Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 35-20

Amtsgericht Sinzig 14 C 377/18 vom 12.08.2020

1. Die Schätzung erforderlicher Kosten für einen Ersatzmietwagen kann anhand der Schwacke-Liste vorgenommen werden.
2. Das vom entscheidenden Gericht einholte Sachverständigengutachten bestätigt die Behauptungen der Beklagten nicht.
3. Der pauschale Verweis der Beklagten auf die Fraunhofer-Liste ist kein konkreter Sachvortrag gegen die Anwendbarkeit der vom Gericht verwendeten Schätzgrundlage Schwacke.
4. Die Behauptung der Beklagten, Geschädigte könnten auch kostenlose Werkstattmietwagen bekommen oder zu vergünstigten Preisen, hat sich nicht bestätigt.
5. Besondere Umstände der Anmietung nach einem Unfall rechtfertigen einen Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 20 Prozent.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Sinzig wendet in der Frage der erstattungsfähigen Mietwagenkosten nach einem Unfall zu deren Schätzung nach § 287 ZPO die Schwacke-Liste an. Auf den Normaltarif wird eine Aufschlag wegen erforderlicher unfallbedingter Mehrleistungen des Vermieters aufgeschlagen.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht bleibt trotz erheblicher Angriffe des Haftpflichtversicherers bei seiner Schwacke-Linie. Durch das eingeholte Sachverständigengutachten wird es in seiner Auffassung auch bestätigt. Denn die Beweisaufnahme ergibt eben nicht, was die Beklagte behauptete, dass die üblichen Preise zum Anmietzeitpunkt erheblich niedriger gewesen seien. Jedenfalls zu gleichen Bedingungen und zum Anmietzeitpunkt konnte der Sachverständige das nicht bestätigen. Auch dass die die Beklagte die Ergebnisse eines parallel selbst beauftragten Consulimus-Gutachtens aufzeigt, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, zumal auch dieses eher der Klägerin recht gibt, als die Behauptungen der Beklagten stützt. Wegen der Hinzurechnung eines unfallbedingten Aufschlages hatte die Klägerin darauf verwiesen, dass die Haftungsfrage bei Anmietung ungeklärt gewesen sei und die Anmietdauer nicht festgestanden habe. Das sah das Gericht - unabhängig von einer Eilbedürftigkeit oder ad hoc-Anmietung als einen rechtfertigenden Grund an, den Aufschlag zu gewähren.

Zitiervorschlag "Schwacke/Fraunhofer: Gutachten bestätigt Behauptungen der Beklagten nicht"

"Die Beweisaufnahme hat auch nicht ergeben, dass den Geschädigten von Seiten der Werkstatt Ersatzfahrzeuge günstiger oder kostenlos angeboten worden wären. (...) Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass den Geschädigten zum jeweils konkreten Zeitpunkt günstigere Tarife zu jeweils gleichen Bedingungen ohne Weiteres zugänglich gewesen wären. (...) Auch das von der Beklagten vorgelegte Gutachten rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch dort ist ausgeführt, dass eine "verzerrungsfreie Feststellung" im Nachhinein nicht möglich ist." (Amtsgericht Sinzig 14 C 377/18 vom 12.08.2020)

Zitiervorschlag "Aufschlag von 20 Prozent auch ohne Not/Eil"

"Aufgrund der besonderen Umstände der Anmietsituation ist auch ein Zuschlag von 20 % auf den Grundmietpreis als erforderlich und angemessen anzusehen. Die Klägerin hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass Anmietdauer und Haftungsfrage noch ungewiss waren. Damit ein Mietwagenunternehmen flexibel auf diese Umstände reagieren kann, falls erhöhte vorhaltekosten an, so dass ein pauschaler Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif gerechtfertigt ist. (Amtsgericht Sinzig 14 C 377/18 vom 12.08.2020)