Preisvorgabe: DEVK-Schreiben zeigen, wie Versicherungen tricksen

Der BGH meint:

„Ein Unfallgeschädigter kann aufgrund der ihn gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB treffenden Schadensminderungspflicht auch dann gehalten sein, ein ihm vom Kfz-Haftpflichtversicherer vermitteltes günstigeres Mietwagenangebot in Anspruch zu nehmen, wenn dem günstigeren Angebot ein Sondertarif zugrunde liegt, der ihm ohne Mithilfe des Versicherers außerhalb eines Unfallersatzgeschäfts nicht zur Verfügung stünde ..:“
(BGH, Urteil vom 12. Februar 2019 – VI ZR 141/18, Leitsatz), z.B. hier: https://openjur.de/u/2136038.html

Die aktuellen Schreiben der DEVK sehen so aus: Schreiben Preisvorgabe der DEVK an Geschädigten-Anwalt vom 29.07.2025

Darin findet sich nach der Preisnennung folgende Formulierung:

„Die Preisbenennung erfolgt in der Regel anhand der von Ihnen mitgeteilten KW-Zahl und der weiteren Informationen zum Fahrzeug. Sollte sich dennoch im Rahmen der Anmietung herausstellen, dass Ihnen aufgrund des Fahrzeugtyps und/oder der gehobenen Ausstattung Ihres Fahrzeuges eine höhere Preisklasse zusteht, werden Sie kostenfrei ein Upgrade, bzw. ein höherwertiges, mit Ihrem Fahrzeug vergleichbares Fahrzeug erhalten.“

Das zeigt:

  1. Die DEVK arbeitet bei der Auswahl von (un-)passenden Ersatzfahrzeugen nur mit der Motorleistung. Mit der KW-Angabe lässt sich jedoch kein vergleichbares Fahrzeug festlegen. Denn z.B. ein 90-PS-Fahrzeug kann ebenso ein Fahrzeug der Mietwagenklasse 02 sein (Dacia Sandero, 91 PS) wie ein Fahrzeug der Mietwagenklasse 05 (Skoda Fabia 1.0 TSI Monte Carlo).
  2. „in der Regel“ dürfte eher nicht so zu verstehen sein, dass man in einigen Fällen auch mit der korrekten Mietwagenklasse arbeitet. Sondern es steht zu vermuten, dass auch dann eine Preisvorgabe erfolgt, wenn man gar keine Anhaltspunkte für ein vergleichbares Ersatzfahrzeug hat. Dann wird sicherlich einfach irgend etwas hergenommen nach dem Motto, die meisten fahren ein Fahrzeug der Klasse 05 oder 06. Denn oberste Maxime der Versicherer ist es, dass man dem Geschädigten schnell eine Vorgabe macht, die man ihm später als Maximalpreis vorhalten kann. Dass die Vorgabe Unsinn ist, werden Geschädigte und ihre Anwälte in vielen Fällen gar nicht hinterfragen, geschweige denn, die Vorgabe ignorieren und sich den passenden Schadenersatz beim regionalen Vermieter zum angemessenen Marktpreis selbst suchen. So müsste es im Interesse des Geschädigten aber sein.
  3. Die DEVK geht selbst davon aus, dass sie den Fahrzeugtyp und die Ausstattung des beschädigten Unfallwagens nicht kennt und dass das von hoher Bedeutung für den Anspruch des Geschädigten ist. Und sie schlussfolgert richtig, dass sie zu niedrigen Ersatz anbietet und verspricht sodann irgendein Upgrade.
  4. Schlussfolgerung schadenrechtlich: Die DEVK hat keine Kenntnis vom Anspruch des Geschädigten, weil sie das beschädigte Fahrzeug entweder noch nicht kennt oder dessen konkrete Beschaffenheit ignoriert. Daher kann sie auch kein konkretes und passendes Fahrzeug vermitteln.
  5. Schlussfolgerung wettbewerbsrechtlich: Es steht zu vermuten, dass der mit der DEVK kollaborierende Vermieter im Fall eines Upgrades auch einen höheren Preis von der DEVK verlangt. Das wäre wettbewerbsrechtlich bedenklich, denn die DEVK hat den Auftrag für den Ersatzwagen an sich ziehen können, weil sie einen bewusst niedrigen Preis vorgegeben hatte. Dann wurde dieser Auftrag dem freien Mietwagenmarkt mit einer Falschangabe entzogen.
  6. Die Erstschreiben und Anrufe der Versicherer bereits an der Unfallstelle oder kurz danach kommen also so früh, dass dem Versicherer des Unfallgegners die zwingend notwendigen Informationen für ein konkretes und annahmefähiges Angebot noch nicht vorliegen.
  7. Geschädigte merken im Zweifel auch gar nicht, dass ihnen durch ein um drei Mietwagenklassen kleineres Fahrzeug ein erheblicher Teil ihres Schadenersatzanspruches verloren geht, wenn sie vom Kooperations-Vermieter der DEVK für einen beschädigten Skoda Fabia einen Dacia Sandero gestellt bekommen.
  8. Der Versuch der DEVK, die Unzulänglichkeit der für ein annahmefähigen Angebot notwendigen Daten mit einem nebulösen Upgrade-Versprechen zu heilen, ist zum Scheitern verurteilt. Denn er zeigt das Problem der DEVK auf, dass sie zu früh Preisvorgaben anbringen will, die dann wegen nicht vorliegender Daten kein passendes Angebot darstellen können, das den Geschädigten an den genannten Preis binden würde.

Kontrollüberlegung:

Dass die hier geäußerten Auffassungen korrekt ist, lässt sich leicht überprüfen.

Der Geschädigte entscheidet noch immer grundsätzlich selbst, wo er sich einen Ersatzwagen besorgt. Er bekommt im Fall einer regelkonformen Preisvorgabe nur nicht mehr Geld vom Schädiger.

Hat er oder wie hier sein Rechtsanwalt eine (vermeintlich regelkonformen und dadurch verbindliche) Preisvorgabe erhalten, muss er andere Angebote des freien Marktes daneben legen und prüfen können, ob auch ein anderer Anbieter bereit ist, ihm zu diesem Preis einen Ersatzwagen zu vermieten. Immerhin geht er einen in vielen Details (über den Preis hinaus) zu bewertenden Mietvertrag ein mit Verpflichtungen bis hin dazu, Schadenersatz für Schäden am Mietwagen zu leisten. Geht er nun mit dem Preis von 53,00 Euro zu anderen Anbietern und ist dieser Betrag falsch, weil die DEVK die Zahl nur erst einmal so in völliger Unkenntnis in den Ring geworfen hat, dann ist das Konstrukt der DEVK schadenrechtlich vor dem Hintergrund des § 254 BGB vollkommen untauglich. Denn es liegt dann kein konkretes und für den Geschädigten annahmefähiges und ihn damit auf den Preis verpflichtendes Angebot des gegnerischen Versicherers vor.

Was zu tun ist:

Der Geschädigte sollte sich daher nach Eingang eines solchen vagen Schreibens beim Autohaus oder bei einem regional ansässigen Vermieter nach einen Ersatzwagen erkundigen, die Preisliste einsehen, seine Rechte mit einem eigenen Anwalt besprechen und eine Forderungsabtretung unterschreiben, damit sich der Vermieter selbst um den Forderungsausgleich beim Gegner-Versicherer kümmern kann.

Anwälte sollten ihre Mandanten ermuntern, einen Ersatzwagen zum Marktpreis anzumieten und die DEVK gerichtlich zur Zahlung der Differenz zu verklagen.

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