Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 45-17

 

Amtsgericht Offenbach am Main 33 C 152/17 vom 31.08.2017

1. Der Klägerin werden restliche Schadenersatzansprüche wegen Mietwagenkosten nach den Werten der SchwackeListe Automietpreisspiegel zugesprochen.
2. Die bisherige Regulierung der eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherung auf der Basis der Fraunhofer-Tabelle ist unzureichend.
3. Eine Abwägung von Vor- und Nachteilen der Listen, wie die Erhebungsmethode, Internet, Anbieter-Umfang und Bedingungen führt zu dem Schluss, dass ein Geschädigter bei Anwendung der Fraunhoferliste auch nach Einholung von Vergleichsangeboten häufig auf Teilen der Mietwagenkosten sitzen bleiben würde.

Zusammenfassung: Das Gericht wendet zur Schätzung des Mietwagen-Normaltarifes für Selbstzahler die SchwackeListe Automietpreisspiegel an. Da die Beklagte ihre Regulierungskürzung mit dem Verweis auf die Fraunhoferliste Marktpreisspiegel Mietwagen begründet hatte, wird dem Kläger der geforderte weitere Schadenersatz vollständig zugesprochen. 

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Amtsgericht Offenbach am Main 33 C 152/17 vom 31.08.2017


IM NAMEN DES VOLKES

 

Urteil

 


In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

hat das Amtsgericht Offenbach am Main durch die Richterin am Amtsgericht XXX im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzschluss am 18.08.2017 für Recht erkannt:·

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.352,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.06.2017 sowie weitere 169,50 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 1.352,71 € festgesetzt.


Tatbestand

Die Klägerin ist ein gewerbliches Autovermietungsunternehmen. Sie verlangt aus abgetretenem Recht von der Beklagten die Zahlung von restlichen Mietwagenkosten aufgrund eines Verkehrsunfallgeschehens, bei denen der Geschädigte bei der Klägerin unfallbedingt ein Ersatzfahrzeug anmietete. Die Beklagte ist die Kfz-Haftpflichtversicherin des unfallverursachenden Fahrzeugs und hat ihre Einstandspflicht dem Grunde nach anerkannt. Die Parteien streiten dabei über die Frage, wie sich die Erforderlichkeit der Mietwagenkosten der Höhe nach bemisst.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 29.12.2016 unter Fristsetzung zum 06.01.2017 zur Zahlung von 2.019,22 € auf. Die Beklagte regulierte die Forderung in Höhe von 666,51€ und lehnte im Übrigen eine Zahlung ab.

Die Klägerin ist der Ansicht,

eine Berechnung ihrer Ansprüche in Anlehnung an den Schwacke-Mietpreisspiegel sei angemessen und nicht zu beanstanden. Die Einstufung als Grundlage für die Abrechnung der Mietwagenkosten könnte die Schwacke Liste des Jahres 2015 nebst Nebenkostentabelle herangezogen werden. Dementsprechend sei die Abrechnung erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliche Mietwagenkosten in Höhe von € 1.352,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per anno hieraus seit Rechtshängigkeit, nebst weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 169,50 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht,

dass die Schwacke-Liste als Basis für die Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten nicht tauglich sei und vielmehr eine Berechnung in Anlehnung an die sog. Frauenhoferliste zu erfolgen habe. Auf dieser Basis sei der Schaden bereits reguliert worden, sodass keine weiteren Zahlungsansprüche der Klägerin bestünden.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz der restlichen Mietwagenkosten aus §§ 7 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 398 BGB zu.

Da die Einstandspflicht für die entstandenen Mietwagenkosten von der Beklagten dem Grund nach anerkannt worden sind, kommt es streitentscheidend vorliegend auf die Höhe der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten an. Aufgrund des unbestrittenen und damit als zugestanden geltenden Vortrags der Klägerin steht fest, dass die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Mietwagenkosten nicht höher sind als der Wert, der dem Schwacke-Mietpreisspiegel für ein solches Fahrzeug im örtlichen Bereich der Klägerin für den maßgeblichen Zeitraum der Anmietung zu entnehmen ist. Die Beklagte erachtet den aus der Fraunhofer-Liste ableitbaren, niedrigeren Mietpreis als geeignete Berechnungsgrundlage. Da der Geschädigte und Zedent die Kosten eines Normaltarifs dann ersetzt verlangen kann, wenn ihm günstigere Angebote nicht ohne weiteres zugänglich sind, ist die Entscheidung des Streitfalls einzig von der Rechtsfrage abhängt, ob der Normaltarif anhand des Schwacke Mietpreisspiegels, der Fraunhofer-Liste, anhand eines Mittelwerts oder durch Zu- und Abschläge auf die sich aus den Listen ergebenden Preise zu ermitteln ist.

Der Bundesgerichtshof hat den Gerichten zur Feststellung der Mietwagenkosten einen weiten Spielraum eingeräumt (vgl. BGH, Urteil vom 18.5.2010, Az. VI ZR 293/08 und Urteil vom 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11). So kommt aufgrund der Nichtbenennung der Art der Schätzgrundlage in § 287 ZPO jede der vorstehend genannten Schätzungsgrundlagen in Betracht. Die Grenze ist dort zu ziehen, wo die Schadenshöhe auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt wird oder die Entscheidung wesentliche Tatsachen außer Acht lässt und das Gericht in zentralen Fragen des Streites nicht auf unerlässliche fachliche Erkenntnisse verzichtet. Hieraus folgt, dass Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden dürfen, so dass der Normaltarif grundsätzlich auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels, der Fraunhofer Liste sowie im Rahmen des § 287 ZPO auch im Rahmen des richterlichen Ermessen unter Verwendung von Abschlägen oder Zuschlägen auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif oder anhand des Durchschnittswerts aus beiden Tabellen ermittelt werden kann.

Das erkennende Gericht erachtet es als sachgerecht, im Rahmen des § 287 ZPO, zur Ermittlung des Normaltarifs den Schwacke Mietpreisspiegel anzuwenden. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass auch vielfältig in der Rechtsprechung der Obergerichte Bedenken gegen eine Schätzung von Mietwagenkosten auf Basis der Schwacke Liste vorgebracht werden und andere Gerichte der Fraunhofer-Liste (vgl. u.a. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.3.2015, Az. I-1 U 42/14) oder der Berechnung aufgrund des arithmetischen Mittels beider Listen (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 4.8.2015, Az. 5 U 272/14) anwenden.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 22.09.2016, Az. 1 U 231/14, ausführlich mit den Vorzügen der Schwacke Liste auseinander gesetzt und wie folgt ausgeführt:

„Der Senat verkennt nicht, dass die Methode der offenen Preiserhebung einen Anreiz zur Angabe höherer Preise darstellen kann, als sie die Unternehmen bei einer konkreten Kundenanfrage tatsächlich anbieten. Auch mag die Auswahl der maßgeblichen Preise anhand der Modus-Methode in Einzelfällen zu einer Verschiebung führen. Diesen allgemeinen Nachteilen des Schwacke Mietpreisspiegels stehen bekanntlich Nachteile der Fraunhofer-Liste gegenüber, die in der geringeren Zahl der einbezogenen Anbieter, der Auswertung vor allem internetbasierter Angebote und der bei den Testangeboten zugrunde gelegten Vorbestellungsfrist von einer Woche bestehen. Im Hinblick auf die Lage des Geschädigten, dem nach Auffassung des Senats auch bei Einholung von Vergleichsangeboten bei Anwendung der Fraunhofer­Liste wesentlich häufiger das Risiko, auf erheblichen Teilen der Mietwagenkosten sitzen zu bleiben, droht, hält es der Senat aber für zweckmäßig, ein Tabellenwerk anzuwenden, das nicht primär nur die Internet-Angebote der größten Autovermieter berücksichtigt, sondern auch die auf dem regionalen Markt, in kleineren Städten und Gemeinden bzw. im ländlichen Raum und gerade bei der Inanspruchnahme eines Mietwagens nach einem Unfall relevanten lokalen Anbieter berücksichtigt. Der Senat hält es auch für erheblich, dass über das Internet buchbare Angebote nicht von allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten in gleicher Weise geschätzt und in Anspruch genommen werden und gegenüber einer Bezahlung mittels online-banking oder Kreditkarte teilweise auch Vorbehalte bestehen. Zum Schutz der Geschädigten ist die Orientierung an dem Schwacke Preisspiegel auch deshalb sachgerecht, weil sonst der Geschädigte einseitig das Risiko einer unzulänglichen Entschädigung trägt. Der Beweis, zu welchem Preis in einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit ein bestimmtes Fahrzeug tatsächlich angemietet werden konnte, lässt sich im Nachhinein praktisch nicht führen. Der Senat verweist hier auf die einleuchtenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Celle in dessen Urteil vom 29.2.2012, Az. 14 U 49/11 (zit. nach juris, Rdn. 26, 27), das unter Berücksichtigung zu dieser Frage erstellter Sachverständigengutachten die rückwärtsbezogene Ermittlung eines örtlichen Mietpreisniveaus für praktisch ausgeschlossen gehalten hat. Daraus folgt aber, dass ein Geschädigter, der auf die niedrigeren Preise gemäß der Fraunhofer-Liste verwiesen wird, praktisch keine Handhabe hat, den Nachweis eines höheren örtlichen Mietpreisniveaus zu führen. Dies gilt zwar umgekehrt auch für den Schädiger. Die die Schädigerseite repräsentierenden Haftpflichtversicherer sind aber typischerweise in der Lage, diesen Nachteil auszugleichen. Da den Haftpflichtversicherern aufgrund der Anzeige ihres Versicherungsnehmers oder des Geschädigten ein Unfall regelmäßig zeitnah bekannt wird, können die Versicherer den Geschädigten auf einen ohne weiteres zugänglichen, günstigeren Tarif hinweisen. Dass die Versicherer derartige Angebote nachweisen und dadurch einem späteren Streit über die Verfügbarkeit günstigerer Angebote die Grundlage entziehen können, ergibt sich aus dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.4.2016, Az. VI ZR 563/15, zugrunde liegt.

Die von anderen Oberlandesgerichten (vgl. etwa OLG Celle, aaO., OLG Hamm, MDR 2016, 516) favorisierte Lösung, das arithmetische Mittel beider Tabellenwerke zugrunde zu legen, hält der Senat nicht für zweckmäßig. Diese Lösung zwingt dazu, den maßgeblichen Wert aus beiden Tabellen zu ermitteln, und erfordert einen zusätzlichen Rechenschritt. Das Oberlandesgericht Hamm (aaO.) meint, damit sei nur „etwas Mehraufwand“ verbunden. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts Celle in dem oben genannten Urteil (Rdn. 30 - 72) zeigen aber, dass bei der Anwendung jedes Tabellenwerks noch weitere Einzelpunkte problematisch werden können, die keineswegs jeweils einheitlich für beide Listen beantwortet werden können, sondern weitere Überlegungen erfordern. Da die Fraunhofer-Liste für einzelne Zusatzkosten die üblichen Preise nicht aufführt, führt auch dies zur Verwendung des Schwacke­Mietpreisspiegels. Außerdem gibt die „Fracke“-Lösung die von beiden Tabellenwerken grundsätzlich beanspruchte Orientierung an empirisch ermittelten, tatsächlich vorkommenden Preisen auf und legt mit dem arithmetischen Mittel regelmäßig Preise zugrunde, die weder in der Schwacke-Erhebung noch in der Umfrage des Fraunhofer-Instituts in dieser Form festgestellt worden sind.“

Das erkennende Gericht schließt sich der Ausführung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main an und macht sie zu Grundlage seiner eigenen Entscheidung.

Aufgrund dessen sind unter Anwendung des tatrichterlichen Ermessens des § 287 ZPO die zur Regulierung als angemessen anzusehenden und auf Basis der Schwacke Liste ermittelten Mietwagenkosten von 2.019,22 € zugrunde zu legen. Unter Berücksichtigung des von der Beklagten bereits gezahlten Teilbetrages von 666,51 € verbleibt der mit der Klage geltend gemachte Restbetrag von 1.352,71 €.

Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB gegeben. Die Beklagte befindet sich mit der geschuldeten Leistung aufgrund der Fristsetzung zum 06.01.2017 zur Zahlung mit Schreiben vom 29.12.2016 seit dem 07.01.2017 in Verzug. Der zugesprochene Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat seine Grundlage in §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 39, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

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Bedeutung für die Praxis: Das Gericht geht pragmatisch an die Frage heran, wie die Höhe des Schadenersatzes bzgl. Mietwagen zu schätzen ist. Es kommen laut höchstrichterlicher Rechtsprechung mehrere Schätzgrundlagen in Betracht, doch eine Grenze ist dort zu ziehen, wo unsachliche oder falsche Erwägungen grundlegend sind oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt bleiben. Mit dem Blick auf verschiedene Ansichten der Gerichte wird die Anwendung der SchwackeListe Automietpreisspiegel als sachgerecht angesehen und dabei auf die Rechtsprechung des OLG Frankfurt verwiesen, das weder die Fraunhoferliste Marktpreisspiegel Mietwagen, noch den Mittelwert aus Schwacke und Fraunhofer für geboten hält. 

 

Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V.

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Der Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V. (BAV) wurde am 05. April 1954 gegründet. Er ist eine Interessenvertretung von Unternehmen, die Pkw, Anhänger, Transporter und Lkw vermieten. Der BAV repräsentiert ca. zwei Drittel des Gesamtmarktes der Autovermietung. Er steht den Mitgliedern für alle branchenrelevanten Aufgaben zur Verfügung.

Alles Wissenswerte haben wir für Sie in einer Verbandsbroschüre aufbereitet. Bitte schauen Sie hinein. Sie erfahren wer wir sind und welche Aufgaben der BAV für die Branche der Autovermietung übernommen hat. Sie sehen, wie erfolgreich wir dabei bisher gewesen sind und warum es sich lohnt, unserer Interessengemeinschaft beizutreten und in Zukunft mit uns zusammenzuarbeiten.

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Urteilsdatenbank des BAV

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Meinung der Nutzer (10.08.2022):
„Die Datenbank des BAV ist für die Mitglieder von großem Nutzen. Hier kann sich der Autovermieter oder sein Anwalt jederzeit über den aktuellen Stand der lokalen Rechtsprechung informieren. Von unschätzbarem Wert ist die Datenbank für die überregionale bundesweite Rechtsprechung. Wenn ein Autovermieter nicht lokal Klagen kann, sondern am entfernten Unfallort oder am Sitz der Versicherung klagen muss, bietet die Datenbank wichtige Informationen über die dortige Rechtsprechung und insbesondere die möglichen Erfolgsaussichten einer Klage fern der Heimat.“

In der Datenbank sind - zumeist im Format PDF - enthalten:
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- jeweils mindestens ein Urteil einer Abteilung eines Amtsgerichtes seit 2008, soweit bekannt und von Bedeutung
- alle aktuellen uns bekannten Urteile seit Mitte 2010

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