Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 51/25

Amtsgericht Euskirchen 103 C 131/24 vom 09.12.2025

  1. Es liegt kein Verstoß gegen die Schadenminderungs-Obliegenheit darin, dass der Geschädigte ein Schreiben des gegnerischen Versicherers und den darin genannten Höchstpreis nicht beachtet hat.
  2. Zur Schätzung des Normaltarifes der erforderlichen Mietwagenkosten wird das arithmetische Mittel der Schwacke-Liste verwendet.
  3. Es waren unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters erforderlich. Ein Aufschlag von 20 Prozent auf den Grundbetrag der Mietwagenkosten erscheint daher angemessen.
  4. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für einen Haftungsausschluss (SB=0), Winterreifen, Zustellen und Abholen sowie eine Zusatzfahrer-Erlaubnis sind ebenso vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zu erstatten.

Zusammenfassung:

Das Amtsgericht Euskirchen weist den Vorwurf der Verletzung der Schadenminderungspflicht durch den Geschädigten zurück. Die erforderlichen Kosten werden mit Schwacke und Aufschlag bestimmt, Nebenkosten kommen hinzu.

Bedeutung für die Praxis:

Enthält ein Versicherer-Schreiben an die/den Geschädigte/n kein konkretes Angebot, begründet es auch keine Obliegenheit für den Geschädigten, sich beim Versender oder einem der im Schreiben genannten Vermieter zu melden.
Der Geschädigte durfte daher zum üblichen Marktpreis beim Autovermieter um die Ecke anmieten, denn die Beklagte hatte ihm kein hinreichend konkretes und annahmefähiges Angebot unterbreitet, auch wenn sie es anders darstellte. Woran hapertes es: Die gegnerische Versicherung gab in ihrem Schreiben an, der Geschädigte bekäme ein Fahrzeug „derselben“ Schwacke-Mietwagenklasse zu einem Tagespreis von 59 Euro. Doch sie nannte das konkrete Fahrzeug nicht. Daher konnte sich der Geschädigte nicht darüber informieren, ob es sich tatsächlich um ein vergleichbares Fahrzeug zu seinem unfallbeschädigten Fahrzeug handelte. Er hätte die „Katze im Sack“ nehmen müssen.
Auch in Bezug auf die Nebenkosten blieb die gegnerische Versicherung in ihrem „Angebot“ vage. Pauschal stand dort, „alle Nebenkosten“ seien enthalten, ohne diese vollständig zu nennen. Da die Beklagte davon ausgegangen sein dürfte, dass ein Geschädigter weder sein Recht kennt, eine Haftungsreduzierung von Null Euro zu verlangen, noch den Mietwagen genauso zu nutzen wie er sein eigenes Fahrzeug genutzt hatte, wird sie hier erhebliches Sparpotential gesehen haben. Denn ein Geschädigter, der seine Rechte nicht kennt, kann auch nicht darauf achtgeben, dass sie erfüllt werden.
Eine Besonderheit im Prozess offenbart die Art des Denkens des Versicherers. Außergerichtlich bezahlt hatte die Beklagte einen noch niedrigeren Betrag als den gegenüber dem Geschädigten genannten. Das erfolgte mit der Begründung, dass der Kooperationspartner-Autovermieter bei einer so langen Ausfalldauer einen noch weit niedrigeren Betrag berechnet hätte. Sie bezog sich dabei auf ihren Vertrag mit dem Kooperationspartner. Das Motto: Hätte der Geschädigte dort gemietet, hätte sie noch weniger bezahlt als den Betrag, den sie im Schreiben an den Geschädigten genannt hatte. Die Beklagte macht also ihren Vertrag zur Regulierungsgrundlage, obwohl es hier um den Schadenersatzanspruch des Geschädigten geht. Was sie dem Geschädigten zuvor mittteilte, ist nicht die Grundlage ihrer Zahlungsbereitschaft. Das Recht des Geschädigten erscheint nicht relevant.
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt betrifft die Frage der Mietwagenklasse. In dem hier zu kommentierenden Fall hatte der Geschädigte ein um mehrere Klassen kleineres Fahrzeug angemietet und so mit verringerten Kosten zum Vorteil des Schädigers  gespart. Das wurde von diesem jedoch – wie sicherlich zu erwarten – nicht honoriert. In solchen Fällen von mehrere Klassen kleineren Ersatzfahrzeugen liegt die Überlegung nahe, ob die geforderte Summe der Mietwagenkosten wirklich so streng auf den Schätzwert herunterzustreichen ist. Liegt die Summe, die Grundlage des Schadenersatzanspruches ist, nicht allzu weit weg von einem Listenschätzwert des vermieteten Fahrzeuges, wäre es entsprechend Treu und Glauben unbillig, sie auf den reinen Schätzbetrag/Mittelwert zu kürzen. Es soll dabei nicht der Idee zum Munde geredet werden, einen Wagen der Klasse 01 zu einem Preis der Klasse 10 zu vermieten und Klasse 10 zur Grundlage der Schadenregulierung zu machen. Doch spart der Geschädigte überobligatorisch, sollte er im Anschluss nicht auf Kosten sitzen bleiben, die nur geringfügig über dem Mittelwert aus Schwacke liegen.
Die Schätzung der erforderlichen Kosten des Normaltarifes mittels Schwacke begründete das Gericht damit, dass für die Mietwagenklasse, auf die abzustellen ist, keine Fraunhofer-Werte verfügbar sind.

Hinweis:

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 

 

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