Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 45/25

Amtsgericht Leverkusen 21 C 210/24 vom 10.06.2025
- Die von der beklagten Versicherung des Unfallverursachers an den Geschädigten per E-Mail gesendeten Informationen stellen kein annahmefähiges Mietwagenangebot dar.
- Wenn sich die Beklagte darauf beruft, zum Zeitpunkt ihres „Angebotes“ noch zu wenige Informationen zum Schadenersatzanspruch des Geschädigten gehabt zu haben, kann sie daraus keinen Anspruch nach § 254 BGB für sich ableiten.
- Der Geschädigte war daher nicht an den von der Beklagten vorgegebenen Preis des Ersatzwagens gebunden und konnte stattdessen bei einem anderen Anbieter zum Marktpreis anmieten.
- Die hier unterhalb des Mischmodells (arithmetisches Mittel aus dem arithmetischen Schwacke-Mittel und dem arithmetischen Fraunhofer-Mittel) liegenden Mietwagenkosten sind vollständig erstattungsfähig.
- Auch die Kosten der erforderlichen Nebenleistungen sind vom Schädiger oder seinem Versicherer zu ersetzen.
Zusammenfassung:
Das Amtsgericht Leverkusen spricht dem Geschädigten einen geforderten Schadenersatz bzgl. restlicher Mietwagenkosten vollständig zu und greift dazu auf das Mischmodell zurück, zuzüglich Nebenkosten. Die Auffassung des Schädigers, er hätte dem Geschädigten rechtzeitig ein annahmefähiges Angebot unterbreitet, das diesen an den genannten Preis binden würde, wird ausführlich zurückgewiesen.
Bedeutung für die Praxis:
Relevant sind die im Urteil formulierten Begründungen, warum der Versuch der Preisvorgabe gescheitert ist. Es geht um das angeblich verfügbare Fahrzeug, um die begrenzten Möglichkeiten der Versicherer, schnell UND konkret zu sein und nach Meinung des Autors auch um den Weg per E-Mail.
Die Vorgaben des BGH sind hier sinnvoll und nachvollziehbar umgesetzt worden. Der BGH im Urteil vom 26.04.2016, Az. VI ZR 563/15: „Da die genauen Übergabemodalitäten (sinnvollerweise) dabei unmittelbar zwischen dem von der Beklagten vermittelten Mietwagenunternehmen und dem Kläger vereinbart werden können, musste dem Kläger – entgegen der Ansicht der Revision – nicht bereits seitens des Haftpflichtversicherers mitgeteilt werden, wo sich das Fahrzeug befindet und ab wann es konkret zur Verfügung gestellt wird.“ Versicherer leiten daraus ab, dass sie nur einen Preis für irgendein Fahrzeug in den Raum werfen müssen, um den Geschädigten an den genannten Preis zu binden, auch wenn sie seinen Anspruch noch nicht kennen. Wenn sie sich irren sollten, würde das sicherlich später auf kulante Weise korrigiert. Das Amtsgericht Leverkusen meint dazu, dass ein konkretes individuelles und annahmefähiges Angebot trotzdem das zu vermietende Fahrzeug konkret benennen muss.
Das ist auch nachvollziehbar, denn es muss für den von § 254 BGB Betroffenen möglich sein, zu prüfen, ob das „Angebot“ seinem Schadenersatzanspruch entspricht. Er muss mit dem „Angebot“ in der Hand in der Lage sein, andere Angebote einzuholen, die bei gleichem Preis vielleicht leichter zu erhalten sind oder von einem Vermieter kommen, den er kennt. Dazu gehört zwingend die Angabe des konkret angebotenen Fahrzeuges, denn es könnte ihn, wenn es nicht vergleichbar ist, einen Teil des Schadenersatzanspruches kosten. Und würde man es anders sehen, wäre die heutige Praxis der Versicherer richtig, ohne Fallkenntnis irgendeinen Preis zu nennen, der sich nachweislich oft als falsch herausstellt und später einfach an den Kooperationspartner einen höheren Mietwagenpreis zu zahlen, als dem Geschädigten als Maximalpreis genannt wurde. Weil sich Versicherer weigern, die Mietwagenrechnung der Direktvermittlung an Geschädigte oder ihre Anwälte zu senden, besteht der dringende Verdacht, dass die spätere Mehr-Zahlung derzeit Gang und Gäbe ist.
Die Angebote hatte die Beklagte per Mail gesendet. in dem Fall hatte der Geschädigte umgehend reagiert. Vermutlich geht er einer Bürotätigkeit mit permanentem E-Mail-Zugriff nach. Doch bei vielen Geschädigten ist das anders. Senden Versicherer ihre Preisvorgaben per E-Mail, ist grundsätzlich erst einmal zu rügen, dass sie damit den Geschädigten nicht unbedingt zeitnah erreichen können. E-Mails können schlicht übersehen werden oder auch im Spam-Ordner landen.
Zitat: „Preisvorgabe nur mit konkreter Angabe des Ersatzwagens“
„Diese allgemein gehaltenen Schreiben mit dem pauschalen Hinweis auf den Umfang der Erstattung von Mietwagenkosten durch die Beklagte genügen jedoch auch unter Bezugnahme auf die „Übersicht“ der Beklagten (Anlage 1, Bl. 28 d. GA) nicht den Anforderungen an ein konkretes Mietwagenangebot, auf das die Geschädigte sich verweisen lassen müsste. Es handelte sich bei der „Übersicht“ lediglich um ein allgemein gehaltenes Informationsblatt zur Anmietung eines Ersatzfahrzeugs. Der Hinweis ist allgemein gehalten und gerade nicht in einer Weise erfolgt, welche es der Geschädigten ermöglichte, ohne umständliche Prüfungen und Erkundigungen den Mietwagen anzumieten. Ein Geschädigter kann diesem Informationsblatt nicht konkret entnehmen, welcher Mietwagen bei der Anmietung eines Fahrzeugs unter Berücksichtigung der Fahrzeugklasse des Unfallfahrzeugs ihm zusteht und zu welchem Preis sowie welche Nebenkosten zusätzlich entstehen. (…) Es bleibt dabei, dass erst bei Vorlage eines konkreten Mietwagenangebots eine Schadensminderungspflicht der Geschädigten im Ausnahmefall in Betracht kommt. Es hätte an der Beklagten gelegen, sich gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt genauer über das unfallbeschädigte Fahrzeug bei der Geschädigten informieren, um ein konkretes Mietwagenangebot unterbreiten zu können.“
(Amtsgericht Leverkusen 21 C 210/24 vom 10.06.2025)
Zitat: Dass die Beklagte den Anspruch nicht kennt, kann sie nicht entlasten.“
„Soweit die Beklagte zuletzt vorgetragen hat, mit Schreiben vom 01.02.2024 habe sie der Geschädigten noch kein konkretes Mietwagenangebot unterbreiten können, da zu diesem Zeitpunkt noch kein Schadensgutachten vorgelegen habe und die Beklagte noch keine Kenntnis vom der Fahrzeugklasse des Unfallgeschädigten gehabt habe, so führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung.“
(Amtsgericht Leverkusen 21 C 210/24 vom 10.06.2025)