Landgericht Lübeck 1 S 63/16 vom 28.10.2016
1. Das Berufungsgericht bestimmt den Normaltarif nach dem Mittelwert der Listen von EurotaxSchwacke und Fraunhofer (§ 287 ZPO).
2. Von der Beklagten vorgelegte Internetangebote und den dazu aufgestellten Behauptungen ins Blaue hinein erschüttern die Schätzgrundlage nicht.
3. Aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation ist in der Regel ein Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 20 % erforderlich.
4. Anzuwenden ist der arithmetische Mittelwert einer Liste, da es beim Modus zu Verzerrungen kommen kann.
5. Bei Vereinbarung einer Selbstbeteiligung unter 500 Euro sind anfallende Mehrkosten zu erstatten.
6. Kosten für andere Nebenleistungen wie Winterreifen, Anhängerkupplung, Zustellung, Zusatzfahrer und Navigationsgerät sind der Schwackeliste zu entnehmen.
Zusammenfassung: Das Gericht wendet in ständiger Rechtsprechung die Methode des Mittelwertes der Schätzlisten an. Anders als die Beklagte meint, befindet sich nicht die Anwendung der Fraunhoferliste, sondern allenfalls die Anwendung der Mittelwert-Methode aus beiden Listen im Vordringen. Auf den Normaltarif ist bei einer Vermietung nach einem Unfall ein Aufschlag in Höhe von 20 Prozent zuzusprechen. Das Berufungsgericht hat sich darüber hinaus sehr detailliert mit den Beweislastregeln rund um die Mietwagenkostenerstattung befasst und es der Beklagten auferlegt, die Zugänglichkeit zu günstigeren Angeboten zu beweisen, wenn sie den erforderlichen Betrag nicht bezahlen will.
Bedeutung für die Praxis: Die Mittelwertmethode, die die Berufungskammer in ständiger Rechtsprechung anwendet, soll beiderseitige Bedenken gegen eine Schätzgrundlage ausgleichen. Trotzdem nicht nachlassende Angriffe der Beklagten gegen die Schwackeliste weist das Gericht vor allem deshalb zurück, weil die Argumente unkonkret und ins Blaue hinein aufgestellt sind. Das Gericht berechnet aus dem Wochenpreis einer Liste einen Tageswert und multipliziert diesen mit der Anzahl der Miettage. Das lässt unberücksichtigt, dass der Vermieter in der Regel ad hoc vermietet und das Mietende nicht kennt. Tagespreise oder zumindest die Anwendung von Tages-, 3-Tages- und Wochentarifen je nach Mietdauer wären statt dessen nachvollziehbar. Die Begründung des Gerichtes trägt in diesem Punkt nicht, denn es ist nicht so, dass im Mietwagenmarkt Reservierungen oder Mieten grundsätzlich kostenfrei abgebrochen oder abgesagt werden können. Die Prüfung eines Aufschlages auf den Normaltarif wegen Besonderheiten der Unfallsituation kann sich darauf beschränken, ob spezifische Leistungen des Vermieters für den Unfallgeschädigten allgemein einen pauschalen Aufschlag rechtfertigen. Als rechtfertigende Gründe kommen in Betracht die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls wegen Haftungsquote, die Auslastungsminderung wegen kurzfristiger Anmietungen und unbekanntem Rückgabezeitpunkt, fehlende Sicherheiten, ein erhöhter Verwaltungsaufwand, Umsatzsteuervorfinanzierung usw. Zur Zugänglichkeit findet das Gericht eine ebenso deutliche Position: Der Geschädigte muss nicht von sich aus vortragen oder Beweis dafür anbieten, dass er zur Vorfinanzierung nicht in der Lage war (§ 254 BGB). Ebenso muss er nicht beweisen, dass ihm kein günstigerer Tarif zugänglich war, sofern sich der Tarif im Rahmen der erforderlichen Kosten des Normaltarifes und inklusive eines Aufschlages bewegt. Es hätte statt dessen die Beklagte beweisen müssen, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif für eine vergleichbare Leistung bekannt und verfügbar gewesen ist, sofern sie erreichen möchte, dass der erforderliche Betrag nicht erstattet zu werden braucht. Zur Höhe der erstattungsfähigen Beträge für Nebenleistungen wird die häufig anzutreffende Rosinenpickerei abgelehnt, bei der die jeweils günstigeren Werte aus der Rechnung oder aus der Liste genommen werden. Das Gericht lehnt das ab, nimmt damit in korrekter Weise eine Betrachtung des Gesamtpreises und nicht nur von Einzelwerten vor und verwendet wenn zum Normaltarif, dann auch zu den Nebenkosten die Werte aus der Liste.
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