nicht als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassen hat(te)) nach diesem Hinweis geeinigt.
Interessant ist, dass das Gericht davon ausgeht, dass bei einer nicht korrekten Zulassung des vermieteten Fahrzeuges als Selbstfahrervermietfahrzeug die üblichen Listen zur Schätzung erstattungsfähiger Mietwagenkosten nicht angewendet werden können, auch nicht per Abschlag vom Schätzwert des Normaltarifes. Statt dessen sucht das Gericht die Frage zu klären, wie hoch der übliche regionale und vermutet viel niedrigere Preis für die Vermietung von Werkstattersatzwagen ist. Das Vorgehen anderer Gerichte mit prozentualen Abzügen von üblichen Schätzgrundlagen lehnt das Gericht ab, weil es sich hier um einen anderen Markt handele (von § 287 ZPO nicht mehr gedeckt).
Der Hintergrund ist die verordnungsrechtliche Verpflichtung zur korrekten Zulassung vor der ersten gewerbsmäßigen Vermietung eines Fahrzeuges. Natürlich hat das schadenrechtlich eigentlich keine Relevanz und ist das Urteil daher insoweit nicht korrekt. Ähnlich wie beim Werkstattrisiko müsste sich der Versicherer vom Geschädigten einen Rückforderungsanspruch abtreten lassen… also zumindest bei Klage des Geschädigten selbst, bei Abtretung sieht das neuerdings etwas anders aus, BGH VI ZR 147/21). Denn der Geschädigte weiß von diesen Differenzierungen nichts.
Aber immer mehr Gerichte sehen die Praxis von Reparaturbetrieben kritisch, Fahrzeuge nach Unfällen zu vermieten und dann die üblichen Preise des Mietwagenmarktes zu verlangen. Versicherer tragen hier zwar nach hiesiger Auffassung falsch vor, doch ist auch die Vermietung falsch zugelassener Fahrzeuge nicht korrekt. Reparaturbetriebe, die solche Fahrzeuge vermieten, müssen zunehmend damit rechnen, dass Gerichte ihnen lediglich einen Bruchteil der üblichen Schadenersatzbeträge zusprechen und Gerichtsverfahren aufgrund der Einschaltung eines Sachverständigen erheblich teurer werden, letztlich nichts übrig bleibt. Das ist auch das Kalkül der Haftpflichtversicherer. Wer die Fahrzeuge korrekt zulässt, wird üblicherweise auch den Normaltarif nach Schätzliste zuzüglich Nebenkosten und – wenn richtig vorgetragen wird und die Gerichte die BGH-Linie verstanden haben – auch einen unfallbedingten Aufschlag zugesprochen bekommen. Abschließend soll der Hinweis nicht fehlen, dass die Vermietung „unter falscher Flagge“ abgemahnt und eine Unterlassung gefordert werden kann, was einerseits eine teure Angelegenheit und andererseits ein Risiko für die Erlaubnis der Zulassungsstelle zur Verwendung von Roten Kennzeichen ist.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 11-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 11-23

Amtsgericht Berlin-Mitte 105 C 127/21 V vom 06.03.2023

1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, die Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung zur Mietwagen-Forderung wurde von der Beklagten im Verlauf des Verfahrens nicht mehr weiter bestritten.
2. Die Geschädigte muss sich keinen Verstoß gegen ihre Pflichten zur Geringhaltung des Schadens vorwerfen lassen.
3. Die Schätzung der Höhe der erforderlichen Kosten zur Wiederherstellung der Mobilität erfolgt anhand des Mischmodells Fracke.
4. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Zustellen/Abholen und Ausstattung mit Navigationsgerät werden zugesprochen.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Berlin-Mitte weist die Auffassung der Beklagten zurück, ein Anruf einer Sachbearbeiterin bei der Geschädigten habe für die Geschädigte die Verpflichtung ausgelöst, ein Vermittlungsangebot anzunehmen oder jedenfalls nicht teurer als telefonisch genannt anzumieten. Die Schätzung der erforderlichen Kosten erfolgt anhand des Mittelwertes aus den Listen zuzüglich Nebenkosten aus der Schwacke-Tabelle.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht stellt klar, dass sich die Geschädigte hier nicht auf ein etwaiges günstigeres Angebot der Beklagten verweisen lassen musste. Die Beklagte blieb beweisfällig. Sie legte lediglich einen Aktenvermerk vor, aus dem sich ein Telefonat mit der Geschädigten ergeben sollte, in welchem ihr ein günstigeres Angebot unterbreitet worden sein soll. Das Gericht sah diesen Aktenvermerk nicht als Urkunde an. Und ein solcher Vermerk wäre selbst als Urkunde lediglich ein Nachweis für die Existenz der Eintragungen im System des Versicherers gewesen, jedoch kein Beweis für den Kontakt mit der Geschädigten und den Inhalt des Gespräches. Zudem sei grundsätzlich zweifelhaft, ob telefonisch übermittelte rudimentäre Informationen als hinreichend konkretes und verwertbares Vermittlungsangebot im Sinne des § 254 BGB gewertet werden könnten.

Hinweis:
Es ist nicht bekannt, ob das Urteil bereits rechtskräftig geworden ist.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 9-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 9-23

Landgericht Hannover 19 O 77/22 vom 19.01.2023    
 
1. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Aktivlegitimation der aus abgetretenem Recht vorgehenden Klägerin sind zurückzuweisen.
2. Das verwendete Abtretungsformular ergibt keinen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistung-Gesetz, die Abtretung ist wirksam aufgrund ihrer Bestimmbarkeit, es liegt auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor und der Vertragspartner wird auch nicht unangemessen benachteiligt.
3. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten kann anhand des Mischmodells der Listen von Schwacke und Fraunhofer erfolgen.
4. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind entsprechend der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste von der Beklagten zu erstatten.
5. Für ersparte Eigenaufwendungen ist ein Abzug in Höhe von 5 Prozent vorzunehmen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Hannover entscheidet erstinstanzlich, dass der Klägerin die eingeforderten restlichen Schadenersatzbeträge bzgl. Mietwagenkosten vollständig zuzusprechen sind. Es bestätigt ausführlich die Gültigkeit der verwendeten Abtretung und schätzt die Höhe der erforderlichen Kosten mittels Fracke zuzüglich Nebenkosten und zieht 5 Prozent für Eigenersparnis ab.

Bedeutung für die Praxis: Das Urteil ist vor allem wegen der Ausführungen zur Frage der Aktivlegitimation bedeutend. Denn eine andere Kammer des Landgerichts hatte eine gegenteilige Auffassung und die Aktivlegitimation mit falschen Argumenten verneint, die Revision zum BGH trotz Antrag der Klägerseite verwehrt. Mit diesem Fehlurteil reist ein Versicherer von Gericht zu Gericht. Es geht dabei vor allem um die Fragen, (a) ob im Abtretungsformular eine Rückabtretung der Schadenersatzforderung für den eventuell eintretenden Fall immer bereits enthalten sein muss, dass die/der Geschädigte ihren/seinen Mietzins ganz oder teilweise selbst bezahlt und (b), wie das dann in Bezug auf den Zeitpunkt der Rückabtretung transparent zu formulieren ist.
Versicherer nutzen für eine aktuelle Kampagne zwei BGH-Urteile zur Abtretung von Sachverständigenkosten. Der BGH hatte die Aktivlegitimation eines Inkassobüros verneint. Bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung wurde schriftlich festgehalten, dass der die Dienstleistung erbringende Sachverständige die Schadenersatzforderung an ein Inkassobüro weiter abtreten würde. Laut BGH habe das zur Folge, dass im Fall der Zahlung der Gutachterkosten durch den Geschädigten, dieser die Schadenersatzforderung nicht zurückerhalten könne. Insofern war das Konstrukt nicht nur fehlerhaft, sondern benachteiligte den Geschädigten / Auftraggeber unangemessen.
Das Landgericht hat in dem hier in Bezug auf die Vermietung eines Ersatzfahrzeuges zu entscheidenden Fall erkannt, dass der verwendeten Abtretung eine völlig andere Sachlage zugrunde liegt. Die Schadenersatzforderung wurde nicht – wie allerdings in den beiden BGH-Fällen – weiterabgetreten. Die konkrete Formulierung der Abtretung stellt keinen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz RDG dar, weil sich aus § 5 RDG eine Erlaubnis zur Rechtsdienstleistung als Nebenleistung zur Hauptleistung Autovermietung ergibt (solange nur über die Höhe der Kosten gestritten wird). Die Abtretungsvereinbarung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Höhe der Forderung zu unbestimmt ist. Denn es wurde nur die „Schadenersatzforderung“ abgetreten, deren Höhe ex post bestimmbar ist. Und die Abtretungsvereinbarung ist auch kein Verstoß gegen § 307 BGB, da der/dem Geschädigten transparent verdeutlicht ist, unter welchen Umständen sie/er trotz Abtretungsvereinbarung den Mietzins selbst zu zahlen hätte.

Ob die Entscheidung rechtkräftig ist, ist nicht bekannt.

 

Fraunhofer 2022 wurde veröffentlicht

Alle Jahre wieder lässt es sich Fraunhofer nicht nehmen, Zahlen zum Mietwagenmarkt zu veröffentlichen. Dass man noch länger als im letzten Jahr an der Liste 2022 gearbeitet hat, wirft man Schwacke vor, die ihre MIetwagenklassen-Einteilung einfach an die Teuerung der Fahrzeugeinkaufspreise angepasst haben.

In vielen Klassen sind die Durchschnittpreise à la Fraunhofer um 10 bis 15 Prozent gestiegenen. Andere sind erheblich gesunken. Der Durchschnitt über alle Klassen und Pauschalen ergibt allerdings, dass die Preise von 2021 zu 2022 um ca. 10 Prozent gesunken sind. Das passt in keiner Weise zu den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes, das in 2022 von Preissteigerungen um die 50 Prozent zum Vorjahr berichtet hatte.

Beispiele für Preisveränderungen im Bundesdurchschnitt (Wochenpreise Fraunhofer 2022 zu 2021):

Gruppe 03 plus 9 %
Gruppe 04 gibt es wieder
Gruppe 05 plus 16 %
Gruppe 06 plus 16 %
Gruppe 07 plus 15 %
Gruppe 08 plus 10 %
Gruppe 09 plus 15 %
Gruppe 10 minus 30 %
Gruppe 11 minus 30 %

Da, wo Preise gestiegen sind, soll das laut Fraunhofer nicht etwa an teureren Mietwagen in 2022 liegen, sondern überwiegend an den von Schwacke geänderten Mietwagenklassen. Das macht die Ergebnisse nicht glaubwürdiger.

In Bezug auf einige weitere Besonderheiten und noch immer auf die Frage der Fahrzeugeinteilung und der offenen Punkte rund um die konkrete Methode muss man sich das nun erst einmal genauer ansehen.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 8-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 8-23

Oberlandesgericht Frankfurt/Main 7 U 158/22, Beschluss vom 15.02.2023
(Vorinstanz Landgericht Wiesbaden 1 O 62/22)

1. Der Senat bestätigt seine Rechtsprechung zur Anwendung des Mischmodells bezüglich erstattungsfähiger Mietwagenkosten nach Unfall.
2. Die Beklagte wird abermals in ihrer Auffassung zur Prüfungsreihenfolge (Zugänglichkeit vor Erforderlichkeit) korrigiert, bei welcher sie die Vorgaben des BGH falsch interpretiert.
3. Wird lediglich ein Schadenersatzanspruch im Rahmen der üblichen Marktpreise erhoben, muss der Geschädigte nicht darlegen, warum er nicht günstiger gemietet hat.
4. Die Beklagte hat keine konkreten, erheblichen und fallbezogenen Tatsachen vorgetragen, die das Gericht zu einer konkreter Prüfung der Erhebungsmethode einer Liste verpflichten würden.
5. Insbesondere reicht dazu die pauschale Ablehnung einer Liste mit dem Hinweis auf eine andere Schätzgrundlage nicht aus.
6. Angefallene marktübliche Kosten für die Ausstattung mit Winterreifen sind von der Beklagten ebenso zu ersetzen.

Zusammenfassung: Das Oberlandesgericht bestätigt per Beschluss nach § 522 BGB nochmals die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des Vorgerichtes Landgericht Wiesbaden zur Schätzung der Mietwagenkosten mittels Fracke-Liste. Der Beklagten wird ihre falsche Rechtsauffassung zu den Beweislastregeln deutlich gemacht. Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind erstattungsfähig.

Bedeutung für die Praxis: Insbesondere wird die Beklagte noch einmal darauf hingewiesen, dass sie die BGH-Rechtsprechung in der Frage der Prüfungsreihenfolge nicht verstanden habe. Wie das OLG Düsseldorf (kritisch dazu MRWaktuell 6-23) geht die Beklagte davon aus, der Geschädigte habe sich grundsätzlich zu erkundigen und von sich aus darzutun, warum er nicht günstiger angemietet habe. Aufgrund der dann folgenden Behauptung, dass es zum Anmietzeitpunkt niedrigere Preise gegeben habe, wird (falsch) geschlussfolgert, der Geschädigte verlange mehr als ihm zustehe. Der BGH allerdingt sieht im Rahmen der subjektbezogenen Schadenbetrachtung keine Erkundigungspflicht, sofern der Mietwagentarif ein Normaltarif im Rahmen des Marktpreis (Schätzliste, § 287) und nicht deutlich überhöht ist. Da in diesem Verfahren lediglich Fracke + Nebenkosten gefordert werden, wird dem klägerischen Anspruch stattgegeben.

Hinweis: Rechtskraft unbekannt

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 7-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 7-23

Amtsgericht Varel 5 C 171/22 vom 03.01.2023

1. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten kann anhand des Mietwagenspiegels der Firma DAT vorgenommen werden.
2. Die geforderten Mietwagenkosten für Ersatzmobilität unterhalb des mit der DAT-Liste geschätzten durchschnittlichen Marktpreises sind von der beklagten Haftpflichtversicherung zu erstatten.
3. Die in Rechnung gestellten Desinfektionskosten stellen einen auf den Unfall zurückzuführenden und damit ersatzfähigen Schaden dar.

Zusammenfassung: Das angerufene Gericht schätzt die zu erstattenden Mietwagenkosten mittels der Liste von DAT. Auf der Basis dieser Werte hatte der Kläger seinen Anspruch begründet und das Gericht keinen Grund gesehen, davon abzuweichen. Zumal die Beklagte dagegen nichts konkretes vorgetragen hatte, werden die Kosten in Bezug auf die Ersatzmobilität vollständig zugesprochen.

Bedeutung für die Praxis: Seit mehreren Jahren bietet die Firma DAT eine weitere Mietpreisliste an, die dritte Alternative. Deren erhobene Werte liegen ca. im Bereich von Schwacke. Die Gerichte haben sich bisher wenig mit der Methode und den Werten befasst. Grundsätzlich lässt sich auch auf dieser Basis der zu erstattende Betrag nach § 287 ZPO schätzen. Will die Klägerseite damit arbeiten und ihren Anspruch begründen, wird ein elektronischer Zugang benötigt. Die Firma DAT bietet das System nach hier vorliegender Erfahrung auch zum Test an.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 6-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 6-23

Oberlandesgericht Düsseldorf I-1 U 208/20 vom 17.01.2023
(Vorinstanz Landgericht Krefeld 3 O 146/19 vom 08.10.2020)

1. Ein Anspruchsübergang an die eingeschaltete und zahlende Vollkaskoversicherung steht einer Aktivlegitimation des Klägers im Prozess gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung nicht entgegen.
2. Die über die vom Sachverständigen prognostizierte Dauer der Reparatur hinausgehende Mietdauer ist bereits durch die Überlegungsfrist ausgeglichen und daher nicht zu beanstanden.
3. Der Grundpreis schadenrechtlich erstattungsfähiger Mietwagenkosten ist mittels des Mischmodells der Listen zu bestimmen.
4. Kosten der Haftungsreduzierung für Schäden am Mietwagen sind schadenrechtlich erstattungsfähig, wenn der Geschädigte auch für sein eigenes Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hat.
5. Weitere Kosten für erforderliche Nebenleistungen sind im Rahmen der Listenwerte (Schwacke) zu erstatten.
6. Für ersparte Eigenaufwendungen des Geschädigten ist ein Gesamtabzug von dem erstattungsfähigen Mietwagenkosten in Höhe von 5 Prozent vorzunehmen.

Zusammenfassung: Das OLG Düsseldorf spricht dem Kläger in Bezug auf Mietwagenkosten die geforderte Restsumme (im Rahmen einer 50%-Quote) fast vollständig zu. Der Grundbetrag der Mietwagenkosten wird mit Fracke geschätzt, Nebenkosten kommen hinzu und für Eigenersparnis werden 5 Prozent in Abzug gebracht.

Bedeutung für die Praxis: Auch wenn das Ergebnis des Streits in Bezug auf die Mietwagenkosten freundlich erscheint, im Detail ist das Urteil zweifelhaft.
Der 1. Senat in Düsseldorf geht regelmäßig so vor: Zunächst wird der Geschädigte als Abzocker hingestellt, der sich vor dem Abschluss eines Mietvertrages noch nicht einmal nach günstigeren Alternativen erkundigt habe (Hinweis: laut BGH muss er das jedoch nicht). Im zweiten Schritt wird ihm dann aber der volle Betrag auf Basis einer Schätzung des Marktpreises zugesprochen, in der Höhe hier fast identisch zur Höhe der Mietwagenabrechnung. Es wird also immer wieder der Kläger ge“scholten“, um dann das Geforderte als vollkommen berechtigt festzustellen.
Statt dessen sollte die Frage öfter einmal an die Beklagte gerichtet werden, warum sie nicht einfach bezahlt, was die Gerichte seit Jahren zusprechen.
Des Weiteren wird die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Haftungsreduzierung entgegen der gefestigten BGH-Rechtsprechung vom Senat immer wieder davon abhängig gemacht, ob der Geschädigte auch für sein verunfalltes Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hatte. Auch das steht eindeutig im Widerspruch zum BGH.
Und es befeuert die Aktivitäten von Versicherern, es dem Senat in Düsseldorf gleichzutun. Was interessiert uns der BGH, wenn selbst ein OLG-Senat es anders macht, mag man dort denken. In der Folge müssen Gerichte dauerhaft Mietwagenstreitigkeiten kleinteilig aufarbeiten, obwohl manche Details längst höchstrichterlich entschieden sind.
Ähnlich kann man fragen, wenn es um den Abzug für ersparte Eigenkosten geht. Das muss logisch etwas damit zu tun haben, was der Geschädigte überhaupt während der Reparatur seines eigenen Fahrzeuges sparen kann, weil er es in der Zeit nicht selbst nutzt. Doch gibt es diese Einsparungen beim Geschädigten überhaupt? Und wenn man diese Grundsatzdiskussion nicht führen will, welches tatsächliche Ausmaß an Einsparungen ist da überhaupt möglich? In einigen – den Positionen der Mietwagenrechnung entsprechenden Kategorien – kann noch nicht einmal 1 Cent gespart werden. Das sind zum Beispiel Kosten der Versicherung des Geschädigten-Fahrzeuges. Während es repariert wird, überweist nicht etwa der Haftpflichtversicherer einen Teil der Jahresprämie zurück, weil der Geschädigte ja in der Zeit der Reparatur mit am versicherten Fahrzeug keinen Schaden verursachen kann. Also macht es überhaupt keinen Sinn, für die Versicherung des Mietwagens, für Zustell- und Abholkosten usw.  etwas abzuziehen. Abzüge sind daher wenn überhaupt nur für den Grundbetrag der Mietwagenkosten einer logischen Erklärung zugänglich.
Aktuelle BGH-Entscheidungen sind hier sicherlich auch hilfreicher für eine Entscheidungsfindung, als OLG-Urteile aus 1994 und 1998, denen sich das OLG Düsseldorf bedient.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 5-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 5-23

Landgericht Karlsruhe 19 S 39/22 vom 24.01.2023 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht Pforzheim 2 C 1513/21 vom 17.03.2022)

1. Die Kammer beabsichtigt die Zurückweisung der Berufung der beklagten Haftpflichtversicherung.
2. Die aufgrund der langen Ausfalldauer entstanden Kosten hat die Beklagte zu tragen, die rechtzeitig und deutlich auf den Umstand hingewiesen wurde, dass der Geschädigte die Reparatur nicht finanzieren kann.
3. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, für einen sofortigen Reparaturbeginn seine eigene Vollkasko-Versicherung oder einen Kredit in Anspruch zu nehmen, um dem Schädiger Kosten zu ersparen oder dessen Versicherung von der Verpflichtung zu einer zügigen Regulierung zu befreien.
4. Die Schätzung des Erstgerichtes mittels Mischmodell Fracke und der Kosten für Nebenleistungen nach Schwacke ist nicht zu beanstanden.
5. Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen entfällt bei gruppenkleinerer Anmietung

Zusammenfassung: Die Berufungskammer des Landgerichts Karlsruhe sieht den Geschädigten nicht in der Pflicht, zur Beauftragung der Fahrzeugreparatur einen Kredit aufzunehmen oder eine eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Lediglich ist ein Hinweis an den Schädiger notwendig, dass er die Reparatur nicht vorfinanzieren kann und auf die Regulierung durch den Versicherer warten muss, um die Reparatur zu beauftragen. Kommt der Versicherer mit der Regulierung nicht in Gang, hat er höhere Kosten des Ausfallschadens zu tragen. Eine Schätzung mittels Fracke und Nebenkosten wird nicht beanstandet.

Bedeutung für die Praxis: Der Beklagten wird attestiert, die aktuelle BGH-Rechtsprechung (Az. VI ZR 569/19 v. 17.11.2020) zu ignorieren. Sie hatte auf uneinheitliche obergerichtliche Entscheidungen zu der Frage verwiesen, wie der Geschädigte auf die fehlende Vorfinanzierungsmöglichkeit hinweisen muss und ob er die Schadenbehebung zunächst auch aus eigenen Mittel finanzieren müsse. Zwar befindet sich die Beklagte damit in Gesellschaft des OLG Düsseldorf (Az. 1 U 77/20 v. 09.03.2021), doch die Berufungskammer in Karlsruhe ist dem BGH da anscheinend nicht nur räumlich näher, als der 1. Senat in Düsseldorf. Der BGH hat diese Fragen bereits in 2020 eindeutig beantwortet mit dem Grundsatz, dass der Versicherer zu warnen sei, wenn eine verzögerte Regulierung zu höheren Kosten führt und ansonsten der Geschädigte weder vorfinanzieren, Kredit aufnehmen oder die eigene Kaskoversicherung bemühen müsse.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 4-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 4-23

Landgericht Stuttgart 54 O 90/22 vom 12.01.2023

1. Die Klägerin konnte per Zeugenbeweis glaubhaft machen, dass sich die im Vergleich zur vom Sachverständigen prognostizierten Ausfalldauer ganz erheblich längere Mietwagendauer ausschließlich wegen Lieferschwierigkeiten von Ersatzteilen verlängerte.
2. Die Schätzung des vergleichbaren Marktpreises für den Grundpreis der Mietwagenkosten erfolgt anhand der Werte der Schwacke-Liste und nicht mittels der von der Beklagten favorisierten Fraunhofer-Liste.
3. Der Auffassung der Beklagten wird widersprochen, der Geschädigte habe gegen seine Schadenminderungsobliegenheit nach § 254 BGB verstoßen, weil er sich nicht nach alternativen Ersatzfahrzeugangeboten erkundigt habe.
4. Internetbeispiele, die die Beklagte vorlegte, sind nicht mit der Anmietung vergleichbar und daher nicht relevant.
5. Marktgerechte Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind ebenso vom Schädiger bzw. seinem Versicherer zu erstatten.
6. Ein Eigenersparnis-Abzug von 10 Prozent entfällt im Fall der Anmietung eines klassenkleineren Fahrzeuges.

Zusammenfassung: Das Landgericht Stuttgart entscheidet erstinstanzlich zur Erforderlichkeit der Mietwagenkosten mit der Schwacke-Liste und lehnt die Auffassung der Beklagten zur alleinigen Anwendbarkeit der Fraunhofer-Liste ab. Die Kosten der vom Vermieter erbrachten Nebenleistungen für Winterreifen-Ausrüstung, Navigation und Zustellung werden dem Kläger ebenfalls zugesprochen. Auch die Dauer der Anmietung wird bestätigt, nachdem die Reparaturwerkstatt die Gründe für eine erhebliche Reparaturverzögerung dargestellt hatte.

Bedeutung für die Praxis: Der Beklagten gelang es weder mit ihrer Auffassung zur generellen Erkundigungspflicht, noch mit eingeholten Internet-Beispielen, das Gericht von Verwendbarkeit der Fraunhofer-Liste zu überzeugen. Das Landgericht bleibt bei Schwacke und gibt den Anwälten der Schädigerversicherung auf, ihre Behauptungen zu beweisen, dass der Geschädigte ohne weiteres hätte günstiger mobil sein können. Dazu benennt das Gericht das Problem sehr klar: Der Geschädigte hat keine Beweislast dazu zu erbringen, dass ihm nicht auch eine günstigere Alternative verfügbar gewesen wäre. Also braucht er sich auch nicht nach Alternativen erkundigen, solange der Preis des von ihm realisierten Angebotes nicht weit überhöht gewesen ist.

Es ist nicht bekannt, ob oder wann die Sache rechtskräftig geworden ist.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 3-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 3-23

Landgericht Berlin 41 S 48/22 vom 16.12.2022 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht Berlin-Mitte 111 C 128/21 V)

1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, insbesondere birgt die Abtretung erfüllungshalber keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB.
2. Forderungen unterhalb der Werte der Schwacke-Liste sind erstattungsfähig, lediglich generelle dagegen vorgebrachte Einwendungen sind als unerheblich zu bewerten.
3. Dem Geschädigte obliegt es nicht grundsätzlich, vor Anmietung eines Ersatzwagens eine Marktrecherche nach dem günstigsten Angebot zu betreiben.
4. Es ist an der Beklagten, ihre Behauptung zu beweisen, der Anspruchsteller hätte in seiner speziellen Situation nach einem Unfall ein Mietfahrzeug günstiger anmieten können.

Zusammenfassung: Das Landgericht Berlin bestätigt eine erstinstanzliche Entscheidung zur Aktivlegitimation aus abgetretenem Recht und zur Schätzung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten anhand der Werte der Schwacke-Liste. Die Beklagte hatte ihre Behauptungen nicht beweisen können, dem Geschädigten hätte ein günstigeres Fahrzeug zur Verfügung gestanden und er habe daher gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen. Das Gericht stellte zudem klar, dass der Geschädigte sich nicht nach Alternativen erkundigen muss, wenn ihm ein Mietwagen zum Marktpreis angeboten wird.

Bedeutung für die Praxis: Die Beklagte reist mit einem für sie selbst positiv erstrittenen Landgerichtsurteil ihres Heimatgerichts von Landgericht zu Landgericht (hier nun Berlin) und versucht dort jeweils, die Richter von Ihrer Rechtsauffassung zu überzeugen, dass die bei der Ersatzwagenanmietung üblichen Abtretungsformulare unwirksam formuliert sind. Sie stützt sich in ihre Argumentation auf zwei BGH-Entscheidungen zur Abtretungsproblematik an (BGH VI ZR 274/17 und VI ZR 135/19). Doch die dort verhandelten Formulare waren gänzlich anders und daher hat das Landgericht Berlin hier keinen Zusammenhang gesehen. Die Verunsicherung der Gerichte scheint der Beklagten jedoch immer wieder mal zu gelingen, hier in diesem Fall hält das Landgericht dagegen explizit fest, dass die Formulierung der „Abtretung erfüllungshalber“ bzgl. Mietwagenkostenforderung zu einer wirksam vereinbarten Abtretung führt. Unter anderem wurde erkannt, dass die Formulierungen vom BGH bereits in einer Entscheidung bestätigt worden sind, ausdrücklich auch in Bezug auf das Transparenzgebot.

Hinweis: Es ist nicht bekannt, ob das Verfahren damit abgeschlossen ist.

BGH bestätigt Erstattungsfähigkeit von Desinfektionskosten

Der BGH hat im Dezember einen Fall zu der Frage verhandelt, ob im Rahmen der Fahrzeugbegutachtung (und damit gleichbedeutend auch -reparatur und -vermietung) Desinfektionskosten vom Schädiger zu ersetzen sind.

„Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Ebenso wie die Wahl seines individuellen Hygienekonzepts selbst steht auch die betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob die hierfür anfallenden Kosten gesondert ausgewiesen oder als interne Kosten der Arbeitssicherung in die Kalkulation des Grundhonorars „eingepreist“ werden, grundsätzlich dem Sachverständigen als Unternehmer zu. Angesichts der nur vorübergehenden Natur jedenfalls der verschiedenen Phasen der Corona-Pandemie mag es sogar ein Ausdruck des Bemühens um Kostentransparenz sein, die Pauschale für die Dauer ihres Anfallens gesondert auszuweisen. Entgegen den Zweifeln des Berufungsgerichts begegnet es daher keinen grundsätzlichen Bedenken, dass der Sachverständige die Corona-Desinfektionspauschale gesondert berechnet hat.“

Der BGH hat das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Landgericht Stuttgart hat zu klären, wie die erstattungsfähige Höhe der Desinfektionskosten zu ermitteln ist. Denn im Sachverständigenwesen ist die Desinfektionspauschale keine übliche Leistung (wie auch bei den Autovermietungen, anders in den Werkstätten) .

„Insbesondere wird das Berufungsgericht zunächst in eigener tatrichterlicher Verantwortung zu prüfen haben, ob sich die bestehende Lücke in dem zwischen dem Kläger und dem Sachverständigen geschlossenen Werkvertrag durch eine ergänzende Vertragsauslegung schließen lässt und ob, sofern dies nicht der Fall ist, eine einseitige Bestimmung der Gegenleistung durch den Sachverständigen im Wege der Rechnungstellung anzunehmen ist.“

Hinweis:
Das BGH-Urteil hilft in Altfällen, in denen die Desinfektionspauschale bei der Vermietung berechnet wurde und nun vom Versicherer außergerichtlich oder bereits im Rechtsstreit verlangt wird. In neuen Fällen ist es sicher so zu sehen, dass die Zeit der Desinfektionspauschale vorbei ist, da die Gefahren der Pandemie weitgehend gebannt sind.

BGH-Urteil ansehen

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 2-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 2-23

Landgericht Stade 4 S 30/22 vom 26.10.2022
(Vorinstanz Amtsgericht Stade 61 C 346/21 vom 09.06.2022)

1. Kosten einer Ersatzmiete für ein gewerblich genutztes Fahrzeug, mit dem unmittelbar Umsatz erwirtschaftet wird, sind grundsätzlich schadenersatzrechtlich erstattungsfähig.
2. Die Höhe des erstattungsfähigen Schadenersatzbetrages für ein Ersatz-Taxi ist nicht durch den Betrag des Gewinn-Entgangs begrenzt.
3. Zur Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten hat der Kläger darzustellen, warum er aus betrieblichen Gründen zwingend auf die Fahrtkapazitäten angewiesen ist (Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen, guter Ruf bzgl. Zuverlässigkeit, Aufrechterhaltung von Kundenbeziehungen, …) und daher die Ersatzmiete erforderlich gewesen ist.
4. Vom Grundbetrag der Mietwagenkosten ist ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen des Klägers in Höhe von 5 % vorzunehmen.
5. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Zusatzfahrer und Zusatzleistung „Tarifeinstellung“ sind ebenso zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht bestätigt per Beschluss vollständig ein erstinstanzliches Urteil, in dem die Höhe der Kosten einer Ersatzanmietung eines Taxis zugesprochen wurden. Die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Kosten oberhalb des sonst entgangenen Gewinns ergibt sich aus unternehmerischen Überlegungen des Geschädigten. Die Höhe der Kosten werden – da Schätzlisten nicht zur Verfügung stehen – mittels sachverständiger Hilfe geschätzt und hier als marktüblich angesehen. Auch Nebenkosten der Taxi-Ersatzmiete wie zum Beispiel für Haftungsreduzierung und eine Zusatzfahrer-Pauschale sind zu erstatten.

Bedeutung für die Praxis: Auch der gewerbliche Fahrzeugnutzer, der direkt mit dem Fahrzeuge sein Geld verdient, kann im Fall des unfallbedingten Ausfalls ein Ersatzfahrzeug mieten und ist in Bezug auf einen Schadenersatz nicht auf den Gewinn-Entgang beschränkt. Die erstattungsfähigen Kosten können daher auch den Betrag des zu erzielenden Gewinns erheblich übersteigen. Nichtsdestotrotz müssen die anfallen Kosten marktüblich sein. Gerichte können zur Schätzung des erforderlichen Betrages nach § 287 ZPO bei der Schätzung der Kosten für ein Ersatz-Taxi nicht auf Schätzlisten wie Schwacke oder DAT zugreifen. Stattdessen wird ein Sachverständigengutachten zu der Frage herangezogen, ob der Preis für das Miet-Taxi marktüblich gewesen ist. Zu den Kosten der Grundmiete und den Nebenkosten (wie die Haftungsreduzierung) kommt bei Taxi-Ersatzmieten die Anpassung der Einbauten an die regionalen Abrechnungskriterien nach den behördlichen Vorgaben hinzu, die daher auch vom Schädiger zu ersetzen sind.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 1-23

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 1-23

Landgericht Hagen 1 S 52/22 vom 09.12.2022
(Vorinstanz Amtsgericht Hagen 15 C 14/21 vom 11.05.2022)

1. Das Berufungsgericht sieht keinen Rechtsverstoß in den Formulierungen der mit dem Geschädigten vereinbarten Abtretung der Schadenersatzforderung an den Autovermieter.
2. Die Schätzung der erforderlichen und daher vom Schädiger zu erstattenden Mietwagenkosten erfolgt anhand des Mischmodells der Listen „Fracke“.
3. Auf den Grundbetrag des Normaltarifes nach Fracke wird für unfallbedingte Mehrleistungen ein Betrag in Höhe von 5 Prozent aufgeschlagen.
4. Kosten des Geschädigten für die mietvertraglich vereinbarte Reduzierung seiner Haftung bei Beschädigung des Mietwagens sind nicht erstattungsfähig.
5. Anwaltskosten für außergerichtliche Tätigkeiten des Rechtsanwaltes gehören zu den vom Schädiger zu ersetzenden Schadenkosten. 

Zusammenfassung: Das Landgericht Hagen hebt eine erstinstanzliche Entscheidung auf, in der dem Kläger die Aktivlegitimation abgesprochen wurde. Laut Berufungsgericht ist die Abtretung der Mietwagenforderung jedoch wirksam und liegt insbesondere kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz oder das transparentgebot vor. Die Schätzung der Höhe erforderlicher Mietwagenkosten erfolgt anhand Mischmodell zuzüglich Aufschlag und Nebenkosten.

Bedeutung für die Praxis: Das Berufungsgericht orientiert sich in der Mietwagenkosten-Rechtsprechung grundsätzlich an der Mittelwertrechtsprechung der OLG in Hamm, Düsseldorf und Köln. Zur der Frage des unfallbedingten Aufschlages liegen gravierende Missverständnisse vor. Der BGH meint, ein solcher Aufschlag sei gerechtfertigt, wenn unfallbedingte Mehrleistungen im Vergleich zu einem Selbstzahlertarif erforderlich sind, um den Geschädigten mobil zu halten. Solche Beispiele sind die Vorfinanzierung des Mietzinses durch den Vermieter oder die Eilbedürftigkeit, das offene Mietende oder Zusatzrisiken des Vermieters weil der Mieter keine Kaution stellt.
Missverständnis Nummer 1 liegt darin, dass die Berufungskammer einen Unfallersatztarif mit dem unfallbedingten Aufschlag gleichsetzt. Eine Erstattungsfähigkeit eines Unfallersatztarifs einerseits ergibt sich über § 254 BGB, wenn der Geschädigte beweist, dass ihm keine Alternative zum Marktpreis zur Verfügung stand. Dagegen regelt sich andererseits der unfallbedingte Aufschlag über die Erforderlichkeit und damit über § 249 BGB. Damit verbunden sind andere Beweislastregeln und die Tatsache, dass der unfallbedingte Aufschlag nach § 287 ZPO im Rahmen der Schätzung der erforderlichen Kosten abgehandelt wird.
Missverständnis Nr. 2 liegt darin, dass das Gericht seine 5%-ige Bemessung des Aufschlages aus der falsch verstandenen Vorfinanzierung ableitet. Die Vorfinanzierung ist einer der Aufschlagsgründe, ja. Aber es geht hier nicht um den Zins auf die noch nicht bezahlten Mietwagenkosten. Denn über diese Verzinsung („5% über Basiszinssatz“) wird am Ende entsprechend §§ 280, 286, 288 BGB nochmals separat entschieden, auch in diesem Urteil. Hintergrund des Aufschlagsgrundes „Vorfinanzierung“ ist stattdessen die Überlegung, dass der Vermieter ein zusätzliches Zahlungsausfall-Risiko eingeht, wenn er eine Leistung erbringt, die sich auf Unfallhergangsschilderungen stützt und er gleichzeitig auf die sofortige Bezahlung mittels Bargeld oder Kreditkarte verzichtet. Er geht das Risiko ein, dass der Versicherer begründet nicht zahlt und der Mieter nicht zahlen kann. Anders als es das Gericht formuliert, ist es außerhalb der Vermietung nach einem Unfall völlig unüblich, jemandem ein Auto zu vermieten und auf Vorkasse + Kaution zu verzichten. Nächstes Problem: Die Frage des unfallbedingten Aufschlages bringt das Gericht sodann in den Zusammenhang mit der Haftungsreduzierung, dabei geht es nicht um eine Sicherheitsleistung FÜR den Mieter, sondern DURCH den Mieter, auf die hier verzichtet wird, weil er diese nicht erbringen kann und anderenfalls während der Reparatur zu Fuß gehen müsste.
Eine weitere besondere Sichtweise hat das Gericht in Bezug auf die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer weitgehenden Haftungsreduzierung. Zwar wird die BGH-Rechtsprechung zum Teil richtig widergegeben, aber dann doch die Erstattungsfähigkeit verneint. Das Gericht will einen speziellen Vortrag zum Altersunterschied des Geschädigtenfahrzeuges zum Mietfahrzeug sehen. Statt dessen geht es doch in der Frage der Erstattung der Kosten der Haftungsreduzierung um den Punkt, dass eine Beschädigung des Mietfahrzeuges, dessen Nutzung dem Geschädigten vom Schädiger durch den Unfall aufgezwungen wurde, zur sofortigen Kostenerstattungspflicht inkl. Wertminderung, ggf. Gutachterkosten, Mietausfall … gegenüber dem Vermieter führen würde. Würde er sein eigenes Fahrzeug selbst beschädigten, könnte er damit weiterfahren.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 51-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 51-22

Landgericht Bonn 8 S 39/22 vom 06.12.2022
(Vorinstanz Amtsgericht Bonn 113 C 270/21 vom 22.02.2022)

1. Den Geschädigten ist kein Verstoß gegen die Schadenminderungsobliegenheit vorzuwerfen, denn die Mietwagenangebote der Beklagten waren nicht annahmefähig.
2. Die Schätzung des örtlichen Grundwertes der erforderlichen Mietwagenkosten für die benötigte Ersatzmobilität erfolgt anhand des Mischmodells aus Schwacke und Fraunhofer.
3.Der Abzug für ersparte Eigenaufwendungen des Geschädigten, der sein Fahrzeug vorübergehend nicht nutzen konnte, ist auf 4 Prozent des Grundbetrages zu bemessen.
4. Auf den Grundwert der erforderlichen Mietwagenkosten ist ein Aufschlag für unfallbedingte Mehrleistungen in Höhe von 20 Prozent zu erstatten.
5. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Zusatzfahrer, Zustellen, Winterreifen, Navigation und Anhängezugvorrichtung sind schadenrechtlich ebenso erstattungsfähig und daher zuzusprechen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Bonn bestätigt seine Auffassung zu den Anforderungen an Direktvermittlungsangebote der Versicherer an Geschädigte (Mietwagenkosten). Ein Anruf des Versicherers kann den Geschädigten ebenso wenig an den  genannten Preis binden, wie ein unkonkret formuliertes schriftliches Angebot. Der zu erstattende marktübliche Preis wird anhand der Werte aus den Listen (Fracke) geschätzt, zuzüglich unfallbedingtem Aufschlag und Nebenkosten.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht konkretisiert die Kriterien, die an ein für den Geschädigten in Bezug auf den Preis verbindliches Mietwagenangebot des gegnerischen Versicherers zu stellen sind. Ein telefonisch übermitteltes „Angebot“, wie es Geschädigten häufig bereits noch auf der Unfallkreuzung von speziell geschulten Versicherungsmitarbeitern untergejubelt werden soll, ist per se kein annahmefähiges Angebot. Diese Auffassung ist auch ohne weiteres nachvollziehbar bereits durch die Vorstellung, dass der Fahrer, der unschuldig in einen Unfall verwickelt wurde, noch in der Situation am Unfallort ganz sicher keine ausreichenden Möglichkeiten hat, sich vom Versicherer des Schädigers dessen Vorstellungen der Schadenregulierung zu merken, zu notieren oder sonst auf eine für ihn später nachvollziehbare Weise zu verarbeiten. Ganz sicher wird der Geschädigte erheblich aufgeregt sein, ggf. sind Termine zu verschieben, die Schwiegermutter zu den Kindern zu beordern, ist die Polizei vor Ort, ist der Verkehr behindert, steht der Unfallgegner daneben oder muss der Unfall noch per Foto oder Skizze dokumentiert werden. Ein Anruf der vermeintlich helfenden Hand des Schädigerversicherers, dient nur dazu, dem Geschädigten später Preisvorgaben vorhalten zu können. In der Situation ist davon auszugehen, dass der Geschädigte kein Angebot annehmen kann. Dem Landgericht reicht für die Annahme, dass telefonisch übermittelte Preise irrelevant sind, bereits aus, dass der Inhalt des Gespräches letztlich im Streit nicht geklärt werden kann. Dem Geschädigten würden Beweismöglichkeiten gegenüber Behauptungen des Gegnerversicherers fehlen.
Darüber hinaus hat die Beklagte auch die Anforderungen an schriftlich übermittelte Preisvorgaben nicht erfüllt. Dazu ist es notwendig, dass sich die behaupteten Angebote auf den konkreten Anmietort und die Anmietzeit beziehen. Inhaltlich müssen sie das abdecken, worauf der Geschädigte einen Anspruch hat, inklusive der damit verbundenen Selbstbeteiligung der Haftungsreduzierung und des konkret zu vermietenden Fahrzeuges. Der Hintergrund ist der, dass der Geschädigte einen Anspruch auf ein zu seinem eigenen vergleichbares Fahrzeug hat. Die Nennung irgendeines Modells kann daher nicht ausreichend sein, da jedes Fahrzeugmodell mit unterschiedlichen Varianten in verschiedenen Mietwagenklassen eingruppiert wird. Ein Golf der Klasse 05 kann kein vergleichbarer Ersatz für einen Kia der Klasse 07 sein.
Das Gericht bezieht die 4-prozentige Eigenersparnis auf den Grundbetrag und nicht auf Nebenkosten, bei denen eine solcher Abzug nicht nachvollziehbar wäre. Denn wo zum Beispiel wäre eine Ersparnis bei den Versicherungskosten des Geschädigten-Fahrzeugs, wenn der Geschädigte einige Tage nicht mit seinem eigenen Auto fährt?

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 50-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 50-22

Amtsgericht Königswinter 10 C 23/22 vom 29.11.2022

1. Die Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten nach Unfall ist im konkreten Fall anhand der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel vorzunehmen.
2. Die am Gericht übliche Anwendung des Mischmodells Fracke scheidet aus, da selbst die Internetscreenshots der Beklagten aufzeigen, dass die Fraunhofer-Werte zu niedrig sind.
3. Eine Anwendung der Fracke-Werte – also des Mischmodells unter Einbeziehung von Fraunhofer – ist ebenso abzulehnen.
4. Die Klägerin hat mit einem Privatgutachten des Bundesverband der Autovermieter vorgetragen, dass die dortigen Internetwerte, erhoben nach einer Methode wie sie Fraunhofer anwendet, zu erheblich höheren Durchschnittwerten führen, zumeist im doppelten Bereich.
5. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Winterreifen, Navigation und Zustellen/Abholen sind von der Beklagten zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Königswinter lehnt die Anwendung der Fraunhofer-Werte auch als Teil des Mischmodells in einem neuen Fall ab, obwohl es bisher in ständiger Rechtsprechung mit den Werten aus beiden Listen geschätzt hat. Hintergrund sind erhebliche und neue Zweifel an der Fraunhofer-Liste. Diese Zweifel haben sich für das Gericht durch den Vortrag der Beklagten selbst ergeben sowie durch Internetbeispiele der Klägerin, vorgetragen mit dem Gutachten des Bundesverbandes der Autovermieter. Das Urteil wäre berufungsfähig gewesen, doch die Beklagte hat lieber bezahlt.

Bedeutung für die Praxis: Nochmals in kurzer Folge im MRW-Newsletter das AG Königswinter… da das Urteil inhaltlich sehr interessant ist. In einem berufungsfähigen Mietwagenfall hat das Amtsgericht die Anwendung der Fracke-Methode abgelehnt. Grund ist, dass die von beiden Seiten im Prozess vorgelegten konkreten Internetangebote ganz erheblich höher lagen, als die Mittelwerte der Frannhofer-Liste 2021, mit denen das Gericht üblicherweise in den letzten Monaten geschätzt hatte. Die Richterin wendet – auch aufgrund des konkreten Sachvortrages der Klägerin gegen die Anwendung der Fraunhofer-Liste und der Fracke-Liste – die Schwacke-Mittelwerte an. Die Aussage des BAV-Gutachtens „Gutachten Mietwagenpreise Internet 2021 – Region Bonn -“ lautete: „Das Gutachten kommt trotz vergleichbarer Berücksichtigung von Internetpreisen zu völlig anderen Ergebnissen als die Fraunhofer-Liste. Die Ergebnisse der Fraunhofer-Liste 2021 für das PLZ-Gebiet 53 (Bonn) entsprechen demnach nicht der Wirklichkeit.“ Die Beklagte ließ die Aussagen so stehen und trat dem Vortrag der Klägerin bzgl. des Gutachtens nicht entgegen.
Der Autor des Gutachtens (und dieser Zeilen) geht davon aus, dass das strategisch aus deren Sicht auch nicht verkehrt ist. Denn eine Diskussion der Gutachtenergebnisse und der Gutachten-Methode im Vergleich zur Fraunhofer-Liste würde unweigerlich zu einer Diskussion der Fraunhofer-Methode selbst führen. Das wären Fragen zur Fraunhofer-Erhebung wie:
– Warum sind für den Mittelwert Zwischen-Mittelwerte pro Station errechnet worden und warum hat daher nicht jeder Wert eine gleiche direkt Wirkung auf den veröffentlichten Mittelwert?
– Wie hat Fraunhofer aus Acriss-Mietwagenklassen die Einteilung in Schwacke-Mietwagenklassen „gezaubert“?
– Fehlen Werte in 4 Mietwagenklassen, weil Fraunhofer die Erhebungsergebnisse in zu hohe Meitwagenklassen sortiert??
– Was bedeutet „typische Selbstbeteiligung, zumeist zwischen 750 und …“?
– Was bedeutet es, wenn Aufschläge für Winterreifen als zu vermeiden bezeichnet werden?
– Welcher (die Höhe der Kosten erheblich beeinflussender) Zahlungszeitpunkt für die Vorkasse wurde unterstellt?
– Welchen Einfluss erfährt die als „ganzjährig zu verwenden“ zu verstehende Aussage durch die Erhebung in wenigen Sommermonaten?
– Was bedeutet eine unterstellte Kilometerbegrenzung für den Preis, den Fraunhofer in seine Listen übernimmt?
usw.
Das Gutachten ist sehr transparent. Es enthält alle konkret verwendeten Internetangebote als Screenshot. Sie sind ein Teil des Gutachtens. So fällt es dem Gericht sehr leicht, deren konkreten Inhalt und ihre Relevanz im Vergleich zu Fraunhofer zu prüfen. Der erhebliche Preisunterschied zum Fraunhofer-Mittelwert ist leicht zu erkennen und eine Erklärung dafür nicht greifbar.

Zitiervorschlag: „Kein Fracke und kein Fraunhofer, denn Internetscreenshots zeigen erheblich höhere Werte“

„Diesen Erwägungen schließt sich das Gericht überwiegend an. Abweichend von der Entscheidung des OLG Köln sieht das Gericht vorliegend jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, den ortüblichen Tarif anhand des arithmetischen Mittels zwischen der Schwacke-Liste sowie der Fraunhofer-Liste zu berechnen. Denn das Gericht zweifelt vor dem Hintergrund der seitens der Beklagten selber vorgelegten Internet-Angebote sowie dem seitens der Klägerin vorgelegten „Gutachten Mietwagenpreise Internet 2021 – Region Bonn“ an der Eignung der Fraunhofer-Liste als Schätzgrundlage, welche zur Berechnung eines arithmetischen Mittels zugrunde gelegt werden könnte. Konkret hat die Beklagte zwei Internetangebote der Unternehmen Sixt (…) und Europcar (…) beigefügt. Unabhängig von der Frage, ob diese Angebote der Geschädigten im vorliegenden Fall konkret vorgelegt wurden bzw. ob die Anmietung auch ohne Vorlaufzeit von einer Woche und mit offenem Mietende hätte erfolgen können, liegen diese beiden Angebote deutlich über dem seitens der Fraunhofer-Liste ermittelten Wertes. … mithin etwa ein Viertel bis ein Drittel geringer als die von ihr selber beispielhaft genannten Internetangebote.
Zu deutlich höheren Abweichungen gelangt das seitens der Klägerin vorgelegte Gutachten (…). In diesem Gutachten stellt der Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V. fest, dass die Erhebungen des Fraunhofer Instituts nicht die tatsächlich erhältlichen Internet­-Preise abbilden. Letztere liegen nach dem Ergebnis des Gutachtens deutlich über den Fraunhofer-Werten, zumeist im Bereich des doppelten Preises. Zur Ermittlung der tatsächlichen Werte ist das Gutachten entsprechend den Angaben des Fraunhofer-Instituts durch Internet-Recherche bei den größten Autovermittlern vorgegangen, um eine Vergleichbarkeit beider Werte herzustellen. Den Feststellungen des Gutachtens ist die Beklagte nicht entgegengetreten.“
(Amtsgericht Königswinter 10 C 23/22 vom 29.11.2022)

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 49-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 49-22

Amtsgericht Kempten (Allgäu) 6 C 753/22 vom 16.11.2022

1. Wenn der Geschädigte einen Ersatzwagen mietet, sind Nutzungswille und Nutzungsmöglichkeit gegeben.
2. Der Geschädigte kann nach freier Entscheidung entweder fiktiven Ausfallschaden (Nutzungsausfall-Wert) oder konkrete Kosten der Ersatzanmietung erstattet verlangen.
3. Sofern Nutzungsausfallentschädigung verlangt wird, ist es unerheblich, ob der Geschädigte tatsächlich einen Ersatzwagen angemietet hatte.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Kempten spricht dem Kläger den geforderten Nutzungsausfallbetrag für drei Tage zu. Dass er tatsächlich einen Ersatzwagen angemietet hatte und die Beklagte bereits einen geringen Teil der Mietwagenkosten (ca. ein Drittel der Nutzungsausfallentschädigung) bezahlt hatte, ist dabei nicht relevant. Das Gericht verweist auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der auch bei zunächst verlangten Mietwagenkosten ein Wahlrecht besteht, statt dessen auf Nutzungsausfallentschädigung umzustellen.

Bedeutung für die Praxis: Der BGH hat mit Urteil vom 05.02.2013 (Az. VI ZR 290/11) geurteilt: „Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann demjenigen Geschädigten zustehen, der Ersatz der Kosten für einen Mietwagen nicht beanspruchen kann. Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann im Rechtsstreit (konkludent) hilfsweise geltend gemacht werden,..“. Folgerichtig sprechen Gerichte Nutzungsausfallentschädigung zu, auch wenn während der Ausfalldauer ein Mietwagen genutzt wurde und egal auch, ob und woher ein solches Fahrzeug genommen wurde. Gerade bei längeren Mieten kann es sinnvoll sein, sich die Nutzungsausfallentschädigung vom Schädiger-Versicherer erstatten zu lassen, anstatt von ihm auf den nackten Fraunhofer-Wochenwert heruntergekürzt zu werden und einen aufwendigen Prozess um die richtige Schätzmethode führen zu müssen.
Hier hatten wir für 2019 einmal einige Tabellen erstellt, die einen Vergleich der Werte je nach Mietwagenklasse / Nutzungsausfallklasse und Ausfalldauer ermöglichte: Vergleichstabelle Nutzungsausfall und Fraunhofer
Bevor ein Anspruch aufgegeben oder ausgebucht wird, weil es zu schwierig erscheint, sich in die komplexe Materie der Durchsetzung von Mietwagenkosten einzuarbeiten, kann es im Einzelfall sinnvoll sein, eine solche Vergleichsrechnung aufzustellen und auf die Nutzungsausfallentschädigung umzustellen.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 48-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 48-22

Amtsgericht Königswinter 12 C 36/22 vom 08.11.2022 (Datum mdl. Verhandlung)

1. Nachdem die Beklagte über die Hälfte der geforderten Schadensumme aufgrund Ersatzanmietung zurückbehalten hatte, wird sie vom erkennenden Gericht verurteilt, die Restsumme vollständig an den Kläger auszuzahlen.
2. Zur Schätzung der Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten greift das Gericht auf das arithmetische Mittel der Schwacke-Liste zurück, die auch nach der Rechtsprechung des OLG Köln grundsätzlich dafür geeignet ist.
3. Die Anwendung des Mischmodells Fracke scheidet insofern aus, dass die Fraunhofer-Liste für die Mietwagenklasse der Ersatzanmietung keine Werte zur Verfügung stellt.
4. Auf den Grundbetrag nach Schwacke ist ein unfallbedingter Aufschlag als gerechtfertigt anzusehen, da hier eine Ad-Hoc-Anmietung außerhalb normaler Öffnungszeiten erforderlich war.
5. Kosten für Nebenleistungen wie Haftungsreduzierung, Zusatzfahrer und Zustellen/Abholen sind ebenso erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht weicht in der Frage der Anwendung der Schätzgrundlagen nach § 287 ZPO von der Linie der übergeordneten Gerichte ab, da eine Anwendung der Fracke-Werte nicht möglich ist. Fraunhofer weist häufig nur noch in 7 von 11 Mietwagenklassen einen Wert aus. Mangels Anknüpfungstatsachen zur Berechnung des Mittelwertes der Listen hat das Gericht die Schwacke-Werte verwendet. Zusätzlich wurden der Pauschalaufschlag von 20 Prozent und die Nebenkosten zugesprochen.

Bedeutung für die Praxis: Immer häufiger werden Fälle verhandelt, in denen Gerichte grundsätzlich das Mischmodell anwenden wollen, die Fraunhofer-Liste dafür jedoch keinen Schätzbetrag zur Verfügung stellt. Gerichte wenden dann die Werte der Schwacke-Liste an. Die Richterin verweist dazu auf den Umstand, dass die obergerichtliche Rechtsprechung (und im Übrigen auch der BGH) die Schwacke-Liste grundsätzlich als anwendbar ansehen. Aus Sicht der Kläger ist bereits der Umstand, dass Fraunhofer in niedrigen Mietwagenklassen keine Werte mehr ausweist ein Argument gegen die Richtigkeit der Liste. Denn in Schwacke gibt es die ja noch und wer ins Internet schaut, der fragt sich, in welchen (höheren) Mietwagenklassen die Klein- und Kleinstwagen landen, die man dort findet. Die Antwort ist, dass diese in höheren Klassen die Mittelwerte nach unten drücken. Das werden hoffentlich bald auch die Gerichte besser verstehen, so die Hoffnung (vgl. hierzu MRW 1-22 „Mietwagenklassen bei Fraunhofer: Kleine Autos in große Gruppen verschieben um damit den Mittelwert zu senken“).

Zitiervorschlag: „Kein Fracke, wenn Fraunhofer keinen Wert liefert“

„Zur Ermittlung des Schadenshöhe greift das Gericht auf die Schwacke-Liste zurück und berechnet ausschließlich hiernach den ortsüblichen Tarif für die Anmietung eines Mietwagens im vorliegenden Fall, § 287 ZPO. Es folgt dabei der Rechtsprechung des OLG Köln insoweit, als dass dieses grundsätzlich in der Schwacke-Liste eine geeignete Schätzgrundlage für die Berechnung von Mietwagenkosten sieht, vgl. OLG Köln, Urteil vom 30.07.2013 (Aktenzeichen 15 U 212/12). Auf die hinlänglich bekannten Ausführungen des OLG Köln wird vollumfänglich Bezug genommen.
Abweichend vom dort entschiedenen Fall sieht das Gericht vorliegend jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, den ortüblichen Tarif anhand des arithmetischen Mittels zwischen der Schwacke-Liste sowie der Fraunhofer-Liste zu berechnen. Denn unstreitig sieht die Fraunhofer-Liste keine Werte für die nach der Schwacke-Liste abgerechnete Mietwagenklasse 2 vor, welche zur Berechnung eines arithmetischen Mittels zugrunde gelegt werden könnten.“
(Amtsgericht Königswinter 12 C 36/22 vom 08.11.2022)

Derzeit ist nicht bekannt, ob das Urteil rechtkräftig ist.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 47-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 47-22

Amtsgericht Salzgitter 21 C 111/ 22 vom 03.08.2022

1. Erstattungsfähige Mietwagenkosten sind nach dem Mischmodell aus den Listen von Schwacke und Fraunhofer (Fracke) zu schätzen.
2. Von der Beklagten vorgelegte Internetangebote stellen keine konkreten Einwendungen gegen die Anwendung der Fracke-Werte dar.
3. Der Abzug für ersparte Eigenaufwendungen des Geschädigten ist mit 10 Prozent zu bemessen, sofern er ein klassengleiches Ersatzfahrzeug angemietet hat.
4. Einen unfallbedingten Aufschlag auf den Normaltarifs sieht das Gericht lediglich im Fall einer Eil- und Notsituation als berechtigt an.
5. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Winterreifen, Zustellen und Zusatzfahrer sind vom Schädiger zu erstatten und bemessen sich nach der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste.
6. Der Kläger kann Schadenersatz inkl. der Umsatzsteuer verlangen, da er nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, auch wenn das beschädigte Fahrzeug ein Leasingfahrzeug ist.

Zusammenfassung: Im Fall eines Ausfallschadens aufgrund der Beschädigung eines Leasingfahrzeuges bemisst sich der Schadenersatzbetrag für ein Mietfahrzeug inkl. der Umsatzsteuer und nicht netto, wie die Beklagte unter Verweis auf die vorsteuerabzugsberechtigte Leasinggesellschaft argumentiert hatte. Die Schätzung der Höhe der erforderlichen Kosten erfolgt darüber hinaus mittels Fracke-Vergleichswert und Nebenkosten.

Bedeutung für die Praxis: Wird ein Leasingfahrzeug beschädigt, ist der Leasinggeber als Vorsteuerabzugsberechtigter anzusehen. Versicherer verweisen dann darauf, lediglich Netto-Beträge regulieren zu müssen. Doch der Leasingnehmer hat einen eigenen Ausfallschaden und ist der selbst nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, ist – anders als die Beklagte meint – brutto zu regulieren. Da auch der Besitz vor einer Störung geschützt ist und der Leasingnehmer ein berechtigter Besitzer ist, ist er ebenso wie der Leasinggeber als Geschädigter zu betrachten. 
Bei der Anwendung des Mischmodells aus den Listen hebt das Gericht sehr ungewöhnlich auf die Ergebnisse der Telefonerhebung ab. Auch wenn es diese Passage auf beide Listen zu beziehen scheint, gibt es solche nur in der Fraunhofer-Liste und dort nur für extrem große Regionen, von hier ca. 180 Kilometern Ausdehnung.
Die von der Beklagten vorgelegten Internetbeispiele werden als nicht vergleichbar zurückgewiesen.
Dass ein Schadenersatzanspruch oberhalb des durchschnittlichen Normaltarifes vom Gericht lediglich im Fall einer Not- und Eilsituation als erstattungsfähig angesehen wird, entspricht nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zwischen Unfallersatztarif und Normaltarif hat der BGH den unfallbedingten Aufschlag etabliert, der auch bei anderen unfallbedingten Mehrleistungen erstattungsfähig ist, wenn diese aus Sicht des Geschädigten als erforderlich zur Erlangung der Ersatzanmietung zu gelten hat. Beispiele sind die Vorfinanzierung durch den Vermieter oder der Verzicht auf eine Kaution, die ein Mieter üblicherweise zu zahlen hat.

 

BGH zum Nutzungsausfallschaden

Fällt das Fahrzeug eines Geschädigten wegen eines Unfalls aus, besteht grundsätzlich ein Anspruch gegen den Schädiger und seinen Versicherer nicht nur auf Abschlepp- und Reparaturkosten, auf Ersatz der Kosten zur Feststellung der Höhe des Reparaturschadens / Kosten der Ersatzbeschaffung und Kosten der Rechtsberatung, sondern auch auf Erstattung des Ausfallschadens (Kosten zur Ersatzanmietung oder pauschal auf Nutzungsausfall).

Zwei eigentlich bekannte Ausnahmen besteht dann, wenn der Geschädigte in der Zeit des Ausfalls seines Fahrzeuges sehr wenig fährt (Grenze unter 20 km am Tag, dann z.B. Taxikosten zu erstatten, aber auch hier wieder Ausnahmen!) oder wenn er über mehrere Fahrzeuge verfügt und daher ein anderes Fahrzeug zur Verfügung steht.

Ein Porschefahrer fand das nun nicht angemessen und hat einen Rechtstreit um die Zumutbarkeit eines 3er BMW in allen drei Instanzen bis zum BGH verloren. Zwar ging es nicht um Schadenersatz nach einem Unfall, doch auch hier um die Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit.

Zitat BGH VI ZR 35/22 vom 11.10.2022:

„Aus der vorübergehenden Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs kann sich zwar ein ersatzfähiger Vermögensschaden ergeben. Ein solcher scheidet jedoch vorliegend aus, weil der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein Zweitwagen zur Verfügung stand, dessen Nutzung ihr zumutbar war. (…) muss die Entbehrung der Nutzung auch deshalb „fühlbar“ geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. (…) Die Unzumutbarkeit der Nutzung des weiteren Fahrzeugs und damit ein Schaden lassen sich nicht mit dem Argument begründen, dass das Fahrzeug, dessen Nutzung vorübergehend entzogen ist, gegenüber dem Zweitfahrzeug eine höhere Wertschätzung des Geschädigten erfahre, etwa weil ihm ein höheres Prestige zukomme, es ein anderes Fahrgefühl vermittle oder den individuellen Genuss erhöhe. Denn dabei geht es um die Lebensqualität erhöhende Vorteile, die keinen ersatzfähigen materiellen Wert darstellen. Die genannten Gesichtspunkte betreffen nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und entziehen sich daher einer vermögensrechtlichen Bewertung.“

Daher wiederholen wir den Hinweis an Autovermietunternehmen und Verbraucher, die nach einem Unfall einen Mietwagen nutzen möchten, dass vor der Anmietung eines Ersatzwagens die Frage geklärt werden muss, ob der Geschädigte Zugriff auf einen eigenen Zweitwagen hat. Der muss allerdings für ihn nutzbar sein, ohne dass sich Familienmitglieder einschränken müssen. Nutzen Frau oder Kinder den Zweitwagen, müssen die sich nicht einschränken. Dann besteht der Anspruch auf den Ausfallschaden / Mietwagenkosten.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 46-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 46-22

Amtsgericht Siegburg 128 C 33/22 vom 25.08.2022

1. Die Beklagte hat den Schaden des Geschädigten aufgrund Kosten für Ersatzmobilität der Klägerin vollständig und wie von ihr gefordert auszugleichen.
2. Die Höhe des zu erstattenden Schadenersatzanspruchs schätzt das Gericht – üblicherweise mittels Mischmodell Fracke – hier anhand der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel.
3. Eine Anwendung des Mischmodells ist auszuschließen, sofern sich für den konkreten Einzelfall lediglich in der Schwacke-Liste die notwendigen Anknüpfungstatsachen finden lassen.
4. Wurde ein klassenkleineres Ersatzfahrzeug angemietet, entfällt ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen des Geschädigten.
5. Auf den Grundbetrag des Normaltarifs nach Schwacke ist vom Schädiger zusätzlich ein unfallbedingter Aufschlag zu erstatten, sofern unfallbedingte Mehrleistungen erforderlich gewesen sind.
6. Sind zwischen Geschädigtem und Vermieter schadenrechtlich gerechtfertigte Nebenleistungen vereinbart, ist die Erstattungsfähigkeit der dafür veranschlagten Kosten nach der Schwacke-Liste zu bemessen.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Siegburg wendet in einem konkreten Fall die Schwacke-Liste an, obwohl es grundsätzlich die Anwendung des Mischmodells aus den beiden Listen Fraunhofer und Schwacke bevorzugt. Hintergrund ist, dass die Fraunhofer-Tabelle für die relevante Mietwagenklasse keine Werte zur Verfügung stellt. Auf den Grundbetrag nach Schwacke wird ein 20%-iger Aufschlag wegen unfallbedingter Zusatzleistungen des Vermieters zugesprochen und die Kosten weiterer Nebenleistungen schadenersatzrechtlich anerkannt.

Bedeutung für die Praxis: Das erkennende Gericht wendet im Einzelfall Schwacke an, obwohl es grundsätzlich der Fracke-Linie des Berufungsgerichtes folgt. Es bestätigte die Argumentation des Klägers, dass die Fraunhofer-Liste nicht anwendbar ist, wenn sie für die konkret Mietwagenklasse keinen Wert bereitstellt. Ein Rückgriff auf andere Mietwagenklassen, die an den Tatsachen des konkreten Falles vorbeigehen, würde außerhalb des Schätzungsermessens des Gerichtes liegen. Die Prüfung der Angemessenheit eines unfallbedingten Aufschlages durch das Gericht könne sich darauf beschränken, ob spezifische in der Unfallersatzsituation regelmäßig anfallende Mehrleistungen des Vermieters allgemein einen Aufschlag rechtfertigen. Unabhängig von einer Eil- und Notsituation liegen hier typische Merkmale einer Unfallersatzanmietung bereits dadurch vor, dass der Vermieter die Mietwagenkosten vorfinanzieren musste und auf eine Kaution verzichtete.

Zitiervorschlag: „Kein Fracke, wenn Fraunhofer keinen Wert liefert“

„Die Art der Schadensschätzung wird von § 287 ZPO nicht vorgegeben. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben (BGH NJW 2011, 1947). (…) Im vorliegenden Fall war (…) allein die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage heranzuziehen. Denn gerichtsbekannt enthält die aktuelle Fraunhofer-Liste für die hier betroffene Fahrzeugklasse und den hier betroffenen Postleitzahlenbereich keine Daten. Ein Mittelwert kann daher nicht gebildet werden.“
Amtsgericht Siegburg 128 C 33/22 vom 25.08.2022

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 44-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 44-22

Landgericht Duisburg 5 S 11/22 vom 02.09.2022 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht Dinslaken 30 C 5/21 vom 28.12.2021)

1. Der Geschädigte war während der Ausfalldauer auf Ersatzmobilität per Mietwagen angewiesen, auch wenn die Beklagte das anders sah.
2. Es besteht keine grundsätzliche Verpflichtung für den Geschädigten zur Vorfinanzierung der Ersatzbeschaffung, die Beweislast für eine ohne Weiteres mögliche Kreditfinanzierung liegt beim Schädiger.
3. Zur Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten stellt das Amtsgericht korrekt auf das Mischmodell ab.
4. Auf den Grundbetrag des Normaltarifes nach Fracke ist ein 20-prozentiger Aufschlag für unfallbedingt erforderliche Mehrleistungen des Vermieter gerechtfertigt.
5. Davon unterscheidet der BGH einen Unfallersatztarif (§ 254 BGB) wenn der abgerechnete Betrag mit mindestens 100 Prozent deutlich überhöht ist, der lediglich außerhalb der Erforderlichkeit nach § 249 BGB und ausnahmsweise zuzusprechen sein kann.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht in Duisburg bestätigt eine erstinstanzliche Entscheidung in Bezug auf die Frage, ob der Geschädigte einen Ersatzwagen anmieten durfte und zu welchem Preis die Schadenersatzforderung gerechtfertigt ist. Dazu wird Fracke angewendet zuzüglich des unfallbedingten Aufschlages. Der Geschädigte hat auch nicht gegen seine Schadenminderungsobliegenheit verstoßen, weil er zur Schadenbeseitigung keinen Kredit aufgenommen hat.

Bedeutung für die Praxis: Zunächst wurde um die Notwendigkeit der Ersatzwagenanmietung an sich gestritten. Nach Auffassung der Beklagten reichten dafür durchschnittlich pro Tag gefahrene 37 km nicht aus. Der Geschädigte habe gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen, da er sich nicht mit einem anderen Auto seiner Familie beholfen oder ein Taxi genommen habe. Die Möglichkeit sich ein anderes Fahrzeug mit dem Rest seiner Familie zu teilen, hatte der Kläger jedoch zurückgewiesen und die Beklagte dazu keinen konkreten Sachvortrag mehr gehalten. Auch der Verweis auf insgesamt günstigere Taxiskosten überzeugte das Gericht nicht, denn diese seien je nach Uhrzeit nicht immer gleich und die Nutzung eines Taxis nicht so verlässlich, wie das Auto vor der Tür, wie vor dem Unfall. Hinzu trete, dass Taxikosten auch dadurch unerwartet hoch sein könnten, dass das Fahrzeug während der Fahrt im Verkehr stecken bleibt. Insgesamt müsse eine solche Entscheidung ex ante getroffen werden und da scheide in der konkreten Sicht des Geschädigten der Verzicht auf den Mietwagen und stattdessen die Nutzung eines Taxis jedenfalls aus schadenrechtlichen Gründen aus.
Die Beklagte behauptete außerdem, der Geschädigte hätte einen Kredit aufnehmen müssen, um die Vorfinanzierung der Ersatzanschaffung zu organisieren. Die Behauptung, das wäre dem Kläger möglich gewesen, wurde vom Gericht als in Blaue hinein zurückgewiesen. Die Beklagten hätte hierzu substantiiert vortragen müssen. Sie verwies lediglich auf missverständliche Rechtsprechung des OLG und LG Düsseldorf zur Schadenminderungspflicht, die durchaus als „nicht BGH-konform“ bezeichnet werden kann. Auch der Hinweis auf die Möglichkeit eines Dispositionskredites konnte nicht verfangen, weil gerade dieser erheblich teurer ist und schon gar nicht die geforderte Summe zur Anschaffung eines Autos trage.
Auf den Grundwert des Normaltarifs für Mietwagenkosten sprach das Berufungsgericht einen Aufschlag zu. Hierfür sah es eine Vielzahl von unfallbedingten Mehrleistungen des Vermieters, wie die Vorfinanzierung des Mietzinses über viele Monate und die mangelnde Vorbuchungsmöglichkeit eines Mieters, der von jetzt auf gleich nach einem Unfall mit Totalschaden auf Ersatzmobilität angewiesen ist.
Dieser höhere Mietwagenpreis im Rahmen Normaltarif + Aufschlag bringe keine Aufklärungspflicht des Vermieters darüber mit sich, dass Versicherer ggf. den Preis nicht zahlen würden. Eine solche Pflicht ergebe sich erst bei einem Unfallersatztarif, der deutlicher über dem Normaltarif liegen muss.

Das Verfahren ist abgeschlossen, die Beklagte hat die Berufung zurückgenommen.

Zitiervorschlag: „Normaltarif + Aufschlag ist kein Unfallersatztarif“

„Auch die Ausführungen des Amtsgerichts hinsichtlich eines Aufschlags von 20% für einen sog. Unfalltarif sind nicht zu beanstanden. Es handelte sich bei der Anmietung um ein nicht planbares ad hoc Geschäft und der Kläger hat eine Vorfinanzierung ohne Sicherheitsleistung in Anspruch genommen. Der Kläger musste mithin aufgrund des Schadensereignisses und seiner wirtschaftlichen Situation eine Vielzahl von unfallbedingten Mehrleistungen in Anspruch nehmen. Ein Aufschlag von mindestens 20% in derartigen Situationen ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes, der sich die Kammer anschließt, angemessen (BGH NJW 2010, 2569). Der Umstand, dass der Kläger von den Autovermietungen  nicht darüber aufgeklärt worden sein mag, dass der  Tarif  über  einem  Normaltarif  liegt,  ist  unerheblich.  Ausweislich  der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof, der sich die Kammer auch in diesem Fall anschließt, muss eine Aufklärung nur dann erfolgen, wenn der verlangte Mietzins deutlich über dem Normaltarif liegt. Zwar legt der BGH diesbezüglich keine starre Grenze für eine „deutliche Erhöhung“ fest. Aus dem Urteil ergibt sich aber, dass der BGH davon ausgeht, dass Unfalltarife durchschnittlich um mindestens 100% über dem örtliche Normaltarif lägen. Zuschläge von bis zu 200% seien keine Seltenheit (BGH Urteil vom 28.06.2006 – XII ZR 50/04, zitiert nach juris). Die Kammer sieht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH eine „deutliche Erhöhung“ vorliegend mithin nicht als gegeben an.“ (Landgericht Duisburg 5 S 11/22 vom 02.09.2022, Beschluss)

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 43-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 43-22

Oberlandesgericht Frankfurt/Main 7 U 23/22 vom 28.09.2022
(Vorinstanz Landgericht Wiesbaden 2 O 143/21 vom 01.03.2022)

1. Der Geschädigte hat entsprechend des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach § 249 BGB im Rahmen des Zumutbaren immer den wirtschaftlicheren Weg der Schadenbehebung auszuwählen.
2. Die vom Schädiger zu beweisende Frage, dass der Geschädigte hätte eine günstigere Alternative anmieten können, betrifft die Schadenminderungspflicht nach § 254 BGB.
3. Beansprucht der Kläger einen Betrag wie hier zunächst nach Schwacke und später nach der Fracke-Methode, handelt es sich um einen Normaltarif, stellt sich die Frage nicht im Rahmen der Erforderlichkeit, ob dem Geschädigten ein günstigerer Tarif zugänglich gewesen ist.
4. Ist der Vortrag der Beklagten wie hier ohne konkreten Vortrag in Bezug auf den konkreten Fall (Internetscreenshots), ist das Gericht nicht verpflichtet, die Schätzmethode zu überprüfen.
5. Lediglich hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten für Winterreifen begründet die Beklagte ihre Einwendungen, die jedoch keinen Erfolg haben können.

Zusammenfassung: Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main wendet wiederholt das Mischmodell zur Schätzung der erforderlichen Grundwerte des Normaltarifes an. Der Beklagten wird mitgeteilt, dass ihre Auffassung von den Beweislastregeln nicht korrekt ist, sie müsse beweisen, dass der Geschädigte eine günstigere Mietwagenalternative ausgeschlagen habe. So lange der Geschädigte einen Normaltarif verlange, müsse er selbst nicht beweisen, dass es nicht auch günstiger gegangen wäre. In Bezug auf die Kostenerstattung für Winterreifen stellt das OLG klar, dass diese zwischen O und O vom Schädiger zu ersetzen sind.

Bedeutung für die Praxis: Das Berufungsgericht weist die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Landgerichtsurteil zurück. In der Frage, was Kläger und Beklagte vortragen und beweisen müssen, gibt es immer wieder Verwirrung. Das OLG klärt zunächst nochmals Vortrags- und Beweislast-Regeln rund um die Frage der Mietwagenkostenerstattung in Bezug auf den Normaltarif, einen Betrag über dem Normaltarif, unter dem Normaltarif und zum über allem liegenden Unfallersatztarif. Da der Kläger einen Normaltarif verlangte und die Beklagte beweisfällig dafür blieb, dass den Geschädigten ein ohne Weiteres zugängliches günstigeres Angebot zur Verfügung stand, ist der verlangte Schadenersatzbetrag zu erstatten. Es reiche nicht, wenn die Beklagte behauptet, der Geschädigte hätte günstiger anmieten können, dafür auf nicht vergleichbare Internetscreenshots verweist und zum Beweis ein Gerichtsgutachten beantragt.
In Bezug auf die Frage der Erforderlichkeit von Kosten für Winterreifen stellt das Berufungsgericht zunächst klar, dass in den Wintermonaten eine Ausstattung mit Winterreifen notwendig ist und daher die Kosten, die mietvertraglich dafür vereinbart wurden, zum Schwacke-Vergleichsbetrag auch als Schadenersatz vom Schädiger zu erstatten sind. Dabei ist die Erforderlichkeit grundsätzlich von Oktober bis Ostern anzunehmen. Die Frage der tatsächlichen Ausstattung des beschädigten und in Reparatur oder Ersatz befindlichen Fahrzeuges des Geschädigten mit Winterreifen ist dafür nicht relevant.

Zitiervorschlag: „Kosten Winterreifen von O bis O erstattungsfähig“

„Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Nebenkosten, gegen die sich die Beklagte lediglich pauschal „wendet“. Eine zureichende, mit einer Begründung versehene Berufungsrüge ist insoweit lediglich hinsichtlich der Winterreifenpauschale erhoben. Gesondert in Rechnung gestellte Kosten für
Winterreifen sind jedoch bis zur Höhe der Schwacke-Nebenkostentabelle erstattungsfähig. Aufschläge für Winterreifen sind jedenfalls dann erforderlich i.S.d. S 249 BGB, wenn das Fahrzeug zwischen „Oktober und Ostern“ (bis Ende April) angemietet worden ist. Die Erforderlichkeit ist dabei nicht nur dann von vornherein zu bejahen, wenn das verunfallte Kfz seinerseits mit Winterreifen ausgestattet war, sondern auch dann, wenn während der Mietdauer ernstlich mit der Möglichkeit von Wetterlagen gerechnet werden musste, die mit Rücksicht auf § 2 Abs. 3 a StVO eine Winterausrüstung des Mietwagens erforderlich machen. Da der Mieter Verantwortung für fremdes Eigentum übernehmen muss, ist ihm in der kalten Jahreszeit die Haftung für den Mietwagen ohne Winterreifen selbst dann nicht zuzumuten, wenn er sein eigenes Fahrzeug nicht mit Winterreifen ausgerüstet hat. Dies ist im Zeitraum zwischen Oktober und April jedenfalls der Fall.“
(Oberlandesgericht Frankfurt/Main 7 U 23/22 vom 28.09.2022)

 

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 42-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 42-22

Landgericht Aschaffenburg 12 O 44/22 vom 28.09.2022 

1. Die überlange Mietdauer ist aufgrund der mangelnden Liefermöglichkeit eines sicherheitsrelevanten Ersatzteils zur Instandsetzung des Unfallfahrzeuges gerechtfertigt.
2. Da die Beklagte nicht auf die Bitte um Unterstützung bei Ersatzteilbezug und Mietwagenvermittlung reagierte, hat sie die Mietwagenkosten vollständig nach dem Mischmodell aus Fraunhofer und Schwacke zu erstatten.
3. Die Höhe der Mietwagenkosten bestimmt sich aus den Pauschalen Woche, 3 Tage und Einzeltage.
4. Kosten der Nebenleistung Winterreifen sind zwischen Oktober und Ostern erstattungsfähig.
5. Ein Bestreiten der Aktivlegitimation des Klägers ist ohne eine weitere Substantiierung ausgeschlossen, da die Beklagte ihm gegenüber vorgerichtlich teilweise regulierte.

Zusammenfassung: Das Landgericht Aschaffenburg verurteilt die Allianz-Versicherung zu weiterem Schadenersatz aufgrund Mietwagenkosten und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten. Insbesondere die mehrmonatige Dauer der Anmietung wird nicht beanstandet, da einerseits ein sicherheitsrelevantes Ersatzteil nicht lieferfähig gewesen ist und die Beklagte zur Reduzierung der Schadenkosten um geeignete Maßnahmen gebeten wurde. Auch die Kosten der erforderlichen Ausstattung mit Winterreifen sind vom Schädiger zu ersetzen. 

Bedeutung für die Praxis: Das Landgericht in Aschaffenburg sprach dem Geschädigten die restlichen geforderten Schadenaufwendungen bzgl. Mietwagenkosten und Rechtsanwaltskosten vollständig zu. Die hier angefallene überlange Mietdauer hat der Geschädigte nicht zu vertreten. Denn ein Verschulden nach § 254 BGB ist ihm nicht anzulasten, wenn einerseits notwendige Teile zur Unfallschadenreparatur fehlten und andererseits die Beklagte auf diesen Hinweis nicht reagierte. Im Rahmen seiner Ersetzungsbefugnis entstehende Mehraufwendungen, die sich seinem Einflussbereich entziehen, können nicht zu Lasten des Geschädigten gehen.
Die Kosten der Ausstattung des Mietwagens mit Winterreifen sind schadenrechtlich für eine Miete zwischen Oktober und Ostern zu ersetzen. Das Gericht macht diese Kosten nicht von der Ausstattung des Geschädigtenfahrzeuges abhängig und auch nicht von konkret zu beweisenden winterlichen Straßenverhältnissen. Das erscheint auch sachgerecht, denn es ist bei einer mehrtätigen Miete in dieser Zeit immer damit zu rechnen, dass die Temperaturen fallen. Es wäre unzumutbar und kaum zu organisieren, wenn Mieter massenhaft am Tag vor Frost Mietfahrzeuge oder Räder des Mietfahrzeuges tauschen wollten. Es entspricht grundsätzlich der Pflicht des Mieters, das Fahrzeug nur mit witterungs-konformer Bereifung zu nutzen. Daher hat er das Recht, wenn Winterwetter auftreten kann (in Deutschland anzunehmen von „O bis O“), auch ein Fahrzeug mit Winterreifen anzumieten und die Zusatzkosten vom Schädiger erstattet zu bekommen.
Bis in den Prozess hinein stritt man noch um weitere Positionen, wie Mietwagengruppe, Zweitfahrer-Gebühr, korrekte Mietwagenzulassung und die Frage, wie das verunfallte Fahrzeug versichert war, bis die Beklagte diese Positionen unstreitig stellte. Teilweise begab man sich auf Klägerseite dabei wohl aus Gründen der Prozess-Ökonomie in nicht zwingend notwendige Erklärungen. Weder besteht ein Zusammenhang zwischen Zulassung des Mietfahrzeuges als Mietwagen für Selbstfahrer und das Schadenersatzrecht, noch hat die Versicherung des Geschädigtenfahrzeuges etwas mit der Erstattungsfähigkeit weitgehender Haftungsreduzierungskosten aus dem Mietvertrag zu tun.

Zitiervorschlag: „Kosten Winterreifen von O bis O erstattungsfähig“

„Winterreifen sind auch bereits ab Mitte Oktober als erforderlich anzusehen. Der Zeuge XXX hat insoweit in seiner Zeugeneinvernahme ausgeführt, dass diese regelmäßig von „O bis O“, d.h. von Oktober bis Ostern aufgezogen werden. Der zweite Mietwagen mit Winterreifen wurde am 14.10.2021 übergeben. Zu diesem Zeitpunkt waren Winterreifen erforderlich.“ (Anmerkung: Die Vermietung mit Winterreifen erfolgte im konkreten Fall Mitte Oktober) (Landgericht Aschaffenburg 12 O 44/22 vom 28.09.2022)

Zitiervorschlag: „Anwendung der Listenpauschalen, nicht Woche durch 7 mal Mietdauer“

„Die Berechnung des Mietwagentarifs nach Wochentarif und Zusatztag-Wochentarif ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist bei der Abrechnung der Mietwagenkosten bei mehrtägiger Vermietung die nach der Schwacke Automietpreisspiegel ausgewiesenen Reduzierungen nach Wochen-, 3-Tages- und Tagespauschalen zu berücksichtigen. (…)  Die Autovermietung ist nicht gehalten, hinsichtlich des Einzeltages den Tarif anteilig aus dem Wochentarif zu berechnen.“ (Landgericht Aschaffenburg 12 O 44/22 vom 28.09.2022)

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 41-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 41-22

Landgericht Düsseldorf 22 S 119/22 vom 11.08.2022 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht Düsseldorf 39 C 123/21 vom 12.05.2022)

1. Der Kläger und Berufungskläger ist aktivlegitimiert, kein Verstoß gegen §§ 1,2,3 oder 5 RDG.
2. Zur Schätzung des erforderlichen Grundwertes des Normaltarifes wird das Mischmodell aus den Werten der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Liste angewendet.
3. Im Fall der Anmietung noch am Unfalltag wird ein pauschaler Aufschlag wegen unfallbedingter Mehrleistungen im Rahmen der Erforderlichkeit als erstattungsfähig angesehen.
4. Zum Grundpreis und unfallbedingten Aufschlag kommen Kosten der Nebenleistungen hinzu, wie für Haftungsreduzierung, Navigation, Winterreifen und Zustellen/Abholen, geschätzt nach Schwacke-Mittelwert.
5.  Ein Abzug für Eigenersparnis kommt nicht in Betracht, wenn sich der Geschädigte mit einem kleineren Fahrzeug begnügt hat.
6. Die Wiederbeschaffungsdauer von 23 Tagen anstatt standardmäßiger 14 Tage ist wegen vorliegenden Feiertagen und wegen einer während Corona längeren Suche nach einem alternativen Fahrzeug nicht zu beanstanden.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht in Düsseldorf hebt eine erstinstanzliche Entscheidung auf und spricht zusätzlichen Schadenersatz bzgl. Mietwagenkosten zu. Zum Grundbetrag des Normaltarifs nach Fracke wird im Fall der Anmietung am Unfalltag ein 20-prozentiger Aufschlag als berechtigt angesehen. Die Nebenkosten sind erstattungsfähig (nach Schwacke) und ein Eigenersparnis-Abzug entfällt bei klassenkleinerer Anmietung.

Bedeutung für die Praxis: Das Berufungsgericht bestätigt zunächst die Fracke-Linie in Düsseldorf. Bei klassenkleinerer Ersatzwagen-Anmietung unterliegt die Forderung des Geschädigten nicht noch zusätzlich einem Abzug wegen ersparter Eigenkosten. In dieser Frage klärt das Berufungsgericht für sich einen Streit, in dem das OLG Düsseldorf ohne eine tragfähige Begründung anders entschieden hatte.
Das Gericht wendet sich gegen die – auch anderswo immer wieder anzutreffende – Auffassung des Erstgerichtes, eine Erstattungsfähigkeit der Kosten einer weitgehenden Haftungsreduzierung hänge davon ab, ob für das eigene Fahrzeug des Geschädigten eine ebenso niedrige Selbstbeteiligung vereinbart sei.Leider hat die Kammer den Unterschied zwischen dem Ausnahmefall „Unfallersatztarif“ (Prüfung über § 254 BGB Schadenminderungspflicht) und dem Normalfall von Grundpreis + Aufschlag nach Zusatzleistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte (20%-Aufschlag im Rahmen der Erforderlichkeit / § 249 BGB) nicht verstanden. Das Gericht spricht den im Rahmen der Erforderlichkeit zu prüfenden Aufschlag ausgerechnet in dem Fall der Eilbedürftigkeit zu. Braucht jemand aber sofort einen Ersatzwagen, ist tendenziell eher die Frage zu stellen, ob ein eigentlich zu teures Angebot ausnahmsweise doch erstattungsfähig ist (Unfallersatztarif). Die vom BGH aufgestellten Grundsätze zur Erforderlichkeit eines Aufschlages aufgrund unfallbedingter Mehrleistungen hat das Gericht nicht beachtet. So sieht der BGH u.a. in der Notwendigkeit der Vorfinanzierung  des Mietzinses durch den Autovermieter für den Geschädigten einen Aufschlagsgrund. Das hatte der Kläger hier auch vorgetragen.

Das Verfahren ist abgeschlossen, die Beklagte hat entsprechend des Beschlusses bezahlt.

Zitiervorschlag: „Kein Eigenersparnis-Abzug bei klassenkleinerer Anmietung“

„Von diesen Beträgen ist – anders als das Amtsgericht meint – kein pauschaler Abzug iHv 5% der Mietkosten im Wege der Vorteilsausgleichung vorzunehmen, weil der Geschädigte regelmäßig Eigenaufwendungen erspart (zB von so genannten „beweglichen Betriebskosten“ wie Öl-Nachfüllkosten, Reparatur, Wartung und Reifen wie auch den so genannten „ersparten Verschleißkosten“ durch die vorübergehende Nichtbenutzung des eigenen Fahrzeugs (…). Hier liegt jedoch eine Ausnahme wegen Anmietung eines klassentieferen Fahrzeugs vor. (vgl. hierzu OLG Schleswig, Urteil vom 28.11.2019 – 7 U 39/19, … Rz. 26). Mietet der Geschädigte ein einfacheres Fahrzeug, dessen Miete um 10 % geringer ist als die Miete für einen gleichwertigen Pkw, entfällt der Eigenersparnisabzug, da der Abzug der Billigkeit wiedersprechen würde und die Vorteilsausgleichung nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen darf (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2013 – VI ZR 245/11… Rz. 26).“
Landgericht Düsseldorf 22 S 119/22 vom 11.08.2022 (Beschluss)

Zitiervorschlag: „Mietdauer / Wiederbeschaffungsdauer wegen Corona länger“

„Die vom Geschädigten vorgenommene Anmietzeit von 23 Tagen begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. Zwar ist üblicherweise für die Neubeschaffung eines Fahrzeuges in der Regel keine Mietzeit von mehr als zwei Wochen zuzugestehen. Hier war aber zu beachten, dass sich zum einen die Begutachtung etwas verzögerte, zum anderen noch das Pfingstfest mit dem hiermit verbundenen Feiertag während der Anmietzeit und vor allem auch die Corona-Situation die Suche nach einem Ersatzfahrzeug deutlich erschwerte.
Zitiert aus Ersturteil, bestätigt von Landgericht Düsseldorf 22 S 119/22 vom 11.08.2022

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 40-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 40-22

Amtsgericht Pirna 12 C 210/22 vom 22.09.2022

1. Eine Verwendung der Fraunhofer-Liste zur Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten ist aus mehreren Gründen nicht denkbar, wie u.a. Vorbuchungsfrist, Internetlastigkeit, Beauftragung durch Versicherer.
2. Stattdessen ist die Schwacke-Liste Schätzgrundlage als geeignete anzusehen und vorzuziehen.
3. Vorgelegte Internetbeispiele begründen daran keine Zweifel, da diese aus vielerlei Gründen keinen konkreten Sachvortrag darstellen. So sind zum Beispiel keine konkreten Fahrzeuge benannt.
4. Dass die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage nicht jedem ohne weiteres zugänglich ist, ist für deren Anwendbarkeit nicht relevant.
5. Kosten der Reduzierung einer Haftung für den Mieter im Fall der Beschädigung des Mietfahrzeuges sind vom Schädiger unabhängig davon zu erstatten, ob der Geschädigte sein eigenes Fahrzeug ebenso kaskoversichert hatte.
6. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten entfällt bei klassenkleinerer Anmietung.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Pirna wendet allein die Schwacke-Liste zur Schätzung für ein Ersatzfahrzeug erforderlicher Mietwagenkosten an. Mit Blick auf die Fraunhofer-Liste sieht das Gericht erhebliche Bedenken in mehreren Teilbereichen der Erhebungsmethode. Zudem sei diese mit den Kraftfahrtversicherern zusammen ersonnen worden. Die von der Beklagten aufgezeigten Internetbeispiele sind samt und sonders nicht als konkreter Sachvortrag zu werten, nicht nur weil sie aus einer anderen Zeit und von zu weit entfernten Stationen stammen. Zum Grundwert des Normaltarifes nach Schwacke kommt noch die Kostenposition Haftungsreduzierung hinzu, die schadenrechtlich vom Schädiger zu ersetzen ist und nach der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste bemessen wird.

Bedeutung für die Praxis: Das Amtsgericht wendet sich in aller Deutlichkeit gegen die Methode der Fraunhofer-Liste, im Internet lediglich bei internationalen Unternehmen Preisangaben zu recherchieren. Dabei werden ganz konkret die Details der Vorgehensweise hinterfragt, wie die einwöchige Vorbuchungsfrist oder die Unterstellung einer festen Mietdauer. Liegen solche Zweifel vor und ist der Beklagtenvortrag in Bezug auf die Internetscreenshots als unkonkret zu bewerten, bleibt einem Gericht wohl wie hier lediglich die Anwendung der Schwacke-Liste.
Das Gericht begegnet dem Unsinns-Vortrag, dass die Online-Schwacke-Liste nicht anwendbar sei, da diese nicht frei öffentlich verfügbar sei. Das sei eine gedruckte Version auch nicht und bei Fraunhofer – egal ob digital oder gedruckt – auch nicht.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 39-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 39-22

Amtsgericht Augsburg 25 C 957/22 vom 17.06.2022

1. Die Mietwagenkosten oberhalb eines nach § 287 ZPO zu schätzenden Normaltarifes sind zu erstatten.
2. Der Geschädigte hat glaubhaft machen können, sich mithilfe der Streitverkündeten nach günstigen Angeboten umgesehen zu haben. Weder der Reparaturbetrieb, noch überregionale Autovermieter konnten ein Fahrzeug vermieten.
3. Der Geschädigte kann sich der Mithilfe des Autovermieters zur Erkundigung nach alternativen Angeboten bedienen.
4. Entscheidend bleibt, dass sich der Geschädigte mit den Ergebnissen der Preiserkundigung selbst auseinandersetzt hat und die Anmiet-Entscheidung selbst trifft.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Augsburg spricht den geforderten restlichen Schadenersatz wegen einer Ersatzanmietung vollständig zu. Die geforderte Summe lag oberhalb vergleichbarer Fraunhofer-Werte und auch über Fracke-Werten. Doch konnte der Geschädigte nachweisen, dass er sich vor der Ersatzanmietung nach Alternativen erkundigt hatte und solche nicht zu finden waren. Zur Erkundigung erhielt er Unterstützung von seinem Autovermieter, der versucht hatte, mit seinem Wissen um die Marktvorgänge möglichst transparent und neutral mit dem Geschädigten gemeinsam die konkrete Marktsituation herauszufinden und zu dokumentieren.

Bedeutung für die Praxis: Dass die überregionalen Autovermieter nicht immer lieferfähig sind, ist eine Binsenweisheit. Die Häufigkeit der „ausverkauft“-Situationen dürfte sich 2021 und 2022 nochmals verstärkt haben. Für die Macher und Nutzer der Fraunhofer-Liste und allgemein für die Schadenregulierung und Schätzung erforderlicher Kosten im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO spielt das bisher erstaunlicherweise keine Rolle. Für mittelständische Vermietunternehmen bedeutet das, dass sie in solchen Fällen dagegen angehen können, auf einen niedrigen Listen-Vergleichswert zurückzufallen. Wenn es sich beweisen lässt, dass Minimal-Angebote im regionalen Markt zur Anmietzeit nicht vorhanden gewesen sind, kann nicht mit Liste geschätzt werden.
Geschädigte sind dabei weder willens noch in der Lage, die Vorgänge zu durchschauen. Daher kann der Vermieter bei einem transparenten und (damit es auch bei Gericht trägt: neutralen) Vorgang der telefonischen Preiserkundigung dessen Hand führen. In Fällen, in denen ein Gericht üblicherweise eher der Verwendung von Fraunhofer-Werten zugeneigt ist und daher den geforderten Betrag im Vergleich zu Fraunhofer als Unfallersatztarif ansehen würde (obwohl Preis vielleicht im Rahmen Schwacke), lässt sich auf diesem Weg der Listen-Diskussion begegnen.
Wichtig erscheint, dass der Geschädigte den Vorgang verstehen kann und seine Entscheidung zur Anmietung selbst und bewusst trifft.
Im Ergebnis sind quasi als Nebeneffekt die Internetscreenshots des Versicherers, die in nahezu allen Prozessen verbunden mit der Behauptung „die gibt es immer und überall“ (sinngemäß) vorgelegt werden, als Schuss ins Blaue entlarvt. Die waren eben nicht da, diese Fahrzeuge zu diesem Preis am Anmietort. Es waren ggf. keine Fahrzeuge zum konkreten Bedarf oder gar keine Fahrzeuge da.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 38-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 38-22

Amtsgericht Bonn 114 C 230/21 vom 12.04.2022

1. Anders als die Beklagte sieht das Gericht in dem Verweis auf günstigere Angebote durch die Beklagte und auch aufgrund der telefonisch erteilten freundlichen Hinweise an den Geschädigten keinen Verstoß gegen die Schadenminderungs-Obliegenheit, wenn Fahrzeuge zum Marktpreis angemietet wurden.
2. Die Schätzung des Grundpreises marktüblicher Mietwagen erfolgt anhand des Mischmodells aus den Listen „Fracke“.
3. Auf den Grundpreis ist ein Aufschlag in Höhe von 20 Prozent gerechtfertigt für unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters im Rahmen der Erforderlichkeit nach § 249 BGB.
4. Wegen außerdem erforderlicher Zusatzleistungen wie Haftungsreduzierung, Winterreifen u.a. sind die dafür entstandenen Kosten in Höhe der Vergleichswerte nach Schwacke erstattungsfähig.
5. Die Kosten der außergerichtlichen Kosten einer rechtlichen Vertretung sind ebenso erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Bonn weist den Vorwurf der Beklagten zurück, der Geschädigte hätte die von ihr mitgeteilten günstigeren Angebote realisieren können. Eine Verletzung der Schadenminderungspflicht sieht das Gericht nicht, wenn dem Geschädigten kein konkretes Angebot unterbreitet wird. Das Gericht bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung des OLG Köln. Die Höhe des vom Unfallgegner zu erstattenden Betrages wird mittels Fracke, unfallbedingtem Aufschlag und Nebenkosten geschätzt.

Bedeutung für die Praxis: Versicherer suchen weiter den sofortigen telefonischen Kontakt zum Geschädigten, möglichst noch am Unfallort. Solche Telefonate sind aus verschiedenen Gründen problematisch. In den meisten Fällen wird es sich um eine Ausnahmesituation handeln, in der die Angerufenen überfordert sind, auch noch Einwände und Hinweise entgegenzunehmen, die sie rechtlich binden und die Höhe ihres Anspruches beschneiden sollen. Daneben besteht das Problem, dass der Geschädigte später nicht beweisen kann, was gesagt wurde bzw. was nicht gesagt wurde. Gerichte glauben manchmal allzu leicht den Versicherern und ihren selbst erstellten Aufzeichnungen. Hier haben sich schon Ungereimtheiten ergeben, zum Beispiel mit wem man telefoniert haben will. Außerdem kann der Versicherer so schnell gar kein konkretes Angebot abgeben. Er kennt weder den konkreten Mobilitätsbedarf, noch kann er sicher sagen, wann und wo er welches konkret passende Fahrzeug zur Verfügung stellen will. So wird die Höhe nach dem üblichen Strickmuster Fracke plus plus geschätzt.

Zitiervorschlag: „Kein konkretes Angebot“

„Entgegen der Auffassung der Beklagten müssen sich die Geschädigten und damit auch die Klägerin nicht auf einen günstigen Tarif verweisen lassen. Dies wäre unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 BGB nur dann angezeigt, wenn den Betroffenen seitens der Beklagten konkrete Preise, die genaue Verfügbarkeit und die genauen Konditionen in einem ohne weiteres annahmefähigen Angebot ausreichend transparent gemacht worden sind (OLG Köln Beschluss vom 27.3.2017 – 15 U 34/17 -, juris m.w.N.). Ein Angebot dieser konkreten und bestimmten Art behauptet die Beklagte selbst nicht. Soweit sie hierzu Internetangebote jeweils für einen späteren Zeitraum vorlegt, haben diese – da schlicht zeitlich nicht einschlägig – selbstverständlich außer Betracht zu bleiben. Soweit die Beklagte teilweise vorträgt, die Geschädigten seien vor der Anmietung telefonisch über günstigere Möglichkeiten informiert worden, reicht auch dies den vorgenannten Anforderungen nicht aus, da es sich jedenfalls nicht um vollständige, ohne weiteres annahmefähige Vertragsangebote gehandelt hat.“
Amtsgericht Bonn 114 C 230/21 vom 12.04.2022

Zitiervorschlag: „Unfallbedingt erforderlicher Aufschlag“

„Unabhängig von der vorgenannten besonderen Eilbedürftigkeit in der Anmietsituation (so ausdrücklich OLG Köln, Urteil vom 1-6. Juni 2015 – 15 U 220/14 -, Rn. 17, juris) kann die Erforderlichkeit eines Unfallersatztarifs aber auch aus den Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, wenn der Geschädigte zur Vorleistung etwa durch Einsatz einer Kreditkarte nicht verpflichtet ist; das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung  der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.Ä.) allgemein einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich sind (BGH, Urteil vom 05. März 2013 – VI ZR 245/11 -, Rn. 15, juris). Als weiteres derartiges besonderes Merkmal mit Rücksicht auf die Unfallsituation kommt eine reparaturbedingt flexible Laufzeit des Mietvertrags in Betracht (OLG Köln a.a.O.; LG Bonn a.a.O.).“
Amtsgericht Bonn 114 C 230/21 vom 12.04.2022

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 37-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 37-22

Amtsgericht Siegburg 125 C 206/21 vom 02.06.2022

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt kein Verstoß des Geschädigten gegen die Obliegenheit der Minderung des Schadens vor.
2. Telefonisch erteilte Mietwagenhinweise können kein konkretes und annahmefähiges Angebot sein.
3. Die Schätzung der erforderlichen Kosten der Ersatzmobilität erfolgt anhand des Mischmodells aus Schwacke und Fraunhofer.
4. Aufgrund des unklaren Rückgabezeitpunktes ist ein pauschaler Aufschlag in Höhe von 20 Prozent wegen unfallbedingter Mehrleistungen des Vermieters zu erstatten.
5. Die Kosten der üblicherweise nicht in den Grundpreisen enthaltenen Nebenleistungen sind gesondert zu erstatten und können mittels der Schwacke-Nebenkostentabelle geschätzt werden.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Siegburg sieht keinen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht, wenn die/der Geschädigte eine allgemeine telefonische Information der Beklagten ignoriert und über den Reparaturbetrieb bei einem spezialisierten Autovermieter zum Marktpreis anmietet. Das Gericht schätzt mit Fracke zuzüglich Aufschlag und Nebenkosten. Auch die Kosten der außergerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit sind zu erstatten.

Bedeutung für die Praxis: In der Regel beinhalten die „Aufklärungsschreiben“ der Haftpflichtversicherer schon keine konkreten Angebote für einen Ersatzwagen. Denn ein allgemeines „wir können jedes Auto liefern und alles ist inklusive“ ist kein konkretes Angebot. Der Geschädigte kann anhand der vorliegenden Informationen keinen Preisvergleich mit anderen Angeboten anstellen und auch nicht erkennen, wann ihm welches (vergleichbare) Fahrzeug wo für welchen Preis zur Verfügung gestellt werden soll. Das Amtsgericht Siegburg betrachtet den Fall der telefonischen Übermittlung der Vorgaben des Versicherers. Diese seien per se ungeeignet, ihn an ein Ersatzwagenangebot bzw. einen Preis zu binden.
Völlig unglaubwürdig erscheint die Behauptung der Beklagten, sie habe den Geschädigten telefonisch auf den Normaltarif hingewiesen. Hier zeigt sich, wie verschoben die Auffassungen sind und wie weit die schadenrechtlichen Überzeugungen auseinanderliegen. Spricht der Versicherer vom Normaltarif, handelt es sich doch tatsächlich um den Direktvermittlungstarif, den er mit einem oder mehreren Kooperationspartnern für solche Fälle als Großkunde vereinbart hat. Der Normaltarif ist dagegen nach Lesart der BGH-Rechtsprechung der Tarif, den ein Selbstzahler mit oder ohne Vorreservierung angeboten bekommt.

Zitiervorschlag: „Kein konkretes Angebot“
„Im Schadensfall 6 vermag der Beklagte nicht mit dem Einwand durchdringen, er habe den Geschädigten vorab über günstigere Anmietungsmöglichkeiten informiert.
Gegen die gegen die Ersatzfähigkeit eines Unfallersatztarifs kann zwar sprechen, dass der Haftpflichtversicherer des Schädigers den Geschädigten auf die Anmietung zum Normaltarif oder zum Unfallersatztarif hingewiesen hat (BGH, NJW 2016, 2402 Rn. 9, beck-online). An einen entsprechenden Hinweis seitens des Versicherers sind jedoch gewisse Anforderungen zu stellen, dessen Erfüllung der Beklagte nach den Regeln der Darlegungs- und Beweislast nachzuweisen hat. Erst durch das vorlegen eines konkreten Preises für das Mietverhältnis durch den Versicherer können diese Anforderungen als erfüllt betrachtet werden. Dass ein den Anforderungen genügendes Angebot seitens des Versicherers erfolgte, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Vortrag des Beklagten über das Telefongespräch vom 09.12.2020 lässt bereits jegliche Details über ein konkret vorgelegtes Angebot missen. Nur auf telefonisch unterbreitete, und damit für den Geschädigten nicht dokumentierte und beweisbare, Vermittlungsangebote muss sich der Geschädigte nicht einlassen. Derartige „Angebote“ sind nicht beweisbar, erst recht wenn auf diesem Weg Selbstbeteiligungen geregelt werden sollen, auch fehlen naturgemäß Detailangeben zur den Zusatzkosten und Zusatzleistungen..“
(Amtsgericht Siegburg 125 C 206/21 02.06.2022)

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 36-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 36-22

Landgericht Köln 11 S 553/21 vom 02.08.2022 (Datum mündliche Verhandlung) 
(Vorinstanz Amtsgericht Köln 263 C 109/20 vom 09.03.2021)

1. Die wegen Lieferverzögerung eines Ersatzteils weit über die zunächst veranschlagte Mietdauer hinausgehende Gesamtmietdauer ist nicht zu beanstanden.
2. Die Frage der Höhe erforderlicher Mietwagenkosten ist nicht zu vermengen mit Fragen der Obliegenheit für den Geschädigten zur Geringhaltung des Schadens.
3. Zur Bestimmung der Höhe erforderlicher Mietwagenkosten wird das Mischmodell Fracke angewendet.
4. Es ist in beiden Listen auf die statistische Größe arithmetisches Mittel abzustellen. 
5. Vom Grundwert nach dem Mischmodell ist bei klassengleicher Anmietung ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von 10 Prozent vorzunehmen.
6. Kosten erforderlicher und vom Vermieter erbrachter Nebenleistungen sind zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht in Köln sieht die Miete über die gesamte – wegen fehlender Teile verlängerte – Reparaturdauer als gerechtfertigt an. Das Erstgericht hatte mit einer extrem strengen Interpretation des Reparaturablaufes befunden, dass der Werkstatt ein Verschulden an der Verlängerung der Fahrzeugmiete zuzuweisen sei und daher den erstattungsfähigen Mietzeitraum für den Ersatzwagen erheblich gekürzt. Dem Geschädigten wurde auf dieser Basis wegen Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht ein weiterer Schadenersatzanspruch versagt. Das korrigierte das Berufungsgericht. Das Landgericht Köln schließt sich sodann der Mietwagenrechtsprechung des Amtsgerichtes Köln an und ändert seine Rechtsprechung zur Anwendung der Mietwagenlisten auf das Mischmodell. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind vom Schädiger zu erstatten.

Bedeutung für die Praxis: Zunächst ist der erste Teil des Urteils relevant, in dem die Kammer dem Erstgericht bescheinigt, die Rechte des Geschädigten auf eine sehr kleinliche Weise beschnitten zu haben. Weil nach Ansicht des Erstrichters davon auszugehen sei, dass eine frühere Nachfrage nach einem alternativen, eigentlich unpassenden Ersatzteil ganz sicher einen sofortigen Reparaturbeginn ermöglicht hätte, sei in der Werkstatt falsch vorgegangen worden, so das Amtsgericht. Der Geschädigte habe daher gegen die Schadenminderungspflicht verstoßen und müsse auf Teilen der Mietwagenkosten sitzenbleiben. Das Ergebnis der Berufung dagegen lautet, dass die Mietdauer nicht zu kürzen sei, da die Werkstatt stetig und wiederkehrend beim Lieferanten nach dem Ersatzteil gefragt hatte und jedes Mal die Auskunft erhielt, dass mit der Lieferung täglich gerechnet werden könne. In dieser Situation sei der Werkstatt kein Vorwurf zu machen, so lautet die Begründung der im Ergebnis erfreulichen Korrektur des Urteils der ersten Instanz.
Sofern dazu vorgetragen wurde, wäre ein 
eventueller Fehler der Reparaturwerkstatt für die Mietdauer und die Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten jedoch unerheblich gewesen. Fehler der Werkstatt sind das Risiko des Schädigers und nicht des Geschädigten. Kommt es nach Ansicht des Schädigers und des Erstgerichtes zu Reparaturverzögerungen, heißt das ja nicht, dass der Geschädigte hätte etwas daran ändern können. Zwar wird ihm bei erheblichen Verzögerungen grundsätzlich eine Nachfrage zuzumuten sein, doch kann das nicht so weit gehen, der Werkstatt im Detail von Kundenseite Vorgaben zu machen, wie oft und wie intensiv nachzufragen und nach Alternativen zu suchen ist. Es ist das Risiko des Schädigers, wenn der Geschädigte eine Werkstatt beauftragt, deren möglicherweise zu beanstandenden Reparaturabläufe nicht optimal sind (auch wenn für eine solche Beanstandung hier bei dem konkreten Vorgehen der Werkstatt kein Raum ist, so sinngemäß das Berufungsgericht).
Das Landgericht Köln 
hätte das Vorbringen des Schädigers gegen die Länge der Mietdauer also damit beantworten können, dass der Geschädigte keinen ausreichenden Einblick in die und auf die Reparaturabläufe hat und daher die Mietdauer von ihm nicht zu beeinflussen ist. Insoweit hätte die Beklagte eine Abtretung von eventuellen Schadenersatzansprüchen des Geschädigten gegenüber der Werkstatt an sich verlangen und sodann versuchen können, in einem separaten Schadenersatzverfahren zu beweisen, dass die Werkstatt fehlerhaft agierte und sie den entstandenen Schaden der längeren Miete zu ersetzen habe. 
Im zweiten Teil des Urteils wird die Höhe des Schadenersatzanspruchs nach § 287 ZPO geschätzt. Die Kammer begründet nicht, warum sie von nun an das Mischmodell und nicht wie bisher die Werte der Schwacke-Liste anwendet. Diese fehlende Begründung erstaunt sehr. Denn jahrelang wies sie die Angriffe der Versicherer als unkonkret zurück und zählte die Zweifel an den Werten der Fraunhofer-Liste und die Vorteile der Schwacke-Liste auf. Die Entscheidung enthält kein einziges Argument, mit dem dieser Wandel nachvollziehbar wird, bis auf die Vereinheitlichung der Rechtsprechung. Damit macht es sich das Gericht sehr leicht und vermeidet, dass die Begründung für diese Änderung der Auffassung im Licht der früheren Urteilsbegründungen erheblich kritisiert werden könnte. Es ließe sich bereits bei der Frage „Modus oder arithmetisches Mittel“ einhaken, die die Kammer in der Vergangenheit intensiv diskutierte, wovon sie nun nichts mehr zu wissen scheint.  

 

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 35-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 35-22

Amtsgericht Trier 6 C 355/21 vom 10.08.2022

1. Zur Bemessung der Höhe des Schadenersatzanspruches wegen Ersatzwagenanmietung ist der Normaltarif des regionalen Mietwagenmarktes mittels Schwacke-Liste Automietpreisspiegel zu bestimmen.
2. Die Beklagte, die auf die alleinige Anwendbarkeit der Werte der Fraunhofer-Liste verweist, hat nicht bewiesen, dass der Geschädigte zum angegebenen Preis einen Ersatzwagen hätte anmieten können.
3. Grundsätze des Schadenrechts wären auf den Kopf gestellt, wenn in Bezug auf Vortrags- und Beweislast-Regeln dem Geschädigten im Rahmen der Schadenminderungspflicht mehr Pflichten auferlegt würden, als dem Schädiger.
4. Die vom Beklagten behaupteten Alternativangebote sind unpassend, vage und werden daher als unkonkreter Sachvortrag zurückgewiesen, da sie nicht den Substituierungsanforderungen zur Erschütterung einer Schätzgrundlage genügen.
5. Der insgesamt unkonkrete Sachvortrag der Beklagten verpflichtet das Gericht nicht dazu, zur Frage der Angemessenheit der geforderten Mietwagenkosten ein Sachverständigengutachten einzuholen.
6. Bei Anmietung binnen einer Woche nach dem Unfallereignis ist ein unfallbedingter Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 20 Prozent angemessen.
7. Weitere Nebenkosten der Anmietung für Haftungsreduzierung, Navigations-Funktion, Winterreifen und Zustellen/Abholen des Fahrzeuges sind erforderlich anzusehen und daher erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Trier spricht der aus abgetretenem Recht klagenden Autovermietung die weiteren geforderten Mietwagenkosten nach Unfall vollständig zu. Zur Schätzung des Normaltarifes werden die Schwacke-Mittelwerte angewendet, zuzüglich eines Pauschalaufschlages von 20 Prozent für unfallbedingte Mehrleistungen. Auch die Nebenkosten seien vom Schädiger schadenersatzrechtlich zu erstatten. Insgesamt bescheinigt das Gericht der Beklagten, dass ihr Vortrag mittels Internetscreenshots unzureichend ist. Sie müsse ihre Behauptung belegen, dass der Geschädigte in seiner konkreten Situation den behaupteten Preis konkret hätte erlangen können.

Bedeutung für die Praxis: Das Amtsgericht Trier orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung der Berufungsgerichtes. Im Ergebnis gilt Schwacke + 20 + Nebenkosten. Der übliche Vortrag der Versicherer wird ganz korrekt zu verstanden, dass der Versicherer beweisen muss, dass der von ihm behauptete Normalpreis für eine vergleichbare Leistung zum Anmietzeitpunkt im regionalen Markt des Anmietorts gegolten hat. Irgendwelche nicht vergleichbaren Internetscreenshots können die Anwendung der Schätzgrundlage Schwacke daher nicht infrage stellen. Behauptet der Versicherer zudem, der Geschädigte habe mit der Art der Schadenbehebung gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verstoßen, müsse er das auch konkret beweisen. Ein Gutachten, verlang vom Gericht, wäre als ein Ausforschungsbeweis zu bewerten, wenn die Beklagte – wie hier – zu etwaigen Mängeln der Schätzgrundlage lediglich unkonkret vorgetragen hat.
Den unfallbedingten Aufschlag spricht das Gericht zu, wenn der Geschädigte innerhalb einer Woche einen Ersatzwagen anmietet. Das wird damit begründet, dass der Vermieter zusätzliche Risiken zu tragen hat, zum Beispiel weil Verursachungsanteile am Unfallereignis und damit Haftungsfragen noch fraglich sein könnten oder weil Anbieter Mehrkosten zu tragen haben, um flexibel und schnell auf den Ersatzbedarf zu reagieren.

 

Sachverständigen-Gutachten mit Mietwagenpreis DAT

Seit Jahren gibt es eine dritte Mietpreisliste zur Schadenschätzung nach § 287 ZPO. Die DAT (Deutsche Automobil Treuhand) erhebt jährlich Mietwagenpreise und stellt sie Abonnenten und Verwendern von DAT-Produkten zur Recherche zur Verfügung. Man erhält je nach Mietwagenklasse für einen Umkreis rund um einen anzugebenden Ort die relevanten Ergebnisse auch für einen zurückliegenden Zeitpunkt inkl. Mittelwert, Maximum … (inkl. der Angabe von Nebenkosten für Haftungsreduzierung usw.).

Sachverständige, die mit DAT-Systemen arbeiten, um ihre Schadengutachten zu erstellen, können hierüber im Gutachten nicht nur die Mietwagenklasse des Geschädigten-Fahrzeuges ausweisen, sondern abgestimmt auf die prognostizierte Ausfalldauer und den Ort des Mobilitätsbedarfs auch den aktuellen Mietwagenpreis bestimmen und dem Geschädigten im Gutachten zur Verfügung stellen.

Im Ergebnis wird sich einerseits der Vermieter / die vermietende Werkstatt damit auseinandersetzen und den Preis wohl mehr oder weniger mitgehen und andererseits der Versicherer und ggf. später das Gericht mit diesen Werten befassen müssen.

Das Amtsgericht Bad Liebenwerda hat das mit Urteil vom 01.07.2022 (Az. 12 C 29/22) getan und die vom Versicherer zurückgehaltenen Restbeträge für erstattungsfähig erklärt.

Das Urteil ist der BAV-Urteilsdatenbank zu entnehmen. 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 34-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 34-22

Amtsgericht Weißenfels 1 C 92/22 vom 12.07.2022

1. Die Einwendungen der Beklagten zur Frage der Aktivlegitimation des Klägers werden zurückgewiesen, da die Abtretung der Schadenersatzforderung wirksam vereinbart wurde.
2. Die Beklagte wird zur Erstattung von Mietwagenkosten auf der Basis der Schwacke-Liste verurteilt.
3. Einzelne günstigere Angebote können die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste nicht erschüttern, die einen allgemeinen Überblick vermittelt und den regionalen Markt repräsentiert.
4. Der Geschädigte kann nicht auf den Sondermarkt Internet verwiesen werden.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Weißenfels (Landgerichtsbezirk Halle/Saale) wendet zur Prüfung der Angemessenheit der Schadenersatzforderung bezüglich Mietwagenkosten die Schwacke-Liste an. Die allgemeinen Angriffe der Beklagten auf die Schwacke-Liste weist das Gericht als unkonkret und die aufgezeigten Internetbeispiele als nicht vergleichbar zurück. Die Aktivlegitimation des Klägers wird auch vor dem Hintergrund der BGH-Rechtsprechung zur Abtretungsfrage (Transparenzgebot von AGB) bestätigt.

Bedeutung für die Praxis: Zunächst zur Grundlage vieler Klagen, die Aktivlegitimation aus abgetretenem Recht. Die Texte der Formulare sind immer wieder im Streit. Die Abtretung muss wirksam vereinbart sein und sie darf nicht gegen geltendes Recht verstoßen, wie das Rechtsdienstleistungs-Gesetz und das BGB. Bei letzterem geht es um §§ 305 und 307, Vorschriften rund um die Frage, ob der unterzeichnende Verbraucher als Geschädigter eine für ihn zumutbare Formulierung vorgelegt bekommen hat, die er verstehen konnte. Der Bundesgerichtshof hatte zuletzt in zwei Entscheidungen zur Abtretung von Sachverständigenkosten rechtliche Verstöße gesehen, die Haftpflichtversicherer seitdem auf die Abtretungen der Autovermieter übertragen wollen. Das Amtsgericht Weißenfels hat einen Verstoß gegen das Transparenzgebot verneint und seine Auffassung konkret begründet: Unklarheiten bezüglich einer Rückabtretungsregelung sind nicht erkennbar und eine Weiterabtretung, wie sie der BGH bemängelte, ist im hier entschiedenen Fall nicht vorgesehen.
Die Frage der Erschütterung der Schätzgrundlage wird ausführlich behandelt. Die Internetangebote, die der Versicherer dazu vorgelegt hatte, bieten für das Gericht keinen Anlass, an der Anwendbarkeit der Werte zu zweifeln. Ein gewichtiger Punkt ist die Bewertung der Internetangebote als Sondermarkt und lediglich als „invitatio ad offerendum“, die Bitte an den Mieter, seinerseits ein Angebot abzugeben. Hinzu kommt, dass den Beispielen nicht zu entnehmen war, mit welcher Vorbuchungsfrist sie erstellt wurden und die Frage unbeantwortet ist, ob solche Angebote zum Anmietzeitpunkt überhaupt zur Verfügung standen. Zudem ist der Mietzeitraum jeweils konkret begrenzt und eine solche feste Anmietzeit nicht mit den Bedürfnissen des Geschädigten in Einklang zu bringen.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 33-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 33-22

Amtsgericht Wolfenbüttel 17 C 269/21 vom 29.07.2022

1. Die Daten der Schwacke-Liste sind allgemein verfügbar, auch wenn hierfür durch die Beklagte ein Kaufpreis zu zahlen ist.
2. Der zu erstattende Schadenersatz bzgl. Mietwagenkosten bemisst sich im Grundpreis anhand des Mischmodells der Listen von Schwacke und Fraunhofer.
3. Vom Grundpreis ist ein Abzug für ersparte Eigenaufwendung in Höhe von 10 Prozent gerechtfertigt.
4. Kosten erforderlicherer und angefallener Nebenleistungen für einer erweiterte Haftungsreduzierung und Zustellen des Mietfahrzeuges sind vom Unfallgegner zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht schätzt erforderliche Mietwagenkosten anhand des Mittelwert-Modells abzüglich 10 Prozent Eigenersparnis. Auch die Kosten der angefallenen Nebenleistungen hält das Gericht für schadenbedingt und angemessen. Auf einige besondere Einlassungen der Beklagten findet das Gericht eine deutliche Antwort.

Bedeutung für die Praxis: Zunächst ist festzuhalten, dass sich das Amtsgericht an der Fracke-Rechtsprechung des Landgerichts Braunschweig orientiert und den Abzug für ersparte Eigenkosten sinnvoller Weise nur vom Grundbetrag vornimmt und zum Beispiel nicht von den Kosten für die Zustellung und Abholung des Mietwagens zum/vom Anmietort.
Eine Herabstufung der zur Vergleichsrechnung herangezogenen Mietwagenklasse wegen des schon älteren Geschädigtenfahrzeugs lehnt das Gericht ab. Geschädigten könnten keine älteren Fahrzeuge vergleichbar mit ihren eigenen anmieten und wenn, ergäbe sich eher nur ein marginaler Unterschied.
Die Beklagte behauptete, dass eine Anwendung des Mischmodells nicht stattfinden könne, weil die Werte der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel nicht öffentlich verfügbar seien. Das wies das Gericht zurück. Zwar müsse man dafür bezahlen, doch sei das auch bei den anderen Listen so und auch nicht zu beanstanden.
Versicherer haben wohl zunehmend selbst Schwierigkeiten, ihnen gefallende Screenshots zu den ihnen vorschwebenden Minimal-Rumpf-Preisen im Internet zu finden. So hat das Preisniveau aus dem Beklagtenvortrag nicht etwa ergeben, dass die Fraunhofer-Werte richtig sein könnten. Das Gericht sah durch den Vortrag der Beklagten eher das Mischmodell als bestätigt an, obwohl es sich doch um ein Internet-Angebot eines der von Fraunhofer befragten Unternehmens handelte. Die von der Beklagten als Beleg für ihre Behauptungen in das Verfahren eingebrachten Screenshots zeigten ebenso – anders als es die Beklagte vorhatte – dass die Höhe der Beträge für Nebenkosten auch im Vergleich zu Internetangeboten als angemessen anzusehen sind (Haftungsreduzierung). Die Strategie mittels aktueller Screenshots geht daher inzwischen wohl weitestgehend nach hinten los und es macht den Versicherer-Kanzleien Schwierigkeiten, ihre Behauptungen mit (vermeintlichen) Argumenten zu unterfüttern.
Kritisch ist anzumerken, dass das Gericht in Bezug auf die berücksichtigten Beträge uneinheitlich vorgegangen ist. Die Grundbeträge wurden den Listen entnommen, doch wenn ein Teilbetrag der Mietwagenrechnung unterhalb der Liste lag, wurde der berücksichtigt. Sinnvoll wäre eine einheitliche Vorgehensweise, in allen Teilpositionen mittels Liste zu schätzen und erst am Ende den Schätzwert mit der Gesamtforderung aus der Mietwagenrechnung zu vergleichen, dann wenn Liste niedriger nur den Listenbetrag, wenn Rechnung niedriger, nur den Rechnungsbetrag.

 

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 32-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 32-22

Amtsgericht Neuwied 42 C 48/22 vom 04.08.2022

1. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten nach Unfall kann anhand der Schwacke-Liste vorgenommen werden.
2. Die Frage, welche der drei Methoden zur Ermittlung der Höhe der gerechtfertigten Mietwagenkosten geeignet ist, bedarf nur dann der Klärung, wenn die Beklagte konkreten auf den Fall bezogenen Sachvortrag hält, in diesem Fall daher nicht.
3. Solche konkreten Vergleichsangebote anderer Anbieter zur Verdeutlichung eines unverhältnismäßig hohen Preises der Anmietung hat die Beklagte nach Auffassung des Gerichtes nicht aufgezeigt.
4. Kosten für Nebenleistungen (Haftungsreduzierung, Winterreifen, Navigation, Zusatzfahrer und Zustellen + Abholen) sind Teil der berechtigten schadenrechtlichen Forderungen.
5. Bei Anmietung mehrere Wochen nach dem Unfall erscheint der Aufschlag wegen unfallbedingter Mehrleistungen nicht berechtigt.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht spricht weitere Mietwagenkosten auf Basis der Schwacke-Liste zu. Auch die Kosten der in Anspruch genommenen und erforderlichen Nebenleistungen sind vom Schädiger zu erstatten. Einen unfallbedingten Aufschlag spricht das Gericht im Rahmen der Erforderlichkeit nicht zu. 

Bedeutung für die Praxis: Das Amtsgericht Neuwied bestätigt die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste, auch wenn das OLG Koblenz es den Versicherern weiterhin viel zu einfach macht: Wenn vom Versicherer irgendwelche Mietwagen-Screenshots egal von wann und egal mit welchem Inhalt vorgelegt werden, sei die Schätzgrundlage erschüttert, so das OLG in der Vergangenheit. Das Landgericht und das Amtsgericht Neuwied schauen sich das genauer an. Der Kläger hatte mithilfe eines regionalen BAV-Gutachtens zu Fraunhofer aufgezeigt, dass die Screenshots der Versicherer nur ausgesuchte Beispiele sind, deren Anbieter auch viel höhere Preise weit über Fraunhofer abrechnen. Weiterhin hatte der Kläger sehr konkret formuliert, was an den Internetscreenshots auszusetzen ist, um als konkreter Sachvortrag bewertet zu werden.
Weiterhin kritisch zu hinterfragen ist es, warum einige wenige Internetbeispiele überhaupt geeignet sein sollen, die Anwendung einer Schätzgrundlage infrage zu stellen. Die Schätzgrundlage weist Mittelwerte aus, die aus niedrigen und hohen Werten gebildet werden. Zeigt nun der Schädiger Angebote zu niedrigen Preisen, ist daraus nichts den Rechtsstreit betreffendes ableitbar, außer er hat sie dem Geschädigten vor Anmietung vorgehalten (§ 254 BGB).

Zitiervorschlag: „Kein konkreter Sachvortrag“
„Daraus folgt, dass der Geschädigte dem ihm obliegenden Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich dann genügt, wenn er sich bei Anmietung des jeweiligen Ersatzfahrzeuges an einer dieser Listen orientiert. Die jeweilige Eignung der Listen bzw. Tabellen braucht nur dann näher geklärt zu werden, wenn von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Die Tatsachen müssen sich hierbei auf die Mietwagenpreise im konkreten Fall und gerade nicht auf die abstrakt generelle Eignung der Schätzgrundlage auswirken. (…) Die Klägerin hat zu den von der Beklagten vorgelegten Angeboten eingewendet, dass sich aus ihnen gerade nicht die konkrete Mietwagenklasse ergibt und die darin ausgewiesenen Preise daher nicht die erforderlichen Kosten darstellen können. Zu Recht verweist die Klägerin insoweit darauf, dass sich nähere Informationen zur Mietwagenklasse den vorgelegten Angeboten nicht entnehmen lassen. Unter dem Bild eines beispielhaft dargestellten Mietfahrzeuges ohne Typ und Modellbezeichnung und der Überschrift „Kombis Schaltung“ ist lediglich der Mietzeitraum und ein Gesamtpreis ausgewiesen. Auch die von diesem Preis umfassten Leistungen lassen sich der vorgelegten Anzeige ebenfalls nicht entnehmen. Die Beklagte ist diesem zutreffenden Vorbringen der Klägerin nicht entgegengetreten und hat ihren auf die abgedruckten Anzeigen gestützten Vortrag nicht durch Vorlage aussagekräftiger Angebote weiter konkretisiert.“
(Amtsgericht Neuwied 42 C 48/22 vom 04.08.2022)

 

R+V-Schreiben Mietwagenkosten Regulierung 2022

Ein Schreiben der R+V liegt in den ersten Briefkästen der Autovermieter. Die R+V hat ihre jährliche Bekanntmachung der nach ihrer Auffassung – unter Missachtung der Rechtsprechung – angenehmen Marktpreise versendet.

Bisher war mein Kommentar jeweils: Ab in die „Rundablage“. Doch Überraschung … dieses Mal lohnt ein genauer Blick: Die dort als erstattungsfähig bezeichneten Preise sind teilweise 100 Prozent über Fraunhofer-Werten (aktuelle Ausgabe 2021) und hier und da über Schwacke-Werten.

Was ist da passiert?
Es gibt zwei mögliche Erklärungen.
–    Die R+V-Gruppe ist der häufigen Klagen der Autovermieter überdrüssig und will in Zukunft die Kosten reduzieren, die durch verlorene Prozesse auflaufen, ggf. unter dem Eindruck der jüngsten Verfahren am OLG Frankfurt (BAV-Info an seine Mitglieder). Denn immerhin hat sie als der Versicherer, der nach subjektiver Einschätzung am meisten herunterkürzte und am wenigsten kompromissbereit war, höchstwahrscheinlich auch die höchsten Kosten für Anwälte und Gerichte zu tragen. Wer in Deckung verharrend die Kürzungen hingenommen hat, muss sich dann bei den Autovermietern bedanken, die sich gegen die R+V, Kravag, … massiv gewehrt haben.
Oder aber…
–    Die R+V denkt etwas naiver als andere Versicherer, dass ihr jährlich in die Welt gesetztes Schema „Informationsschreiben zur Regulierung von Mietwagenkosten“ trotz anderslautender Meinung der Gerichte so beispielgebend und korrekt ist, dass man das auch andersherum anwenden müsse: Wenn die Preise anziehen, gehen wir hoch, auch wenn sich alle anderen Haftpflichtversicherer hinter den (aktuell nicht mehr verwendbaren) Werten der Fraunhofer-Liste 2021 verstecken und derzeit damit vordergründig besser fahren als nun die R+V. Denn immerhin ist Fracke auf Basis 2021 niedriger als das, was die R+V nun zahlen will (Einschränkung: Es gibt keine hundertprozentige Vergleichbarkeit, weil die R+V mit ihren Beträgen die Nebenkosten inkludiert sieht, schadenrechtlicher Unsinn hoch 3, der zu weniger Nebenleistungen für Geschädigte führt, obwohl diese ein Anrecht darauf haben und die Kosten zu erstatten sind).

Was bedeutet das für Sie?
–    Wer sich an das Tableau hält, wird sich nach aktuellen Anmietungen/Abrechnungen nicht mehr mit der R+V streiten müssen und auch bei Vorliegen einiger Nebenkosten einigermaßen hinkommen. Für ältere Mieten aus 2022 könnte das ebenso gelten, das bleibt abzuwarten. Für Abrechnungen aus 2021 und zuvor dürfte weiterhin nur der Rechtsweg zu einer akzeptablen Abrechnung führen. Was in 2023 folgt, wird man sehen, ggf. geht es dann wieder in die andere Richtung, das wird aus dem Schreiben schon deutlich.
–    Grundsätzlich: Die derzeit trotz erheblicher Preissteigerungen (wenn auch nicht wie zu hören ist von 50 Prozent, eher 30+) fortschreitende Erosion der nach Ersatzmieten für erstattungsfähig erklärten Abrechnungspreise auf Basis der Fraunhofer-Werte 2021 ist ein Anschlag auf die Existenz mittelständischer Autovermieter. Wenn dann in 2022 die Preise stark gestiegen sind (Statistisches Bundesamt: + 50 Prozent, Auffassung hier eher ca. über 30 Prozent), muss der Fracke-Wert um einen Branchen-Inflations-Zuschlag von 30-50 Prozent) erhöht werden. Die R+V hat das erkannt und will wohl in 2023 nicht reihenweise zu weiterem Schadenersatz verurteilt werden.

Oder aber Gerichte schauen wieder verstärkt in die Schwacke-Liste. Sie würden dort feststellen, dass die Werte der Realität entsprechen, auch wenn man auslastungsabhängige VorkaufskasseKautionWennverfügbarInternet-Preise mit Schwacke vergleicht, was eigentlich Äpfel und Birnen sind.

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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 30-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 30-22

Amtsgericht Bergisch-Gladbach 63 C 382/21 vom 07.07.2022

1. Weder das Schreiben der Beklagten noch das behauptete telefonische Vermittlungsangebot sind für die Frage relevant, ob der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verstoßen hat.
2. Die Höhe der zu erstattenden Mietwagenkosten ist daher nach § 249 BGB zu schätzen, wobei das Gericht den Mittelwert aus Schwacke und Fraunhofer dazu heranzieht.
3. Bei klassenkleinerer Anmietung entfällt der Abzug für ersparte Eigenkosten.
4. Ein Aufschlag wegen unfallbedingt veranlasster Mehrleistungen des Vermieters wird nicht zugesprochen, da die angeführte Nichtverfügbarkeit einer Kreditkarte zur Stellung einer Zahlungssicherheit vom Tatrichter nicht akzeptiert wird.
5. Kosten erbrachter und erforderlicher Nebenleistungen sind vom Haftpflichtversicherer zu erstatten.
6. Außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren sind ebenso erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Bergisch-Gladbach spricht weiteren Schadenersatz wegen angefallener Mietwagenkosten zu. Die Auffassung der Beklagten, der Geschädigte hätte ein zu beachtendes Direktvermittlungsangebot erhalten und gegen die Schadenminderungspflicht verstoßen, wird zurückgewiesen. Weder waren die Informationen im Anschreiben des Gegnerversicherers konkret genug noch muss sich der Geschädigte nach telefonisch erteilten Hinweisen richten. Die Schätzung der Höhe der Mietwagenkosten erfolgt anhand Mischmodell, ohne Aufschlag und zuzüglich Nebenkosten.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht weist den Vorwurf der Verletzung der Schadenminderungspflicht zurück. Ein Direktvermittlungsangebot, das den Geschädigten an den dort genannten Preis binden soll, muss konkret und nachprüfbar sein. Telefonische „Hinweise“ kommen dafür keinesfalls in Betracht. Bei einem schriftlichen „Angebot“ muss der Geschädigte klar erkennen können, dass das Angebot seinem Bedarf entspricht, wie hoch der Preis ist und wie er das Angebot realisieren kann. Da Versicherer ihre Angebote, soweit bekannt, immer ins Blaue hinein abgeben, dürfte sich die Rechtsprechung schwer tun, einen Verstoß gegen § 254 BGB festzustellen. Bereits anders entschiedene Fälle sind diesbezüglich kritisch zu hinterfragen.
Den Aufschlag auf den Grundpreis spricht das Gericht nicht zu. Obwohl der Geschädigte nicht von sich aus zu seinen Möglichkeiten der Vorfinanzierung vortragen muss und die Kläger dargelegt haben, dass keine Kreditkarte verfügbar gewesen ist, sieht das Gericht das überraschend nicht als ausreichenden Vortrag für die Notwendigkeit der Vorfinanzierung durch den Vermieter an.

Zitiervorschlag: „Direktvermittlung: kein konkretes Angebot“

„Eine Kürzung der Ansprüche der Geschädigten gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 BGB aufgrund der von der Beklagten behaupteten Angebote bzw. Vermittlungsangebote eines günstigeren Mietwagens kommt nicht in Betracht. Zwar kann das Angebot des Haftpflichtversicherers des Schädigers an den Geschädigten, ihm ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung zu stellen oder zu vermitteln, beachtlich sein (BGH, NJW 2016, 2402). Steht fest, dass dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstigerer Tarif „ohne Weiteres“ zugänglich gewesen wäre, ist der vom Geschädigten gewählte Tarif wegen Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht erstattungsfähig. Zu erstatten sind dann nur die Kosten, die dem Geschädigten bei Inanspruchnahme des günstigeren Tarifs entstanden wären (BGH, Urteil vom 12. Februar 2019, VI ZR 141/18).
Die hier behaupteten Arten des Hinweises auf günstigere Anmietmöglichkeiten genügen diesen Voraussetzungen indes nicht.
Das von der Beklagten verwendete Schreiben (Anlage 84, BI. 130 GA) enthielt keinen konkreten Preis der Ersatzanmietung und lässt einen Bezug auf das im vorliegenden Fall geschädigte Fahrzeug, einen Pkw Porsche Boxster S, nicht erkennen. Der Geschädigte konnte auch bei einem Zugang des Schreibens nicht konkret erkennen, welchen Preis er bei Vermittlung durch die Beklagte zu zahlen hat. Stattdessen war er gehalten, anhand von Vergleichsfahrzeugen und der Motorisierung einen Preis herauszufinden. Schon die erforderlichen Recherchearbeiten und die mangelnde Vergleichbarkeit mit anderen Tabellen führen dazu, dass es sich nicht um ein ohne Weiteres zugängliches Vermittlungsangebot handelt. Es handelt sich nur um eine erste Preisinformation. Dies reicht in dieser Form nicht aus (LG Bonn, Urteil vom 25.05.2021, 5 S 89/20).
Dies gilt auch für das – bestrittene – telefonisch unterbreitete Angebot an den Geschädigten XXX. Denn auf telefonisch unterbreitete, und damit für den Geschädigten nicht dokumentierte und beweisbare, Vermittlungsangebote muss sich der Geschädigte nicht einlassen. Derartige „Angebote“ sind nicht beweisbar, erst recht wenn auf diesem Weg Selbstbeteiligungen geregelt werden sollen (LG Bonn, Urteil vom 25.05.2021, 5 S 89/20).
Demnach musste sich der Geschädigte nicht auf die Vermittlungsangebote einlassen, sondern es sind grundsätzlich die nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln zu errechnenden Beträge zu erstatten.“
(Amtsgericht Bergisch-Gladbach 63 C 382/21 vom 07.07.2022)

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 29-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 29-22

Landgericht Schwerin 6 S 18/22 vom 07.07.2022
(Vorinstanz Amtsgericht Ludwigslust 44 C 19/18 vom 24.06.2020)

1. Geschädigte sind grundsätzlich nicht zu einer Recherche nach günstigen Internetangeboten verpflichtet.
2. Die Anwendung der Schwacke-Liste zur Schätzung der erforderlichen Kosten des Mietwagen-Normaltarifes durch das Erstgericht ist nicht zu beanstanden.
3. Auf den Grundwert des Normaltarifes ist ein Aufschlag in Höhe von 25 Prozent wegen unfallbedingter Mehrleistungen des Vermieter gerechtfertigt.
4. Bei klassenkleinerer Anmietung entfällt ein Abzug für ersparte Eigenkosten.
5. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der im Rahmen der Schätzung zu verwendenden Mietwagenklasse ist das vermietete und nicht des beschädigte Fahrzeug.

Zusammenfassung: Das Landgericht Schwerin hat die Anwendung der Schwacke-Liste zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten in einer Berufungssache nicht beanstandet. Eine generelle Erkundigungspflicht – wie sie die Beklagte in Bezug auf Mietwagen-Internetportale behauptet hat – hat das Landgericht zurückgewiesen. Sofern unfallbegingt Sonderleistungen wie Haftungsübernahme, Vorfinanzierung durch den Autovermieter oder zeitliche Besonderheiten vorliegen, ist auch ein Aufschlag auf den Grundpreis gerechtfertigt.

Bedeutung für die Praxis: Das Erstgericht hatte seine Haltung ausführlich dargelegt, warum es die erforderlichen Mietwagenkosten allein mittels der Werte aus Schwacke schätzen will. Dem hat das Berufungsgericht vollständig zugestimmt. Zusätzlich hatte der Autovermieter einen Aufschlag wegen der Erforderlichkeit unfallbedingter Zusatzleistungen in Höhe von 25 Prozent gefordert. Leider wird deutlich, dass dieses Gericht den Aufschlag zwar zuspricht, die Linie des BGH jedoch auch nicht verstanden hat. Es bezeichnet den Tarif als Unfallersatztarif, was er aber nicht ist.
Ist  in einem Ausnahme-Fall ein Unfallersatztarif zu erstatten, dann deshalb, weil der Geschädigte zwar einen eigentlich nicht erforderlichen (über dem Marktpreis liegenden) Preis verlangt, jedoch keine Alternative hat, um seine Mobilität fortzusetzen. Wenn er nachweisen kann, dass es keine günstigeren Angebote gegeben hat (Beweislast beim Geschädigten), kann er den Unfallersatztarif ausnahmsweise verlangen (§ 254 BGB: dann kein Verstoß gegen die Schadenminderungs-Obliegenheit).
Hier im entschiedenen Fall jedoch geht es nicht um die Geltendmachung des Unfallersatztarifes, sondern um einen Aufschlag im Rahmen der erforderlichen Kosten (§ 249 BGB) und nicht außerhalb der Erforderlichkeit. Weil unfallbedingte Mehrleistungen erforderlich gewesen sind, ist der Aufschlag im Rahmen der Schätzung zu berücksichtigen. Ein Beispiel dafür ist die Notwendigkeit, für den Geschädigten den Mietzins in der Regel erst einmal vorzufinanzieren, da dieser in der Unfallsituation – selbst wenn er nicht mittellos ist – die Kosten einer Ersatzmobilität für eine unbestimmte Anmietdauer und damit unbestimmte Höhe des Schadenaufwandes nicht aufbringen kann. Üblich wäre sonst eine Zahlung bei Reservierung oder spätestens bei Mietbeginn und nicht Monate oder Jahre später. Das ist der unfallbedingte Mehraufwand beim Vermieter.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 28-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 28-22

Landgericht Frankfurt am Main 2-01 S 18/22 vom 23.05.2022
(Vorinstanz Amtsgericht Frankfurt/Höchst 382 C 25/21 vom 14.01.2022)

1. Das Berufungsgericht hält eine Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten nach einem Unfall anhand des Mischmodells der Listen von Schwacke und Fraunhofer für vorzugswürdig.
2. Kosten für schadenersatzrechtlich erforderliche Nebenleistungen – hier Haftungsreduzierung – sind darüber hinaus zu erstatten und bemessen sich an der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste.
3. Das Recht auf eine Reduzierung der Selbstbeteiligung auf Null Euro erscheint angemessen, um sämtliche Risiken im Umgang mit dem Mietfahrzeug zu vermeiden. 
4. Die Frage des Vorliegens einer Kaskoversicherung und der Selbstbeteiligung des beschädigten Fahrzeuges des Geschädigten spielt in den Zusammenhang keine Rolle.
5. Aus insgesamt hohen Kosten der erweiterten Haftungsreduzierung bei langer Mietdauer kann kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht abgeleitet werden.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht spricht auch die nach der Entscheidung des Erstgerichtes noch offenen restlichen Metwagenforderungen aus mehreren Unfällen zu. Die Auffassung des Erstgerichtes wird korrigiert, bei hohen Kosten der Haftungsreduzierung für eine Reduzierung der SB von 500 auf 150 liege offensichtlich ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht des Geschädigten vor. Im Gegenteil – so das Berufungsgericht – komme es wegen der langen Mietdauer zu diesen hohen Kosten und spiele die Frage der Kasko für das beschädigte Fahrzeuge keine Rolle.

Bedeutung für die Praxis: Immer wieder konstruieren Versicherer ein angebliches Missverhältnis zwischen der (zu hohen) Schadenersatzforderung bzgl. Haftungsreduzierung und einer angeblich nur marginalen Leistung der Haftungsreduzierung z.B. zwischen 500 Euro und 150 Euro SB. Das würde ein Mieter als Selbstzahler nie bezahlen. Ziel ist die Stimmungsmache bei Gericht gegen die angebliche Abzocke der Autovermieter.
Das Berufungsgericht in Frankfurt lässt sich nicht davon beeindrucken. Und das ist auch richtig so, denn einerseits sind Kosten für einer Reduzierung der Selbstbeteiligung selbst bei vermeintlich doch so günstigen Internetangeboten normal und das sogar in mehreren Stufen bis zur SB Null Euro mit Kosten bis zu 41 Euro pro Tag. Nur leider finden Gerichte diese Zusatzkosten auf den Internetscreenshots der Versicherer nicht wieder, weil diese in der Regel unvollständig sind und das wohl auch so beabsichtigt ist.
Andererseits führe – so kann man die Auffassung des Berufungsgerichtes verstehen – der nackte Vergleich der Zahlen 500 Euro -> 150 Euro und der dafür verlangte Schadenersatzbetrag in die Irre. Denn sich in einer langen Laufzeit der Ersatzmiete summierende Tagespreise der Haftungsreduzierung bedeuten, dass die Risikominimierung den Geschädigten an jedem Tag der Miete aufs Neue davor schützt, für einen Schaden am Mietwagen mit eigenen Mitteln aufkommen zu müssen.
Dass die Frage der Versicherung des beschädigten Fahrzeuges in dem Zusammenhang keinerlei Rolle spielt, rundet die Entscheidung ab und entspricht der Auffassung des BGH.

Siehe dazu auch: Berücksichtigung der Selbstbeteiligung: Häufiger Fehler bei der Fracke-Schätzung

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 26-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 26-22

Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen 6 C 539/21 vom 10.06.2022

1. Die unter den Parteien streitige Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten kann anhand der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel geschätzt werden.
2. Für die hier beschädigte und vermietete Mietwagengruppe enthält die Fraunhofer-Liste keine Werte, daher kommt für eine Schadenschätzung lediglich die Schwacke-Liste in Betracht.
3. Angefallene Mehrleistungen der Autovermietung waren aus Sicht des Schädigten erforderlich und daher ist ein unfallbedingter Aufschlag auf den Grundpreis des Normaltarifs erstattungsfähig.
4. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für eine weitest gehende Haftungsreduzierung und für Zustellung und Abholung des Fahrzeuges sind ebenso vom Schädiger zu ersetzen.
5. Liegen die entstandenen Kosten nur geringfügig über dem Vergleichsbetrag der anzuwendenden Liste, können diese Kosten vom Versicherer verlangt werden.
6. Die Beklagte hat auch die Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Garmisch-Partenkirchen verurteilte die Beklagte zur Zahlung der geforderten restlichen Mietwagenkosten nach Schwacke. Eine Schätzung mittels Fraunhofer oder Mischmodell war auch nicht möglich, weil in der Fraunhofer-Liste keine Werte zur Fahrzeuggruppe veröffentlicht worden sind. Zusätzlich könne die Klägerin einen unfallbedingten Aufschlag und Kosten für angefallene Nebenleistungen ersetzt verlangen.

Bedeutung für die Praxis: Die Beklagte zahlte zwei Monate nach Mietende erstmals Mietwagenkosten an die Klägerin, allerdingt weniger als gefordert. Das Gericht sprach sodann den restlichen Schadenersatz allein auf Basis der Schwacke-Liste zu. In vielen Mietwagenklassen gibt es auch für diejenigen Gerichte gar keine Alternative zur Anwendung der Schwacke-Liste, weil Fraunhofer-Werte schlicht nicht vorhanden sind. Hier ging es um Restschadenersatz aus 2018 und Fraunhofer hatte keinen Wert. In den Fraunhofer-Listen 2021 und 2022 fehlen in immer mehr Mietwagenklassen die Angaben.
Auch der Aufschlag wird zugesprochen. Das Gericht führt unter anderem diese Gründe für den unfallbedingten Aufschlag an: Mietzins vorfinanziert, ebenso die Umsatzsteuer, auf Sicherheitsleistungen des Mieters verzichtet und damit Zusatzrisiken akzeptiert und vermietet, obwohl die Haftungsfrage ungeklärt gewesen ist.
Wie andere Gerichte zuvor auch, sah das Gericht keinen Grund für einer Kürzung der geforderten Restschadensumme darin, dass der Vergleichsbetrag nach Schwacke geringfügig überschritten wurde.

Das Urteil ist derzeit noch nicht rechtskräftig.

 

 

Neue Abtretung erst in der Berufung

Anders als vielfach behauptet, kann der Kläger auch noch in der Berufung eine neue Abtretung nachreichen, um eine ggf. erstinstanzlich als intransparent angesehene erste Abtretung und Klageabweisung zu heilen (so lange noch keine Verjährung eingetreten ist für Forderungen, die abgetreten werden).

Werden Angriffs- und Verteidigungsmittel verspätet vorgetragen, sind diese nicht zuzulassen (§ 296 BGB in Verbindung mit § 530, 531 ZPO). Fraglich ist, ob eine neue Abtretung als verspäteter Vortrag zu werten ist. Dem ist nicht so.

Laut BGH ...

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 25-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 25-22

Amtsgericht Bergheim 23 C 173/21 vom 18.02.2022

1. Mangels einschlägigen Werten der Fraunhofer-Liste kann allein auf Basis der Schwacke-Werte und nicht nach dem Mischmodell geschätzt werden.
2. Aufgrund der Erforderlichkeit unfallbedingter Mehrleistungen ist ein Aufschlag in Höhe von 20 Prozent zuzusprechen, denn der Geschädigte war nicht zur Vorfinanzierung verpflichtet und des Weiteren stand ex ante die Anmietdauer nicht fest.
3. Kosten von Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Winterreifen und Zweitfahrer sind ebenso erstattungsfähig.
4. Vorgelegte Internetbeispiele der Beklagten sind nicht geeignet, die Anwendbarkeit der Schätzgrundlage infrage zu stellen.
5. Ein Eigenersparnis-Abzug kann bei klassenniedrigerer Vermietung entfallen.

Zusammenfassung: Das Gericht wendet entgegen seiner sonst üblichen Linie nicht das Mischmodell FRACKE an, sondern schätzt den erforderlichen Betrag allein auf Basis der Schwacke-Werte. Denn die Werte in der Fraunhoferliste für einige Mietwagenklassen fehlen immer wieder gerade in der aktuellsten Ausgabe, daher ist eine Schätzung anhand Fracke nicht möglich. Auf den Grundpreis ist ein unfallbedingter Aufschlag zuzubilligen und Kosten von erforderlichen und angefallenen Nebenleistungen sind zu erstatten.

Bedeutung für die Praxis: In Fällen, in denen Kläger normalerweise (bei bekannter Linie des Gerichtes) die geforderte Restschadensumme zur Minimierung des Prozessrisikos auf die Fracke-Linie reduzieren UND sie das aber nicht können, weil es in Fraunhofer dazu keine Werte gibt, hat das Gericht keine ausreichende Datengrundlage für das Mischmodell Fracke. Dem entsprechend hat das entscheidende Gericht auch lediglich die Werte verwendet, die zur Verfügung standen: die Schwacke-Werte. Da Fraunhofer in seinen Mietwagen-Klassifizierungen unergründliche Verschiebungen in höhere Mietwagenklassen vorgenommen hat, finden sich immer häufiger in kleinen Mietwagenklassen keine Werte wieder. Der Fraunhofer-Liste 2021 fehlen daher aus unerklärlichen Gründen bundesweit die Werte der Mietwagenklassen 01, 02 und 04. Schwieriger wird es bei der Begründung, warum die Internet-Beispiele der Beklagte nicht zu ihren Gunsten helfen. Die Begründung lautet (verkürzt), dass sie nicht vergleichbar sind. Doch was wäre gewesen, wenn die Beklagte drei Jahre nach der Anmietung Internetbeispiele vorgelegt hätte, die zum Anmietzeitpunkt am Anmietort einen tatsächlich günstigeren Preis aufweisen würden, als der Mittelwert einer Liste? Es kann doch schadenrechtlich keine Rolle spielen, dass es damals auch ein günstigeres Angebot gegeben hätte, das der Geschädigte nicht kannte und auf welches die Beklagten den Geschädigten erst drei Jahre später im Prozess hinweist, anstatt rechtzeitig vor der Anmietung beim Kläger.

Zitiervorschlag: „Mittelwert nicht, wenn Fraunhofer ohne Werte“

„Nach obergerichtlicher Rechtsprechung, der sich das OLG Köln angeschlossen hat und von der abzuweichen das AG keine Veranlassung hat, ist der Schätzung des arithmetische Mittel zugrunde zu legen. Diese Rechtsprechung kann jedoch nur zur Anwendung gebracht werden, wenn in der relevanten Fahrzeugklasse auch in beiden Listen Mietpreise erhoben worden sind. Die ist vorliegend nicht der Fall. Der Fraunhofer Mietspiegel enthält für die Klasse, zu der das hier verunfallte und angemietete Fahrzeug gehören keine Daten (LG Frankfurt/Main, 18.10.2019, 2-15 S 97/19).
Unter diesen Umständen greift auch das hiesige Gericht allein auf die Schwacke-Liste zurück.“
Amtsgericht Bergheim 23 C 173/21 vom 18.02.2022

 

 

 

 

Abtretungsformulare ohne Rückabtretung

Versicherer versuchen weiterhin, die Aussagen des BGH (VI ZR 274/17 und VI ZR 135/19) zur Abtretung von Sachverständigenkosten auf die Abtretung von Mietwagenkosten zu übertragen. Damit wollen sie erreichen, dass Gerichte die Aktivlegitimation der Autovermieter verneinen und Klagen abweisen, weil die Rückabtretung der Schadenersatzforderung in der Abtretung nicht geregelt ist.

Bei der Thematik der Rückabtretung handelt es sich um die Frage, was passiert, wenn ...

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 24-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 24-22

Landgericht Aschaffenburg 32 O 68/21 vom 20.05.2022

1. Die vorliegend lange Ausfalldauer liegt ausschließlich im Einflussbereich der Beklagten, die mehrmals einen deutlichen Warnhinweis in Bezug auf mangelnde finanzielle Möglichkeiten des Geschädigten erhalten hatte.
2. Auch wenn die Mietwagenkosten die Wiederbeschaffungskosten mehrfach übersteigen, ist daher der Beklagten nicht darin zu folgen, dass ein Verstoß des Geschädigten gegen die Obliegenheit zur Geringhaltung der Schadenkosten vorliegt.
3. Auch der Einwand der Beklagten, der Geschädigte hätte ausreichend Zeit gehabt, sich nach Billigangeboten zu erkundigen, wird zurückgewiesen; keine generelle Erkundigungspflicht.
4. Die Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten wird anhand des arithmetischen Mittelwertes der Schwacke-Liste bemessen.
5. Die Beklagte hat keinen konkreten Sachvortrag gehalten, warum anstatt der Schwacke-Liste die von ihr favorisierte Fraunhofer-Liste oder ein Mischmodell anzuwenden sein sollten.
6. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auch die angefallenen Abschleppkosten und Zulassungskosten zu erstatten.

Zusammenfassung: Die beklagte Haftpflichtversicherung wird zu mehrfach höheren Schadenaufwendungen verurteilt, nachdem der nicht solvente Geschädigte den Ersatzwagen länger als prognostiziert mieten musste. Die Beklagte hatte die an sie ergangenen Warnhinweise mehrere Wochen lang ignoriert. Zur Schätzung der erforderlichen Aufwendungen kommt die Schwacke-Liste zur Anwendung. Fraunhofer und Mischmodell werden abgelehnt, da die Beklagte keinen konkreten Sachvortrag hielt. Ihre Internet-Beispiele wurden als nicht mit dem Fall vergleichbar zurückgewiesen. Damit seien Bedenken gegen die Geeignetheit der Schätzgrundlage nicht zu begründen.

Bedeutung für die Praxis: Mit solchen Fällen soll häufig Schaden-Politik betrieben werden. Da die Mietwagenkosten weit über den direkten Schadenkosten liegen, könne der Geschädigte das ja nicht verlangen. Wo kämen wir da hin… Doch die Beklagte war drei Mal sehr konkret darauf hingewiesen worden, dass der Geschädigte sich keinen Ersatz für den Totalschaden leisten konnte. Wenn die Beklagte nicht zügig reguliere, würden immer weitere Mietwagenkosten anfallen, so die Warnung. Die mangelnde Regulierungsbereitschaft des Versicherers drückt sich darüber hinaus darin aus, dass sie auch bei den Abschleppkosten und den Zulassungskosten einfach nicht bezahlen wollte, ohne dazu tragfähige Argumente vorzubringen. Der Autovermieter hatte bis drei Jahre nach der Erbringung der Dienstleistung sein Geld nur sehr unvollständig erhalten, denn der Unfall geschah Mitte 2019. Als Folge der Vermögenslosigkeit des Geschädigten hat er nur auf Basis einer Abtretung den vollständigen Schadenersatz bzgl. Ersatzmobilität erhalten können. Ohne ein solches Mobilitätsunternehmen, das es durchhält, drei Jahre den Mietzins vorzufinanzieren, wäre der Geschädigte wohl in den acht Wochen der Ausfalldauer gelaufen.
Das Gericht schätzt die Höhe erforderlicher Kosten streng nach BGH: Schwacke ist grundsätzlich anwendbar, wenn die Geeignetheit nicht durch konkreten Sachvortrag in Zweifel gezogen wird. Dann kommen weder Fraunhofer, noch das Mischmodell zur Anwendung. Die Internetangebote sind Einzelbeispiele, sind kein konkreter Preis weil lediglich invitatio ad offerendum und ihre konkreten Daten passen nicht zum Fall.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 23-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 23-22

Landgericht Köln 11 S 350/20 vom 21.09.2021
(Vorinstanz Amtsgericht Köln 268 C 43/20 vom 16.06.2020)

1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, denn die Formulierungen der Abtretung verstoßen nicht gegen das Transparenzgebot, wenn sie keine Rückabtretungsregelungen für den Fall enthalten, dass der Mieter den Mietzins selbst zahlt.
2. Die geltend gemachten Mietwagenkosten waren erforderlich, sie sind nach dem Modus des Schwacke-Automietpreisspiegels zu bestimmen.
3. Vor der Beklagten gegen die Anwendung der Schwacke-Liste vorgelegte Internetscreenshots sind mit dem zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar, daher liegt ein konkreter Sachvortrag nicht vor.
4. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind erstattungsfähig.
5. Die Beklagte hat für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten aufzukommen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Köln entschied Ende 2021 in der Berufung, dass die von der Klägerin verwendete Abtretungsvereinbarung (AGB) den rechtlichen Anforderungen genügte und die Klägerin damit aktivlegitimiert gewesen sei. Die geforderte Restschadensumme bzgl. Mietwagenkosten, die sich an den Werten der Schwacke-Liste orientierte, wurde für den Grundpreis und für die Nebenkosten zugesprochen.

Bedeutung für die Praxis: Die Beantwortung der Frage der anzuwendenden Schätzmethode scheint überholt, da sich die Gerichte in Köln wohl ihrem OLG angeschlossen haben. Konkret ist das abzuwarten. Insoweit sollte man die Anwendung der Schwacke-Liste zumindest nicht überbewerten.
Doch die wichtige Frage der korrekten Formulierung der Abtretungserklärung ist – wie sie hier von der 11. Berufungskammer des Landgericht Köln diskutiert wurde – von erheblicher Bedeutung. Das Gericht sieht keine Notwendigkeit für den Klauselverwender der AGB (Autovermieter), der/dem Geschädigten im Detail die Rechtslage zu erklären. Versicherer behaupten dagegen, dass Formulare dann intransparent ausgestaltet sind, wenn sie dem Geschädigten nicht erklären, wie und wann er einen Teil der abgetretenen Schadenersatzforderung zurück erhält, falls er selbst einen Teil des Mietzinses an den Vermieter bezahlt. Fehlt eine solche Erklärung, sei das nicht intransparent und damit ist der Kläger hier aktivlegitimiert, so das LG Köln in dieser Berufungsentscheidung.

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 22-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 22-22

Amtsgericht Köln 276 C 219/20 vom 11.02.2022

1. Der Vorwurf der Beklagten einer Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit nach § 254 BGB wurde zurückgewiesen, da die Beklagte nicht bewiesen hat, dass sie hätte ein Fahrzeug nach den Erforderlichkeiten des konkreten Schadenfalls zur Verfügung stellen zu können.
2. Das von der Beklagten behauptete günstigere Mietwagen-Direktvermittlungsangebot war zudem nicht mit dem schadenrechtlichen Anspruch und den tatsächlich von den Geschädigten angemieteten Fahrzeugen vergleichbar.
3. Die Schätzung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten im Rahmen der Erforderlichkeit kann anhand des Mischmodells aus den Listen von Schwacke und Fraunhofer erfolgen.
4. Ein Aufschlag auf den Grundwert des Normaltarifs ist erstattungsfähig, da im konkreten Fall unfallbedingte Zusatzleistungen beansprucht und erbracht wurden.
5. Die Kosten erforderlicher und angefallener Nebenkosten sind ebenso von Schädiger-Versicherer zu erstatten (Zustellung, Zusatzfahrer, Navigationsgerät, Winterreifen).
6. Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten sind schadenersatzrechtlich zu erstatten, da die Einschaltung eines Rechtsanwaltes bereits vorgerichtlich als sinnvoll anzusehen war.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Köln folgt der Auffassung der beklagten Haftpflichtversicherung zur Preisvorgabe und Direktvermittlung eines Ersatzfahrzeuges nicht. Die Beklagte ist dazu ihrer Vortrags- und Beweislast nicht nachgekommen. Die zu erstattenden Mietwagenkosten schätzt das Gericht mit dem Mischmodell zuzüglich unfallbedingtem Aufschlag und Kosten für erforderliche Nebenleistungen.

Bedeutung für die Praxis: Da ist zunächst die Begründung zum Thema Direktvermittlung. Das Gericht hat erkannt, dass die Beklagte gegenüber den Geschädigten lediglich ins Blaue hinein behauptet hat, diese könnten über sie die notwendige Ersatzmobilität extrem günstig erhalten. „Wer – Wo – Wann und Was“ blieben offen. Darauf mussten sich die Geschädigten schon nicht einlassen. Außerdem hatte die Beklagte in ihren Behauptungen zu angeblich verfügbaren Mietwagen und Preisen eine Selbstbeteiligung der Haftungsreduzierung unterstellt, die höher und damit nachteiliger für die Geschädigten gewesen wäre, als die Geschädigten in den Vertragsabschlüssen mit ihrem Autovermieter vereinbart haben. Das Gericht sah es als einen erheblichen Nachteil an, wenn Geschädigte in jedem Schadenfall eine höhere SB an den Vermieter zu zahlen haben, als ihnen schadenrechtlich zuzubilligen ist (SB = 0). Damit wären die Direktvermittlungsvorgaben des gegnerischen Haftpflichtversicherers auch dann nicht vergleichbar gewesen, wenn es sich um konkrete Angebote gehandelt hätte.
Doch auch diese Abteilung des Amtsgerichtes in Köln schätzt inzwischen mit dem Mischmodell. Eine Begründung fehlt leider.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 21-22

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 21-22

Landgericht Wuppertal 9 S 172/21 vom 24.03.2022
(Vorinstanz Amtsgericht Wuppertal 31 C 79/21 vom 29.10.2021)

1. Auf die Wirksamkeit der Formulierungen der vorgelegten Abtretungserklärung kommt es nicht an.
2. Die Beklagte hat mit der außergerichtlichen Regulierung ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben mit der Folge, dass sie sich nicht mehr auf eine fehlende Aktivlegitimation des Klägers berufen kann.
3. Mit ihrem Regulierungsschreiben hat die Beklagte einen Anerkenntnisvertrag angeboten, auch wenn sie nicht vorbehaltlos gezahlt hat, denn es Bestand für den Kläger eine Ungewissheit über das Bestehen der Schuld.
4. Die Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten erfolgt anhand des Mischmodells Fracke zuzüglich Nebenkosten.
5. Desinfektionskosten, die nicht vertraglich vereinbart sind, sind nicht erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Landgericht Wuppertal spricht entgegen der Entscheidung des Erstgerichtes weitere Mietwagenkosten zu. Dazu wird das Mischmodell Fracke angewendet. Auch die Kosten für angefallene Nebenleistungen sind entgegen der Ansicht der Beklagten zu erstatten. Zur Klärung der Frage der Aktivlegitimation komme es nicht auf das Abtretungsformular an, weil die Beklagte außergerichtlich die geforderten Schadenersatzbeträge teilweise ausgezahlt hatte.

Bedeutung für die Praxis: Vor Gericht wird weiter heftig um die Aktivlegitimation aus abgetretenem Recht gestritten. Viele Gerichte prüfen und bestätigen die Rechtmäßigkeit der Formulierungen der vorgelegten Abtretungserklärungen, manche Gerichte jedoch mit teilweise abenteuerlichen Begründungen nicht. Hier nun verweist eine Berufungskammer entgegen einer anderen Kammer desselben Gerichtes darauf, dass die Beklagte außergerichtlich nach Eingang der Rechnung und der Abtretungsurkunde an den Zessionar gezahlt hatte und damit ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis verbunden ist, an das sie auch im Rahmen einer Klage gebunden ist. Die Beklagte wird als Schuldner präkludiert mit Einreden und mit echten rechtshindernden oder -vernichtenden Tatsachen. Nach dieser Auffassung sind alle Streitigkeiten um die Aktivlegitimation auszuschließen, sofern der Schädiger auf die Abtretung hin an den Vermieter gezahlt hat.
Zu den Punkten Eigenersparnisabzug und Höhe erstattungsfähiger Nebenkosten nimmt das Gericht eine absolute Mindermeinung ein, die auch nicht näher begründet wird. Insofern ist hier auf ausführlichen Vortrag zu achten.

Andere Entscheidungen in dem Zusammenhang mit derselben Stoßrichtung:

OLG Karlsruhe 1 U 25/18 vom 14.01.2019 (BAV-Urteilsdatenbank)
BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 – V ZR 184/07 –, Rn. 12 www.bundesgerichtshof.de

 

 

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