Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 44-22

Landgericht Duisburg 5 S 11/22 vom 02.09.2022 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht Dinslaken 30 C 5/21 vom 28.12.2021)

1. Der Geschädigte war während der Ausfalldauer auf Ersatzmobilität per Mietwagen angewiesen, auch wenn die Beklagte das anders sah.
2. Es besteht keine grundsätzliche Verpflichtung für den Geschädigten zur Vorfinanzierung der Ersatzbeschaffung, die Beweislast für eine ohne Weiteres mögliche Kreditfinanzierung liegt beim Schädiger.
3. Zur Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten stellt das Amtsgericht korrekt auf das Mischmodell ab.
4. Auf den Grundbetrag des Normaltarifes nach Fracke ist ein 20-prozentiger Aufschlag für unfallbedingt erforderliche Mehrleistungen des Vermieter gerechtfertigt.
5. Davon unterscheidet der BGH einen Unfallersatztarif (§ 254 BGB) wenn der abgerechnete Betrag mit mindestens 100 Prozent deutlich überhöht ist, der lediglich außerhalb der Erforderlichkeit nach § 249 BGB und ausnahmsweise zuzusprechen sein kann.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht in Duisburg bestätigt eine erstinstanzliche Entscheidung in Bezug auf die Frage, ob der Geschädigte einen Ersatzwagen anmieten durfte und zu welchem Preis die Schadenersatzforderung gerechtfertigt ist. Dazu wird Fracke angewendet zuzüglich des unfallbedingten Aufschlages. Der Geschädigte hat auch nicht gegen seine Schadenminderungsobliegenheit verstoßen, weil er zur Schadenbeseitigung keinen Kredit aufgenommen hat.

Bedeutung für die Praxis: Zunächst wurde um die Notwendigkeit der Ersatzwagenanmietung an sich gestritten. Nach Auffassung der Beklagten reichten dafür durchschnittlich pro Tag gefahrene 37 km nicht aus. Der Geschädigte habe gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen, da er sich nicht mit einem anderen Auto seiner Familie beholfen oder ein Taxi genommen habe. Die Möglichkeit sich ein anderes Fahrzeug mit dem Rest seiner Familie zu teilen, hatte der Kläger jedoch zurückgewiesen und die Beklagte dazu keinen konkreten Sachvortrag mehr gehalten. Auch der Verweis auf insgesamt günstigere Taxiskosten überzeugte das Gericht nicht, denn diese seien je nach Uhrzeit nicht immer gleich und die Nutzung eines Taxis nicht so verlässlich, wie das Auto vor der Tür, wie vor dem Unfall. Hinzu trete, dass taxikosten auch dadurch unerwartet hoch sein könnten, dass das Fahrzeug während der Fahrt im Verkehr stecken bleibt. Insgesamt müsse eine solche Entscheidung ex ante getroffen werden und da scheide in der konkreten Sicht des Geschädigten der Verzicht auf den Mietwagen und stattdessen die Nutzung eines Taxis jedenfalls aus schadenrechtlichen Gründen aus.
Die Beklagte behauptete außerdem, der Geschädigte hätte einen Kredit aufnehmen müssen, um die Vorfinanzierung der Ersatzanschaffung zu organisieren. Die Behauptung, das wäre dem Kläger möglich gewesen, wurde vom Gericht als in Blaue hinein zurückgewiesen. Die Beklagten hätte hierzu substantiiert vortragen müssen. Sie verwies lediglich auf missverständliche Rechtsprechung des OLG und LG Düsseldorf zur Schadenminderungspflicht, die durchaus als "nicht BGH-konform" bezeichnet werden kann. Auch der Hinweis auf die Möglichkeit eines Dispositionskredites konnte nicht verfangen, weil gerade dieser erheblich teurer ist und schon gar nicht die geforderte Summe zur Anschaffung eines Autos trage.
Auf den Grundwert des Normaltarifs für Mietwagenkosten sprach das Berufungsgericht einen Aufschlag zu. Hierfür sah es eine Vielzahl von unfallbedingten Mehrleistungen des Vermieters, wie die Vorfinanzierung des Mietzinses über viele Monate und die mangelnde Vorbuchungsmöglichkeit eines Mieters, der von jetzt auf gleich nach einem Unfall mit Totalschaden auf Ersatzmobilität angewiesen ist.
Diese höhere Mietwagenpreis im Rahmen Normaltarif + Aufschlag bringe keine Aufklärungspflicht des Vermieters darüber mit sich, dass Versicherer ggf. den Preis nicht zahlen würden. Eine solche Pflicht ergebe sich erst bei einem Unfallersatztarif, der deutlicher über dem Normaltarif liegen muss.

Das Verfahren ist abgeschlossen, die Beklagte hat die Berufung zurückgenommen.

Zitiervorschlag: "Normaltarif + Aufschlag ist kein Unfallersatztarif"

"Auch die Ausführungen des Amtsgerichts hinsichtlich eines Aufschlags von 20% für einen sog. Unfalltarif sind nicht zu beanstanden. Es handelte sich bei der Anmietung um ein nicht planbares ad hoc Geschäft und der Kläger hat eine Vorfinanzierung ohne Sicherheitsleistung in Anspruch genommen. Der Kläger musste mithin aufgrund des Schadensereignisses und seiner wirtschaftlichen Situation eine Vielzahl von unfallbedingten Mehrleistungen in Anspruch nehmen. Ein Aufschlag von mindestens 20% in derartigen Situationen ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes, der sich die Kammer anschließt, angemessen (BGH NJW 2010, 2569). Der Umstand, dass der Kläger von den Autovermietungen  nicht darüber aufgeklärt worden sein mag, dass der  Tarif  über  einem  Normaltarif  liegt,  ist  unerheblich.  Ausweislich  der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof, der sich die Kammer auch in diesem Fall anschließt, muss eine Aufklärung nur dann erfolgen, wenn der verlangte Mietzins deutlich über dem Normaltarif liegt. Zwar legt der BGH diesbezüglich keine starre Grenze für eine „deutliche Erhöhung" fest. Aus dem Urteil ergibt sich aber, dass der BGH davon ausgeht, dass Unfalltarife durchschnittlich um mindestens 100% über dem örtliche Normaltarif lägen. Zuschläge von bis zu 200% seien keine Seltenheit (BGH Urteil vom 28.06.2006 - XII ZR 50/04, zitiert nach juris). Die Kammer sieht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH eine „deutliche Erhöhung" vorliegend mithin nicht als gegeben an." (Landgericht Duisburg 5 S 11/22 vom 02.09.2022, Beschluss)