Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 12-21

Landgericht Berlin 41 O 104/19 vom 21.01.2021

1. Die Erforderlichkeitsprüfung bzgl. der Höhe der abgerechneten Mietwagenkosten ergibt, dass diese - unterhalb des Schwacke-Normaltarifes liegend - schadenersatzrechtlich erstattungsfähig sind.
2. Bei Inanspruchnahme eines Normaltarifes besteht für den Geschädigten keine Verpflichtung zur Nachfrage nach günstigeren Alternativen beim Vermieter oder am Markt.
3. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten entfällt, wenn der Geschädigte ein klassenniedrigeres Fahrzeug angemietet hat.
4. Die Beweislast dafür, dass dem Geschädigten in der konkreten Anmietsituation ein günstigeres vergleichbares Angebot ohne weiteres zugänglich (und damit auch bekannt) gewesen ist, obliegt dem Schädiger.
5. Die Beklagte hat mit den vorgelegten Internetbeispielen keine konkreten Tatsachen aufgezeigt, die geeignet gewesen wären, an der Anwendbarkeit der Schwacke-Liste zu zweifeln.
6. Für die Frage der Erstattung von Kosten wintertauglicher Bereifung kommt es nicht darauf an, ob das beschädigte Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet war, sondern auf die Jahreszeit und die zu erwartenden Straßenverhältnisse während der Miete.

Zusammenfassung: Das Landgericht Berlin spricht eine Restforderung bzgl. Mietwagenkosten vollständig zu, da der geforderte Betrag auf einem Normaltarif und nicht auf einem Unfallersatztarif beruht und zudem noch unterhalb des vergleichbaren Schwacke-Normaltarifs liegt. Das Gericht verweist darauf, dass die Beklagte ihrer Beweislast nicht nachgekommen sei, dass a) dem Geschädigten ein günstigerer Tarif ohne weiteres zur Verfügung stand (dann hätte er gegen seine Obliegenheit zur Geringhaltung des Schadens verstoßen) oder b) die angeblichen günstigeren Marktpreise die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste als Vergleichsmaßstab in diesem konkreten Fall erschüttern.

Bedeutung für die Praxis: Die Haftpflichtversicherer behaupten weiterhin durch Vorlage von Internetscreenshots, dass die Schwacke-Liste nicht anwendbar sei. Auch in diesem Fall wird das von Seiten des angerufenen Gerichtes zurückgewiesen, weil diese Angebote mit der konkreten Anmietung nicht vergleichbar sind. Keines der Beispiele betraf annähernd den Anmietzeitpunkt. Geschädigte seinen auch nicht grundsätzlich auf Internet-Vergleichsangebote zu verweisen, mit dem Hinweis des Gerichtes auf den BGH. Auch eine generelle Vorfinanzierung der Schadenkosten, wie sie mit einem Internet-Angebot verbunden ist, sei nicht zu unterstellen. Eine konkrete Verfügbarkeit der dargestellten Fahrzeuge hat die Beklagte zudem nicht behauptet oder gar bewiesen. So verbleibe es bei der klägerischen Abrechnung, da auch das Kammergericht in einer Fracke-Entscheidung nicht gemeint habe, dass nun zwingend nur noch der Mittelwert aus Schwacke und Fraunhofer zu berücksichtigen sei. Das Kammergericht habe eine vorinstanzliche Fracke-Entscheidung lediglich nicht beanstandet und das ist etwas anderes.

Zitiervorschlag "Schätzgrundlage und Beweislast":

"Abweichend von der Auffassung der Beklagten stellt sich im vorliegenden Fall nicht die Frage, ob die geltend gemachten Mietwagenkosten im Sinne der Regelung des § 249 Abs. 2 BGB erforderlich waren. Die Klägerin begehrt im vorliegenden Fall nämlich nicht die Erstattung von Kosten eines (erhöhten) Unfallersatztarifes, sondern macht (...) vielmehr Kosten eines Normaltarifs geltend. (...) Dass der Klägerin bei der Nebenintervenientin abweichend von diesem, durch die Beklagten lediglich auf pauschale Weise bestrittenen Vorbringen der Klägerin ein hiervon abweichender, kostengünstigerer Tarif zugänglich gewesen wäre, haben die Beklagten als die Träger der diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast weder hinreichend substanziiert dargetan noch unter Beweis gestellt. Zum anderen werden ausweislich des Schwacke-Mietpreisspiegels für das Jahr 2018, dort für den Normaltarif, Werte (...) ausgewiesen, so dass auch hiernach von einem Normaltarif auszugehen ist. (...) Nur im Falle der Inanspruchnahme eines (erhöhten) Unfallersatztarifs liegt jedoch die Darlegungs­ und Beweislast bei dem Geschädigten, hier der Klägerin, dass es sich bei der Inanspruchnahme dieses Tarifs um erforderliche Kosten im Sinne der Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gehandelt hat (vgl. PalandUGrüneberg, BGB, 73. Auflage,§ 249 Rn. 34). In dem Falle. dass ein Normaltarif in Anspruch genommen wird, besteht abweichend zum Fall der Inanspruchnahme eines (erhöhten) Unfallersatztarifs grundsätzlich keine Nachfrage- und Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten. Vielmehr liegt im Falle der Inanspruchnahme eines Normaltarifs die Darlegunqs- und Beweislast dafür, dass dem Geschädigten die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs ohne Weiteres zu einem günstigeren Mietpreis möglich gewesen wäre, im Sinne eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB, bei dem Schädiger ..." (Landgericht Berlin 41 O 104/19 vom 21.01.2021)