Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 36/24
Landgericht München I 6 S 7498/22 vom 27.08.2024 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht München 242 C 651/22 vom 23.06.2022)
1. Reguliert die Versicherung des Schädigers vorgerichtlich einen Teilbetrag der Mietwagenrechnung, ist das für den Anspruchsteller nur so zu verstehen, dass der Versicherer sich gegenüber seinem Versicherungsnehmer als deckungspflichtig ansieht und Ansprüche aus dem Haftpflichtschaden grundsätzlich gegenüber dem Anspruchsteller anerkennt. Der Versicherer kann die Frage, ob ein Erstattungsanspruch für den Mobilitätsbedarf besteht, sodann im Gerichtsprozess nicht mehr bestreiten.
2. Die erstinstanzliche Schätzung der Höhe erforderlicher Mietwagenkosten ist nicht zu beanstanden.
3. Der Schädiger hat keinen Anspruch darauf, dass die Rechtsprechung für ihn verlässlich immer gleich erfolgt. Im Übrigen kann eine Entscheidung unter Verwendung der Werte der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel nicht überraschend sein, wenn sich die Klägerin bei der Bezifferung des Anspruchs darauf berufen hatte.
4. Die Anwendung des Mischmodells Fracke erscheint geeignet, die vieldiskutieren Schwächen der Erhebungen von Fraunhofer und Schwacke auszugleichen.
5. Allgemeiner Vortrag der Beklagten und zwei mit dem Fall nicht vergleichbare Internet-Screenshots sind nicht als konkreter Sachvortrag gegen die Anwendung einer Schätzgrundlage anzusehen. Die Internet-Screenshots sind vier Jahre später erstellt und es wird nicht klar, welche Leistungen sie konkret umfassen.
Zusammenfassung: Das Landgericht München I bestätigt eine erstinstanzliche Entscheidung, die nach einem Vergleich mit den Werte der Schwacke-Liste sämtliche restliche Forderungen des Autovermieters zugesprochen hatte. Das erstinstanzliche Gericht hatte ausdrücklich die Verwendbarkeit der Schwacke-Liste betont, die Restforderung belief sich jedoch nur auf einen Forderungsbetrag im Rahmen des Mischmodells Fracke. Daher stellte die Berufungskammer auf Fracke ab. Die wie selbstverständlich vorgetragene Position der Beklagten, in München müsse es nach den Fraunhofer-Werten gehen, wurde durch das Gericht mit klaren Formulierungen verneint.
Bedeutung für die Praxis: Zunächst ist festzuhalten, dass die Beklagte versuchte, den Prozess über die mangelnde Aktivlegitimation zu torpedieren. Sie kam mit Argumenten aus 2008, die der BGH in den Folgejahren gründlich abgeräumt hatte: Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und Unbestimmtheit der Formulierungen des Abtretungstextes. Das Erstgericht sah das bereits grundlegend anders und das Berufungsgericht musste sich damit dann nicht mehr befassen. Die Gerichte teilen die Bedenken der Beklagten wegen angeblich mangelnder Bestimmtheit der Abtretung und wegen eines Verstoßes gegen das RDG also nicht.
Sodann bestritt der Versicherer, dass eine Anmietung eines Ersatzfahrzeuges überhaupt erforderlich gewesen sei. Das Berufungsgericht sah in der außergerichtlichen Teilregulierung “für Mietwagenkosten und Zustellung und Abholung” ein Anerkenntnis dem Grunde nach. Im Prozess könne die Versicherung sich dann nicht mehr auf die Position zurückziehen, die Anmietung sei nicht erforderlich gewesen.
Die Beklagte jammerte in der Berufung ob des Überraschungseffektes des Ergebnisses der Erstinstanz in Bezug auf die verwendete Schätzgrundlage. Sie war sich wohl sehr sicher, dass alle Richter in München der Fraunhofer-Liste folgen müssten. Das Berufungsgericht verwies darauf, dass der BGH beide Listen für anwendbar hält, der Tatrichter frei sei in seiner Entscheidung und die Geeignetheit einer Schätzung nur infrage gestellt werden könne, wenn mit konkreten Tatsachen Mängel aufgezeigt werden, die sich auf den konkreten Fall beziehen. Diese bliebt die Beklagte schuldig.
Es ist weiterhin ein Risiko in München Mietwagenkosten einzuklagen. Doch so lange unsere Argumente den Richtern nicht vorgelegt werden, sind wir als redliche Unternehmen, die unter der Regulierungsknute der Versicherer leiden, aber auch ein Stück weit selbst schuld. Die Argumente der Kläger gegen die einseitige Anwendung der Fraunhofer-Liste sind offensichtlich vorhanden. Das Ergebnis des Verfahrens zeigt, dass es auch in München nicht aussichtslos ist, mit den richtigen Argumenten gegen die Kürzung der Mietwagenforderung auf Nutzungsausfall-/Fraunhofer-Niveau zu klagen. Wer nun mit unserer Unterstützung den Versuch wagen möchte, hat mit dem Gerichtsbeschluss ein neues Argument in der Hand.
Hinweis: Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, die Beklagte hat noch eine Frist zur Stellungnahme erhalten.
Das Urteil des AG München und der Beschluss des LG München I sind in der BAV-Urteilsdatenbank abrufbar.