Mietwagenrecht§wi§§en aktuell KW 50 14

 

Landgericht Duisburg 12 S 26/14 vom 27.11.2014

1. Das Berufungsgericht wendet zur Schätzung des Normaltarifes entgegen der vorinstanzlichen Entscheidung die Schwackeliste an und sieht die Fraunhoferliste als weniger geeignet an, da sie internetlastig ist, nicht den regionalen Markt des Geschädigten betrachtet und nicht neutral erscheint.
2. Eine Mittelwertbildung ist bereits aufgrund der Schwächen der Fraunhoferliste abzulehnen. Zudem basieren beide Listen auf vollkommen verschiedenen Methoden, deren Ergebnisse nicht gemischt werden können.
3. Die Beklagte hat keine konkreten Mängel der Schwacke-Methode und deren Auswirkungen auf den Fall aufgezeigt, deshalb bedarf die Eignung der Schwackeliste keiner Klärung.
4. Eine Herabstufung der Mietwagengruppe aufgrund eines älteren Geschädigtenfahrzeuges ist nicht gerechtfertigt.
5. Aufgrund erforderlicher unfallbedingter Mehrleistungen ist ein 20%iger Aufschlag auf den Normaltarife zu erstatten.

Zusammenfassung: Auf die Berufung der Klägerin hin werden restliche Mietwagenkosten vollständig zugesprochen. Das Berufungsgericht stellt dar, dass die Mängel der Fraunhoferliste auch die Bildung eines Mittelwertes aus Schwacke und Fraunhofer ausschließen. 

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Landgericht Duisburg 12 S 26/14 vom 27.11.2014
(Vorinstanz Amtsgericht Oberhausen 37 C 2691/13)

Im Namen des Volkes


Urteil


In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg auf die mündliche Verhandlung vom 06.11.2014 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX, die Richterin am Landgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX für Recht erkannt:


Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 13. März 2014 - Az. 37 C 2691 / 13 - abgeändert und wie folgt neugefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 926,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2013 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 130,50 Euro zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten unter Berücksichtigung des Schwacke-Mietpreisspiegels die Zahlung restlicher Mietwagenkosten. Die Beklagte ist der Ansicht, die zu berücksichtigenden Mietwagenkosten seien nach dem Fraunhofer-Mietpreisspiegel zu berechnen. Mit Urteil vom 13. März 2014 hat das Amtsgericht der Klägerin unter Bildung eines Mittelwertes aus beiden Mietpreisspiegeln einen Teil der Klageforderung zugesprochen. Gegen dieses ihr am 13. März 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. März 2014 Berufung eingelegt und diese am 25. April 2014 begründet. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte verteidigt nunmehr die Entscheidung des Amtsgerichts. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Im Übrigen wird gemäß §§ 540 II, 313a I ZPO von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes abgesehen.

II.

Die zulässige - insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete ­ Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg, weshalb das angefochtene Urteil auf die Berufung - wie geschehen - abzuändern war.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Zahlung (restlicher) Mietwagenkosten zu.

Gemäß § 249 II Satz 1 BGB kann der Ersatz von Mietwagenkosten insoweit verlangt werden, als diese erforderlich waren. Erforderlich sind die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch, in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2011, Az. VI ZR 300 I 09 ). Unter diesen Voraussetzungen stellen die geltend gemachten Mietwagenkosten einen erforderlichen Herstellungsaufwand dar.

Die Schadenshöhe konnte insoweit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gemäß § 287 ZPO geschätzt werden (vgl. BGH, a. a. 0.).

Es können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in geeigneten Fällen auch Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012, Az. VI ZR 316 I 11 m. w. N. ). Nach diesen Grundsätzen ist der Tatrichter grundsätzlich weder gehindert, seiner Schadensschätzung die Schwacke-Liste noch den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde zu legen (vgl. BGH, a. a. 0.).

Allerdings ist es auch zulässig, dass das Berufungsgericht eine andere Schätzungsgrundlage als das Amtsgericht wählt (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2011, Az. VI ZR 300 I 09 ). Denn die Kammer ist befugt, den Prozessstoff ohne Bindung an die Ermessensausübung des Erstgerichts selbständig nach allen Richtungen von neuem zu prüfen und zu bewerten (vgl. insoweit BGH, a. a. o.). Selbst, wenn es die amtsgerichtliche Entscheidung zwar für vertretbar hält, letztlich aber unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, darf es nach seinem Ermessen eine eigene Bewertung vornehmen (vgl. BGH, a. a. 0.).

Für die Frage, welche Mietwagenkosten erforderlich waren, aber greift die Kammer auf die Werte der Schwacke-Liste zurück.

Denn die Preisliste des Fraunhofer-Instituts erscheint zur Ermittlung der erforderlichen Kosten weniger geeignet, da sie ein ungenaueres Postleitzahlengebiet berücksichtigt (und damit zu grob in der Fläche ist), „internetlastig" ist und nur die Angebote der größten Autovermieter beinhaltet. Zudem spricht gegen diese Liste, dass deren Erstellung vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. in Auftrag gegeben wurde und damit nicht ohne weitere Überprüfung als unabhängige Erhebung angesehen werden kann. Eine Kombination beider Liste ist nach Auffassung der Kammer nicht angezeigt. Dies gilt bereits aufgrund der vorstehend aufgezeigten „Schwächen" der Fraunhofer•-Liste, aber auch deshalb, weil beiden Listen vollkommen unterschiedliche Erhebungsmethoden zugrunde liegen und damit die wissenschaftlichen Grundlagen jeder der beiden Erhebungen zerstört würden.

Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012, Az. VI ZR 316 / 11 m. w. N.). Die Anwendung der Listen durch den Tatrichter begegnet also nur dann Bedenken, wenn die Parteien deutlich günstigere bzw. ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufzeigen (vgl. BGH, a. a. 0.). Dies erfolgte im vorliegenden Berufungsverfahren nicht.

Eine Herabstufung aufgrund des Fahrzeugalters ist nach Auffassung der Kammer nicht gerechtfertigt, da weder dargetan noch sonst ersichtlich ist, dass der Gebrauchswert des geschädigten Fahrzeuges derart herabgesetzt gewesen war, dass eine solche Herabstufung angemessen wäre. Kraftfahrzeuge erhalten ihren Gebrauchswert in der Regel über einen langen Zeitraum. Zutreffend hat das Amtsgericht für die unfallbedingten Mehrleistungen des Autovermieters (Vorfinanzierung; höheres Ausfallrisiko u. a.) gemäß § 287 ZPO einen pauschalen Aufschlag von 20 % vorgenommen (vgl. Palandt, BGB, 73. Auflage, § 249 Rn. 33 mit weiteren Nachweisen).

Auch der Abzug von 10 % für die ersparten Eigenaufwendungen ist nicht zu beanstanden (vgl. Palandt, BGB, 73. Auflage, § 249 Rn. 36 mit weiteren Nachweisen). Im Rahmen der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung allein hinsichtlich dieses Teilaspektes der Berechnung auf einen konkret angefallenen Betrag abzustellen, erscheint der Kammer nicht gerechtfertigt.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ermittelte sich der durch die Kammer ausgeurteilte Betrag nach alledem wie folgt:

Brutto-Schwackewerte: 1.009,70 Euro (gewichtetes Mittel ist nicht zu beanstanden),
zuzüglich 20 % Aufschlag für unfallbedingte Mehrleistungen: 201,94 Euro,
abzüglich 10 % für ersparte Eigenaufwendungen: 100,97 Euro,
abzüglich vorprozessualer Zahlung der Beklagten: 164,30 Euro
= 946,37 Euro.

Dieser grundsätzlich zuzubilligende Betrag liegt letztlich sogar geringfügig über dem von der Klägerin beanspruchten Betrag, über den die Kammer gemäß § 308 I ZIPO nicht hinausgehen durfte.

Anspruch auf die ausgeurteilten vorgerichtlichen Anwaltskosten und die gesetzlichen Zinsen hat die Klägerin aus Verzugsgesichtspunkten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 697,39 Euro

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Bedeutung für die Praxis: Die Rechtsprechung dieses Berufungsgerichtes ist aufgrund ihrer eindeutigen Ablehnung des Mittelwertes interessant. Die Richter begründen ihre Auffassung ausführlich. Sie sehen so gravierende Unterschiede in den Erhebungsmethoden, dass sie es ablehnen, die Ergebnisse in einen Topf zu werfen und dem Geschädigten Steine statt Brot zu geben.

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