Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 17-23
Landgericht Berlin 50 O 113/22 vom 14.04.2023
1. Das Gericht bestätigt die Auffassung der Klägerin, dass die zu erstattenden Mietwagenkosten anhand der Werte der Schwacke-Liste zu schätzen sind. Der marktübliche Normaltarif ist als Mindestbetrag anzusehen.
2. Für die Verwerfung einer Liste komme es darauf an, ob behauptete Mängel mit konkreten Tatsachen unterlegt sind, die sich erheblich auf den Fall auswirken.
3. Ein Verweis auf Fraunhofer ist kein konkreter Sachvortrag, da dortige Werte nicht mit den konkreten Angeboten der Klägerin vergleichbar sind.
4. Dass den Geschädigten günstigere Angebote zur Verfügung standen, die sie nur nicht wahrgenommen hätten, hat die Beklagte lediglich behauptet (Internet-Screenshots), aber nicht bewiesen.
5. Die Kosten der erforderlichen Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Winterreifen, Navigation, Zusatzfahrer und Zustellen/Abholen sind von der Beklagten zu erstatten.
6. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten entfällt bei klassenkleinerer Anmietung.
7. Die aus abgetretenem Recht erhobenen Ansprüche sind nicht durch Zahlung erfüllt, wenn die Beklagte anstatt an den Forderungsinhaber an den Geschädigten zahlt.
Zusammenfassung: Das Landgericht Berlin schätzt die erforderlichen Mietwagenkosten nach Unfall anhand der Schwacke-Liste. Die Anwendung der Fraunhofer-Liste und die Bildung des Mittelwertes Fracke werden abgelehnt. Die Auffassungen der Beklagten zu Beweislastregeln, zur Erkundigungspflicht und zur Auffassung des Kammergerichts zur Anwendung von Fracke werden durch das Gericht zurückgewiesen. Der Anspruch auf Erstattung von Nebenkosten wird bestätigt, ebenso für außergerichtliche Anwaltskosten.
Bedeutung für die Praxis: Hervorzuheben sind einige vom Gericht genannte grundlegende Prinzipien des Schadenrechts, die hier und da in Vergessenheit zu geraten drohen. Wenn die Beklagte behauptet, dass alles viel zu teuer sei und auf aktuelle Internet-Screenshots verweist, hat sie die Beweislast dafür, dass die Geschädigten, die zu marktüblichen Preisen angemietet haben, gegen ihre Schadenminderungs-Obliegenheit verstoßen haben. Das geht weit über das bloße Vorlegen von Screenshots hinaus. Auch die Korrektur der Auffassung der Beklagten zur angeblichen Erkundigungspflicht des Geschädigten ist bedeutsam. Wenn die Geschädigten lediglich Kosten im Rahmen der Marktpreise verursachen, obliegt ihnen keine solche Nachfragepflicht nach günstigeren Angeboten und auch nicht die Darlegungs- und Beweislast, dass es nicht auch günstigere Angebote gegeben habe.
Das Gericht korrigiert die Auffassung der Beklagten, dass die Rechtsprechung des Kammergerichts eine Schätzung anhand der Fracke-Werte gebiete. Lediglich hat das Kammergericht eine Anwendung des Mischmodells nicht verworfen.
Die Werte der Fraunhofer-Erhebung sieht das Landgericht Berlin nicht als vergleichbar mit der konkreten Vermietung an. Denn die konkrete Leistung, die der Vermieter erbringt, entspricht nicht den Angeboten, die Fraunhofer berücksichtigt. Die dortigen Details erscheinen dem Gericht unklar.
Lediglich wenn die Geschädigten einen Preis oberhalb der Erforderlichkeit eines Normaltarifs beanspruchen (BGH: einen weit überhöhten Tarif), haben sie für eine Erstattung dieses höheren Preises nachzuweisen, dass sie sich nach günstigeren Anmietmöglichkeiten erkundigt haben.
Hinweis: Ob das Urteil rechtskräftig ist, ist nicht bekannt.