Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 09-18

 

Amtsgericht Coburg 12 C 440/17 vom 28.12.2017

1. Aufgrund der Lieferverzögerungen von Ersatzteilen und da eine Warnung an den Haftpflichtversicherer erfolgte, sind Mietwagenkosten für eine erheblich verlängerte Ersatzfahrzeugvermietung von 73 Tagen erstattungsfähig.
2. Von mehreren erhältlichen Tarifen eines Ersatzfahrzeuges kann der Geschädigte innerhalb eines gewissen Rahmens nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen.
3. Den Normaltarif schätzt das Gericht anhand des Mittelwertes aus den Listen von Schwacke und Fraunhofer.
4. Die Kläger haben Anspruch auf die Kosten einer reduzierten Selbstbeteiligung der Kaskoversicherung sowie der Zustellung und Abholung durch den Vermieter an den Ort des Ersatzbedarfes.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Coburg bestätigt die Erforderlichkeit eines Ersatzfahrzeuges grundsätzlich und für eine Mietdauer von über 70 Tagen. Ein Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadenminderungspflicht wird verneint, da der von Anfang an eingeschaltete Rechtsanwalt den Versicherer um zügige Regulierung bat und mehrmals vor andernfalls steigenden Kosten des Fahrzeugausfalls gewarnt hatte. Der Normaltarif wird anhand des Mittelwertes der Listen geschätzt und Kosten für Nebenleistungen zugesprochen.

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Amtsgericht Coburg 12 C 440/17 vom 28.12.2017


Im Namen des Volkes


In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Coburg durch die Richterin am Amtsgericht XXX am 28.12.2017 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2017 folgendes

ENDURTEIL



1.    Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber der XXX in Höhe von restlichen 3.585,95 EUR freizustellen.

2.    Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber der Sachverständigen XXX in Höhe von 98,69 EUR freizustellen.

3.    Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten XXX & XXX in Höhe von restlichen 109,36 EUR für die außergerichtliche Tätigkeit freizustellen.

4.    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5.    Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.


Beschluss


Der Streitwert wird auf 3.684,64 € festgesetzt.


Tatbestand


Die Klägerin begehrt weiteren Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 06.10.2015, gegen 17:40 Uhr in Düsseldorf ereignete.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Halterin des Fahrzeugs VW Tiguan mit dem amtlichen Kennzeichen XXX. Die Beklagte war zum Unfallzeitpunkt Haftpflichtversicherung des ebenfalls am Unfall beteiligten Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen XXX. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Der Verkehrsunfall wurde ausschließlich durch den Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs verursacht und verschuldet.

Das Fahrzeug der Klägerin war unfallbedingt nicht mehr fahrbereit und musste abgeschleppt werden. Die Klägerin beauftragte noch am Unfalltag, 06.10.2015, die Sachverständigen XXX mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. In dem Gutachten vom 09.10.2015 ermittelte das Sachverständigenbüro Reparaturkosten i.H.v. 18.505,55 € brutto. Bei einem Wiederbeschaffungswert i.H.v. 14.800,00 €. Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug sach- und fachgerecht in einer Werkstatt reparieren.

In der Zeit vom 06.10.2015 bis zum 17.12.2015 nahm die Klägerin einen Mietwagen bei der XXX. Die Mietwagenfirma berechnete der Klägerin für 73 Tage einen Betrag i.H.v. 5.153.12 €. Das verunfallte Fahrzeug der Klägerin ist der Mietwagenklasse 6 oder 7 zuzuordnen. Angemietet wurde ein VW Golf, welcher der Mietwagenklasse 5 oder 6 zuzurechnen war. Das Mietfahrzeug war mit einer Selbstbeteiligung i.H.v. 50,00 € kaskoversichert. Das Mietfahrzeug wurde an die Anschrift des Abschleppdienstes zugestellt. Die Zustellung erfolgte außerhalb der Geschäftszeiten. Das Mietfahrzeug wurde nach Mietenden vom Abschleppdienst wieder abgeholt.

Mit Anwaltsschreiben vom 12.10.2015 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 26.10.2015 auf, den unfallbedingten Schaden zu erstatten. Es wurde in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass die Klägerin auf die Aufnahme eines Kredites angewiesen sei.

Es wurde auf Folgendes hingewiesen:

„Vorsorglich weise ich darauf hin, dass meine Mandantschaft darauf angewiesen ist, einen Kredit aufzunehmen, um die Forderung aufgrund des Verkehrsunfalles begleichen zu können. Gegebenenfalls ist diese Kreditvergabe auch nicht möglich und der Schaden kann nicht vorfinanziert werden. Dadurch könne ein höherer Schaden zum Beispiel durch Verzinsung, Nutzungsausfall oder überlange Inanspruchnahme eines Mietwagens entstehen.“

Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 24.10.2015 wurde der Beklagten das Schreiben der Santander Bank vom 23.10.2015 übersandt, aus dem sich die Ablehnung der Kreditvergabe ergibt. Ferner wurde Folgendes mitgeteilt:

„Wie Sie diesem Schreiben entnehmen können, ist es der Anspruchstellerin nicht möglich, den entstandenen Schaden vorzufinanzieren Wir bitten daher schnellstmöglich um Regulierung, da die Anspruchstellerin auf einen Mietwagen angewiesen ist.“

Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 28.10.2015 wurde der bis dahin geltend gemachte Betrag gegenüber der Beklagten angemahnt. Das Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 09.11.2015 erreichte die Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 11.11.2015.

Am 12.11.2015 zahlte die Beklagte einen Betrag i.H.v. 10.732,02 €. Die Klägerin gab die Reparatur ihres Fahrzeuges sodann unverzüglich nach Erhalt des Abrechnungsschreibens in Auftrag. Noch am selben Tag wurden durch die Reparaturwerkstatt XXX die Ersatzteile bestellt, welche zur Durchführung der Reparatur benötigt worden. Die komplette Ersatzteillieferung erfolgte erst am 08.12.2015. In der Zeit vom 11.12.2015 bis zum 15.12.2015 befand sich das Fahrzeug der Klägerin zur Programmierung bei VW. Das Fahrzeug konnte sodann am 17.12.2015 fertiggestellt werden und wurde am selben Tag an die Klägerin übergeben. Diese gab am 17.12.2015 den Mietwagen zurück.

Die Beklagten zahlte außergerichtlich auf die Mietwagenkosten 1.567,17 €.

Die Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens belaufen sich auf 1.369,69 € brutto. Hierauf hat die Beklagte 1.271,00 € gezahlt.

Die Beklagte hat zudem auf die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten 1.249,50 € gezahlt.

Die Klägerin behauptet, dass die Anmietung eines Mietwagens für 73 Kalendertage erforderlich gewesen sei. Darüber hinaus sei sie nicht in der Lage gewesen, die Reparatur des Fahrzeuges vorzufinanzieren. Auch habe sie keinen Kredit zur Finanzierung des Reparaturschadens bekommen. Eine Kreditanfrage sei abgelehnt worden. Die Klägerin habe deswegen den Mietwagen so lange weiter fahren müssen, bis der Schaden durch die Beklagte reguliert worden sei. Auch habe die Klägerin keine Möglichkeit gehabt, bei ihrer Hausbank einen Kredit zu erhalten. Für das verunfallte Fahrzeug sei bereits ein Kredit aufgenommen worden. Der Ehemann der Klägerin habe zum Unfallzeitpunkt in einem befristeten Arbeitsverhältnis gestanden. Die Klägerin habe zu einem ortsüblichen Normaltarif der Region ein Fahrzeug angemietet.

Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin des Fahrzeuges.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie Anspruch auf Erstattung der restlichen Mietwagenkosten i.H.v. 3.585,95 € sowie der Sachverständigenkosten i H.v. weiteren 109,63 € habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber der XXX in Höhe von restlichen 3.585,95 EUR freizustellen sowie die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber der XXX in Höhe von 98,69 EUR freizustellen sowie die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten XXX & XXX in Höhe von restlichen 109,36 EUR für die außergerichtliche Tätigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt.

die Klage abzuweisen.


Die Beklagte vertritt die Auffassung, es läge ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht auf Seiten der Klägerin vor. Im Sachverständigengutachten sei eine Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen und eine Reparaturdauer von 9 Tagen ausgewiesen. Zudem habe die Beklagte zügig reguliert. Die Klägerin hätte mithin für die zügige Durchführung der Reparatur Sorge tragen müssen.

Darüber hinaus behauptet die Beklagte, dass die von der Klägerin geltend gemachten Mietwagenkosten nicht den erforderlichen Herstellungsaufwand darstellen würden. Die Klägerin habe ein Ersatzfahrzeug zu einem wesentlich überhöhten Preis angemietet. Insbesondere sei das verunfallte Fahrzeug der Klägerin der Mietwagengruppe 6 zuzuordnen, das angemietete Fahrzeug der Mietwagengruppe 5.

Die Beklagte ist zudem der Auffassung, dass die erstattungsfähigen Sachverständigenkosten zutreffend i.H.v. 1.271,00 € ermittelt wurden. Das Grundhonorar sei bereits erkennbar überhöht. Von daher seien die Kosten nicht weiter zu erstatten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen XXX.

Auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen wird ausdrücklich Bezug genommen.


Entscheidungsgründe



Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Ausweislich des vorgelegten Kaufvertrages vom 22.02.2014 (Anlage K 13) wurde das streitgegenständliche Fahrzeug von der Klägerin erworben.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein weiterer Anspruch auf Mietwagenkosten i.H.v. 3.585,95 € zu.

Mietwagenkosten gehören regelmäßig zu den Kosten der Schadensbehebung im Sinne von § 249 BGB. Hiernach darf der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten ersetzt verlangen. Zur Herstellung erforderlich sind jedoch nur die Aufwendungen, die ein verständig wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeuges innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann (so BGH NJW 2006, 2106, BGH NJW 2006, 2618). Wie der BGH weiter ausführt, muss der Geschädigte in einem solchen Fall darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass ihm unter der Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen kein wesentlich günstigerer Tarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt, zumindest auf Nachfrage, zugänglich war.

Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass sie eigene Erkundigungen vorgenommen hat. Von daher konnte das Gericht grundsätzlich eine Schätzung gemäß § 287 ZPO vornehmen. Die Ermittlung der Schadenhöhe und damit des angemessenen „Normaltarifes“ ist Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters.

Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenhöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Der Tatrichter kann bei der Schadensschätzung Listen oder Tabellen verwenden. Nach diesen Grundsätzen ist der Tatrichter grundsätzlich weder gehindert, seiner Schadenschätzung die „Schwacke-Liste“ noch den Fraunhofer-Marktpreisspiegel zugrunde zu legen. Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Die Listen dienen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung nach § 287 ZPO. Es kann auch ein Mittelwert aus den verschieden Werten der Schwackeliste und der Fraunhoferliste gebildet werden (so OLG Bamberg, 09.06.2015, Aktenzeichen 5 U 272/14). Das Gericht schließt sich insoweit der zitierten Rechtsprechung des OLG Bamberg an, wonach als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO das arithmetische Mittel der jeweiligen Tabellen der Schwackeliste und der Fraunhoferliste der Schätzung zugrunde zu legen ist und hieraus aus den sich ergebenden beiden Werten nochmal das arithmetische Mittel zu ermitteln ist (sog. „Fracke“-Rechtsprechung). Dies führt zu einem Ausgleich der in der Literatur und Rechtsprechung benannten Vor- und Nachteile der beiden Listenwerke.

Insoweit ist bezüglich der Fraunhoferliste darauf hinzuweisen, dass sie aufgrund der anonymen Abfrage von Mietwagen und Preisen besser die konkrete Anmietsituation wiedergibt, weil Manipulationen durch die Angabe überhöhter Preise bei befragten Mietwagenunternehmern, wie dies bei der Schwacke-Erhebung der Fall ist, vermieden werden. Zum anderen liegt der Fraunhoferliste ein umfangreiches Zahlenmaterial durch eine größere Anzahl von Nennungen zugrunde. Andererseits basiert bei der Fraunhoferliste ein großer Teil auf Internetangeboten, die auf dem maßgeblichen örtlichen Markt nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Dazu kommt, dass das Raster der Fraunhoferliste gröber ist als das der Schwacke-Liste, da nur zweistellige Postleitzahlengebiete unterschieden werden und nicht - wie bei Schwacke - dreistellige Postleitzahlengebiete.

Bezüglich der Schwacke-Liste sind die Ermittlungen im Hinblick auf das Postleitzahlengebiet genauer, weil sie durch die dreistelligen Postleitzahlen Unterscheidungen ortsnaher sind. Zum anderen berücksichtigt Schwacke auch mögliche Zuschläge bei der Anmietung, die in der Realität auch tatsächlich verlangt werden. Andererseits wird gegen die Schwacke-Liste vorgebracht, dass die Erhebung offen vorgenommen wird. Dies könnte dazu führen, dass die Schwacke-Preise gemessen an den tatsächlich verlangten Preisen zu hohe Preise ausweisen.

Werden mithin die aufgezeigten Vorteile und die Mängel sowohl des Schwacke- als auch des Fraunhofer-Mietpreisspiegels berücksichtigt, erscheint es im Rahmen der freien Schätzung nach § 287 ZPO als richtig, das arithmetische Mittel beider Markterhebungen anzuwenden. Hierdurch findet ein Ausgleich sämtlicher Vor- und Nachteile der jeweiligen Listen und der durch die Beklagten vorgebrachten Einwendungen hinreichend statt

Die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges im Zeitraum vom 06.10.2015 bis zum 17.12.2015 war erforderlich. Die Klägerin hat sich im Rahmen der informatorischen Anhörung dahingehend eingelassen, dass kein anderes Fahrzeug zur Verfügung gestanden hat. Die Familie war auf das Fahrzeug angewiesen, insbesondere um zur Arbeit zu gelangen, aber auch für Fahrten des täglichen Bedarfs, wie Einkaufen. Zudem mussten auch die Kinder gefahren werden. Diese Angaben hat der Zeuge XXX bestätigt. Dieser hat ebenfalls ausgeführt, dass das Mietfahrzeug benötigt wurde. Mit dem Mietfahrzeug wurden Fahrten täglich zur Arbeit durchgeführt, darüber hinaus auch weitere Fahrten für die Familie.

Auch kann dahinstehen, ob das verunfallte Fahrzeug in der Mietwagenklasse 6 oder 7 zuzuordnen und das angemietete Fahrzeug der Mietwagenklasse 5 oder 6. Selbst in der Mietwagenklasse 5 stellen die abgerechneten Kosten den erforderlichen Herstellungsaufwand dar. Die Anmietdauer beträgt ausweislich des Mietvertrages 73 Tage. Auch können die von der Beklagten behaupteten 72 Tage zugrunde gelegt werden.

Auch hat die Klägerin einen Anspruch auf Kosten für eine Selbstbeteiligung für die Vollkaskoversicherung. Ausweislich des Vertrages wurde eine Haftungsbefreiung für 50,00 € abgeschlossen. Zudem erfolgten eine Zustellung außerhalb der Geschäftszeiten und ein Abholen des Mietfahrzeuges.

Im konkreten Fall war mithin für die Postleitzahl 402XX und der Mietwagenklasse 05 ein arithmetisches Mittel nach der Schwackeliste 2015 von 5.618,06 € (546,20:7x72) zugrunde zu legen. Nach der Fraunhoferliste 2015 ergibt sich ein Mittelwert für 72 Tage von 2.389,37 € (232,30:7x72). Mithin werden die Mietwagenkosten auf 4.003,72 € geschätzt.

Hinzu kommen für die für die Vollkaskoversicherung in Höhe von 1.427,76 € und für das Zustellen außerhalb der Geschäftszeiten in Höhe von 60,63 € sowie Abholen in Höhe von 29,64 €. Mithin hat die Klägerin insgesamt einen Anspruch in Höhe von 5.521,75 €. Hierauf hat die Beklagte 1.567,17 € gezahlt, so dass ein Betrag in Höhe von 3.954,58 € verbleibt.

Auch eine Verletzung der Schadenminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Klägerin trotz der ungewöhnlich langen Dauer des Ausfalles ihres Fahrzeuges nicht vorzuwerfen.

Kann ein Geschädigter nicht aus eigenen Mitteln sein Kraftfahrzeug finanzieren und droht daher bei nicht umgehender Regulierung des Schadens ein besonders hoher Nutzungsausfallschaden, ist der Geschädigte nach dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht gehalten, den Schädiger darauf hinzuweisen, dass er zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges oder zur Zahlung der Reparatur nicht in der Lage ist und deshalb einen Vorschuss benötigt (AG Freising, Endurteil vom 11.09.2015, Aktenzeichen 5 C 261/15; LG Aachen, Urteil vom 20.05.2016, 11 O 366/15).

Dieser Anforderung ist die Klägerin mit ihrem Anwaltsschreiben nachgekommen. Ausreichend war soweit der Hinweis, dass der Klägerin die Reparatur finanziell nicht möglich war. Die Klägerin wies bereits in dem ersten Schreiben die Beklagte auf die Höhe hin und auch darauf, dass ein hoher Nutzungsausfallschaden entstehen kann.

Ihre Schadensminderungspflicht hat die Klägerin auch nicht dadurch verletzt, dass sie das Fahrzeug nicht auf eigenen Kosten hat reparieren lassen. Ein Geschädigter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigten oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen. Eine solche Pflicht kann im Rahmen des § 254 BGB allenfalls dann und nur ausnahmsweise bejaht werden, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er nicht durch die Rückzahlung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird.

Auch für die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Kreditaufnahme ist primär der Schädiger darlegungspflichtig. Er muss deshalb auch darlegen, dass der Geschädigte in der Lage gewesen wäre, eine geeignete Kreditbesicherung anzubieten und dass diese von seiner Hausbank oder sonstigen Kreditinstituten auch akzeptiert worden wäre. An die primäre Darlegungslast des Schädigers knüpft sich die sekundäre Darlegungslast des Geschädigten an, soweit Umstände angesprochen worden sind, die der Schädiger aus eigenem Wissen nicht vortragen kann (LG Aachen, Urteil vom 20.05.2016, 11 O 366/15).

Die Reparatur des Fahrzeuges kostete 19.147,45  €. Die Klägerin konnte diese Kosten, wie sie im Rahmen der informatorischen Anhörung glaubhaft bestätigte, nicht finanzieren. Insbesondere hat die Klägerin ausgeführt, dass bereits das verunfallte Fahrzeug finanziert worden war. Auch hat sie zu diesem Zeitpunkt als Küchenhilfe gearbeitet und ein geringes Einkommen erzielt. Ihr Ehemann hat sich zu diesem Zeitpunkt in einem befristeten Arbeitsverhältnis befunden. Eine Möglichkeit zur Kreditaufnahme bestand bei dieser Einkommenssituation nicht. Der Beklagten hätte es im Übrigen insoweit oblegen, konkret darzulegen, welche Bank der Klägerin die Finanzierung dieses Kredites unter diesen Umständen ermöglicht hätte. Der pauschale Verweis auf die Hausbank oder andere Banken genügt insoweit nicht. Im Gegenteil hat der Zeuge XXX als auch die Klägerin ausgeführt, dass eine Anfrage erfolgt ist. Eine entsprechende Absage durch die Santander Bank wurde ebenfalls vorgelegt.

Auch liegt kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht aufgrund der Reparaturdauer vor.

Die Klägerin hat substantiiert dargelegt durch Vorlage eines konkreten Reparaturablaufplanes (Anlage K 7) und einer entsprechenden Stellungnahme des Autozentrum XXX vom 23.12.2015 (Anlage K 8), warum die Reparaturdauer vom 11.11.2015 bis 17.12.2015 angedauert hat. Durch den vorgelegten Reparaturablaufplan hat die Klägerin hinreichend substantiiert dargelegt, wie die Reparatur abgelaufen ist. Das pauschale Bestreiten der Beklagten hierauf ist unbehelflich, denn aufgrund der vorgelegten Anlage hätte die Beklagten substantiiert Bestreiten müssen Dies wäre ihr auch zumutbar gewesen. Dadurch, dass sie sämtliche Kontaktdaten der Reparaturwerkstatt hat, hätte sie insoweit eigene Erkundigungen anstellen können. Darüber hinaus ist die Einschätzung der Reparaturdauer durch den Sachverständigen prognostischer Art. Von daher ist ein Geschädigter nicht gehalten sich nach dem Stand der Reparatur zu erkundigen.

Auch hätte sich hieran insoweit nichts geändert, da sich aus der Anlage K 8 ergibt, dass aufgrund eines Rückstands das bestellte Radhausblech erst am 08.12.2015 zur Auslieferung gekommen ist. Von daher ist hinreichend genau dargelegt, warum es zur längeren Reparaturdauer gekommen ist. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Reparaturwerkstatt Erfüllungsgehilfe des Schädigers und nicht des Geschädigten ist. Für eine Verletzung der Schadenminderungspflicht diesbezüglich wären auch die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet. Wie schon ausgeführt hätte die Beklagte ausweislich des vorgelegten Reparaturablaufplanes substantiiert bestreiten müssen, inwieweit die Klägerin gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen hätte. Verzögerungen bei der Reparatur gehen grundsätzlich zu Lasten der Beklagten.

Die Klägerin hat weiter einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe von 98,69 €.

Die Kosten der Schadensfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens (Palandt, BGB-Kommentar, § 249 Rn. 58; BGH NJW-RR 1989, 956). Der Schädiger hat daher die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (Palandt, BGB-Kommentar, § 249 Rn. 58; BGH NJW 1974, 35; BGH NJW 2007, 1451). § 249 Abs. 2 S. 1 BGB beschränkt den Anspruch auf Ersatz von Sachverständigenkosten auf den objektiv erforderlichen Herstellungsaufwand. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte deshalb vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nur den Ersatz derjenigen Sachverständigenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich halten darf (BGH VersR 2005, 380; BGH NJW 2007, 1452). Der Geschädigte hat dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (so BGH, 6. Zivilsenat, 11.02.2014, VI ZR 225/13). Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen (so BGH, 6. Zivilsenat. 11.02.2014, VI ZR 225/13).

Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der - vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten - beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (so BGH, 6. Zivilsenat, 11.02.2014, VI ZI 225/13). Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH, NJW 2014, 3151 ff.). Es ist dabei grundsätzlich anerkannt, dass ein Sachverständiger sein Honorar zeitunabhängig und pauschal nach Grundhonorar und Nebenkosten abrechnen darf.

Gemessen an diesen Grundsätzen handel1 es sich bei dem Sachverständigen abgerechneten Preisen für die Begutachtung um den erforderlichen Herstellungsaufwand.

Weit überwiegend wird auch in Fällen der sogenannten 130%-Grenze der Wiederbeschaffungswert brutto als Grundlage für die Bemessung der Schadenhöhe herangezogen. Maßgebend bei der Festlegung der Schadenhöhe ist ausschließlich die linke Spalte (Schadenhöhe netto). Auch in Fällen, in denen der Wiederbeschaffungswert brutto maßgebend ist, ist diese linke Spalte maßgebend (Erläuterung zur BVSK-Befragung 2013).

Die Berechnung eines Grundhonorars in Höhe von 1.059,20 € bei einem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 14.800,00 € stellt sich für einen verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen nicht erkennbar erheblich überhöht dar. Dies deswegen, weil das abgerechnete Grundhonorar unter den höchsten Werten des Korridors der BVSK-Honorarbefragung 2015 (HB III) liegt. Bei einem Nettoschaden bis zu 15.000,00 € netto rechnen danach 95 % der BVSK-Mitglieder maximal 1.145,00 € ab.

Eine Orientierung an der BVSK-Honorarbefragung im Rahmen der Schadensschätzung durch das Gericht gemäß § 287 ZPO ist anerkannt und zulässig. Bei der Schadensschätzung können grundsätzlich Listen oder Tabellen Verwendung finden (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2008, Aktenzeichen VI ZR 164/07). Dabei kann das Gericht sich am üblichen Sachverständigenhonorar orientieren, wie es in der Honorarbefragung des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen (BVSK) ermittelt wird. Die Befragung wird bereits seit Jahrzehnten durchgeführt und bildet einen wichtigen Anhaltspunkt für die Angemessenheit von Sachverständigenhonoraren. Zudem bildet der BVSK den größten Zusammenschluss freiberuflicher qualifizierter Kfz-Sachverständiger in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass die im Rahmen der Befragung erlangten Ergebnisse nicht ohne Realitätsbezug sind. Deshalb sind diese geeignet, um einen Anhaltspunkt für eine Schätzung im Sinne des § 287 ZPO zu bilden. Auch kann die BVSK-Tabelle 2015 zu Grunde gelegt werden (so Landgericht Coburg; AZ.: 33 S 78/15). Das abgerechnete Grundhonorar liegt unter dem Mittelwert 1.013,00 €/1.132,00 €), so dass keine subjektive Erkennbarkeit für die Klägerin vorliegt. Diese wird erst bei Überschreitung des HB III angenommen.

Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Nebenkosten gelten dieselben Grundsätze wie für das abgerechnete Grundhonorar. Die abgerechneten Nebenkosten sind nicht erkennbar überhöht. Bei den Nebenkosten ist grundsätzlich auf die BVSK-Honorarbefragung 2015 abzustellen (Landgericht Coburg, AZ: 32 S 71/15 und 32 S 79/15). Ausweislich der BVSK-Honorarbefragung 2015 sind für den 1. Fotosatz 2,00 €, den 2. Fotosatz 0,50 €, für Fahrtkosten 0,70 €, für Schreibkosten 1,80 € je tatsächlich beschriebene Seite, für Kopien 0,50 € und für Porto/Telefon 15,00 € jeweils netto zu berücksichtigen waren.

Sämtliche abgerechnete Nebenkosten bewegen sich innerhalb der BVSK-Honorarbefragung 2015 und sind damit erstattungsfähig. Auch die Kosten für die Restwertbörse wurden nachgewiesen.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze hält das Gericht erforderliche Sachverständigenkosten in Höhe von gesamt 1.369,69 € für angemessen, auf die die Beklagte außergerichtlich 1.271,00 € geleistet hat. So dass ein Betrag in Höhe von 98,69 € verbleibt.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren können aus einem Gebührenstreitwert von 23.035,48 € beansprucht werden. Dies entspricht 1.358,86 €. Hierauf hat die Beklagte bereits 1.249,50 € reguliert, so dass ein Betrag in Höhe von 109,36 € verbleibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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Bedeutung für die Praxis: Das Gericht schätzt mit dem Mittelwert (wie die 14. Abteilung) und verweist dazu auf die Rechtsprechung des OLG Bamberg. Die Anwendbarkeit der Fraunhofer-Werte zur Mittelwertbildung wird aufgrund der allgemeinen Behauptung der Vorteile anonymer Abfragen angenommen. Gegen Fraunhofer wird berücksichtigt, dass es sich dort eher um Internetangebote handelt. Schwacke sei anfällig für überhöhte Nennungen, aber konkreter und fokussiert auf den örtlichen Markt sowie mit Nebenkosten, damit ist dort ein Gesamtpreis ermittelbar. Durch die Mittelwertbildung seien die Einwendungen der Beklagten gegen die Anwendbarkeit der SchwackeListe hinreichend berücksichtigt.

Hinweis:
Über die Rechtskraft des Urteils ist nichts bekannt.