Direktvermittlung: Zielgerichtete Argumentation bei Preisvorgaben
Liegt dem Geschädigten ein Schreiben vor, in welchem der Gegner-Versicherer seine Hilfe beim Ersatzwagen anbietet und dazu einen Preis vorgibt, ist Vorsicht geboten. Gerichte urteilen uneinheitlich. Wir halten diejenige Auffassung für richtig, bei der gefordert wird, dass der Gegner-Versicherer ein konkretes Fahrzeug nennen muss. Denn die/der Geschädigte darf nicht hilflos dem Schädiger ausgeliefert sein, dessen Versicherung in der Regel ein Angebot ins Blaue hinein zusendet, ohne selbst zu wissen, welchen konkreten Anspruch auf Ersatzmobilität der Geschädigte überhaupt hat.
Die Zielrichtung, sich bei den Gerichten gegen die Gültigkeit der Preisvorgaben an den Geschädigten zu wehren, muss deshalb neben anderen Details vor allem die Konkretheit des Angebotes in den Blick nehmen. Und dabei geht es nicht um Zeit und Ort, denn der Haftpflichtversicherer kann nicht wissen, wann und wo der Geschädigte das Fahrzeug benötigt. Es geht um das angeblich zur Verfügung gestellte Fahrzeug selbst. Es muss dem Anspruch des Geschädigten entsprechen.
Durch die Einteilung aller Fahrzeuge in Schwacke-Mietwagenklassen sind alle Fahrzeuge miteinander vergleichbar. Das angebotene Fahrzeug muss daher derselben Mietwagenklasse angehören. Hat das verunfallte Fahrzeug des Geschädigten einen besonderen Aufbau wie ein Lieferwagen, ein Bus oder ein Hochdach oder verfügt es über besondere Ausstattungen wie eine Anhängerkupplung, so sind auch diese Eigenschaften für die Ersatzleistung relevant, um ein vergleichbares und zumutbares Angebot abzugeben.
Die Anforderung an die Vergleichbarkeit ist auch damit zu begründen, dass der Geschädigte zwar ein solches Vermittlungsbemühen des Regulierungsgegners – sofern es seinem Anspruch entspricht – trotzdem ablehnen kann, dann jedoch zumindest, wenn er woanders mietet, keinen höheren Preis als den vom Regulierungsgegner genannten von ihm erstattet verlangen kann. Das heißt, er muss das Angebot des Regulierungsgegners mit anderen Angeboten vergleichen können und überhaupt prüfen können, ob es seinem Anspruch auf Ersatzmobilität entspricht.
Klar ist für uns, dass Preisvorgabe-Schreiben der gegnerischen Haftpflichtversicherung ohne Nennung eines konkreten Fahrzeuges aus diesem Grund keinen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht des Geschädigten /§254 BGB) auslösen können. Die Nennung müsste konkret sein, wie z.B. „Volkswagen Golf 100 kW, Limousine, Benzin, Ausstattung Highline, MW-Klasse 07“. Formulierungen wie „Sie erhalten ein vergleichbares Fahrzeug“ sind irreführende Worthülsen und entsprechen nicht den Beweislastregeln. Denn die gegnerische Haftpflichtversicherung hat zu beweisen, dass der Geschädigte gegen die Schadenminderungspflicht des § 254 BGB verstoßen habe, falls er ein „Angebot“ nicht angenommen hat und einen höheren Preis verlangt.
Auch die üblichen Tabellen der Mietwagenklassen mit kW-Angaben sind kein konkretes und zumutbares Angebot. Gerichte, die das nicht sehen, urteilen rechtsfehlerhaft. Das zeigen Beispiele von Fahrzeugen die mit ähnlich hoher Motorstärke (hier 115 kW) und sehr unterschiedlichen Mietwagenklassen einsortiert sind.
Beispiele:
Beispiel MB C, 180 115 kW= Mietwagenklasse 07

Citroën C4, 115 kW= Mietwagenklasse 05

Ford Fiesta 1,6 Eco Boost ST, 134 kW = Mietwagenklasse 04 (hier gar 134 kW!)

Eine Vergleichbarkeit von Fahrzeugen allein auf der Basis von kW-Angaben ist nicht möglich, wie die drei Beispiele zeigen. Die Anschaffungskosten der Beispiel-Fahrzeuge liegen von 20.100 bis 36.295 Euro, also des teuren Mercedes mehr als 80 Prozent höher. Das ist auch der Grund für die unterschiedlichen Mietwagenklassen. Ein Versicherer, der das kW-Prinzip anwendet, legt es bewusst darauf an, auf Kosten des Geschädigten zu sparen.
Also …
Wollen Sie sich den Vorgaben erwehren: Schauen Sie auf das Unfallfahrzeug, suchen Sie Schwacke- oder DAT-Mietwagenklasse heraus und weitere Beispiele mit derselben kW-Zahl, die in weit niedrigeren Mietwagenklassen zu finden sind. Verwenden Sie das für Ihre Argumentation wie hier oben zu sehen. Mitglieder des Verbandes BAV können uns dazu direkt ansprechen oder eine Mail als Hilfe-Anfrage zusenden.
Und daran ändern auch solche Presseinformationen nichts:
https://www.borkenerzeitung.de/welt/in-ausland/panorama/Nach-Unfall-Mietwagenstreit-beschaeftigt-Gerichte-691590.html
Denn im Zweifel entscheiden die Gerichte widersprüchlich, eines so und ein anderes anders. Und sie entscheiden je nach Güte der vorgebrachten Argumente.
Weitere Informationen:
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Fragen? mail@bav.de