Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 19/25
Amtsgericht Leverkusen 22 C 5/25 vom 11.04.2025
- Ein Schreiben der gegnerischen Haftpflichtversicherung muss für eine verbindliche Preisvorgabe bzgl. Mietwagen ein konkretes Angebot enthalten.
- Fehlen konkrete Angaben zum angeblich verfügbaren Ersatzfahrzeug und zum Standort des Anbieters entspricht das „Angebot“ nicht den notwendigen Voraussetzungen, da für den Geschädigten nicht erkennbar ist, dass es sich nicht lediglich um eine invitatio ad offerendum, sondern um ein tatsächliches konkretes Mietwagenangebot handelt.
- Ein Fahrzeug mit einer vergleichsweise höheren vereinbarten Selbstbeteiligung im Schadenfall ist dem Geschädigten nicht zuzumuten.
- Enthält das Versicherungs-Anschreiben eine unvollständige Leistungsbeschreibung für die ggf. erforderlichen Nebenleistungen ist es als unkonkret zu bewerten und schon von daher für den Geschädigten nicht bindend.
- Die Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten für Ersatzmobilität erfolgt anhand des Mischmodells Fracke.
Zusammenfassung:
Das Amtsgericht Leverkusen weist den Vorwurf des gegnerischen Versicherers an den Geschädigten zurück, dieser habe gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verstoßen, weil er ein annahmefähiges Mietwagenangebot nicht angenommen habe. Denn das Angebot war aus mehreren Gründen unkonkret. Der Anspruch der erforderlichen Mietwagenkosten ergibt sich nach der Fracke-Methode.
Bedeutung für die Praxis:
Das Amtsgericht weist den Versicherer in Bezug auf § 254 BGB in die Schranken. Wenn der Versicherer des Schädigers erreichen möchte, dass der Geschädigte einen Mietwagen zu minimalen Preisen des Kooperationspartners Enterprise fährt, dann muss er ihm ein ohne Weiteres annahmefähiges Angebot unterbreiten und insoweit vertragsvorbereitend für ihn tätig werden. Das müsste dieser dann annehmen oder zumindest dürfte er dann keine höheren Schadenersatzbeträge von dem Versicherer erwarten.
Ein ohne weiteres zugängliches konkretes Alternativangebot war hier aus mehreren Gründen nicht gegeben:
– die Höhe der Selbstbeteiligung lag höher als bei der konkret vereinbarten Miete,
– es wurde ein Preis genannt, ohne das Fahrzeug konkret zu benennen,
– auch wo der angeblich vermietbereite Anbieter Enterprise seinen konkreten Anmietort hat, wurde nicht verraten,
– die enthaltenen Leistungen waren lediglich unkonkret mit einer Aufzählung und „usw.“ beschrieben. Die Formulierung „alle weiteren Nebenkosten (z.B. weitere Fahrer, wintertaugliche Bereifung etc.) …enthalten“ wird als untauglich angesehen.
Jeder dieser Punkte – so ist das Urteil zu verstehen – hätte ausgereicht, den Vorwurf der Verletzung der Schadenminderungspflicht zurückzuweisen. Und das ist auch nachvollziehbar. Denn der Versicherer ist in der Beweislast, dass das Angebot an den Geschädigten annahmefähig ist.
Die vom Versicherer aufgeworfene Frage, ob er bei sofortigen Preisvorgabeschreiben überhaupt in der Lage ist, ein konkretes Angebot abzugeben, ist dabei bedeutungslos. Wenn ihm für eine sofortige Preisvorgabe die Informationen fehlen, kann er sein Schreiben zurückstellen, bis er weiß, welches Fahrzeug beschädigt wurde, welche Ausstattungsmerkmale für den Geschädigten während der Ausfallzeit von Bedeutung sind und welche Nebenleistungen beansprucht werden sollen. Jedenfalls rechtfertigen es die Schwierigkeiten des Gegnerversicherers, für die Verbindlichkeit einer Preisvorgabe ein annahmefähiges Sofort-Angebot abzusetzen, nicht, dem Geschädigten den Umfang seines Schadenersatzanspruches zu beschneiden.
Mit welchen unlauteren Argumenten der Versicherer hier hantiert, zeigen seine Einlassungen zur Differenz der Selbstbeteiligung. Ein lediglich geringer Unterschied in der Höhe der Selbstbeteiligung von 200 Euro rechtfertige keine darüber liegende Mehrzahlung in der Mietwagenabrechnung für 19 Tage von 700 Euro. Hier wird ein Verhältnis hergestellt, wo es keinen Zusammenhang gibt. Das Gericht hat auch das anders gesehen.
Zitat: „Preisvorgabe ohne Relevanz“
„In diesem Zusammenhang kann auch das Angebot des Haftpflichtversicherers an den Geschädigten, ihm eine günstige Anmietmöglichkeit zu vermitteln, beachtlich sein. Dabei wird es auch darauf ankommen, ob dieses Angebot in einer Weise erfolgt ist, welche es dem Geschädigten ermöglichte, ohne umständliche Prüfungen und Erkundigungen den Mietwagen anzumieten. (…)
Im Anschluss an die Ausführungen der Klägerseite entspricht das formularmäßige Schreiben der Beklagten vom 14.2.2022 nach der Rechtsprechung im hiesigen Bezirk nicht den Voraussetzungen für ein konkretes und vergleichbares Alternativangebot. Es mangelt bereits an einer vergleichbaren Haftungsreduzierung auf 300,00 Euro.
Hinzu kommt, dass in dem Schreiben der Beklagten vom 14.2.2022 nicht einmal ausgeführt wurde, welche Fahrzeuggruppe die dort behaupteten Angebote beinhalten, welche Nebenkosten (Versicherung, Selbstbeteiligung usw.) enthalten sind und welche nicht und wo sich die Station der angeblich angebotsbereiten Autovermietung befindet. Es handelt sich nicht ansatzweise um ein konkretes Mietwagenangebot. Der eher allgemein gehaltene Hinweis auf die Möglichkeit einer Mietwagenvermittlung ist allenfalls als invitatio ad offerendum zu werten. Ein konkretes Mietwagenangebot liegt nicht vor.
Die von der Beklagten dargelegten preiswerteren Angebote der alternativen Mietwagenfirmen lagen zwar der Beklagten vor, nicht aber dem Geschädigten. Es ist eben nicht dargetan oder bewiesen, dass der Zedent in der konkreten Situation diese Anmietmöglichkeiten bei der Firma Enterprise gehabt hätte.
Die Beklagte hätte sich schon die Mühe machen müssen, für den Geschädigten und Zedenten vertragsvorbereitend tätig zu werden, um ihm ein konkretes Fahrzeug als preiswerte Alternative anzubieten. Dies war in der konkreten Situation auch deshalb geboten, weil der Geschädigte ein hochklassiges Ersatzfahrzeug anzumieten berechtigt war (beschädigt war sein Porsche Boxter), welches nicht ohne weiteres verfügbar sein dürfte. Die Beklagte hat auch nicht dargetan, dass sie dazu in der Lage gewesen wäre.“
(Amtsgericht Leverkusen 22 C 5/25 vom 11.04.2025)