Immer noch Unsicherheiten im Umgang mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz im Hinblick auf Abtretungen

Rechtsanwalt Joachim Otting, Hünxe www.rechtundraeder.de

Kaum etwas ist rund um den Streit um die Mietwagenkostenerstattung so deutlich vom BGH ausgeleuchtet, wie die Frage der Wirksamkeit von Abtretungen unter dem Blickwinkel des Rechtsdienstleistungsgesetzes. Und so verwundert es sehr, dass noch immer eine Berufungskammer auf die Finten eines Versicherers hereinfällt, wenn ein Autovermieter restliche ihm vom unfallgeschädigten Kunden abgetretene Ansprüche auf schadenrechtliche Mietwagenkostenerstattung nach einem Verkehrsunfall einklagt.

Ein Urteil des LG Schweinfurt (1)  liegt völlig neben der Rechtsprechung des BGH. Es wird derzeit breit gestreut in anderen Prozessen als musterhaft vorgelegt und muss daher näher beleuchtet werden.

Erlaubte Nebenleistung gemäß § 5 RDG

Zieht der Autovermieter ihm von einem unfallgeschädigten Kunden abgetretene Forderungen auf schadenrechtliche Erstattung der Mietwagenkosten vorgerichtlich oder gerichtlich ein, lauten die vom BGH (2)  in den Leitsätzen aufgestellten Grundsätze zur Zulässigkeit der Einziehung:

„a) Die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten auf Erstattung von Mietwagenkosten ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG grundsätzlich erlaubt, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist.

b) Etwas anderes gilt, wenn die Haftung dem Grunde nach oder die Haftungsquote streitig ist oder Schäden geltend gemacht werden, die in keinem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit stehen.“

Ein Haftungseinwand kam erstmals im Prozess

Vorgerichtlich hatte der Versicherer im Schweinfurter Rechtsstreit keinerlei Haftungseinwand vorgebracht. Die Mietwagenkosten wurden auf der Grundlage einer vollständigen Haftung, aber mit unterschiedlicher Auffassung zu den der Höhe nach berechtigten Mietwagenkosten erstattet. Erst nachdem die Zessionarin Klage erhoben hat, hat der beklagte Versicherer im Prozess – dort allerdings von Anfang an – Haftungseinwendungen dem Grunde nach erhoben.

Um die Zulässigkeit des späten Haftungseinwandes geht es für die RDG-Frage nicht

Ganz zurecht sagt das Gericht, es sei
„… kein Grund ersichtlich, weshalb es der Beklagten verwehrt sein sollte, zunächst einen Betrag auf der Basis einer 100%-igen Einstandspflicht unter Zugrundelegung der eigenen Ansicht über die Höhe der Mietwagenkosten zu leisten und erst, wenn der Geschädigte beziehungsweise die Klägerin als Zessionarin darüber hinausgehende Ansprüche klageweise geltend macht, auch eine Mithaftung des Geschädigten einzuwenden. Dabei kann auch offenbleiben, ob es rechtsmissbräuchlich wäre, ohne jeden Anhaltspunkt für ein Mitverschulden des Unfallgegners erst auf die Klage der Zessionarin auf Erstattung der Mietwagenkosten hin erstmals eine Mithaftung einzuwenden, nur um die Unwirksamkeit der Abtretung zu rügen.“,
zumal die Einwendungen nicht substanzlos seien. Mag man im Einzelfall widersprüchliches Verhalten unter Treu- und Glauben-Gesichtspunkten für durchgreifend halten, so ist die Wertung des Gerichtes hier nicht zu beanstanden.

Doch um die Zulässigkeit des späten Haftungseinwandes geht es bei der Frage der Wirksamkeit der Abtretung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht. Die diesbezügliche Rechtsfrage ist einzig und allein, ob ein solches zulässiges nachträgliches Bestreiten der Haftung dem Grunde nach noch Einfluss auf die Abtretung hat. Anders gefragt: Kann eine bis dahin wirksame Abtretung durch ein verändertes Verhalten des Versicherers im Verlaufe des Rechtsstreites unwirksam werden?

Augenscheinlich ohne Kenntnis der BGH-Rechtsprechung

Das Urteil setzt sich mit keiner Zeile mit der dazu ergangenen völlig einschlägigen Rechtsprechung des BGH auseinander. Die Schweinfurter Berufungskammer hält es für unerheblich, dass der Haftungseinwand erst zeitlich nach der Abtretung erfolge, zumal zum Zeitpunkt der Abtretung ja selten klar sei, wie der Schädiger sich einlassen werde.
Wörtlich sagt die Berufungskammer:

„Die Kammer hält auch den vom Erstgericht herangezogenen Umstand, dass die alleinige Haftung immerhin erst zeitlich nach der Abtretung streitig geworden sei, nicht für ein überzeugendes Argument gegen die Unwirksamkeit der Abtretung. … Denn zum einen wird sich zur Zeit der Abtretung … prinzipiell häufig noch gar nicht absehen lassen, ob die alleinige Einstandspflicht der gegnerischen Haftpflichtversicherung unwidersprochen bleiben wird. Zum anderen aber ist die Rechtsfrage, ob eine Abtretung wirksam war, ohnehin anhand aller bei der Entscheidung hierüber bekannten Umstände zu beantworten, so dass es für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz vorliegt, allein darauf ankommt, ob die Einstandspflicht wirklich unstreitig (geblieben) ist.“

Diese Begründung erstaunt. Sogleich nach der BGH-Entscheidung zu den Grundsätzen der Zulässigkeit des Inkassos durch den Autovermieter hatten diverse Versicherer nämlich schon mehrmals versucht, mit nachträglichen Haftungseinwendungen die laufenden Prozesse hinsichtlich der Aktivlegitimation des Zessionars zu torpedieren.

Der BGH hat daher mit zwei Urteilen (3) bereits vergleichbare Fälle entschieden. In beiden Urteilen geht die Problematik jedoch nicht bereits aus den Leitsätzen hervor. Möglicherweise werden sie deshalb übersehen.

An Deutlichkeit nicht zu überbieten führt der BGH in beiden Entscheidungen wortgleich aus:

„Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Abtretung nicht deshalb unwirksam, weil die Abtretung zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem noch nicht geklärt war, ob und wie sich der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer einlässt (so AG Mönchengladbach, Urteil vom 17. Juli 2012 - 36 C 491/11, juris Rn. 17 ff.). Die Abtretung als solche ist ein neutrales Geschäft, welches nicht per se gegen ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB) verstößt. Sie wäre allenfalls unwirksam, wenn sie von vornherein auf eine nicht erlaubte Rechtsdienstleistung zielte. Dies ist bei der Abtretung eines Schadensersatzanspruchs auf Erstattung von Mietwagenkosten nicht der Fall, weil die Einziehung dieses Anspruchs durch das Mietwagenunternehmen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG grundsätzlich erlaubt ist, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist. Liegen mithin keine Umstände vor, aus denen ohne Weiteres ersichtlich ist, dass es sich um einen Unfall handelt, bei dem die Einziehung einer abgetretenen Schadensersatzforderung durch ein Mietwagenunternehmen nicht erlaubt ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Januar 2012 - VI ZR 143/11, aaO Rn. 8 f.), ist die Abtretung nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz unwirksam, weil noch nicht feststeht, wie sich der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer einlässt.“

Ein Verstoß gegen das RDG muss gewollt sein

Also: Die Abtretung als solche ist ein neutrales Geschäft, welches nicht per se gegen ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB) verstößt. Es muss eine Ausnahmesituation vorliegen, die von den Routinefällen des zulässigen Abtretens abweicht.

Mit den Worten des BGH: Die Abtretung wäre allenfalls unwirksam, wenn sie von vornherein auf eine nicht erlaubte Rechtsdienstleistung zielte.

Mithin muss es offensichtlich sein, dass der Versicherer die Mithaftung bereits eingewandt hat. Oder es muss ein Fall vorliegen, dem der zu erwartende Haftungseinwand „auf die Stirn geschrieben steht“. Nur dann, wenn also Umstände vorliegen, aus denen ohne Weiteres ersichtlich ist, dass es sich um einen Unfall handelt, bei dem die Einziehung einer abgetretenen Schadensersatzforderung durch ein Mietwagenunternehmen nicht erlaubt ist, kann die Abtretung von vornherein auf eine nicht erlaubte Rechtsdienstleistung zielen.

Zum Zeitpunkt der Abtretung lagen solche Umstände offensichtlich nicht vor. Denn wenn sogar der geschulte Schadensachbearbeiter im ersten Arbeitsgang keinen Anlass sieht, einen Haftungseinwand zu erheben, lag zum Zeitpunkt der Abtretung weder ein Haftungseinwand vor noch stand er der Fallgestaltung „auf die Stirn geschrieben“. Folglich zielt die Abtretung nicht von vornherein auf eine nicht erlaubte Dienstleistung.

Das Amtsgericht, dessen Entscheidung (4) von der Berufungskammer abgeändert wurde, lag also richtig. Die Entscheidung des Landgerichtes lässt sich nicht mit der ganz und gar einschlägigen BGH-Rechtsprechung in Übereinstimmung bringen.

Eine praktische Anmerkung

Wenn der Haftungseinwand bereits vorgerichtlich erhoben wird, wird wohl kein Autovermieter einen Rechtsstreit aus abgetretenem Recht um die Haftung dem Grunde nach und um die Höhe des Erstattungsanspruchs führen.

Denkbar ist aber noch folgende Konstellation: Der Versicherer wendet vorgerichtlich eine Mithaftung ein, die der Autovermieter in seiner Rolle als Zessionar akzeptiert. Aber innerhalb der Haftungsquote gibt es Streit um die Höhe der entsprechend gequotelten Erstattungsansprüche. Über „Schwacke versus Fraunhofer“ kann man ja auch bei Einigkeit über die Mithaftungsquote disputieren.

Das ist dann kein Streit um die Haftungsquote. Nur ein solcher Streit kann gemäß der Basisentscheidung des BGH die Grundlage für eine Unwirksamkeit der Abtretung sein. Das bedeutet: Auch wenn die Haftung gequotelt, aber über die Quote nicht gestritten wird, ist eine Abtretung wirksam. Es kommt nicht darauf an, dass eine Hundert zu Null-Haftung gegeben ist.

1) LG Schweinfurt, Urteil vom 18.11.2016 – 32 S 67/16
2) BGH, Urteil vom 31.01.2012 - VI ZR 143/11
3) BGH, Urteil vom 11.09.2012 - VI ZR 297/11 sowie Urteil vom 11.09.2012 - VI ZR 238/11
4) AG Schweinfurt, Urteil vom 09.09.2016 – 2 C 619/16

(aus MRW 1-17, Seite 4 f.)

 

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