Mietwagenrecht§wi§§en aktuell KW 51 14

 

Landgericht Koblenz 6 S 284/14 vom 11.11.2014

1. Das klageabweisende Urteil des Erstgerichtes wird in der Berufung aufgehoben. Dem Geschädigten werden die Restforderungen aus Mietwagenkosten zugesprochen.
2. Die Schadenhöhe darf nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden.
3. Das Gericht teilt die vom Kläger vorgebrachten Bedenken gegen die Anwendung der Fraunhoferliste, insbesondere zur reduzierung der Daten auf nur 6 Anbieter, die Nichtberücksichtigung des regionalen Marktes und die Verzerrung der Ergebnisse durch die Annahme einer erheblichen Vorbuchungsfrist.
4. Das Gericht schätzt den Normaltarif nach § 287 ZPO anhand der Schwackeliste-Automietpreisspiegel.
5. Konkrete Mängel und wie sich diese ggf. auf den streitgegenständlichen Fall auswirken, sind nicht ersichtlich, auch nicht durch die Vorlage der Mietwagen-Preisliste zum Werkstattersatz durch die Beklagte.

Zusammenfassung: Das Landgericht Koblenz bekräftigt seine Überzeugung, dass die Fraunhoferliste durch die Methode der Datenerhebung keine verwendbare Schätzgrundlage von Mietwagenkosten darstellt.

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Landgericht Koblenz 6 S 284/14 vom 11.11.2014
(Vorinstanz Amtsgericht Koblenz 161 C 13/14)

Im Namen des Volkes


Urteil


In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Schadensersatz

hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX, die Richterin am Landgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2014 für Recht erkannt:

1.    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 21.05.2014, Az. 161 C 13/14, abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 783,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2013 zu zahlen.

2.    Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Gründe:


I.

Die Parteien streiten um die Erstattung restlicher Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall, der sich am 13.09.2013 in XXX ereignete. Die volle Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Amtsgericht Koblenz hat durch Urteil vom 21.05.2014 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stünde kein weitergehender Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten zu. Der Preisliste des Autohauses XXX sei zu entnehmen, dass dieses üblicherweise einen Pkw, wie den hier genutzten, zu einem deutlich günstigeren Mietpreis vermiete. Die Berechnung der Mietwagenkosten auf der Grundlage des Fraunhofer-Mietpreisspiegels sei daher angemessen.

Gegen dieses Urteil, das dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 26.05.2014 zugestellt worden ist, haben die Beklagten am 23.06.2014 Berufung eingelegt und diese am 25.08.2014 begründet (BI. 53 ff. d. GA).

Der Kläger rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs. Er trägt vor, der Tarif aus der „Servicetarifliste" des Autovermieters wäre dem Kläger in dem konkreten Fall nicht gewährt worden. Zudem stelle die Fraunhofer-Liste keine geeignete Schätzgrundlage dar, vielmehr sei die Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten auf der Grundlage der Schwacke-Liste vorzugswürdig.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 783,00 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2013 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und weisen darauf hin, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Tatrichter überlassen sei, ob und gegebenenfalls welche Listen er seiner Schadensschätzung gemäß § 287 BGB zugrunde lege.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der Kläger kann von den Beklagten gemäß §§ 7, 17 StVG i.V.m. § 115 VVG, §§ 249 ff. BGB restliche Mietwagenkosten in Höhe der Klageforderung verlangen.

Wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (BGH, Urteil vom 12.04.2011 - VI ZR 300/09, zit. nach juris, m.w.N.).

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters (vgl. BGH, a.a.O.). Die Art der Schätzgrundlage gibt § 287 BGB nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen dürfen nicht außer Acht bleiben. Danach ist der Tatrichter grundsätzlich weder gehindert, seiner Schadensschätzung die Schwackeliste noch den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde zu legen. Der Tatrichter kann im Rahmen seines Ermessens unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von diesen abweichen (BGH, Urteil vom 18.12.2012 - VI ZR 316/11, zit. nach juris).

Das Amtsgericht hat im Hinblick auf die mit der Klageerwiderung vom 17.02.2014 vorgelegte Preisliste der Autovermietung (BI. 17 d. GA) die von den Beklagten vorgenommene Berechnung des Herstellungsaufwandes unter Zugrundelegung der Erhebungen des Fraunhofer-Instituts als angemessen und die mit der Klage geltend gemachten darüber hinausgehenden Mietkosten daher als nicht erforderlich erachtet.

Demgegenüber wendet die Berufungskammer in ständiger Rechtsprechung bei der Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten nicht den Fraunhofer-Mietpreisspiegel, sondern die Schwacke-Liste an. Insoweit teilt sie die von dem Kläger in der Berufungsbegründung vorgebrachten Bedenken gegen die Geeignetheit des Fraunhofer-Mietpreisspiegels zur Ermittlung ortsüblicher Tarife (vgl. Bl. 55 ff. d. GA). Insbesondere weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass Preiserhebungen durch das Fraunhofer-Institut nur bei sechs großen Anbietern und beschränkt auf ein- und zweistellige Postleitzahlgebiete mit einer Vorbuchungsfrist von einer Woche erfolgen. Dies wird der typischen Anmietsituation nach einem Unfall, bei der das Fahrzeug in der Regel kurzfristig benötigt wird, nicht gerecht. Die Beklagten sind diesen Einwänden nicht entgegengetreten.

Der Kammer ist es auch nicht verwehrt, eine andere Schätzungsgrundlage als das Amtsgericht zu wählen. Das Berufungsgericht kann im Fall einer auf § 287 ZPO gründenden Entscheidung den Prozessstoff auf der Grundlage  der  nach § 529 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachen ohne Bindung an die Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts selbstständig nach allen Richtungen von neuem prüfen und bewerten. Selbst wenn es die erstinstanzliche Entscheidung zwar für vertretbar hält, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, darf es nach seinem Ermessen eine eigene Bewertung vornehmen (BGH, Urteil vom 12.04.2011 - VI ZR 300/09, zit. nach juris).

Unter Zugrundelegung der Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlage wären die hier geltend gemachten restlichen Mietwagenkosten damit in voller Höhe erstattungsfähig.

Allerdings bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, dann, aber auch nur dann, der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH, Urteil vom 18.12.2012 - VI ZR 316/11, zit. nach juris).

Nach Auffassung der Berufungskammer haben die Beklagten vorliegend keine derartigen Tatsachen dargetan, insbesondere genügen hierfür nicht die zu den Akten gereichten Preislisten (BI. 17, 36 d. GA) des Mietwagenunternehmens. Zurecht wendet der Kläger in diesem Zusammenhang ein, eine Anmietung zum sog. Servicetarif (vgl. BI. 36 d. GA) sei für ihn seinerzeit nicht in Betracht gekommen, da unbestritten der vergleichsweise niedrige Servicetarif nur für den Fall der Wartung/Inspektion, nicht aber bei Reparatur eines Unfallfahrzeugs gewährt werde.

Doch auch die mit Schriftsatz vom 17.02.2014 von den Beklagten übermittelte Preisliste (BI. 17 d. GA) begründet noch keinen Mangel der Schätzgrundlage. Die voraussichtliche Dauer der Reparaturarbeiten war zum Zeitpunkt der Anmietung noch nicht bekannt, so dass der Wochentarif ausschied. Die Preise stellen jeweils Mindestpreise dar („ab"), die erst „je nach Anlass" individuell kalkuliert werden. Zudem ist grundsätzlich mit Kreditkarte zu zahlen; „nur in Ausnahmefällen und nach vorheriger Absprache" ist eine Anmietung mit Bargeld/EC-Karte möglich.

Damit ist der Vortrag der Beklagten nicht geeignet, die Tauglichkeit der von dem Kläger herangezogenen Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlage zu erschüttern.

Von den danach insgesamt zu erstattenden Mietwagenkosten in Höhe von 1.818,30 € brutto (vgl. Rechnung vom 02.10.2013, BI. 4 d. GA) hat die Beklagte zu 2) bereits 1.035,30 € gezahlt, so dass die Klage in Höhe des Differenzbetrages von 783,00 € begründet ist Dass dem Kläger in der konkreten Situation ein günstigerer Normaltarif ohne Weiteres zugänglich gewesen wäre und deshalb nach § 254 BGB niedrigerer Schadensersatz zu leisten ist, haben die insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht bewiesen.

Der Zinsanspruch ist nach §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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Bedeutung für die Praxis: Die beklagte Versicherung versuchte, eine Werkstattersatz-Preisliste des Vermieters so in den Prozess einzubringen, als seinen darin Normaltarife abgebildet. Das Gericht durchschaute das und wies diesen Versuch zurück. Die Bedürfnisse des Geschädigten nach einer besonderen Dienstleistung wurden vom Gericht erkannt (Mietdauer unbekannt, Wochentarif nicht anwendbar, Vorauszahlungspflicht mittels Kreditkarte nicht erfüllbar).

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