OLG Hamm bezieht Mietwagenkosten in 130-Grenze ein

Ein aktuelles Urteil des OLG Hamm wird breit gestreut (Az. 7 U 46/17 vom 23.01.2018).

Bereits das Landgericht hat in seinem Urteil zu erkennen gegeben, den Grundsatz nicht zu kennen, dass der Geschädigte so zu stellen ist, als wäre der Unfall nicht geschehen. Es hat dem Geschädigten die Mietwagenkosten mit zwei Begründungen vorenthalten:

– relativ kurze Ausfalldauer von vier bis fünf Tagen
– kein Bedarf aufgrund beruflicher Gründe

„Das Landgericht hat die geltend gemachten Mietwagenkosten nicht als ersatzfähig angesehen. Nach dem vom Kläger eingeholten Schadensgutachten habe er nur mit einer Wiederherstellungsdauer von vier bis fünf Tagen zu rechnen gehabt. Für diese wenigen Tage sei es ihm zumutbar gewesen, für anstehende Fahrten ein Taxi zu benutzen, zumal er den beschädigten PKW nicht für berufliche Zwecke gebraucht habe. Da das Landgericht die Mietwagenkosten nicht als ersatzfähigen Schaden angesehen hat, hat es die ersatzfähigen vorgerichtlichen Anwaltskosten entsprechend reduziert. Wegen der Begründung des Urteils und wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstand wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.“

Das Berufungsgericht setzt hier noch einen obendrauf. Bedeutung erlangt das Urteil aus zwei Gründen.

Zunächst wird dem Geschädigten der Ersatzanspruch für Mietwagenkosten verwehrt, weil er nur durchschnittliche 16 km pro Tag gefahren sei und keine sonstige Begründung dafür abgeliefert hat, warum er auf einen Ersatzwagen angewiesen war und sich keine andere Form von Mobilität suchen konnte (Taxi zum Beispiel).
Das erscheint auf den ersten Blick in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen BGH-Rechtsprechung.  Aber die tatsächlich gefahrenen Kilometer werden dazu mit einer abenteuerlichen Rechnung heruntergerechnet. Weil der Geschädigte ja eine nähergelegene Werkstatt hätte aufsuchen können – so das gericht – und dann die Hinfahrt und Rückfahrt dorthin nicht notwendig gewesen wären, werden diese Kilometer zunächst abgezogen, um unter die übliche 20 km-Grneze zu kommen. Eigentlich lag er mit 22 KM druchschnittlich pro Tag klar über der üblichen 20 KM-Grenze.

Sodann noch wichtiger jedoch ist eine weitere Besonderheit des Urteils: Der Senat hat darauf hingewiesen, dass der Geschädigte nach dem Integritätsinteresse im Rahmen der 130-Prozent-Reparaturgrenze auch die entstehenden Mietwagenkosten berücksichtigen müsse. 

„Der BGH (Urteil vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90 -, BGHZ 115, 364-​374) hat insoweit ausgeführt, dass der Vergleich der Reparaturkosten mit dem Wiederbeschaffungswert seine Aussagekraft für die Berechtigung der Reparatur verlieren kann, wenn die Ausfallzeiten bei Reparatur und bei Wiederbeschaffung in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen mit der Folge, dass die Kosten für einen vom Geschädigten in Anspruch genommenen Mietwagen bei Durchführung der Reparatur bedeutend höher liegen als bei einer Ersatzbeschaffung und im Vergleich der Gesamtkosten beider Wege der Restitution die 130-​%-Grenze aus diesem Grund nennenswert überschritten wird.“

Bei der Betrachtung der Alternativen Ersatzbeschaffung und Reparatur im Rahmen des Integritätsinteresses ist also zukünftig vermehrt darauf zu achten, dass Mietwagenkosten einbezogen werden könnten. Der BGH hat dabei jedoch die Höhe der Mietwagenkosten und den Wiederbeschaffungsaufwand gegenübergestellt. Dabei kommt die Ebene der Mietwagendauer ins Spiel. Eine vorher feststehende lange Mietdauer bei einer Reparatur, die auch noch im Rahmen der 130 %-Grenze stattfindet, kann in Zukunft problematisch sein. Sofern jedoch die Reparaturdauer niedriger ist als die Wiederbeschaffungsdauer, könnte die Einbeziehung der Mietwagenkosten in diese Überlegungen eher die Repartur stützen. Denn der Nutzungsausfall liegt heute näher an Mietwagenkosten als früher und den gibt es in jedem Fall. Es gibt bereits Rechtsprechung, die das umgesetzt hat, so LG Rostock, Az. 9 O 207/11.

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