Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 23-24

Amtsgericht Bielefeld 403 C 16/24 vom 13.03.2024 

1. Die Miete eines Ersatzfahrzeugs war über die gesamte der Mietwagenforderung zugrunde liegende Mietdauer gerechtfertigt.
2. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten ist anhand des Mischmodells der Listen Schwacke und Fraunhofer vorzunehmen.
3. Dem sich daraus ergebenden Grundbetrag sind Kosten für eine erweiterte Haftungsreduzierung hinzuzufügen, da beide Listen eine solche Zusatzleistung nur mit sehr hohen Selbstbeteiligungen berücksichtigt haben, der Geschädigte einen Anspruch auf einen Haftungsausschluss (SB = 0) hat und diese zusätzlichen Kosten angefallen sind.
4. Weitere Nebenkosten für Zustellen und Abholen, wintertaugliche Bereifung, die Erlaubnis zur Nutzung durch einen weiteren Fahrer und die Zusatzausstattung des Mietfahrzeuges mit einem Navigationsgerät sind ebenso als erforderlich anzusehen und da die Leistungen erbracht wurden, dem Kläger aus abgetretenem Recht auch zu erstatten.
5. Im Rahmen einer während des Prozesses vom Kläger vorgenommenen Klageerweiterung gelten übliche Verjährungszeiträume für zivilrechtliche Forderungen und da der Betrag der Klageerweiterung nicht Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes war, ist zwischenzeitlich Verjährung eingetreten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Bielefeld orientiert sich an der Mittelwert-Rechtsprechung des Berufungsgerichtes. Nebenkosten für Haftungsreduzierung, Zustellfahrten, Winterreifen, Zusatzfahrer und Navigation sind ebenso erstattungsfähig. Eine verlängerte Mietdauer geht zu Lasten des Schädigers, wenn dem Geschädigten kein Überwachungsverschulden vorzuwerfen ist.

Bedeutung für die Praxis: Zunächst nicht ungewöhnlich wendet das Gericht das Mischmodell Fracke an. In den Begründungen offenbart es jedoch eigene Erkenntnisse, die das infrage stellen. So wird die Verwendung lediglich der Fraunhofer-Liste damit verneint, dass von der Beklagten vorgelegte Internet-Screenshots von einer Vorauszahlungspflicht des Mietzinses und vom Einsatz einer Kreditkarte spätestens bei Abholung des Fahrzeuges ausgehen. Das sei unzumutbar. Aber genau dies und viele weitere Vorbedingungen treffen auch auf die Internetwerte der Fraunhofer-Liste zu. Außerdem seien Internetangebote kein genereller Tarif. Konsequent wäre es daher gewesen, auch die Fraunhofer-Liste im Rahmen des Mischmodells abzulehnen. 
Das Gericht arbeitet deutlich und korrekt die Details zum lediglich geringen Umfang der Haftungsreduzierung heraus, wie sie in den Listen-Grundpreisen inkludiert ist (Fraunhofer 750 € bis 1.500 € und Schwacke 500 € bis 1.500 €). Damit ist dem häufigen Versicherer-Behauptung zu begegnen, dass Zusatzkosten der Haftungsreduzierung unberechtigt gefordert würden, da angeblich bereits im Grundpreis inkludiert.
In Bezug auf die tatsächliche Mietdauer, die der klägerischen Forderung zugrunde liegt, sieht das Gericht das Risiko einer im Vergleich zur Angabe im Sachverständigengutachten längeren Reparatur beim Schädiger. Der Kläger hat mit einem Ablaufplan dargestellt, warum die Reparatur länger dauerte. Damit ist dem Geschädigten in dem konkreten Fall weder Auswahl- noch Überwachungsverschulden vorzuwerfen. Mit Blick auf die neue Rechtsprechung des BGH ist für die Zukunft zu vermuten, dass Gerichte, zumindest wenn der Geschädigte klagt, dieser Frage nicht mehr nachgehen werden. Liegt kein offensichtlicher und laienerkennbarer Grund dafür vor, dass der Geschädigte woanders hätte reparieren oder während des Reparaturprozessen hätte eingreifen müssen, muss der Frage nicht mehr nachgegangen werden. Hat der Schädiger einen Grund, dem Reparaturbetrieb etwas vorzuwerfen, muss er das in einem separaten Verfahren auf dem Rückweg versuchen, wozu ihm vom Geschädigten eventuelle Rückforderungsansprüche abgetreten werden müssen. Klagt der Rechnungsaussteller aus abgetretenem Recht dagegen, dürfte es wie bisher bereits im Schadenersatzprozess zu klären sein, warum die Reparatur länger dauerte. 

 

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