Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 32-22

Amtsgericht Neuwied 42 C 48/22 vom 04.08.2022

1. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten nach Unfall kann anhand der Schwacke-Liste vorgenommen werden.
2. Die Frage, welche der drei Methoden zur Ermittlung der Höhe der gerechtfertigten Mietwagenkosten geeignet ist, bedarf nur dann der Klärung, wenn die Beklagte konkreten auf den Fall bezogenen Sachvortrag hält, in diesem Fall daher nicht.
3. Solche konkreten Vergleichsangebote anderer Anbieter zur Verdeutlichung eines unverhältnismäßig hohen Preises der Anmietung hat die Beklagte nach Auffassung des Gerichtes nicht aufgezeigt.
4. Kosten für Nebenleistungen (Haftungsreduzierung, Winterreifen, Navigation, Zusatzfahrer und Zustellen + Abholen) sind Teil der berechtigten schadenrechtlichen Forderungen.
5. Bei Anmietung mehrere Wochen nach dem Unfall erscheint der Aufschlag wegen unfallbedingter Mehrleistungen nicht berechtigt.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht spricht weitere Mietwagenkosten auf Basis der Schwacke-Liste zu. Auch die Kosten der in Anspruch genommenen und erforderlichen Nebenleistungen sind vom Schädiger zu erstatten. Einen unfallbedingten Aufschlag spricht das Gericht im Rahmen der Erforderlichkeit nicht zu. 

Bedeutung für die Praxis: Das Amtsgericht Neuwied bestätigt die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste, auch wenn das OLG Koblenz es den Versicherern weiterhin viel zu einfach macht: Wenn vom Versicherer irgendwelche Mietwagen-Screenshots egal von wann und egal mit welchem Inhalt vorgelegt werden, sei die Schätzgrundlage erschüttert, so das OLG in der Vergangenheit. Das Landgericht und das Amtsgericht Neuwied schauen sich das genauer an. Der Kläger hatte mithilfe eines regionalen BAV-Gutachtens zu Fraunhofer aufgezeigt, dass die Screenshots der Versicherer nur ausgesuchte Beispiele sind, deren Anbieter auch viel höhere Preise weit über Fraunhofer abrechnen. Weiterhin hatte der Kläger sehr konkret formuliert, was an den Internetscreenshots auszusetzen ist, um als konkreter Sachvortrag bewertet zu werden.
Weiterhin kritisch zu hinterfragen ist es, warum einige wenige Internetbeispiele überhaupt geeignet sein sollen, die Anwendung einer Schätzgrundlage infrage zu stellen. Die Schätzgrundlage weist Mittelwerte aus, die aus niedrigen und hohen Werten gebildet werden. Zeigt nun der Schädiger Angebote zu niedrigen Preisen, ist daraus nichts den Rechtsstreit betreffendes ableitbar, außer er hat sie dem Geschädigten vor Anmietung vorgehalten (§ 254 BGB).

Zitiervorschlag: "Kein konkreter Sachvortrag"
"Daraus folgt, dass der Geschädigte dem ihm obliegenden Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich dann genügt, wenn er sich bei Anmietung des jeweiligen Ersatzfahrzeuges an einer dieser Listen orientiert. Die jeweilige Eignung der Listen bzw. Tabellen braucht nur dann näher geklärt zu werden, wenn von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Die Tatsachen müssen sich hierbei auf die Mietwagenpreise im konkreten Fall und gerade nicht auf die abstrakt generelle Eignung der Schätzgrundlage auswirken. (...) Die Klägerin hat zu den von der Beklagten vorgelegten Angeboten eingewendet, dass sich aus ihnen gerade nicht die konkrete Mietwagenklasse ergibt und die darin ausgewiesenen Preise daher nicht die erforderlichen Kosten darstellen können. Zu Recht verweist die Klägerin insoweit darauf, dass sich nähere Informationen zur Mietwagenklasse den vorgelegten Angeboten nicht entnehmen lassen. Unter dem Bild eines beispielhaft dargestellten Mietfahrzeuges ohne Typ und Modellbezeichnung und der Überschrift „Kombis Schaltung" ist lediglich der Mietzeitraum und ein Gesamtpreis ausgewiesen. Auch die von diesem Preis umfassten Leistungen lassen sich der vorgelegten Anzeige ebenfalls nicht entnehmen. Die Beklagte ist diesem zutreffenden Vorbringen der Klägerin nicht entgegengetreten und hat ihren auf die abgedruckten Anzeigen gestützten Vortrag nicht durch Vorlage aussagekräftiger Angebote weiter konkretisiert."
(Amtsgericht Neuwied 42 C 48/22 vom 04.08.2022)