Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 4-22

Amtsgericht Siegburg 103 C 13/21 vom 09.12.2021

1. Nach einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Ersatzwagens erübrigt sich die Diskussion zum Nutzungswillen und zur Nutzungsmöglichkeit auch dann, wenn sich der Geschädigte im Anschluss kein Fahrzeug mehr anschafft.
2. Die Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten erfolgt anhand des "Mittelwertes der Listen-Mittelwerte".
3. Zur Ermittlung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten ist zum Grundtarif ein 20%-Aufschlag wegen der Erforderlichkeit unfallbedingter Mehrleistungen hinzuzufügen.
4. Ein Abzug wegen ersparter Eigenaufwendungen des Geschädigten in Höhe von 4 Prozent ist ausreichend.
5. Die beklagtenseits gegen die Berechtigung der Mietwagenforderung vorgelegten alternativen Angebote sind nicht vergleichbar und daher nicht als konkreter Sachvortrag zu bewerten.
6. Kosten erforderlicher Nebenleistungen wie erweiterte Haftungsreduzierung, Zweitfahrergebühr und Fahrzeug mit Navigation sind von der Beklagten zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Siegburg spricht der Klägerin aus abgetretenem Recht die restlichen Mietwagenkosten vollständig zu, ebenso den unfallbedingten Aufschlag und die Nebenkosten. Zuvor stellt das Gericht jedoch klar, dass im Regelfall auch dann an den Schädiger gerichtete Schadenersatzforderungen bzgl. Mietwagenkosten erstattungsfähig sein können, wenn sich der Geschädigte nach der Miete kein anderes Fahrzeug als Ersatz für seinen Unfallwagen anschafft.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht sagt aus, dass Nutzungswille und Nutzungsmöglichkeit für die Frage der Erstattungsfähigkeit konkret angefallener Mietwagenkosten unerheblich sind, da es dann um eine konkrete Abrechnung für tatsächlich erforderliche Ersatzmobilität nach einem Unfall geht. Es richtet den Blick also verstärkt auf die Nutzung des eigenen Fahrzeuges vor dem Unfall, abrupt beendet durch den Unfall und fortgesetzt mit dem Mietwagen. Ob der Geschädigte im Laufe der Schadenregulierung dann zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietvertrages aus verschiedenen denkbaren Gründen zu der Entscheidung gelangt, sich kein neues Fahrzeug anzuschaffen, ist daher nicht relevant (bei üblichen Einschränkungen in der Frage ausreichenden Fahrbedarfs oder eines frei verfügbaren anderen eigenen und geeigneten Fahrzeuges). Die Richtigkeit dieser Auffassung stellt folgender Gedanke auf die Probe: Sofern sich während der Schadenregulierung herausstellt, dass es für den gewünschten Ersatzwagen finanziell nicht reicht (dann eben gar kein Auto mehr) oder der Geschädigte aus persönlichen Gründen zufällig gerade zu diesem Zeitpunkt, ob aus familiären oder gesundheitlichen Gründen, beschließt, kein Auto mehr fahren zu wollen, oder er zu der Einsicht kommt, dass draußen zu viele potentielle Schädiger herumfahren, dann kann ihm diese Entscheidung nicht zum Nachteil gereichen, indem er die Mietwagenkosten für 14 Tage Wiederbeschaffungszeitraum zzgl. Überlegungsfrist selbst bezahlen muss.
Das Gericht sieht mehrere mögliche Gründe für den Aufschlag. Neben der Eilbedürftigkeit sind das höhere Kosten des Vermieters im Zusammenhang mit der unklaren Anmietdauer und ein daraus resultierender erhöhter Verwaltungsaufwand und verschiedene finanzielle Risiken des Vermieters wegen fehlender Kaution und nicht erfolgter Vorauszahlung des Mieters.