Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 16-24
Landgericht Köln 9 S 131/23 vom 06.03.2024
(Vorinstanz Amtsgericht Köln 272 C 145/22 vom 19.09.2023)
1. Es besteht ein grundsätzlicher Schadenersatzanspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten, da ein Zustand herzustellen ist, als wäre der Unfall nicht eingetreten.
2. Den Unfallgeschädigten trifft eine Obliegenheit zur Geringhaltung des Schadens (§ 254 BGB) und er muss daher Maßnahmen treffen, die nach Treu und Glauben von ordentlichen Menschen getroffen werden, um einen höheren Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern.
3. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zur Vorfinanzierung von Reparatur- oder Mietwagenkosten verpflichtet.
4. Einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht hat der Schädiger zu beweisen.
5. Wurde der Schädiger zwar nicht über fehlende Mittel zur Auslösung des Reparaturauftrages informiert und ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Versicherer zur Vermeidung höherer Mietwagenkosten schneller reguliert hätte, ist der Schadenersatzanspruch des Geschädigten nicht wegen eines Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht zu reduzieren.
6. Streitet der Versicherer bis zur gerichtlichen Entscheidung um die Frage seiner grundsätzlichen Einstandspflicht, bleibt eine Verletzung der Warn- und Hinweispflicht des Geschädigten auf mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit folgenlos.
Zusammenfassung: Das Landgericht Köln schätzt erforderliche Mietwagenkosten anhand des Mittelwertes der einschlägigen Listen zuzüglich der Nebenkosten aus der Schwacke-Nebenkostentabelle. Ein Verstoß des Geschädigten gegen die Schadenminderungspflicht wegen Unterlassens einer rechtzeitigen Warnung an den Versicherer, er könne die Reparatur mangels finanzieller Möglichkeiten nicht beauftragen und müsse daher so lange einen Mietwagen fahren, bis die Beklagte ihre Einstandspflicht erklärt, wurde zwar festgestellt, aber als irrelevant anerkannt. Denn die Beklagte ist erst nach einem Gerichturteil zwei Jahre nach dem Unfall in die Regulierung eingetreten.
Bedeutung für die Praxis: Zunächst ist die Betonung der Obliegenheit zur Schadenminderung hervorzuheben, die vom Geschädigten dann eine Warnung an den eintrittspflichtigen Versicherer verlangt, wenn ein Mietwagen merklich länger benötigt würde, weil der Mieter mangels eigener finanzieller Möglichkeiten die Fahrzeugreparatur ohne eine Kostenübernahmeerklärung der gegnerischen Versicherung oder einen Vorschuss nicht beauftragen kann.
Im konkreten Fall jedoch stellte das Berufungsgericht fest, dass eine solche Verletzung seiner Warnpflicht für eine längere Mietzeit nicht kausal war. Denn der Versicherer sah sich sehr lange nicht als regulierungspflichtig an. Stattdessen warf er dem Geschädigten vor, einen Unfall fingiert zu haben. Erst zwei Jahre nach dem Unfall hatte der Versicherer aufgrund Gerichtsurteil seine Einstandspflicht zu akzeptieren. Sodann konnte er dem Geschädigten auch nicht ernsthaft vorhalten (was ihn natürlich nicht davon abhielt, es im Prozess trotzdem zu versuchen), dass, hätte dieser ihn früher gewarnt, er auch einen Vorschuss bezahlt oder seine Einstandspflicht erklärt hätte, um den frühen Beginn der Reparatur und damit eine kurze Mietdauer zu ermöglichen.
Das Gericht erkennt, dass der Geschädigte nicht zu einer Vorfinanzierung von Schadenkosten verpflichtet ist. Dann hätte es jedoch auch das Mischmodell Fracke nicht anwenden dürfen. Denn dann ist Fraunhofer nicht anwendbar, auch nicht im Mischmodell. Werte der Fraunhofer-Liste sind – und das wird niemand bestreiten können – Mittelwerte von reinen Internet-Preisen, bei denen jeder einzelne Wert eine Vorfinanzierung des Mietzinses zuzüglich einer Kaution voraussetzt, vorab zu zahlen per elektronischem Zahlungsmittel und ggf. auch per Kreditkarte(n) (und weitere Einschränkungen).
Die Feststellung, dass der Geschädigte grundsätzlich nicht zur Vorfinanzierung verpflichtet ist und daher auf eigenes Risiko auch keinen Reparaturauftrag unterschreiben braucht, wenn er die entstehenden Kosten nicht selbst bezahlen kann, ist unbedingt beachtenswert. Denn selbst das OLG Düsseldorf, einst als “der Verkehrssenat” gerühmt, lag in dieser für die Schadenregulierung extrem bedeutenden Frage unter dem Vorsitzenden Scholten fehlerhaft komplett auf Versicherer-Linie (“Ein Geschädigter ist grundsätzlich nicht berechtigt, eine Schadenbeseitigung bis zu einer Klärung der Haftungsfrage zurückzustellen. (…) Stattdessen hat sich der Geschädigte so zu verhalten, als ob ihm kein ersatzpflichtiger Schädiger gegenüberstünde.”, Urteil vom 09.03.2021, Az. 1 U 77/20), obwohl der BGH das eindeutig bereits ein Jahr vorher anders entschieden hatte (BGH vom 18.02.2020, Az. VI ZR 115/19, hier Rz. 17). Leider gibt es dort Instanzgerichte, die das – anders als das LG Köln – noch immer nicht verstanden haben.