Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 12-24
Amtsgericht Königswinter 12 C 70/23 vom 19.03.2024
1. Zur Bestimmung der erforderlichen Mietwagenkosten für Ersatzmobilität ist die Schwacke-Liste Automietpreisspiegel anzuwenden.
2. Werte der Fraunhofer-Liste sind insofern willkürlich, dass Erhebungswerte nicht den korrekten Mietwagenklassen zugeordnet worden sind und eine Schätzung anhand Fraunhofer oder Mischmodell Fracke daher nach dem klägerischen Vorbringen mittels BAV-Gutachten und der weiteren Erläuterungen nicht mehr in Betracht kommt.
3. Es besteht keine generelle Pflicht für den Geschädigten, sich vor der Anmietung nach mehreren Angeboten zu erkundigen.
4. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Zustellen und Abholen sowie die Nutzung eines Fahrzeuges mit Navigationsgerät sind ebenso erstattungsfähig.
Zusammenfassung: Das Amtsgericht Königswinter verwirft die bisherige Mittelwert-Linie Fracke und wendet wieder die Schwacke-Liste zu Bestimmung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten an. Die Fraunhofer-Liste ist auch im Rahmen des Mischmodells nicht mehr anwendbar. Hinzuzufügen sind Kosten für Nebenleistungen.
Bedeutung für die Praxis: Der Kläger hat sehr konkret und ausführlich dargelegt, warum die Fraunhofer-Liste weder allein noch im Rahmen des Mischmodells noch zur Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten geeignet sein kann. Neben den allgemeinen Darlegungen wie Auftraggeber Versicherungswirtschaft, undurchsichtige Methode, völlig substanzlose Telefonerhebung usw. waren es vor allem zwei Aspekte, die das Gericht überzeugten.
Da ist zunächst der konkrete Nachweis durch den Kläger, dass die Ersteller der Liste für keinen einzigen ihrer Internetwerte die korrekte Mietwagenklasse bestimmen konnten. Das führt zwangsläufig dazu, dass die Werte, das Minimum einer Mietwagenklasse, deren Maximum und auch der arithmetische Mittelwert beliebig sind. Die Beklagte als Verteidigerin der Fraunhofer-Tabellen konnte das auch nicht erklären und verstrickte sich immer weiter.
Des Weiteren wurde für die konkrete Region des Falles ein BAV-Gutachten “Gutachten Mietwagenpreise Internet 2022 – Region Bonn” vorgelegt, dessen Mittelwert aus mehreren Nennungen verschiedener Mietwagenklassen ganz erheblich vom Mittelwert der Fraunhofer-Liste abwich, obwohl doch die Methode der Erhebung von Internetpreisen an die Fraunhofer-Methode angepasst war und daher zu denselben oder ähnlichen Ergebnissen hätte führen müssen. Wenn im Gutachten der Mittelwert jedoch je nach Mietwagenklasse zwischen 37 und 125 Prozent vom Mittelwert der Fraunhofer-Erhebung abweicht und in der Anlage des Gutachtens vorgelegten 87 Internetpreise (bei Vorkasse, Kaution, feststehende Mietdauer usw.) eher im Bereich der Schwacke-Mittelwerte liegen, dann sieht das Gericht die Anforderung als erfüllt an, konkret und auf den Fall bezogen klar zu machen, wie sich angebliche Mängel der Liste auf den konkreten Fall auswirken.
Zitat: “Kein Fraunhofer, kein Mischmodell mehr”
“Abweichend von der Entscheidung des OLG Köln sieht das Gericht vorliegend jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, den ortsübliche Tarif anhand des arithmetischen Mittels zwischen der Schwacke Liste sowie der Fraunhofer Liste zu berechnen. Denn das Gericht zweifelt vor dem Hintergrund des seitens der Klägerin vorgelegten “Gutachten Mietwagenpreise, Internet 2022 Region Bonn” an der Eignung der Fraunhofer Liste als Schätzgrundlage, welche zur Berechnung eines arithmetischen Mittels zugrunde gelegt werden könnte. Die Klägerin hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass ihr zu mindestens seit der Ausgabe des Jahres 2021 Erhebungsmethoden zugrunde liegen, die erhebliche Zweifel daran begründen, dass die Ergebnisse den relevanten Mietmarkt wenigstens einigermaßen realistisch widerspiegeln.
Ausschlaggebend hierfür ist der Umstand, dass im Vorwort zu zum Fraunhofer Mietpreisspiegel Mietwagen unstreitig seit dem Jahre 2021 erläutert wird, dass die Auswertung auf Basis der Schwacke- Klassifikation und zusätzlich anhand der ACRISS-Klassifikation der Fahrzeuge durchgeführt wird. Es steht außer Streit, das Letztere Einordnung nach Ausstattungsmerkmalen für touristische Zwecke im Internet erfolgt. Damit steht fest, dass Fraunhofer bei seiner Datenerhebung die ACRISS-Kategorien, Fahrzeugkategorie, Bauart, Getriebe, Treibstoff und Klima automatisiert abgreifen konnte; weitere Informationen, insbesondere über den Listenpreis der angebotenen Mietwagen waren dagegen auf Grundlage der Methodik der Datenerhebung bei Frauen nicht abrufbar. Die Klägerin hat anhand eines Beispiels nachvollziehbar dargelegt, dass diese Klassifizierung für die Ermittlung des Anschaffungspreis nicht geeignet ist. So hat sie auf Seite 7 ff. der Replik erläutert, dass zwei verschiedene Modelle des VW Golf zwar den gleichen ACRISS-Code (CLMR), jedoch abweichende Anschaffungspreise von knapp 30.000 EUR und knapp 60.000 EUR und damit die Gruppen vier beziehungsweise sieben nach Schwacke aufweisen. Dies ist auch zwanglos nachvollziehbar, dabei ACRISS bereits grundlegende Wert bildende Faktoren wie die Motorisierung und die Ausstattung nicht differenzierend erfasst werden. Damit steht fest, dass die von Fraunhofer herangezogen Daten lediglich Rückschlüsse auf grundlegende Fahrzeugmerkmale, nicht jedoch auf den eigentlichen Fahrzeugwert zulassen. Letzterer ist jedoch maßgeblich für die Frage, ob der entsprechende Mietpreis erforderlich ist, da der Geschädigte berechtigt ist, ein gleichwertiges btw.. – zur Vermeidung der Anrechnung ersparter Aufwendungen ein um eine Gruppe niedriger eingeordnetes Fahrzeug anzumieten.”
(Amtsgericht Königswinter 12 C 70/23 vom 19.03.2024)
Es ist nicht bekannt, ob das Urteil bereits rechtskräftig geworden ist.