Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 13-24
Amtsgericht Berlin-Mitte 151 C 12/23 vom 13.09.2023
1. Erstattungsfähige Mietwagenkosten nach Unfall werden mit dem Mischmodell Fracke bestimmt.
2. Dabei ist das PLZ-Gebiet des regionalen Marktes relevant, auf welchem das Ersatzfahrzeug angemietet wurde.
3. Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendung entfällt, wenn Geschädigte ein klassenkleineres Fahrzeug anmieten.
4. Kosten der erforderlichen Nebenleistungen werden mittels Schwacke-Nebenkostentabelle geschätzt.
5. Ein Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadenminderungspflicht kommt erst in Betracht, wenn ihm ein konkretes und annahmefähiges Angebot vorgelegt wurde.
Zusammenfassung: Das Amtsgericht Berlin widerspricht der Auffassung der Beklagten, sie hätte dem Geschädigten ein annahmefähiges Mietwagenangebot unterbreitet und der dürfte daher keinen höheren Schadenersatzbetrag verlangen, als sie bezahlt habe. Der stattdessen als erforderlich zu haltenden Betrag wird mittels Mischmodell Fracke geschätzt zuzüglich Kosten von Nebenleistungen.
Bedeutung für die Praxis: Zur Schätzung anhand Mischmodell: Das Berliner Kammergericht hat in zwei Verfahren entschieden, dass sich die Mietwagenkosten wieder nach Schwacke bestimmen lassen (Urteil vom 08.01.2024, Az. 22 U 71/22). Die notwendigen Details liegen vor (KG 22 U 119/13: “Der Senat hält es (…) im Anschluss an das OLG Celle und das OLG Köln für vorzugswürdig, aus beiden Tabellen jeweils das darin ausgewiesene arithmetischen Mittel zu entnehmen.” und nun KG 22 U 71/22: “… hat die Klägerin für den hier maßgeblichen Bereich ein Gutachten mit sämtlichen Ermittlungsergebnissen als Anlage (Gutachten… BAV …) eingereicht, dass zu dem Schluss kommt, die Ergebnisse der Fraunhofer-Liste 2021 entsprechen nicht der Wirklichkeit. Es ist daher sachgerecht in den vorliegenden Fällen die Schwacke Liste heranzuziehen, die als taugliche Schätzgrundlage einzuordnen ist (BGH…).” Das muss nun auch vorgetragen werden.
Ob die Beklagte, wie sie selbst meint, dem Geschädigten ein konkretes annahmefähiges und damit preisbindendes Angebot unterbreitet hatte, wurde ausführlich untersucht. Diese Untersuchung ergab, dass dem Geschädigten lediglich mitgeteilt wurde, wohin er sich wenden solle und welchen Höchstpreis der Versicherer des Schädigers bereit war, freiwillig zu bezahlen. Ein annahmefähiges Angebot hätte erst dann vorgelegen, wenn dem Geschädigten mitgeteilt worden wäre, welches konkrete Fahrzeug (Hersteller, Typ/Untertyp, Ausführung, Motorisierung, Ausstattung) er wann, wo, von wem und unter welchen Bedingungen für den angegebenen Preis bekommen hätte. Denn nur so hätte er die Mietwagenklasse bestimmen und das Angebot mit anderen Anbietern am Markt vergleichen können. Die Versichererdenke „Angebot = Angebotsannahme” ist ein Irrtum. Lediglich können den Geschädigten solche Angebote, wenn sie den annahmefähig sind, an den genannten Preis binden.
Zitat: “Angebot des Schädiger-Versicherers nicht bindend”
” … kann i.S.d. höchstrichterliche Rechtsprechung feststehen, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich gewesen wäre.
Nach der Überzeugung des Gerichtes (…) genügt das Angebot der Beklagten diesen Anforderungen jedoch nicht. Die von der Beklagtenseite genannte Zeugin führte aus Sicht des Gerichtes überzeugend und nachvollziehbar aus, dass sie dem Zeugen die Anmietung eines klassenniedrigeren Mietwagens zum Nettopreis von 31,50 Euro angeboten hat. Zugleich gab sie aber auch an, dass dieses Angebot noch kein konkretes Fahrzeug betraf, sondern allein in der Vermittlung an ein Mietwagenunternehmen bestand, welches seinerseits die Abwicklung der Anmietung übernommen hätte. Üblicherweise vor der Anmietung zu klärende Punkte wie eine Haftungs- oder Kilometerbegrenzung seien nicht besprochen worden, da dies durch den Geschädigten direkt mit dem Mietwagenunternehmen geklärt werden müsse. Schließlich sei eine Kostenübernahme bei ungeklärter Haftung auch nur für maximal drei Tage vorgesehen, wobei die Zeugen nicht mehr sagen konnte, ob diese Beschränkung im vorliegenden Fall einschlägig gewesen wäre. Für den Zeugen … als Geschädigten blieb damit zu diesem Zeitpunkt also noch völlig offen, welches konkrete Fahrzeug, bei welchen Mietwagenunternehmen vermietet werden würde und ob dieses überhaupt verfügbar gewesen wäre. Ferner blieb im Hinblick auf etwa erforderliche Nebenleistungen oder ein klassengleiches Fahrzeug nicht nur der endgültige Gesamtpreis offen, sondern auch die vollständige oder nur teilweise Übernahme eben jenes Gesamtpreises durch die Beklagte. Die ohne weiteres gegebene Zugänglichkeit eines günstigeren Tarifes bestand damit letztlich gerade nicht fest.”
(Amtsgericht Berlin-Mitte 151 C 12/23 vom 13.09.2023)