Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 43-15

Landgericht Leipzig 07 S 302/15 vom 09.10.2015 Beschluss

1. Das Ersatzfahrzeug war für den Zeitraum der tatsächlichen Vermietung auch erforderlich. Denn die verspätete Beauftragung der Reparatur hat allein die Beklagte zu verantworten, die ein Zweitgutachten verlangte und keine Kostenübernahmebestätigung erteilte.
2. Der Tatrichter kann seiner Schätzung die Schwackeliste-Automietpreisspiegel zugrundelegen.
3. Einer Klärung ihrer Eignung bedurfte es nicht, denn die Beklagte hat lediglich mit drei unbrauchbaren Internetbeispielen und einem nicht auf den Fall bezogenen Gutachten argumentiert.
4. Die Konditionen der Online-Angebote zeigen Details nur unzureichend, wodurch wesentliche Faktoren der Preisbildung offen bleiben, wie die Selbstbeteiligung oder die feststehende Mietzeit.
5. Dem Geschädigten war nicht zuzumuten, nach dem der Mietvertrag schon abgeschlossen war, die Hilfe der Beklagten in Anspruch nehmen zu müssen und damit Beeinträchtigungen bei der Pkw-Nutzung in Kauf zu nehmen.
6. Ein Abzug aufgrund Eigenersparnis entfällt, wenn wie hier die Forderung auf einer Preisvereinbarung unterhalb der berechtigten Mietwagengruppe basiert.

Zusammenfassung: Das Landgericht weist die Berufung der Beklagten gegen ein Mietwagenurteil des Amtsgerichts Leipzig mittels Beschluss nach § 522 ZPO zurück.

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Landgericht Leipzig 07 S 302/15 vom 09.10.2015
(Vorinstanz Amtsgericht Leipzig 103 C 4542/14)

Im Namen des Volkes



Beschluss



In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Forderung

erlässt die 7. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig durch

Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX
Richter am Landgericht XXX
Richterin am Landgericht XXX

am 09.10.2015

nachfolgende Entscheidung:


Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass die Kammer aufgrund der Vorberatung einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung hält die Kammer gleichfalls für entbehrlich.

Die von der Beklagten gegen das Endurteil des Amtsgerichts Leipzig erhobenen Einwendungen bleiben ohne Erfolg.

1.

Zutreffend hat das Amtsgericht einen Zeitraum von 30 Tagen für die Anmietung als erforderlich angesehen, obwohl die reine Reparaturzeit lediglich 13 Kalendertage betrug. Der Unfall hatte sich bereits am 01.10.2012 ereignet, der Reparaturauftrag war jedoch erst am 18.10.2012 erteilt worden. Am selben Tag wurde dann auch mit der Reparatur begonnen. Zwar hat der Geschädigte aufgrund seiner Schadensminderungspflicht grundsätzlich innerhalb angemessener Überlegungsfrist zu entscheiden, ob er das Fahrzeug reparieren lassen möchte und alsbald die Reparatur in Auftrag zu geben, doch liegen hier besondere Umstände vor, warum es nicht dem Geschädigten anzulasten ist, dass mit der Reparatur erst am 18.10.2012 begonnen wurde. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach Vorlage des Erstgutachtens ein Zweitgutachten verlangt hat, das erst am 17.10.2012 vorlag und erst am 18.10.2012 eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben hat. Zwar darf der Geschädigte den Reparaturauftrag grundsätzlich nicht von einer Kostenübernahmeerklärung des Schädigers bzw. von dessen Haftpflichtversicherung abhängig machen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Geschädigte selbst nicht in der Lage ist, die Reparaturkosten zu tragen (vgl. AG Berlin-Mitte, Urteil vom 23.02.2011, Az.: 110 C 3241/10 - zitiert nach juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 254, Rn. 44). So ist der Fall hier. Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Geschädigte in seiner Zeugeneinvernahme bekundet, zur Begleichung der hohen Reparaturkosten von rund 11.000,00 EUR aufgrund anderer finanzieller Verpflichtungen nicht in der Lage gewesen zu sein. Hinzukommt, dass die beklagte Haftpflichtversicherung die Zweitbegutachtung verlangt hatte. Dass der Reparaturauftrag nicht ausgelöst wurde, bevor feststand, ob die Kosten sich bestätigen und letztlich von der Beklagten übernommen werden, ist wegen der Höhe der Kosten nachzuvollziehen und kann dem Geschädigten nicht angelastet werden. Es kommt daher im Ergebnis auch nicht darauf an, ob der Beklagten bekannt war, dass der Geschädigte nicht in der Lage war, die Reparaturkosten selbst zu tragen. Die Verzögerung der Reparatur geht daher nicht zu Lasten des Geschädigten, sodass insoweit kein Abzug vorzunehmen ist.

2.

Auch nicht zu beanstanden ist, dass das Amtsgericht den Schwacke-Mietpreisspiegel als Schätzungsgrundlage zur Ermittlung des Normaltarifs herangezogen hat.
Der Tatrichter kann grundsätzlich die Schwacke-Liste seiner Schadensschätzung nach § 287 ZPO zugrundelegen. Allerdings kann im konkreten Einzelfall die Tauglichkeit der Schätzungsgrundlage erschüttert werden, sodass das Gericht im Rahmen seines Ermessens von diesen Listen durch Zu- oder Abschläge abweichen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2012, Az.: V1 ZR 316/11 - zitiert nach juris). Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl. BGH, a.a.O.). Die von der Beklagten erstinstanzlich vorgelegten Online-Angebote sowie das in einem anderen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten sind jedoch nicht geeignet, die Tauglichkeit der Schwacke-Liste im vorliegenden Fall zu erschüttern. Die Beklagte hat lediglich drei Online-Angebote vorgelegt, die den Konditionen des streitgegenständlichen Mietvertrages nicht entsprechen. Die Angebote von Enterprise und Sixt enthalten keine näheren Details zur Selbstbeteiligung. Dies ist jedoch ein wesentlicher Faktor bei der Preisbildung. Sämtliche Angebote sehen eine im Voraus festgelegte Mietzeit vor. Bei einer Reparatur müssen die Zeiten aber flexibel sein, weil die Reparaturdauer im vorhinein nicht feststeht. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass bei den vorgelegten Angeboten eine solche flexible Gestaltung unter den gleichen Konditionen möglich gewesen wäre. Das vorgelegte Gutachten ist einzelfallbezogen und für sich genommen ebenfalls nicht geeignet, erhebliche Mängel der Schätzungsgrundlage aufzuzeigen.

3.

Der Umstand, dass die Beklagte dem Geschädigten Hilfe bei der Suche nach einem Mietwagen zugesagt hat, lässt keine andere Bewertung zu. Der Geschädigte hatte den streitgegenständlichen Mietvertrag schon geschlossen. Er war auf einen PKW angewiesen. Ihm war nicht zuzumuten, die Hilfe der Beklagten in Anspruch zu nehmen, hierdurch Beeinträchtigungen bei der Nutzung eines PKW hinzunehmen, um den Schaden möglichst gering zu halten.

4.

Die Kammer folgt schließlich auch nicht dem Einwand der Beklagten, mit Rücksicht auf ersparte Eigenaufwendungen seien weitere Abzüge von dem Klageanspruch geboten. Richtig ist, dass von der Rechtsprechung ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen von 10 % anerkannt ist (vgl. hierzu KG, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 22 U 119/13). Diese sind von dem Amtsgericht nicht in Abzug gebracht worden. Dies ist aber unerheblich. Der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, einen gleichwertigen Ersatzwagen anzumieten. Mietet er gleichwohl ein einfacheres Fahrzeug an, widerspricht ein Ersparnisabzug der Billigkeit, weil der Schädiger so in doppelter Weise entlastet würde. So ist der Fall hier. Der VW Passat ist in die Fahrzeugklasse 7 einzuordnen. Abgerechnet wurde mit einem Betrag von 131,37 EUR pro Tag, was in etwa der Einordnung in die Fahrzeugklasse 6 der Schwacke-Liste entspricht. Aber auch hier war der Geschädigte berechtigt, ein klassengleiches Fahrzeug anzumieten, sodass die tatsächliche Abrechnung auf der Grundlage eines klassenniedrigeren Fahrzeugs den Wegfall des Ersparnisabzuges rechtfertigt. Der Berechtigung des Geschädigten ein klassengleiches Fahrzeug anzumieten, steht das Alter des verunfallten Fahrzeuges nicht entgegen. Das bloße Alter eines Fahrzeuges rechtfertigt die Reduzierung der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines gemieteten Ersatzfahrzeuges nicht. Der Geschädigte ist nicht dadurch bereichert, dass er als Ersatz für seinen Altwagen ein neueres Fahrzeug mietet (vgl. KG a.a.O., m.w.N.). Ob es aufgrund seines Alters geboten ist, ihn in die Fahrzeugklasse 6 einzuordnen, kann dahinstehen, da auf dieser Basis abgerechnet wurde.


Das Gericht legt der Beklagten daher - auch aus Kostengründen - die Rücknahme der Berufung nahe. Gelegenheit zur Stellungnahme besteht bis zum 30.10.2015.

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Bedeutung für die Praxis: Das Gericht sieht keinen Grund, sich genauer mit der Geeignetheit der Schwackeliste zu befassen, denn die Argumentation der Beklagten mittels Internetscreenshots wird nicht als konkreter Sachvortrag zur Erschütterung einer Schätzgrundlage angesehen. Damit erscheint die Linie des Gerichtes BGH-konform.

 

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