Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 20-21

Oberlandesgericht Frankfurt / Main 7 U 214/20 vom 15.03.2021 (Beschluss)
(Landgericht Wiesbaden 1 O 361/16 vom 16.09.2020)

1. Die Berufung der Beklagten gegen die Mietwagenkosten-Schätzung des Landgerichts mittels des Mittelwertes der Listen Fraunhofer und Schwacke hat keine Aussicht auf Erfolg.
2. Die von der Beklagten vertretene Auffassung bezüglich einer grundsätzlichen Erkundigungspflicht des Geschädigten wird vom Gericht zurückgewiesen.
3. Die in der Beweislast des Schädigers liegende Frage der Schadenminderungspflicht stellt sich erst dann, wenn der Schädiger darlegt und beweist, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war.
4. Ein Abzug für Eigenersparnis ist in Höhe von 5 % zu bemessen.
5. Kosten üblicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Zustellung, Winterreifen und Zusatzfahrer und die Inanspruchnahme des 24-Stunden-Dienstes des Vermieters sind schadenrechtlich erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Eine Berufung der Beklagten gegen die Anwendung der Fracke-Liste in 16 Schadenfällen wird vom 7. Senat des OLG Frankfurt/M. beschlussweise zurückgewiesen. Zudem wird der Anspruch des Geschädigten auf Kosten zusätzlicher Leistungen wie beispielsweise die Haftungsreduzierung bestätigt. Ein Eigenersparnisabzug ist mit 5 Prozent zu bemessen.

Bedeutung für die Praxis: Der 7. Senat des OLG Frankfurt bestätigt seine seit längerem geltende Rechtsprechung zur Vorgehensweise bei der Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Schätzgrundlage und für die ausschließliche Anwendung der Fraunhofer-Liste werden als unkonkret zurückgewiesen. Die Beklagte war auch hier wieder der Meinung, das Landgericht hätte erstinstanzlich eine Verletzung der Schadenminderungspflicht feststellen müssen, da sich die Geschädigten nicht nach günstigeren Mietwagenpreisen erkundigt hätten. Das sieht das Berufungsgericht anders. Statt dessen sieht das OLG wie auch der BGH die Frage nach den erforderlichen Kosten im Vordergrund, die anhand von Listen geschätzt werden können.
Dagegen gerichteter Vortrag müsse konkret aufzeigen, wie sich angebliche erhebliche Mängel der angewendeten Schätzgrundlage auf den Fall auswirken, so das OLG in grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem BGH. Hierzu sieht der Senat die Vorlage von konkreten vergleichbaren Angeboten aus dem streitgegenständlichen Zeitraum als geeignet an. Dieser Auffassung ist jedoch zu widersprechen, denn die bloße Existenz einiger konkreter Marktangebote lassen keinen Zweifel an einer umfassenden Schätzgrundlage aufkommen, außer, sie liegen massiv unter dem Minimum bzw. über dem Maximum der Liste. Oder sie werden dem Geschädigten in Form von tatsächlich verfügbaren, konkreten und passgenauen Direktvermittlungsangeboten unterbreitet, was dann allerdings eine Frage der Schadenminderungsobliegenheit nach § 254 BGB und nicht mehr der Erforderlichkeit ortsüblicher Kosten nach § 249 BGB.

Zitiervorschlag: "Prüfungsreihenfolge/keine generelle Erkundigungspflicht"

"Die in der Beweislast des Schädigers liegende Frage der Schadenminderungspflicht stellt sich erst dann, wenn der Schädiger darlegt und beweist, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war. (...) Danach kann die Klägerin in sämtlichen Fällen jedenfalls den ortsüblichen Normaltarif geltend machen. Nichts anderes beansprucht die Klägerin mit ihrer zunächst auf der Grundlage der Schwacke Lste und sodann nach den Grundsätzen der sog. Fracke-Methode vorgenommenen Berechnung der Klageforderung, so dass der Hinweis der Beklagten in der Berufungsbegründung, das Landgericht habe die vom Bundesgerichtshof vorgegebene Prüfungsreihenfolge nicht beachtet, nicht zutrifft. Denn die Frage, ob dem Geschädigten unter zumutbaren Anstrengungen kein wesentlich günstigerer Normaltarifzugänglich gewesen ist, stellt sieh erst dann, wenn der Geschädigte einen höheren Tarif als den Normaltarif ersetzt verlangt."
(Oberlandesgericht Frankfurt / Main 7 U 214/20 vom 15.03.2021 / Beschluss)

Hinweis: Das erstinstanzliche Urteil ist nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig.