Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 04-18

 

Amtsgericht Wiesbaden 93 C 1675/17 (40) vom 31.08.2017

1. Bis zur Höhe eines Normaltarifes sind Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall ohne weitere Voraussetzungen erstattungsfähig.
2. Zur Bestimmung der Höhe des Normaltarifes wendet das Gericht in ständiger Rechtsprechung die SchwackeListe Automietpreisspiegel an.
3. Von der Beklagten vorgelegte Rechercheergebnisse aus dem Internet sind kein konkreter Sachvortrag, da später eingeholte Angebote nicht vergleichbar sind.
4. Die Kosten der vertraglich vereinbarten Haftungsreduzierung sind wegen des erhöhten wirtschaftlichen Risikos des Geschädigten zu erstatten.
5. Die Kosten der wintertauglichen Bereifung und Zustellung sind ebenso erstattungsfähig.
6. Da dem Geschädigten bei einer Schadenersatzforderung im Rahmen des Normaltarifes keine generelle Erkundigungspflicht obliegt, ist ihm auch kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vorzuwerfen.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Wiesbaden weist auf seine ständige Rechtsprechung hin, erstattungsfähige Mietwagenkosten mit der SchwackeListe-Automietpreisspiegel zu schätzen. Der Vermieter hatte einen Betrag sogar unterhalb der Schwacke-Werte berechnet, sodass dem Geschädigten auch keine Erkundigungspflicht nach einem noch günstigeren Anbieter oblag. Für die Reduzierung der Haftung für Schäden am Mietwagen und für die Winterbereifung entstehende Kosten sind ebenso zu erstatten. Einen Abzug wegen Eigenersparnis verneint das Gericht, da klassenniedriger angemietet wurde.

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Amtsgericht Wiesbaden 93 C 1675/17 (40) vom 31.08.2017


IM NAMEN DES VOLKES



Urteil




In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

hat das Amtsgericht Wiesbaden durch den Richter am Amtsgericht XXX im vereinfachten Verfahren nach § 495 a ZPO ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:


Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 608,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.05.2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


Tatbestand:

Die Klägerin verlangt restliche Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht.

Am 28.11.2016 erlitt XXX einen Verkehrsunfall mit einem Versicherungsnehmer der Beklagten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte aus dem Verkehrsunfallereignis XXX gegenüber zu 100 % einstandspflichtig ist.

XXX mietete für die Dauer ihres unfallbedingt beschädigten Kfz, das der Mietwagenklasse 6 zuzuordnen ist, in der Zeit vom 29.11. bis 20.12.2016 ein Mietfahrzeug der Klasse 5. Hierfür wurde ihr von der Firma XXX Kosten in Höhe von 2.016,62 € in Rechnung gestellt.

XXX hat den die Mietwagenkosten betreffenden Schadensersatzanspruch an die Firma XXX abgetreten. Diese wiederum hat mit Abtretungsvertrag vom 04.01.2017 (Anlage K 11 = Blatt 84 der Akten) ihrerseits die Forderung aus der Rechnung über 2.016,62 € an die Klägerin abgetreten.

Die Beklagte zahlte vorprozessual Mietwagenkosten in Höhe von 1.407,77 €.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin aus abgetretenem Recht den verbleibenden Restbetrag von 608,85 €.

Die Klägerin verweist darauf, dass nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2016 sich für den Anmietzeitraum zuzüglich Haftungsreduzierung, Winterreifen und Zustellungskosten ein Gesamtmietzinsbetrag von 2.383,72 € errechnet.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel zur Ermittlung der ortsüblichen Mietwagenkosten ungeeignet sei und stattdessen die Daten des Mietspiegels des Fraunhofer-Instituts zugrunde zu legen seien.

Im Übrigen habe eine Internetrecherche vom 06.07.2017 aufgezeigt, dass ein vergleichbares Fahrzeug zu einem Gesamtpreis von 973,61 € anmietbar sei.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:



Die Klage ist begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten aus abgetretenem Recht nach §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 249, 298 BGB weiteren Schadensersatz aus dem Verkehrsunfallereignis vom 28.11.2016 in Form von Mietwagenkosten in der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Höhe verlangen.

Mietwagenkosten zählen im Falle eines Verkehrsunfalles zu den erstattungsfähigen Kosten im Sinne des § 249 BGB. Bis zur Höhe des sog. Normaltarifes sind Mietwagenkosten ohne weitere Voraussetzungen erstattungsfähig.

Für die Ermittlung des sog. Normaltarifs bedient sich das Gericht in ständiger Rechtsprechung des Schwacke-Mietpreisspiegels.

Die Geeignetheit des Schwacke-Mietpreisspiegels als Schätzungsgrundlage zur Bestimmung des ortsüblichen Mietzinses wird nicht durch die Internetrecherche der Beklagten bezüglich Mietwagenangebote im Internet in Frage gestellt. Denn die Recherche erfolgte am 06.07.2017 und damit weit über ein halbes Jahr nach dem Unfallereignis. Durch diesen erheblichen Zeitabstand ist eine Vergleichbarkeit nicht gegeben.

Die nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2016 berechneten ortsüblichen Mietwagenkosten übersteigen den Rechnungsbetrag der Firma XXX. Da somit der von der Firma berechnete Mietzins unterhalb des ortsüblichen Mietzinses liegt, kann die Klägerin aus abgetretenem Recht den verbleibenden Restbetrag in voller Höhe geltend machen.

Die Beklagte schuldet auch die eingeschlossene Haftungsfreistellung, da unabhängig davon, ob das unfallbeschädigte Fahrzeug vollkaskoversichert war, mit der Benutzung eines Mietwagens ein höheres Unfallrisiko einhergeht, dass der Unfallgeschädigte nicht zu tragen braucht.

In Folge der Jahreszeit (Winter) war auch eine Ausstattung des Mietfahrzeuges mit Winterreifen erforderlich.

Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht durch XXX ist nicht ersichtlich, weil zur Einholung von Vergleichsangeboten sie nur dann verpflichtet gewesen wäre, wenn der Rechnungsbetrag aus dem angemieteten Mietfahrzeug den ortsüblichen Betrag überstiegen hätte. Dies ist jedoch - wie oben ausgeführt - vorliegend nicht der Fall.

Schließlich hat auch kein zehnprozentiger Abzug für Eigenersparnis stattzufinden, da die Unfallgeschädigte ein klassentieferes Fahrzeug angemietet hat.

Die zuerkannten Zinsen gründen sich auf Verzug.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Bedeutung für die Praxis: Die Rechtsprechung in Wiesbaden scheint bisher wenig beachtet. Daher lohnt der Hinweis, dass sich am örtlichen Gericht auch Mietwagenabrechnungen im Bereich der Schwacke-Werte durchsetzen lassen. Eine andere Abteilung wendet allerdings die Mittelwert-Methode an. Die Argumente der Beklagten mittels Verweis auf später eingeholte Internetangebote weist das Gericht als unkonkreten Sachvortrag zurück. Die immer wieder festzustellende Versuch, dem Geschädigten eine generelle Erkundigungspflicht anzudichten, wird zurückgewiesen. Offen bleibt, ob nach Auffassung des Gerichtes zeitlich passende Internetangebote die Anwendbarkeit der SchwackeListe erschüttert hätten. Klägervortrag hätte in einem solchen Fall zu verdeutlichen, dass auch niedrigere Angebote einen berechneten Mittelwert nicht in Frage stellen können, denn ein Mittelwert berücksichtigt bereits auch niedrigere Werte bis hinunter zum örtlichen Minimum dieser Liste.

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