Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 33-17

Landgericht Traunstein 3 O 3841/16 vom 07.07.2017

1. Ein Geschädigter kann sich grundsätzlich einen Ersatzwagen mieten, allein weil ihm der Gebrauch seines eigenen Fahrzeuges entzogen wurde und unabhängig davon, ob er darauf angewiesen ist.
2. Dem Geschädigten steht es frei, von wem er den Wagen anmietet. Zur Einhaltung der Pflicht, die günstigste gleichwertige Alternative zu nehmen, muss er keine Marktforschung betreiben.
3. Bei Sofortbedarf darf der Geschädigte Schadenersatz verlangen, der oberhalb erforderlicher Kosten für Ersatzmobilität liegt – hier zunächst für eine kurze Zeit.
4. Entstehen sehr hohe Mietwagenkosten, muss er sich ggf. nach günstigeren Sonder- und Pauschaltarifen erkundigen.
5. Ein Vergleich mehrerer Preisangebote der Anschlussmiete muss relevante Leistungsbestandteile berücksichtigen und die Auswahl nicht nur nach dem günstigsten Preis erfolgen.
6. Fehlen Anhaltspunkte für eine Preisüberhöhung, kann der Geschädigte das erstbeste Angebot annehmen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Traunstein spricht dem Geschädigten erstinstanzlich restlichen Schadenersatzanspruch aufgrund Mietwagenkosten eines kurzzeitigen Unfallersatztarifes und eines länger andauernden Normaltarifes vollständig zu. Aufgrund Eilbedürftigkeit kann der Geschädigte zunächst das erstbeste Angebot annehmen. Da er sich hernach nach Alternativen umhört und entsprechend günstiger anmietet, sind ihm auch diese - immer noch weit über den Vorstellungen des Haftpflichtversicherers liegenden - Kosten als Schadenersatz zu erstatten.

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Landgericht Traunstein 3 O 3841/16 vom 07.07.2017


Im Namen des Volkes



In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Schadensersatz

erlässt das Landgericht Traunstein - 3. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht XXX als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2017 folgendes


Endurteil




I.    Das Versäumnisurteil des Landgerichts Traunstein vom 07.12.2016 wird insoweit aufrechterhalten, als die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 287,00 € an den Kläger nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.11.2016 verurteilt worden ist, sowie hinsichtlich der Zinsen aus einem weiteren Betrag von 1.587,18 € in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz zwischen dem 19.11.2016 und 30.11.2016.

II.     Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 2.218,63 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 23.02.2017 zu bezahlen.


III.     Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 190,60 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 18.02.2017 zu bezahlen.

IV.    Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

V.    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Auch die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur nach Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.


Beschluss



Der Streitwert wird bis zum 21.02.2017 auf 15.693,91 €, ab dem 22.02.2017 bis 05.03.2017 auf 17.912,54 € und ab dem 06.03.2017 auf 2.505,63 € festgesetzt.


Tatbestand

Die Parteien streiten um offene Schadensersatzpositionen, welche im Wesentlichen aus Mietwagenkosten, Standgebühren sowie Um- und Abmeldekosten sowie Kosten für Kennzeichenschilder in Folge eines von bei der Beklagten versicherten Lkw am 04.10.2016 gegen 16.25 Uhr auf der Staatsstraße 2092 von Kraiburg in Richtung Trostberg unstreitig alleinverursachten und -verschuldeten Unfalls.

An dem Fahrzeug des Klägers, welches über die Mercedes-Benz Bank finanziert gewesen ist, entstand ein Sachschaden in Höhe eines Wiederbeschaffungsaufwands von netto 18.027,29 €.

Die Kosten für das eingeholte Sachverständigengutachten belaufen sich auf 1.945,40 € netto.

Zudem mietete der Kläger, welcher als Außendienstmitarbeiter tätig ist und am drauffolgenden Tag einen weiteren Kundentermin am lrschenberg wahrnehmen musste, am Unfalltag gegen 19.00 Uhr von der Autovermietung XXX in Emertsham ein Fahrzeug, für welches inkl. einer Reduzierung der Selbstbeteiligung in der Vollkaskoversicherung auf 0,00 €, der Kosten für einen Zusatzfahrer und ein Navigationsgerät 584,00 € netto in Rechnung gestellt worden sind (vgl. Anlage K4).

Zzgl. einer Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 € wurden vorläufig 20.581,69 € als Schaden geltend gemacht. Vorgerichtlich regulierte die Beklagte, unter Zugrundelegung einer Haftungsverteilung von 70 % zu 30 % zu Lasten des Klägers, für den Wiederbeschaffungsaufwand mit 4.207,56 €, die Gutachterkosten mit 583,62 €, die Mietwagenkosten mit 89,10 € und die Unkostenpauschale im Umfang von 7,50 €, sodass insgesamt 4.887,78 € bezahlt worden sind.

Im Rahmen der hiesigen Klage wurden sodann auch noch Rechtsanwaltskosten in Höhe von 984,60 € netto aus einem Gegenstandswert von 21.221,40 € geltend gemacht.

Nachdem das Fahrzeug fremdfinanziert gewesen ist und hier noch eine offene Restschuld von 13.098,73 € zugunsten der Mercedes-Benz Bank AG bestanden hat, wurde zunächst Zahlung dieses Betrages an die Mercedes-Benz Bank gefordert, sowie 1.874,18 € an den Kläger selbst.

Nachdem nach Klagezustellung keine Reaktion der Beklagten erfolgte, erging sodann unter dem 07.12.2016 ein entsprechendes klagestattgebendes Versäumnisurteil (Blatt 10/12 d.A.).

Bereits nach Erlass desselben ging am 07.12.2016 eine Vertretungsanzeige ein und unter dem 21.12.2016 wurde Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts Traunstein eingelegt.

Mit Abrechnungsschreiben vom 25.11.2016 an die Mercedes-Benz Bank AG wurde an diese ein Betrag in Höhe von 13.847,23 € ausbezahlt und gemäß einem Abrechnungsschreiben vom 25.11.2016 an die Anwälte des Klägers wurde hier sodann ein Betrag in Höhe von 3.432,68 € angewiesen, welcher am 30.11.2016 dort einging. Dieser wies Mietwagenkosten in Höhe von 1.215,00 € sowie die vollständigen Sachverständigenkosten, die Nebenkostenpauschale sowie Zinsen auf berechtigte Ansprüche und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 924,80 € aus.

Unter dem 31.01.2017 wurde das Verfahren hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 1.587,18 € bzgl. einer Zahlung an den Kläger sowie hinsichtlich des geltend gemachten Teilbetrages zugunsten der Mercedes-Benz Bank inkl. der Zinsen für erledigt erklärt. Hinsichtlich des dem Kläger zustehenden Betrages wurde der Zinsanspruch lediglich in Höhe von 2,70 € für erledigt erklärt. Eine verbleibende Zinsforderung für den Zeitraum vom 19.11.2016 bis 30.11.2016 blieb weiterhin geltend gemacht. Die Beklagtenseite stimmte der Erledigterklärung zu.

Darüber hinaus wurden nunmehr weitere 2.218,63 € zzgl. Zinsen ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung sowie weitere vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 119,60 € zzgl. Zinsen ab Rechtshängigkeit eingeklagt. Diese resultierend aus der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges vom 06.10.2016 bis 24.10.2016 bei der Firma Sixt, welche in Höhe von 1.863,44 € netto (Anlage K5) in Rechnung gestellt wurden zzgl. einer extra zu bezahlenden Reduzierung der Selbstbeteiligung der Vollkaskoversicherung für das Mietfahrzeug auf 0,00 € in einer Höhe von 235,29 € (Rechnung Anlage K6).

Vor der Anmietung des Fahrzeugs der Firma Sixt hat der Kläger am Flughafen München verschiedene Angebote eingeholt, welche folgende Ergebnisse brachten:

Firma Hertz:

14 Tage 1.468,00 €;

21 Tage 2.374,00 €;

Firma Sixt:

14 Tage 1.750,00 €;

21 Tage 2.069,77 € und

Firma Europcar:

14 Tage 1.386,00 €;

21 Tage 1.848,00 €.

Des Weiteren werden Standgebühren bei der Firma XXX GmbH vom 04.10.2016 bis einschl. 11.11.2016 (Anlagen K11 bis K15) in Höhe von insgesamt 585,00 € sowie Abschleppkosten in Höhe von 357,50 € (Rechnung Firma XXX GmbH, Anlage K11) sowie Kosten für die Abmeldung des Unfallfahrzeugs in Höhe von 7,70 € (Anlage K16), Kosten für neue Kfz-Kennzeichen in Höhe von 32,00 € (Anlage K17) und Zulassungskosten in Höhe von 55,70 € (Anlage K18) geltend gemacht.

Von diesen zusätzlichen Schadenspositionen wurden zwischenzeitlich 918,00 € auf Mietwagenkosten seitens der Beklagten geleistet, sodass von den weiteren geltend gemachten Schadenspositionen von 3.136,63 € noch 2.218,63 € begehrt werden.

Die Klageseite meint, dass sämtliche weiteren Mietwagenkosten erstattungsfähig seien, da ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nicht anzunehmen sei. Dies in Anbetracht der Notlage hinsichtlich der Anmietung am 04.10.2016, in der sich der Kläger aufgrund weiterer Außentermine befunden habe. Die Reduzierung der Selbstbeteiligung und auch Kosten für ein Navigationsgerät sowie für einen Zusatzfahrer seien erstattungsfähig.

Auch die Anmietung des Fahrzeugs bei der Firma Sixt am Flughafen München sei zurecht unter Berücksichtigung der Schadensminderungsobliegenheit erfolgt, da zwar zuzugestehen sei, dass hinsichtlich des vom Kläger herangezogenen Vergleichsmaßstabes des Mietpreises für 21 Tage die Firma Sixt mit 2.069,77 € gegenüber der Firma Europcar mit 1.848,00 € nicht der günstigste Preis gewesen sei, jedoch sei hier eine erleichterte Abrechnung mit der Beklagten in den Raum gestellt worden. Zudem wäre die Firma Sixt die Einzige gewesen, welche eine notwendige kilometermäßige Unbegrenztheit im Angebot enthalten hätte. Zudem habe bei der Firma Europcar zum fraglichen Tag kein vergleichbares Fahrzeug für den Kläger zur Verfügung gestanden. Lediglich kleinere Fahrzeuge oder vergleichbare Limousinen oder Kombis mit Benzin- anstatt Dieselantrieb waren verfügbar. Ein Dieselaggregat war aufgrund der Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter für ihn notwendig.

Ebenso sei die Anmietdauer von zunächst 3 Tagen sowie weiteren 18 Tagen, aus dem Umstand gerechtfertigt, dass die Beklagte erst mit Schreiben vom 21.10.2016 einen Restwertaufkäufer mitgeteilt habe. Die Klägerin habe sich daraufhin umgehend mit diesem in Verbindung gesetzt, ein entsprechendes Kaufvertragsformular wurde vom Kläger am 25.10.2016 unterzeichnet und per E-Mail an den Aufkäufer zurückgesandt. Erst am 03.11.2016 sei die Zahlung der Beklagten hinsichtlich des Wiederbeschaffungsaufwandes vollständig bei der Mercedes-Benz Bank eingegangen, die daraufhin erst die Freigabe für die Abholung des Fahrzeugs durch den Aufkäufer erteilte. Insoweit seien auch die Standgebühren bis zum 11.11.2016, welches den Zeitpunkt der Abholung durch den Aufkäufer darstellt, gerechtfertigt.

Ebenso seien die geltend gemachten Abschleppkosten, Abmeldungs- und Neuanmeldungskosten sowie die Kfz-Kennzeichenkosten als Schadenspositionen zu ersetzen.

Die Standkosten seien mit 15,00 € pro Tag anzusetzen.

Bei den Kilometerbegrenzungen hätte es bei der Firma Europcar eine solche ab 6.000 km und bei der Firma Hertz ab 7.100 km gegeben. Auch bei der Firma Hertz und Europcar seien Aufpreise für die Haftungsreduzierung zusätzlich notwendig gewesen. Bei der Firma Hertz wären dies 258,00 € pro Woche gewesen und bei der Firma Europcar 119,95 € pro Anmietung.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1.    Die Beklagte wird auf die Klageerweiterung verurteilt, an die Kläger 2.218,63 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu bezahlen.

2.    Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 190,60 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.

3.    Im Übrigen wird das Versäumnisurteil des Landgerichts Traunstein vom 07.12.2016 aufrechterhalten und der Einspruch zurückgewiesen.

Die Beklagtenseite beantragt,

das Versäumnisurteil vom 07.12.2016 aufzuheben und die Klage im Übrigen abzuweisen.

Die Beklagtenseite meint und behauptet, dass die noch offenen Differenzbeträge dem Kläger nicht zustehen würden. Mit Abrechnung vom 21.10.2016 seien 297,00 € auf die zunächst angefallenen Mietwagenkosten der Firma XXX sowie insgesamt 1.215,00 € auf Mietwagenkosten bezahlt worden. Dieser Betrag sei ausreichend und angemessen für eine angegebene Mietzeit.

Die geforderten Mietwagenkosten würden die marktüblichen Preise deutlich überschreiten. Insbesondere sei die für 3 Tage deutlich überhöhte Mietwagenrechnung der Autovermietung XXX nicht geschuldet.

Das Gericht hat im Rahmen der Verhandlung vom 12.06.2016 den Kläger informatorisch angehört. Hinsichtlich seiner Angaben wird auf das Protokoll vom 12.06.2017 (Blatt 43/48 d.A.) Bezug genommen.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die im Übrigen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe



I.

Die zulässige Klage ist - soweit noch nicht für erledigt erklärt - vollumfänglich begründet.

Die noch offenen Klagebeträge der Klageerweiterung und der übrigen Forderungen aus der ursprünglichen Klage sowie noch offene nicht für erledigt erklärte Zinsen sind vollumfänglich begründet. Die Beklagte ist dem Kläger gemäß §§ 7, 18 StVG, 823 BGB jeweils in Verbindung mit § 115 VVG zum Ersatz des Schadens aus dem Verkehrsunfall vom 04.10.2016 verpflichtet.

Unstreitig besteht hier eine hundertprozentige Haftung des bei der Beklagten versicherten Fahrzeughalters.

1.

Die von dem Kläger geltend gemachten Mietwagenkosten sind aus Sicht des Gerichtes vollumfänglich ersatzfähig, ebenso die weiteren geltend gemachten Kosten, wie Standgebühren, usw.

a.

Hinsichtlich der Standgebühren ergibt sich der Nachweis und die Überzeugung des Gerichtes unter Anwendung der Grundsätze der § 286 ZPO hinsichtlich des Entstehens und der Höhe gemäß § 287 ZPO durch die vorgelegten Rechnungen und Quittungen im Anlagenkonvolut K5, K6 sowie K11 bis K18 sowie Anlage K4.

b

Betreffend die geltend gemachten Abschleppkosten und sonstige Nebenkosten, wie An- und Abmeldekosten, ist aus Sicht des Gerichtes durch die Vorlage der entsprechenden Rechnungen der Nachweis des unfallbedingten Anfalls und auch der Höhe nach geführt. Substantielle Einwendungen hiergegen hat die Beklagtenseite nicht vorgebracht.

c.

Im Rahmen der zu ersetzenden Mietwagenkosten sind folgende allgemeine Grundsätze zu berücksichtigen:

Für die Dauer der Reparatur bzw. des bis zur Anschaffung einer neuen Sache erforderlichen Zeitraums hat der Geschädigte Anspruch auf die Nutzungsmöglichkeit an einer vergleichbaren anderen Sache. Der geschädigte Kfz-Halter kann sich grundsätzlich unabhängig davon einen Ersatzwagen mieten, ob er darauf angewiesen ist. Dem Geschädigten steht es hierbei grundsätzlich frei, von wem er den Wagen anmietet. Von mehreren gleichwertigen Möglichkeiten muss er jedoch die preiswerteste wahrnehmen (st. Rspr. vgl.: BGH NJW 2007, 3782; OLG München NJW 2011, 936) Allerdings verpflichtet ihn dies nicht zu einer „Marktforschung“ (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 1994, 921); wegen § 254 Abs. 1 BGB trifft ihn aber die Obliegenheit, den für ihn voraussichtlich günstigsten Tarif zu wählen (vgl. BGH NJW 1996, 1958) und sich ggf. nach Sonder­ oder Pauschaltarifen zu erkundigen (vgl. BGH VErsR 2005, 850), was insbesondere dann in Betracht kommt, wenn sehr hohe Mietwagenkosten entstehen (vgl. BGH NJW 200, 2621). Sofern Anhaltspunkte dafür fehlen, dass das Angebot überhöht ist (z.B. deutlich über dem marktüblichen Niveau liegender Tarif), kann der Geschädigte das erste Angebot annehmen (vgl. zum Ganzen: Oetker in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 249 BGB, Rn. 427 ff.).
Die Rspr. ist hierbei jedoch zurückhaltender: sie sieht den Geschädigten überwiegend als verpflichtet an, im Rahmen seiner Obliegenheit zur Schadensminderung Vergleichsangebote einzuholen (vgl. BGH NJW-RR 2009, 318). Der nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersatzfähige „erforderliche“ Betrag wird durch die marktüblichen Tarife gebildet, die das Gericht bei seiner Schätzung des „erforderlichen Betrages“ zugrunde legen kann (vgl. BGH NJW 2013, 1539). § 287 ZPO macht hierbei keine Vorgaben für Schätzungsgrundlagen. Im Hinblick auf den Ersatz eines an sich nicht erforderlichen Betrages, trifft den Geschädigten eine Obliegenheit zur Nachfrage insbesondere dann, wenn er aufgrund der Höhe Bedenken gegen die Angemessenheit des Tarifs haben muss (vgl. BGH NJW 2010, 2569; OLG München NJW 2001, 936). Dies ist nicht nur der Fall, wenn das Mietwagenunternehmen den Tarif ausdrücklich als Unfallersatztarif ausweist, sondern auch, wenn es einen einheitlichen Tarif anbietet und nicht zwischen Normal- und Unfallersatztarif unterscheidet (vgl. BGH NJW 2009, 58). Das Ausmaß der vom Geschädigten einzuholenden Erkundigungen hängt jedoch stets von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab (vgl.: BGH NJW 2010, 2569). Eine Ausnahme gilt allenfalls dann, wenn dem Geschädigten die Inanspruchnahme des günstigeren Tarifs nicht möglich oder nicht zumutbar war (vgl. BGH NJW 2007, 1124), was unter Umständen durch Vorfinanzierungskosten oder eine Eil- bzw. Notsituation (vgl. BGH NJW 2013, 1870) bedingt sein kann. Ersatzfähig sind ferner die Kosten für das Bringen und Abholen des Fahrzeugs sowie die wegen tatsächlicher Nutzung anfallenden Kosten für einen zusätzlichen Fahrer (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2012, 802). Entsprechendes gilt im Hinblick auf gesonderte Kosten für ein Navigationsgerät, soweit auch das geschädigte Fahrzeug hiermit ausgestattet war (vgl. OLG Köln NZV 2014, 314).

Der Geschädigte muss sich im Wege der Vorteilsausgleichung die Aufwendungen (Betriebskosten) anrechnen lassen, die er dadurch erspart, dass er das beschädigte Fahrzeug während der Mietzeit nicht nutzt. Die Ersparnis hat die ältere Rspr. je nach Fahrzeugtyp, Alter des Wagens und Kilometerleistung während der Mietzeit pauschal auf 15 - 20 % der Miete festgesetzt, insbesondere die neuere Rspr. favorisiert deutlich geringere prozentuale Abzüge (3 - 10 % der Miete) bzw. spricht sich sogar gegen pauschalierte Abzüge aus (vgl. Oetker in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 249 BGB, Rn. 438 n.w.N.). Der Geschädigte kann einen gleichwertigen Wagen wie den beschädigten beanspruchen (OLG Celle, NJW-RR 2012, 802). Maßgeblich ist jeweils das Modell des beschädigten Fahrzeugs (vgl.: BGH NJW 1982, 1518), wobei dessen Erhaltungszustand unbeachtlich ist. Bei Anmietung eines preiswerteren Wagens werden die Mietkosten voll erstattet. Das entspricht der neueren Rspr. mehrerer Oberlandesgerichte (vgl. z.B.: OLG Nürnberg NJW-RR 1994, 924; OLG Stuttgart NJW-RR 2009, 1540) und wird auch vom BGH als eine nicht im Widerspruch zu § 287 ZPO stehende Ausübung des Ermessens bewertet (vgl. BGH NJW 2013, 1870). Die ansonsten im Hinblick auf die ersparten Kosten vorzunehmende Vorteilsausgleichung würde in dieser Konstellation der Billigkeit widersprechen. Der Schädiger schuldet die Mietwagenkosten für den Zeitraum, der objektiv für die Reparatur bzw. bis zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs erforderlich ist (vgl. BGH NJW-RR 2011, 823). Zu dem ersatzfähigen Zeitraum gehört auch die für die Einholung eines Gutachtens erforderliche Zeit sowie eine angemessene Überlegungszeit, um die Entscheidung zu treffen, ob die Reparatur durchgeführt oder ein neuer Wagen angeschafft werden soll (vgl. OLG München VersR 1974, 1186). Entrichtet der Geschädigte an den Vermieter des Wagens eine besondere Prämie dafür, dass er von einer Haftung für eine Beschädigung des Fahrzeugs freigestellt wird, so differenziert die Rspr. im Hinblick auf deren Ersatzfähigkeit verbreitet danach, ob der Geschädigte entsprechende Vorkehrungen auch bei seinem eigenen Fahrzeug getroffen hat (Kaskoversicherung). Bejahendenfalls kann er verlangen, dass er auch bei dem Mietwagen nicht das Risiko trägt, für selbstverschuldete Schäden aufkommen zu müssen (vgl. BGH NJW 2005, 1041).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist aus Sicht des Gerichtes im vorliegenden Fall eine Erstattungsfähigkeit sämtlicher Mietwagenkosten gegeben und nicht etwa eine Reduzierung wegen Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht angezeigt. Die jeweils geltend gemachten Mietwagenkosten waren unter Berücksichtigung des § 287 ZPO als erforderliche Kosten anzusehen.

Zunächst einmal soll festgestellt werden, dass Einwände gegen die Mietdauer nicht vorgebracht worden sind.

Durch die kurze Anmietung des „teuren“ Mietwagens bei der Firma XXX vom 04.10.2016 bis 06.10.2016 hat der Kläger nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Das Gericht geht hier von einer entsprechenden Notlage dahingehend aus, dass im doch ländlichen Raum ab ca. 19.00 Uhr, auch aufgrund der im Weiteren bestehenden Termine am nächsten Tag, eine entsprechende Anmietung rechtlich möglich und auch vollumfänglich erstattungsfähig gewesen ist. Insoweit ergibt sich der aufrechtzuerhaltende Teil des Versäumnisurteils. Auch ergibt sich hieraus der noch offene Teil der Zinsen aus diesem Betrag seit Rechtshängigkeit bis zum 30.11.16.

Hinsichtlich der weiteren Mietwagenkosten ist hier zu sehen, dass sich der Kläger aus Sicht des Gerichtes vorbildlich verhalten hat. Er hat hier bei dem ihm zugänglichen Markt am Flughafen in München drei Vergleichsangebote eingeholt. In Kenntnis dessen, dass eine Wiederbeschaffung auch in Anbetracht des Umstandes, dass das Fahrzeug finanziert ist und eine entsprechende Freigabe und Weiterveräußerung bzw. einen Aufkauf durch einen Restwertkäufer einige Zeit in Anspruch nehmen wird sowie der vom Sachverständigen geäußerten eventuell zu erwartenden Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen, hat er sich insoweit zutreffend an einer Mietdauer für 21 Tage orientiert. Hierbei ist es so, dass die Firma Sixt nicht die günstigste Variante dargestellt hat. Jedoch ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Kläger, was auch nach Überzeugung des Gerichtes nach seiner Anhörung feststeht, hier im Außendienst tätig ist und kurzfristig auch Termine in einiger Entfernung hat wahrnehmen müssen. Insoweit war es für ihn nicht abzuschätzen, inwieweit hier eine Kilometerbegrenzung bzw. weitere zusätzlich zu erstattende Kilometerentgelte hier ein Angebot, welches zunächst günstig ist, im weiteren Verlauf ungünstig erscheinen lassen. Im Rahmen der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung, unter Berücksichtigung der Umstände, dass er im Schnitt 2.000 bis 6.000 km in der Woche fahren muss, durfte er aus Sicht des Gerichtes im Rahmen dieser zu treffenden Entscheidung davon ausgehen, dass er in fast drei Wochen Mietzeit oder zu erwartender Mietzeit hier zumindest über 6.000 km, was den Freikilometern beim günstigsten Angebot der Firma Europcar entspricht, evtl. überschreiten wird mit zusätzlichen Kosten.

Tatsächlich ist der Kläger zwar ausweislich der Rechnung Anlage K6 nur 4.779 km gefahren, was jedoch nach Überzeugung des Gerichtes auch darauf beruht, dass er versucht hat, möglichst wenig Termine in dem Zeitraum des Mietfahrzeugs zu vereinbaren. Das Gericht ist auch davon überzeugt, was in Anbetracht der nunmehr bevorstehenden Saison im Gewerbe des Klägers einzelne Termine, welche auch über Deutschland verteilt sind, bei Kunden evtl. wahrzunehmen gewesen wären und so weiterer Aufwand aufgrund „Nichtverbindbarkeit“ von einzelnen Terminen in Raume stand. Ebenso ist das Gericht davon überzeugt, dass eine Fahrt nach Italien in den fast drei Wochen der Anmietung evtl. notwendig geworden wäre.

Ein Abschlag wegen ersparter Aufwendungen war dahingehend nicht zu machen, dass der Kläger auch - unwidersprochen - ein unterhalb seines Fahrzeugs anzusiedelndes Fahrzeug anmietete.

Nach alledem geht das Gericht davon aus, dass auch hinsichtlich der noch offenen Mietwagenkosten eine vollumfängliche Erstattungsfähigkeit vorliegt.

In Anbetracht der lediglich pauschalen Behauptung, dass es sich um einen unangemessen hohen Preis handelt, ohne etwaige Angabe etwaiger Beweismittel ist das Gericht aufgrund der vorliegenden Unterlagen und aufgrund der Angaben des Klägers davon überzeugt, dass hier eine Erstattungsfähigkeit vorliegt, sodass eine weitere Beweisaufnahme nicht notwendig gewesen ist.

Das Gericht geht im Übrigen auch grundsätzlich davon aus, dass wenn Mietwagenkosten, welche für den Geschädigten nicht erkennbar völlig außerhalb der Realität liegen unter Berücksichtigung dessen persönlicher Kenntnisse und Erfahrungen, somit nicht erkennbar überhöht sind, und diese Kosten auch bezahlt wurden, nach dem Sinn und Zweck des Schadensrechtes und auch der Intention einer eventuellen Schadensminderungspflicht unter Berücksichtigung der obergerichtlichen Rechtsprechung, nicht von einem Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht auszugehen ist. Es ist, nach hiesiger Auffassung, nicht Aufgabe des Geschädigten hier eine Marktforschung zu betreiben. Vielmehr ist, bei gezahlter Forderung, der Schaden tatsächlich entstanden. Soweit die Kosten überhöht sind, ist auch der Schädiger nicht schutzlos gestellt: es besteht aus Sicht des Gerichtes ein Anspruch des Geschädigten, dass eventuelle Ansprüche aus dem Mietvertrag mit dem - eventuell unredlich handelnden - Vermieter an ihn abgetreten werden, wenngleich der Schädiger hierbei kein Zurückbehaltungsrecht bis zur Abtretung zuzubilligen ist.

2.

Unter Verzugsgesichtspunkten waren die nunmehr geltend gemachten Forderungen ebenfalls ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung (Zustellung am 22.02.2017) zu verzinsen.

Nachdem die Beklagtenseite mit Zahlungseingang am 30.11.2016 beim anwaltlichen Vertreter des Kläger den zunächst zur Zahlung an den Kläger geforderten Betrag in Höhe von 1.874,18 € leistete, war das Versäumnisurteil neben den noch nicht regulierten Teil der Mietwagenkosten XXX nebst Zinsen auch hinsichtlich der Zinsen aus 1.587,18 € (= 1.874,18 € - 287 €) zwischen dem 19.11.2016 und dem 30.11.2016 aufrechtzuerhalten.

3.

Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind sowohl unter Verzugsgesichtspunkten als auch im Rahmen des Schadensumfangs in Höhe von insgesamt 1.044,40 € abzüglich gezahlter 924,80 €, mithin 119,60 € erstattungsfähig. Dies ausgehend von einem insgesamt ursprünglich geltend zu machenden Schadensbetrag von 22.800,32 €.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a, 92 ZPO

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 - 3 ZPO. Die Streitwertfestsetzung erfolgte gemäß §§ 3 ff ZPO.

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Bedeutung für die Praxis: Das Gericht äußert sich in einer Weise, wie es selten so deutlich zu lesen ist, zu den Grundsätzen der Erstattung von Kosten der Ersatzmobilität. Den Märchen der Versicherer von nicht notwendigen Anmietungen, weil die Geschädigten erst einmal nachweisen müssten, dass sie ein Auto bräuchten, bis zum Verlangen nach überhöhten Unfallersatztarifen, tritt das Gericht entgegen. Letztlich hat sich der Geschädigte bei einem der überregionalen Internetanbieter zu einem telefonisch erfragten Preis nach einer Preisrecherche bei drei Anbietern ein Fahrzeug geben lassen und beim Versicherer nachträglich entsprechenden Schadenersatz eingefordert. Dieser regulierte auch in diesem Fall der Anmietung bei einem der von Fraunhofer berücksichtigen Internetanbieter nur einen Bruchteil des offenen Betrages. Das Gericht sprach sämtliche restliche Forderungen unter Anwendung des § 287 ZPO zu (Schätzung im Rahmen der Erforderlichkeit). Es sah keinen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht, gerade weil sich der Geschädigte erkundigt hatte. Nur waren die Ergebnisse der Preisrecherche nicht mit den Preisen, wie sie die Beklagte für marktgängig hält, in Einklang zu bringen.

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