Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 51-22

Landgericht Bonn 8 S 39/22 vom 06.12.2022
(Vorinstanz Amtsgericht Bonn 113 C 270/21 vom 22.02.2022)

1. Den Geschädigten ist kein Verstoß gegen die Schadenminderungsobliegenheit vorzuwerfen, denn die Mietwagenangebote der Beklagten waren nicht annahmefähig.
2. Die Schätzung des örtlichen Grundwertes der erforderlichen Mietwagenkosten für die benötigte Ersatzmobilität erfolgt anhand des Mischmodells aus Schwacke und Fraunhofer.
3.Der Abzug für ersparte Eigenaufwendungen des Geschädigten, der sein Fahrzeug vorübergehend nicht nutzen konnte, ist auf 4 Prozent des Grundbetrages zu bemessen.
4. Auf den Grundwert der erforderlichen Mietwagenkosten ist ein Aufschlag für unfallbedingte Mehrleistungen in Höhe von 20 Prozent zu erstatten.
5. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Zusatzfahrer, Zustellen, Winterreifen, Navigation und Anhängezugvorrichtung sind schadenrechtlich ebenso erstattungsfähig und daher zuzusprechen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Bonn bestätigt seine Auffassung zu den Anforderungen an Direktvermittlungsangebote der Versicherer an Geschädigte (Mietwagenkosten). Ein Anruf des Versicherers kann den Geschädigten ebenso wenig an den  genannten Preis binden, wie ein unkonkret formuliertes schriftliches Angebot. Der zu erstattende marktübliche Preis wird anhand der Werte aus den Listen (Fracke) geschätzt, zuzüglich unfallbedingtem Aufschlag und Nebenkosten.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht konkretisiert die Kriterien, die an ein für den Geschädigten in Bezug auf den Preis verbindliches Mietwagenangebot des gegnerischen Versicherers zu stellen sind. Ein telefonisch übermitteltes "Angebot", wie es Geschädigten häufig bereits noch auf der Unfallkreuzung von speziell geschulten Versicherungsmitarbeitern untergejubelt werden soll, ist per se kein annahmefähiges Angebot. Diese Auffassung ist auch ohne weiteres nachvollziehbar bereits durch die Vorstellung, dass der Fahrer, der unschuldig in einen Unfall verwickelt wurde, noch in der Situation am Unfallort ganz sicher keine ausreichenden Möglichkeiten hat, sich vom Versicherer des Schädigers dessen Vorstellungen der Schadenregulierung zu merken, zu notieren oder sonst auf eine für ihn später nachvollziehbare Weise zu verarbeiten. Ganz sicher wird der Geschädigte erheblich aufgeregt sein, ggf. sind Termine zu verschieben, die Schwiegermutter zu den Kindern zu beordern, ist die Polizei vor Ort, ist der Verkehr behindert, steht der Unfallgegner daneben oder muss der Unfall noch per Foto oder Skizze dokumentiert werden. Ein Anruf der vermeintlich helfenden Hand des Schädigerversicherers, dient nur dazu, dem Geschädigten später Preisvorgaben vorhalten zu können. In der Situation ist davon auszugehen, dass der Geschädigte kein Angebot annehmen kann. Dem Landgericht reicht für die Annahme, dass telefonisch übermittelte Preise irrelevant sind, bereits aus, dass der Inhalt des Gespräches letztlich im Streit nicht geklärt werden kann. Dem Geschädigten würden Beweismöglichkeiten gegenüber Behauptungen des Gegnerversicherers fehlen.
Darüber hinaus hat die Beklagte auch die Anforderungen an schriftlich übermittelte Preisvorgaben nicht erfüllt. Dazu ist es notwendig, dass sich die behaupteten Angebote auf den konkreten Anmietort und die Anmietzeit beziehen. Inhaltlich müssen sie das abdecken, worauf der Geschädigte einen Anspruch hat, inklusive der damit verbundenen Selbstbeteiligung der Haftungsreduzierung und des konkret zu vermietenden Fahrzeuges. Der Hintergrund ist der, dass der Geschädigte einen Anspruch auf ein zu seinem eigenen vergleichbares Fahrzeug hat. Die Nennung irgendeines Modells kann daher nicht ausreichend sein, da jedes Fahrzeugmodell mit unterschiedlichen Varianten in verschiedenen Mietwagenklassen eingruppiert wird. Ein Golf der Klasse 05 kann kein vergleichbarer Ersatz für einen Kia der Klasse 07 sein.
Das Gericht bezieht die 4-prozentige Eigenersparnis auf den Grundbetrag und nicht auf Nebenkosten, bei denen eine solcher Abzug nicht nachvollziehbar wäre. Denn wo zum Beispiel wäre eine Ersparnis bei den Versicherungskosten des Geschädigten-Fahrzeugs, wenn der Geschädigte einige Tage nicht mit seinem eigenen Auto fährt?