Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 26-23

Amtsgericht Schwäbisch Gmünd 5 C 617/22 vom 01.06..2023

1. Die Geschädigte hat mit der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zum Marktpreis nicht gegen ihre Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verstoßen.
2. Eine Mietpreisvorgabe an den Geschädigten bedeutet für ihn keine Sicherheit, zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort mobil zu sein und er kann sich dann am Normalmarkt zum Marktpreis einen Mietwagen nehmen. 
3. Die Schätzung der erforderlichen Kosten erfolgt anhand des Mischmodells der Listen von Schwacke und Fraunhofer.
4. Der Abzug für ersparte Eigenaufwendungen von 10 Prozent vom Grundpreis erscheint angemessen.
5. Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd spricht restlichen Schadenersatz nach Mischmodell zuzüglich Nebenkosten zu. Der Versicherer meinte, den Schaden ausreichend reguliert zu haben, da er die Geschädigte überzeugt hatte, einen von ihr vermittelten Ersatzwagen anzumieten. Doch dieser wurde nicht geliefert und die Beklagte musste nun die Differenz zu dem statt dessen genutzten Mietwagen zahlen.

Bedeutung für die Praxis: Der Schädiger war schnell genug am Geschädigten, diesem ein "Angebot" für einen Ersatzwagen zu offerieren und der ließ sich auch darauf ein. Damit war der Geschädigte aber nur so lange an den vereinbarten Minimal-Preis gebunden, bis der vermittelte Anbieter trotz Zusage nicht liefern konnte oder wollte. Das Gericht gestand der Geschädigten zu, sich sodann einen Ersatzwagen von einem anderen Anbieter zum Marktpreis zu besorgen und verurteilte den Schädiger zur Restzahlung in Höhe Fracke plus Nebenkosten.
Kritisch zu sehen ist die Passage der Urteilsbegründung, in der der Kläger wohl konkret gegenüber dem Gericht verdeutlichen musste, vor Ort nach Feststellung der Nichtlieferung des vereinbarten Ersatzwagens auch auf einen Mietwagen wirklich angewiesen zu sein. Sofern das Gericht damit ausdrücken will, dass es ja auch sein könne, dass ein Geschädigter auf sein beschädigtes Fahrzeug ohne weiteres verzichten könne, wäre das ein krasser Gegensatz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Auch in der Frage der Höhe erstattungsfähiger Nebenkosten wird es schwierig. Hier wird der Anspruch des Geschädigten beschnitten. Das Gericht setzt zur Bestimmung des erstattungsfähigen Betrages den Rechnungsbetrag der Unterpositionen aus der Mietwagenrechnung an, z.B. für Zusatzfahrer oder Zustellen/Abholen. Das ist klassisches Rosinen-Picken zum Nachteil des Geschädigten. Wenn der Grundwert aus den Listen geschätzt wird, dann sind alle anderen Positionen ebenso aus den Listen zu verwenden. Denn die Listenwerte sind ein arithmetische Mittel aus vielen Werten tatsächlicher Angebote. Der eine Anbieter ist im Grundpreis etwas günstiger, der andere bei Nebenleistungen. Letztlich zählt der Gesamtpreis und wenn der mit einem geschätzten Wert aus Listen verglichen wird, dann sind alle Teilleistungen aus der Liste anzuwenden und am Ende der Gesamtrechnungsbetrag dem Gesamt-Listenwert gegenüberzustellen. Nur das ist logisch und berücksichtigt Marktgepflogenheiten und Ansprüche des Geschädigten vollumfänglich.
Das Urteil verdeutlicht, dass die "freundlichen Angebote" der Haftpflichtversicherer nicht im Interesse des Geschädigten sind und man sich nach einem unverschuldeten Unfall nicht auf einen frühen Kontakt mit dem Versicherer des Schädigers einlassen sollte. Zunächst sind der eigene Anwalt und der eigene Sachverständiger eine gute Wahl. An den Geschädigten übergebene Informationen des Schädigerversicherers können so wirken, dass sich der Schadenersatzanspruch reduziert, der Geschädigte einen Teil seiner Ansprüche und Wahlmöglichkeiten verliert. Informationen werden zu Vorgaben. Versicherer behaupten dabei einfach, dass ein konkreter passender Mietwagen zur Verfügung steht, haben es aber i.d.R. nicht konkret geprüft. Sie haben zumeist gar keine Möglichkeit, in der gebotenen Eile den im Vergleich zum beschädigten Fahrzeug passenden Ersatzwagen zu bestimmen und bei ihrem Kooperationspartner festzumachen. Es müsste ein zum konkreten Anspruch des Geschädigten passender Mietwagen sein, der auch für den Anmietort und den Anmietzeitpunkt konkret reserviert wird und zur Verfügung gestellt wird. Doch so läuft es nicht. Es wird einfach behauptet, dass man das Passende liefern kann zum Preis X. Mitarbeiter der Versicherer sind geschult darin, die behaupteten Dinge in ihren Systemen sodann trotzdem festzuhalten.
Und noch schlimmer: Stellt sich später heraus, dass das Versprechen ein leeres Versprechen war, wird nicht etwa der höhere Schadenersatzanspruch umstandslos bezahlt. Man will den Geschädigten weiter an den Preis des nicht gelieferten Ersatzfahrzeuges binden. Seinen ihm zustehenden Schadenersatz bekommt hier dann nur der, der sich die Mühe und den Ärger antut, gegen den Unfallgegner bzw. seinen Versicherer vor Gericht zu ziehen. Das sind dann oft nur die Geschädigten mit Rechtsschutzversicherung.