Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 27-23

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken 1 U 100/22 vom 01.03.2023
(Vorinstanz: Landgericht Kaiserslautern 3 O 540/20 vom 29.04.2022)

1. Grundsätzlich können Mietwagenkosten über die im Gutachten veranschlagte Reparatur- oder Wiederbeschaffungsdauer hinaus im Rahmen der konkret entstandenen Dauer ersetzt verlangt werden.
2. Eine generelle Pflicht zur Vorfinanzierung der Schadenbeseitigung besteht für den Geschädigten nicht.
3. Zur Schätzung der Höhe erstattungsfähiger Mietwagenkosten wird der Mittelwert der Listen angewendet.
4. Zur Schadenschätzung werden die Pauschalen der Listen für Wochen, 3 Tage und Tageswert addiert.
5. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für eine Anhängezugvorrichtung sind vom Schädiger zu erstatten.
6. Least der Geschädigte während einer langen Ausfalldauer ein Zweitfahrzeug, entfällt ab diesem Zeitpunkt sein Anspruch auf Nutzungsausfall, da ihm die ersatzweise Nutzung dieses kleineren Fahrzeuges zumutbar war und keine fühlbare Entbehrung mehr vorlag. Zu erstatten ist sodann stattdessen lediglich die Leasingrate des Zweitwagens.
7. Durch die Anmietung eines klassenhöheren Fahrzeuges entstandene Mehrkosten sind vom Schädiger nicht zu ersetzen.

Zusammenfassung: Das Pfälzische Oberlandesgericht hebt eine erstinstanzliche Entscheidung auf. Es spricht geforderte restliche Mietwagenkosten zum Teil zu, nicht jedoch weiteren Nutzungsausfall für einen Zeitraum der Verfügbarkeit eines Zweitwagens. Eine allgemeine Vorfinanzierungspflicht des Geschädigten etwa aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes oder der Pflicht zur Schadengeringhaltung lehnt das Gericht ab. Für die Zeit des Ersatzwagenanspruchs wird der Schadenersatzbetrag mittels Fracke zuzüglich Nebenkosten geschätzt.

Bedeutung für die Praxis: Das Urteil ist ein Beispiel dafür, dass sehr selten mit dem Mietwagenthema befasste Oberlandesgerichte, zwar wichtige Grundzüge des Schadenersatzrechts anwenden. Im Detail haben sie jedoch immer wieder erhebliche Schwierigkeiten, in den Instanzen überwiegend geklärte und am BGH orientierte Linien umzusetzen.
Zunächst liegt das Gericht ganz auf BGH-Linie in dem Punkt, dass dem Geschädigten nicht automatisch zu unterstellen ist, er könne und müsse die Schadenbeseitigung aus eigenen Mitteln vorfinanzieren. Eine solche Pflicht bestehe nur in engen Grenzen. Im konkreten Fall verwies die Beklagte auf ein geerbtes Haus. Das 
Gericht weist die Logik zurück, dass, wer ein Haus habe, habe auch verfügbare finanzielle Mittel, um sie im Interesse des Schädigers einzusetzen. Der bei einem längeren Ausfall notwendige Warnhinweis an den Versicherer, dass auflaufende Kosten für den Mobilitätsentzug auf ihn zukommen, wenn er die Regulierung nicht zeitnah erledigt, war hier erfolgt. Es reichte dazu aus, dass im Zusammenhang mit der fehlenden Möglichkeit einer Vorfinanzierung nur um eine schnelle Bearbeitung gebeten und nicht konkret auf entstehende weitere Kosten hingewiesen wurde.
Der Senat hat im Zuge der Bestimmung der Höhe erforderlicher Kosten (Fraunhofer-Wert) die Mietwagenklasse anstatt mit dem Mittelwert der Schwacke-Mietwagenklasse mit der Acriss-Einteilung von Mietfahrzeugen gearbeitet. Diese Art der Fahrzeugklassifizierung ist den Angeboten von Internetanbietern entnommen. Von einem 4-stelligen Acriss-Code, der lediglich Beispielfahrzeuge von Internetanbietern kennzeichnet, wurde lediglich die erste Stelle angewendet. Es ergibt sich eine Streubreite möglicher Werte, die in der Schadenregulierung zu absurden Ergebnissen führt. Eine Acriss-Klassifizierung ist für die Bestimmung eines vergleichbaren Fahrzeuges daher völlig ungeeignet und kommt in der Rechtsprechung aus diesem Grund eigentlich bisher nicht vor.
Bei der Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Haftungsreduzierung folgt der Senat nicht dem BGH sondern den Argumenten der Versicherer. Diese Kosten seien schadenersatzrechtlich 
nur erstattungsfähig nach Prüfung des Vorliegens einer Kaskoversicherung des Geschädigtenfahrzeugs. Zu erstatten wären sie also vermutlich nur, wenn für das beschädigte Fahrzeug eine ähnliche Selbstbeteiligung der Kasko, also unter 500 Euro abgeschlossen wäre. Der BGH sieht das vollkommen anders: Auch Kosten einer SB=0 sind vom Schädiger zu erstatten und das unabhängig vom beschädigten Fahrzeug. Der BGH sieht den Mietvertrag und die Risiken für den Geschädigten bei Beschädigung des Mietwagens, die ihm von Schädiger mit dem Unfall aufgezwungen wurden. Und das ist schadenrechtlich logisch.

 

 

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