Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 10-24
Landgericht Braunschweig 10 S 101/23 vom 23.11.2023 (letzte Frist, kein konkretes Urteilsdatum bekannt)
(Vorinstanz Amtsgericht Wolfsburg 37 C 96/22 vom 27.03.2023)
1. Der erstattungsfähige Betrag für Mietwagenkosten nach einem Unfall ist anhand des Mischmodells der Listen von Schwacke und Fraunhofer zu schätzen (§ 287 ZPO).
2. Die Auffassung der Beklagten, die Schwacke-Liste sei keine anwendbare Schätzgrundlage, wird zurückgewiesen.
3. Der Beklagten ist nicht zu folgen in Bezug auf ihre Auffassung, der Geschädigte hätte das Sachverständigengutachten zu spät beauftragt und und zu lange abgewartet und daher die Mietdauer in Verletzung seiner Schadenminderungspflicht unberechtigt ausgeweitet.
4. Mit einer Fahrstrecke von über 20 Kilometern pro Tag hat der Geschädigte seinen Nutzungswillen nachgewiesen.
5. Zur Schätzung des erstattungsfähigen Gesamtbetrages ist eine Vermischung aus konkreten Positionen und abstrakten Schätzwerten unzulässig.
Zusammenfassung: Das Berufungsgericht wendet zur Bestimmung des Grundwertes des Normaltarifs die Fracke-Methode an und fügt die Kosten der erforderlichen und angefallenen Nebenleistungen hinzu. Die vom Versicherer mit mehreren Argumenten bezweifelte Berechtigung der konkreten Dauer der Ersatzwagenanmietung wird bestätigt. Zur Schätzung des Regulierungsbetrages wendet sich das Gericht deutlich gegen die Rosinentheorie, nach der in gerichtlichen Entscheidungen der niedrigste diskutierte Betrag aus Rechnung oder Schätzwerten herausgezogen und zu einem erstattungsfähigen Gesamtbetrages zusammengestellt werden.
Bedeutung für die Praxis: Die Anwendung des Mischmodells durch das Erstgericht wird bestätigt und die Angriffe der Beklagten auf die Schwacke-Liste zurückgewiesen. Anhand der Internetbespiele der Beklagte hätte gar die Frage nahegelegen, warum diese Internetpreise auf dem Niveau der Fracke-Werte und nicht auf dem Niveau der Fraunhofer-Werte lagen. Das Gericht hätte durchaus feststellen können, dass die Beklagte mit ihren Internetbeispielen die Korrektheit der Fraunhofer-Liste infrage stellt. Denn die methodische Herangehensweise ist gleich: Internet-Reservierungsangebot, Vorkasse, Kaution, elektronisches Zahlungsmittel, festgelegte Mietdauer, Einschränkungen bei Kilometer-Leistungen, Mindestführerscheinbesitz-Dauer, Mindestalter usw. Wenn bei gleicher Methode Fracke-ähnliche Werte herauskommen, ist die Anwendung der Fraunhofer-Liste auch im Rahmen der Fracke-Berechnung sehr zweifelhaft.
In der Entscheidung bestätigt das Berufungsgericht die Berechtigung für eine Miete von 23 Tagen, auch wenn im Gutachten lediglich eine Reparaturdauer von 15 Tagen veranschlagt war. Weder die Beauftragung des Sachverständigen nicht am Samstag (Unfalltag), sondern erst am folgenden Montag wurde als Verletzung der Schadenminderungs-Obliegenheit gewertet. Noch sei dem Geschädigten vorzuwerfen, er habe erst mit dem Gutachten in der Hand und der konkreten Kenntnis des Totalschadens mit der Suche nach einem (für ihn) neuen eigenen Fahrzeug begonnen. Die Vorwürfe der Beklagten waren daher völlig überzogen.
Die größte Bedeutung kommt den Ausführungen zur konkreten Anwendung der Schätzgrundlagen zu. Viele Gerichte schauen bei Einzelpositionen wechselnd in die Liste und in die Rechnung und wenden dann jeweils den niedrigeren Betrag an, um die gesamten erstattungsfähigen Kosten zu bestimmen (Rosinentheorie). Ein solches Vorgehen ist strikt abzulehnen. Eine Vermischung von abstrakter und konkreter Schadenberechnung ist unzulässig. Der eine Vermieter hat einen höheren Teilbetrag hier und einen niedrigeren dort und bei einem anderen Vermieter ist es umgekehrt. Der Geschädigte kann aber nicht das Fahrzeug bei A und die Erlaubnis zur Berechtigung eines weiteren Fahrers bei B bekommen. Korrekt ist eine Vergleichsberechnung von Anfang bis Ende nach einer konkreten Methode wie hier das Mischmodell und ein anschließender Vergleich mit dem Endbetrag über alle Einzelpositionen, die nach der abstrakten Methode verwendet wurden. Erst dann ist bei niedrigerem Rechnungswert lediglich dieser Betrag als erstattungsfähig anzusehen. Ist der Betrag nach der Schätzung niedriger, dann ist das die berechtigte Schadenersatzforderung.