Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 41/24
Landgericht Itzehoe 1 S 41/23 vom 10.09.2024 (Datum mündliche Verhandlung)
(Vorgericht Amtsgericht Meldorf 97 C 74/22 vom 11.04.2023)
1. Die Berufung der Klägerin mit dem Ziel der Erstattung vollständiger Mietwagenkosten ist begründet.
2. Es geht nicht zu Lasten des Geschädigten, wenn er dadurch höhere Mietwagenkosten auslöst, dass er den Reparaturauftrag erst nach Regulierungszusage des gegnerischen Haftpflichtversicherers erteilt.
3. Lieferverzögerungen von Ersatzteilen und die sich daraus ergebende längere Reparaturdauer sind Risiken des Schädigers aus denen sich höhere Mietwagenkosten ergeben können, die der Schädiger zu ersetzen hat.
4. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann nicht angenommen werden, wenn der Geschädigte bei einer fünfstelligen Summe den Schaden nicht zunächst aus eigener Tasche reguliert. Eine Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit ist daher zu verneinen.
5. Da die Höhe der Schadenpauschale von 25 Euro zwischen den Parteien unstreitig war, wurde sie vom Erstgericht zu Unrecht auf 20 Euro gekürzt.
Zusammenfassung: Das Berufungsgericht in Itzehoe korrigiert eine erstinstanzliche Entscheidung, in der es vor allem um die berechtigte Mietdauer und die sich daraus ergebenden Mietwagenkosten ging. Die Tariffrage stand aufgrund eines sehr niedrigen durchschnittlichen Tagessatzes nicht zur Diskussion.
Bedeutung für die Praxis: Niedrige durchschnittliche Tagessätze und damit moderate Gesamt-Mietwagenkosten schützen nicht vor erheblichen Abzügen und intensivem Streit. Der Versicherer regulierte zunächst nicht und zu seinen Unglück, auf einen von einem guten Rechtsanwalt beratenen Geschädigten zu treffen, kam auch noch Pech hinzu: Ein Ersatzteil war nicht lieferbar und so kamen insgesamt 59 Tage Mietwagenkosten zusammen. Das war zu viel für den großen bayerisch-blauen Versicherer.
Der Versicherer des Schädigers behauptete, es sei das Problem des Geschädigten, wenn er die Reparaturkosten nicht selbst aufbringen könne. Er könne mit der Reparaturfreigabe grundsätzlich nicht warten, bis der Versicherer eine qualifizierte Regulierungszusage abgegeben habe. Das hat das Gericht eindeutig verneint. Der Geschädigte darf mit der Erteilung des Reparaturauftrages abwarten, bis sich der Versicherer dazu hinreißen lässt, seine Eintrittspflicht dem Grunde und der Höhe nach zu erklären. Denn der Schädiger ist verpflichtet, den Zustand wiederherzustellen, der vor dem Unfall bestanden hat und der Geschädigte ist dabei nicht sein Erfüllungsgehilfe. Anders herum liegt es in den Händen der Schädiger-Versicherung, durch zügiges Handeln den Schaden gering zu halten. Ein Zuwarten und späteres dem Geschädigten Vorwerfen, der hätte bei einem fünfstelligen Reparaturaufwand in Vorleistung gehen müssen, entspricht nicht den schadenersatzrechtlichen Grundsätzen.
Das Urteil befasst sich auch mit dem Problem verlängerter Reparaturdauer aufgrund fehlender Ersatzteile. Nicht erst seit Corona kommt das häufiger vor. Wichtig erscheint in dem Zusammenhang der Blick auf die neue BGH-Rechtsprechung zum Werkstattrisiko. Kann der Geschädigte im Verlauf des Reparaturprozesses bereits als Laie erkennen, dass Alternativen zum Abwarten bestehen könnten (z.B. eine provisorische Reparatur und Beendigung der Mietwagennutzung oder Hinweis an den Versicherer), so muss er reagieren. Im anderen Fall würde der Versicherer ihm ein Überwachungsverschulden vorwerfen und das Gericht das zu prüfen haben. In dem konkreten Fall hat das Gericht das zurückgewiesen, da der Versicherer selbst nicht konkret dazu vorgetragen hatte, dass er das fehlende Teil hätte besorgen können. Das gilt es jedoch immer im Blick zu behalten, wenn es um Lieferschwierigkeiten und in der Folge höhere Mietwagenkosten geht.