Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 07-24
Amtsgericht Stuttgart 42 C 3345/23 vom 17.01.2024 (Datum mdl. Verhandlung)
1. Der Geschädigte verstößt durch die Anmietung eines Ersatzwagens am freien Markt nicht gegen seine Obliegenheit zur Geringhaltung des Schadens, wenn die Beklagte ihm lediglich ein klassenniedrigeres Fahrzeug vermitteln wollte.
2. Der Schwacke-Automietpreisspiegel ist grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten anwendbar.
3. Der Grundbetrag ist über eine Addition von Pauschalen für Wochentarif, 3-Tages-Tarif und 1-Tages-Tarif vom arithmetischen Mittel aller Nennungen zu bilden.
4. Die Beklagte erfüllt weder mit dem Verweis auf Fraunhofer noch mit Internetbeispielen die Anforderungen an ihren Vortrag zur Erschütterung einer Schätzgrundlage.
5. Vom Grundbetrag ist ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von 10 Prozent vorzunehmen.
6. Auch die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Winterreifen, Navigation und Zustellen und Abholen sind erstattungsfähig.
Zusammenfassung: Das Angebot der Beklagten an den Geschädigten zur Mietwagenvermittlung bei Enterprise wird als unbeachtlich angesehen. Die erforderlichen Mietwagenkosten sind nach den Schwacke-Pauschalen zu bemessen, abzüglich 10 Prozent Eigenersparnis. Nebenkosten kommen hinzu.
Bedeutung für die Praxis: Auf die Beachtlichkeit eines Direktvermittlungsangebotes im Detail kommt es gar nicht erst an, wenn von vornherein feststeht, dass die Beklagte zwar rechtzeitig ein Angebot unterbreitet haben will, dieses Angebot jedoch kein vergleichbares Fahrzeug betraf in Bezug zum beschädigten Fahrzeug des Geschädigten.
Warum das falsche Fahrzeug? Es ist nicht unbedingt zu unterstellen, dass die Beklagte hier schummeln und etwas Geld sparen wollte. Nein, die Ursache dürfte darin liegen, dass es die Beklagte zum Zeitpunkt des Angebotes nicht besser wusste. Denn ein “early-bird”-Anruf und die sofort folgende E-Mail an den Geschädigten erfolgen, ohne dass die notwendigen Informationen zum beschädigten Fahrzeug und zu den notwendigen Leistungen des Vermieters bei der gegnerischen Versicherung vorliegen und damit ins Blaue hinein. Versicherer des Unfallverursachers behaupten zwar in immer mehr Fällen der Schadenregulierung, sie könnten zu jeder Zeit und überall das passende Fahrzeug zur Verfügung stellen. Doch dem ist schon grundsätzlich nicht so, wie viele Beispiele zeigen. Wenn dann wie hier das “Angebot” noch auf ein klassenniedriges Fahrzeug bezogen ist, ist das ein Ausdruck des Stocherns im Nebel des Schadensachbearbeiters und fällt zurück auf den Versicherer, der beweisen muss, dass dem Geschädigten ein konkretes und annahmefähiges Angebot vorlag, dass er hätte annahmen müssen (§ 254 BGB).
Und daher zeigt auch diese Beispiel wieder das grundsätzliche Problem der BGH-Rechtsprechung auf, Geschädigte seien durch rechtzeitige “Angebote” der Versicherer an deren Vorgaben gebunden. Denn die Versicherer können auf die Schnelle keine annahmefähigen Angebote abgeben. Ein “Sofortanruf” und die nachfolgende E-Mail sind immer ein Schuss ins Blaue. Der kann auch mal treffen, aber dann zufällig. Die Anforderung eines konkreten nachvollziehbaren und dem Anspruch des Geschädigten entsprechenden Angebotes ist für die Versicherer heute in der Regulierungspraxis zweitrangig. Das sollte es für die Rechtsprechung aber nicht sein.
Viele weitere Fragen rund um die Beachtlichkeit des “Angebotes” musste hier wegen des Fehlschusses bei der Fahrzeuggruppe nicht geklärt werden. Dazu gehört u.a. die Frage, ob die Zusendung einer E-Mail an den Geschädigten geeignet ist, ihn an das Angebot zu binden. Immerhin ist die tägliche Überwachung des elektronischen Postfachs bei Privatpersonen eher unüblich, auch können Mails im Posteingang übersehen werden oder vom Mailserver als unsicher oder unerwünscht klassifiziert im Spam-Ordner landen.