Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 7-17

Oberlandesgericht Celle 14 U 61/16 vom 01.02.2017

1. Das Berufungsgericht ist an die Ermessensausübung der Vorinstanz, erstattungsfähige Mietwagenkosten mittels Fraunhofer zu schätzen, nicht gebunden.
2. Diese Schätzung erfolgt anhand des berechneten Mittelwertes der SchwackeListe-Automietpreisspiegel und des Marktpreisspiegels Mietwagen des Fraunhofer Institutes.
3. Die von der Beklagten vorgetragenen Internetbeispiele sind zur Erschütterung dieser Schätzgrundlage in mehrfacher Hinsicht ungeeignet.
4. Kosten erforderlicher und erbrachter Nebenleistungen der Vermietung für Haftungsreduzierung, Zustellung und Zweitfahrer sind zu erstatten.

Zusammenfassung: Das OLG Celle schätzt erstattungsfähige Mietwagenkosten zur Feststellung der angemessenen Höhe restlicher Schadenersatzforderungen anhand des Mittelwertes der Schwackeliste und der Fraunhoferliste. Die Ablehnung der Fraunhofer-Linie des OLG Düsseldorf wird ausführlich begründet. Kosten von Nebenleistungen werden überwiegend zugesprochen.

 

==============================

Oberlandesgericht Celle 4 U 61/16 vom 01.02.2017
(Vorinstanz Landgericht Hannover 16 O 368/13 vom 11.03.2016)


IM NAMEN DES VOLKES



URTEIL




In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht XXX, die Richterin am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2017 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11. März 2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover [Az.: 16 0 368/13] abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 2.946,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Januar 2014 zu zahlen.

Das weitergehende Rechtsmittel der Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Beklagte zu tragen; von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 13 % und die Beklagte 87 % zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts Hannover sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.


G r ü n d e :



I.

Die Klägerin ist ein gewerbliches Autovermietungsunternehmen und macht aus abgetretenem Recht der jeweiligen Geschädigten restliche Mietwagenkosten in 17 Fällen geltend, die nach Inanspruchnahme von Mietwagen von der Beklagten als Haftpflichtversicherer der jeweiligen Unfallgegner nicht in voller Höhe erstattet worden sind.

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Frage, wie der erstattungsfähige Normaltarif zu ermitteln ist. Das Landgericht hat diesen der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (vgl. MDR 2015, 454) folgend auf der Grundlage des „Fraunhofer-Marktpreisspiegels" nach § 287 ZPO geschätzt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts (BI. 317 ff. d. A.) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die auf Basis der Senatsentscheidung vom 13. April 2016 (Az.: 14 U 127/15) weiteren Schadensersatz nach Maßgabe eines Normaltarifs, geschätzt aus dem arithmetischen Mittel von Schwacke-Liste und Fraunhofer-Marktpreisspiegel, begehrt. Darüber hinaus beanstandet die Klägerin Anspruchskürzungen bei den Fällen 5, 13 und 15.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.370,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt nach wie vor die Auffassung, dass es allein sachgerecht sei, auf die Werte nach dem Fraunhofer­Marktpreisspiegel abzustellen.

Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst deren Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat - einschließlich der im Berufungsverfahren erfolgten Klageerweiterung - ganz überwiegend Erfolg, soweit die Klägerin Ersatz der Mietwagenkosten nach einem Normaltarif, abgeleitet aus dem arithmetischen Mittel der „Schwacke-Liste" und des „Fraunhofer-Marktpreisspiegels'', verlangt, ist jedoch unbegründet, soweit sich die Klägerin gegen die Anspruchskürzungen in den Fällen 5, 13 und 15 wendet.

1.    Die Ermittlung der Schadenshöhe und damit des angemessenen „Normaltarifs" ist Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Die Art der Schätzgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor, so dass grundsätzlich zur Schadensschätzung sowohl die „Schwacke-Liste" als auch der „Fraunhofer­Marktpreisspiegel" zugrunde gelegt werden können, ebenso wie die Bildung eines Mittelwerts aus beiden Listen oder die Beaufschlagung bzw. der Abschlag einer Pauschale in Betracht kommen; solange die Schadenshöhe nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt wird und wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben und das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichtet (BGH, Urteil v. 18.12.2012 - VI ZR 316/11 - juris).

2.    Das Landgericht hat den „Normaltarif" gemäß § 287 ZPO aufgrund des „Fraunhofer-Marktpreisspiegels" geschätzt. An die Ermessensausübung der Vorinstanz ist der Senat indes nicht gebunden. Vielmehr kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Berufungsgericht im Fall einer auf § 287 ZPO gründenden Entscheidung den Prozessstoff auf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachen ohne Bindung an die Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts selbstständig nach allen Richtungen von neuem prüfen und bewerten. Selbst wenn es die erstinstanzliche Entscheidung zwar für vertretbar hält, letztendlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, darf es nach seinem Ermessen eine eigene Bewertung vornehmen (BGH NJW 2011, 1947).

3.    Auf dieser Grundlage hat der Senat den erstattungsfähigen Normaltarif nach dem arithmetischen Mittel aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Tabelle geschätzt. Der Senat hält insoweit an seiner Rechtsauffassung, zuletzt mit Senatsurteilen vom 29. Februar 2012, Az. 14 U 49/11 (NJW-RR 2012, 802) und vom 13. April 2016, Az. 14 U 127/15 (NJW-RR 2016, 1119), ausdrücklich fest. Es sind vorliegend keine (neuen) Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen, die ein Abweichen hiervon notwendig machen.

4.    Die Parteien haben in diesem Rechtstreit nahezu identisch wie im vom Senat am 13. April 2016 entschiedenen Rechtsstreit zum Aktenzeichen 14 U 127/15 vorgetragen. Der Senat hat im Urteil vom 13. April 2016 (14 U 127/15 - Rn. 14 bis 33, juris) ausgeführt:



„Weder hat die Beklagte durch Vorlage hinreichend vergleichbarer Angebote anderer Autovermieter aufgezeigt, dass diese Schätzmethode im konkreten Anmietzeitraum im Postleitzahlenbereich 520 zu signifikant falschen Ergebnissen führt noch hat sie Umstände dargelegt, die den von ihr favorisierten Fraunhofer-Marktpreisspiegel als grundsätzlich vorzugswürdig erscheinen lassen.

a)    Die von der Beklagten konkret vorgelegten Angebote von Mitbewerbern der Klägerin sind im vorliegenden Fall zur Erschütterung der vom Senat angewendeten Schätzgrundlage nicht geeignet. Sie sind nämlich nicht hinreichend mit der jeweiligen tatsächlichen Anmietsituation vergleichbar.

Die Beklagte hat zwar auf online-Anfragen bei großen Anbietern verwiesen und zugleich vorgetragen, zu einem entsprechenden Durchschnittspreis hätte auch im streitgegenständlichen Unfallzeitpunkt ein Fahrzeug angemietet werden können. Damit hat sie jedoch nicht im Sinne der Anforderungen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, NJW 2013, 1539 ff. - juris Rn. 12) hinreichend dargelegt, dass der zur Schadensbehebung erforderliche maßgebende Normaltarif zum Zeitpunkt der Anmietung tatsächlich deutlich günstiger gewesen sein könnte als der aus dem arithmetischen Mittel der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Tabelle ermittelte Normaltarif.

Das gilt für sämtliche vorgelegten Angebote bereits für die zeitliche Vergleichbarkeit. Sie stammen nämlich alle aus einem Zeitraum von rund fünf Jahren nach den Unfällen, die der Anmietung von Fahrzeugen der Geschädigten bei der Klägerin zugrunde liegen. Deshalb ist nicht erkennbar, dass in der konkreten Anmietsituation seinerzeit tatsächlich ein entsprechendes Fahrzeug zu den angebotenen Konditionen verfügbar gewesen wäre. Dies auch deshalb, weil die Beklagte nichts zur Preisentwicklung der Mietwagenkosten im maßgeblichen Zeitraum vorträgt. Insoweit kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Kosten für die Anmietung eines Mietfahrzeuges kontinuierlich gestiegen oder zumindest gleichgeblieben wären.

b)    Die von der Beklagten vorgelegten Angebote von Mitbewerbern lassen aber auch im Übrigen keinen hinreichend sicheren Schluss dahin zu, dass die Anwendung des Fraunhofer-Marktpreisspiegels anderen Schätzmethoden gegenüber vorzugswürdig wäre.

Anders als das Oberlandesgericht Düsseldorf (MDR 2015, 454 ff.) vermochte der Senat sich nicht die Überzeugung zu bilden, dass die vom Fraunhofer Institut ermittelten durchschnittlichen „Normaltarife“ dem tatsächlichen Angebotsspektrum näherkommen als der aus dem arithmetischen Mittel der beiden vorgenannten Tabellen ermittelte Wert. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat neben den in der Rechtsprechung intensiv diskutierten und vom erkennenden Senat in seiner Entscheidung vom 29. Februar 2012 aufgelisteten Vor- und Nachteilen der beiden Erhebungsmethoden Schwacke und Fraunhofer u. a. darauf abgestellt, dass im Wesentlichen vergleichbare Mietfahrzeuge zu deutlich niedrigeren Preisen - nicht selten für etwa den halben Preis - als dem in der Schwacke-Liste genannten Durchschnittspreis hätten angemietet werden können. Diese Tendenz schien sich zwar auch in mehreren Verfahren vor dem erkennenden Senat anzudeuten, jedoch nur unter Berücksichtigung der jeweils vom Versicherer vorgelegten, ausgewählten Angebote anderer Mietwagenunternehmen.

Der Senat ist in diesem Zusammenhang zunächst der Frage nachgegangen, ob und inwieweit die von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit vorgelegten „Vergleichs-" Angebote von Mitbewerbern der Klägerin bezogen auf die zum Zeitpunkt der Abgabe der Angebote gültigen und anzuwendenden Listen von Schwacke und Fraunhofer einer der beiden Listen entsprechen. In diesem Fall wäre zunächst in einem ersten Schritt aufgezeigt, dass eine der beiden Erhebungsmethoden den tatsächlich auf dem Markt erhältlichen Mietpreis realistischer abbildet als die andere (wie es das OLG Düsseldorf für seinen Gerichtsbezirk annimmt). In einem zweiten Schritt wäre sodann gegebenenfalls festzustellen, ob dies (mutmaßlich) auch für den konkreten Mietzeitraum angenommen werden kann.

Bezogen auf das Jahr 2015, aus dem die von der Beklagten vorgelegten Angebote von Mitbewerbern der Klägerin stammen, können derartige Feststellungen für den vorliegenden Fall indes nicht mit ausreichender Aussagekraft getroffen werden.

Ein Vergleich dieser Daten ergibt Zahlen wie im Schriftsatz der Beklagten vom 10. März 2016 (BI. 332 f. d. A.) [entspricht den Zahlen, die die Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Mai 2015 (BI. 169 ff. d. A.) im hiesigen Verfahren vorgetragen hat] aufgeführt, d. h. bezogen auf den jeweiligen Mittelwert der vorgelegten Angebote und der Werte nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel ergeben sich - außer in den Gruppen 8 und 9 - Abweichungen von etwa 10 bis zu knapp 25 % (Gruppe 7, Mietdauer 7 Tage) zwischen dem Durchschnittspreis der von der Beklagten vorgelegten Angebote und dem Mittelwert nach Fraunhofer. In den Gruppen 8 und 9 decken sich die Werte hingegen mit dem Mittelwert nach Fraunhofer. Damit liegen diese Angebote in der Tat überwiegend näher an den vom Fraunhofer Institut ermittelten Durchschnittswerten als an denen nach der Schwacke-Liste.

Insoweit ist jedoch einschränkend festzustellen, dass der Mittelwert der von der Beklagten jeweils vorgelegten drei Mitbewerberangebote schon allein deshalb eine größere Nähe zu den Werten nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel aufweisen (müssen), weil sie auf einer vergleichbaren ‚Erhebungsmethode‘ (Einholung von Internetangeboten von ausschließlich großen, überregionalen Anbietern) beruhen und zudem nicht auszuschließen, sondern sogar naheliegend ist, dass die Beklagte von den vom Fraunhofer Institut befragten Anbietern die drei günstigsten ausgewählt hat. Insoweit bestehen erhebliche Bedenken gegen die Aussagekraft dieser „Vergleichs"-Angebote zu der Frage, ob und inwieweit die Fraunhofer-Tabelle den realen Markt wirklichkeitsgetreuer abbildet als andere Schätzmethoden.

(…)

Soweit die Beklagte darauf verweist, die Abweichung zwischen dem Mittelwert der von ihr vorgelegten Angebote und dem nach Fraunhofer ermittelten Durchschnittspreis bewege sich innerhalb der Spanne einer Standardabweichung einer statistischen Erhebung, ist dies für die Ermittlung einer geeigneten Schätzgrundlage nach den oben dargestellten Grundsätzen des Bundesgerichtshofs allenfalls von untergeordneter Bedeutung. (...). Die Standardabweichung ist in der Tat ein Begriff aus der Statistik bzw. Wahrscheinlichkeitsrechnung oder Stochastik. Sie ist im Übrigen kein fester Prozentsatz, sondern ist für jeden Einzelfall einer Statistik zu berechnen. Mit ihr kann man ermitteln, wie stark die Streuung der Werte um einen Mittelwert ist. Um die Standardabweichung zu berechnen, muss der Durchschnitt (arithmetisches Mittel) aller Werte und im Anschluss noch die sog. Varianz berechnet werden. Die Varianz gibt dabei die mittlere quadratische Abweichung der Ergebnisse um ihren Mittelwert ab. Um sodann die Standardabweichung zu ermitteln, wird aus der Varianz die (quadratische) Wurzel gezogen (vgl. www.wikipedia.org/wiki/Standardabweichung).

Es ist aber zunächst überhaupt nicht erkennbar, dass eine der beiden Markterhebungen (Schwacke oder Fraunhofer) den Anforderungen einer statistischen Erhebung entspricht. Das gilt zumindest für den Fraunhofer-Marktpreisspiegel. Für die Einordnung als Statistik fehlt die Zufälligkeit der erhobenen Daten insoweit, als das gezielt nur ein - wenn auch größerer - ausgewählter Kreis der am Markt vertretenen überregionalen Anbieter befragt wird. Alle Personen einer zu untersuchenden Grundgesamtheit müssen aber die gleiche bzw. eine berechenbare Chance haben, in eine Statistik einzugehen. Das ist aufgrund der Art der Erhebung indes nicht gewährleistet.

Es bestehen auch Zweifel, dass es sich wenigstens um eine hinreichend repräsentative Umfrage handelt. Dabei müssen nämlich die Befragten so ausgewählt werden, dass sie die gesamte zu befragende Gruppe repräsentieren. Um das zu erreichen, müssten die Befragten ausgewogen ausgewählt, d. h. nicht nur große Internetanbieter, sondern z. B. auch kleinere örtliche einbezogen werden. Die - zulässige - Auswahl einer Teilgesamtheit ist so vorzunehmen, dass aus dem Ergebnis der Teilerhebung möglichst exakt und sicher auf die Verhältnisse der Gesamtmasse geschlossen werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Teilerhebung in der Verteilung aller interessierenden Merkmale der Gesamtmasse entspricht, d. h. ein zwar verkleinertes, aber sonst wirklichkeitsgetreues Abbild der Gesamtheit darstellt (vgl. Gabler, Wirtschaftslexikon, www.wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/2214/ repräsentativerhebung-v13.html). Ob dies der Fall ist, ist für den Senat mangels entsprechenden Vorbringens nicht erkennbar, erscheint aufgrund der Auswahlkriterien aber auch als zweifelhaft.

(...)

Der Senat verkennt dabei nicht, dass damit gleichwohl auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten „Vergleichs"-Angebote auf den ersten Blick eine größere Nähe zu den Werten nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel bleibt. Dies allein rechtfertigt aber nicht, den Mittelwert aus dieser Erhebung als alleinige Schätzgrundlage heranzuziehen. Anderenfalls würde dem Umstand nicht hinreichend Rechnung getragen, dass die in Prozessen der vorliegenden Art von den Haftpflichtversicherern vorgelegten Angebote ergebnisorientiert die günstigsten Anbieter berücksichtigen werden und zudem zwei wesentliche Besonderheiten der Erhebungsmethode nach Fraunhofer unberücksichtigt bleiben, nämlich die Vorbuchungsfrist sowie die unbestimmte Mietdauer. Ob in den konkreten Fällen des vorliegenden Verfahrens eine kurzfristige Anmietung erfolgt ist, ist für die Frage der generellen Vorzugswürdigkeit einer der beiden Listen ohne Bedeutung.

Insoweit handelt es sich nicht, wie die Beklagte meint, um rein unfallspezifische Merkmale, die bei der Ermittlung des sog. Normaltarifs außer Betracht zu bleiben haben. Nach Auffassung des Senates ist der zu ermittelnde Normaltarif derjenige, den ein Kunde unter im Übrigen gleichen Bedingungen wie ein Unfallgeschädigter bei der - auch kurzfristigen - Anmietung eines Fahrzeuges zu zahlen hat ohne Berücksichtigung z. B. einer besonderen Eilbedürftigkeit wegen der Unbrauchbarkeit des eigenen Fahrzeuges infolge des Unfallereignisses pp. Dabei stellt die kurzfristige Anmietung eines Fahrzeuges z. B. wegen anderweitiger Reparaturnotwendigkeit keineswegs einen Sonderfall dar.

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf spricht nicht allgemein gegen die Berechnung des Normaltarifs aufgrund des arithmetischen Mittels beider Erhebungen, dass damit letztlich Abstand von dem Ansatz genommen würde, als Grundlage für den Schadensersatzanspruch den tatsächlichen Marktpreis anhand einer empirischen Schätzgrundlage zu ermitteln (DAR 2015, 311 ff. - juris Rn. 51). Nach Überzeugung des Senates können gerade durch das Bilden des arithmetischen Mittels die Schwächen beider Schätzgrundlagen angemessen ausgeglichen werden.

Wegen dieser Vor- und Nachteile beider Erhebungsmethoden nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen einerseits Bezug auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe (BB 2011, 2114 - juris Rdnr. 39 ff.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind - wie oben bereits dargelegt - trotz teilweiser nicht unerheblicher Schwächen beide Methoden grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet. Da beide Listen lediglich als Grundlage für eine Schätzung dienen, kann der Tatrichter im Rahmen seines Ermessens nach § 287 ZPO von den sich aus beiden Tabellen ergebenden Tarifen z. B. durch Zu- und Abschläge abweichen, mithin auch durch Bildung des rechnerischen Mittelwerts. Dabei wird im Rahmen des § 287 ZPO in Kauf genommen, dass die richterliche Schätzung unter Umständen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (BGH, NJW 1964, 589).

Gegen die Berechnung des Normaltarifs auf diesem Wege können auch nicht entscheidend praktische Erwägungen angeführt werden (so OLG Düsseldorf a. a. O. – juris - Rn. 52). Zwar setzt die vom erkennenden Senat angewendete Methode voraus, dass die Anwender (Versicherungen, Rechtsanwälte und Gerichte) über beide Listen verfügen. Das sollte jedoch ohnehin selbstverständlich sein. Zudem benötigen alle Beteiligten auch dann beide Listen, wenn ein Gericht im Regelfall nur eine der beiden Tabellen bevorzugt, um nämlich die Einwendungen der Gegenseite sowie die Aussagekraft eventueller vorgelegter Vergleichsangebote prüfen zu können. Die Berechnung des arithmetischen Mittels ist ohne Zweifel für die Beteiligten mit einem gewissen Mehraufwand verbunden, der allerdings dem Sinn und Zweck des Gesetzes keineswegs entgegensteht. § 287 ZPO will zwar allgemein die Feststellung des Schadensumfangs erleichtern. Diesem Ziel wird aber gerade dadurch angemessen entsprochen, dass eine einheitliche Schätzmethode angewendet werden kann und es dadurch dem Geschädigten erspart bleibt, den vollen Beweis zu führen."

 

Der Senat sieht nach alledem auch im vorliegenden Fall keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Es bleibt mithin dabei, dass die nach einem Verkehrsunfall als Normaltarif zu erstattenden Mietwagenkosten im Regelfall nach dem arithmetischen Mittel aus Schwacke-Liste und Fraunhofer­Tabelle zu schätzen sind.

5.    Soweit die Beklagte mit der Berufungserwiderung unter Vorlage von Mietwagenrechnungen aus dem Jahr 2015 vorträgt, der Marktpreisspiegel weise zutreffende Werte aus, kann sie damit im Hinblick auf § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht gehört werden.

6.    Dies zugrunde gelegt, stehen der Klägerin Ersatz folgender weiterer Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht zu:

a)    Fall 1:

Da die Klägerin mit der Berufung die vom Landgericht vorgenommene Kürzung der Mietdauer von sechs Tagen auf fünf Tagen nicht angreift, ergibt sich nach der „Fracke"-Methode ein Normaltarif von 343,38 € zzgl. Nebenkosten in Höhe von 199,48 € (Reduzierung SB für VK; Zustellung/Abholung; zusätzlicher Fahrer), mithin 542,86 €, abzüglich 5 % Eigenleistung, mithin 515,72 €, auf die die Beklagte bereits 293,93 € gezahlt hat, so dass 221,79 €, abzüglich des mit dem angefochtenen Urteil zugesprochenen Betrages in Höhe von 138,68 €, mithin 83,11 € offen sind.

Da die Klägerin für Fall 1 mit der Klage 287,62 € gefordert hat (was dem Zinsantrag zu entnehmen ist), kommt es auf die mit der Berufung geltend gemachte Klageerweiterung insoweit nicht an.

b)    Fall 2:

Anspruch nach Fracke:     422,06 € netto
gezahlt:                           270,00 € netto
Landgericht:                      59,87 € netto
offen:                                92,19 € netto

Hier hat die Klägerin zwar in erster Instanz lediglich 122,92 € gefordert, so dass sie insoweit die Klage um 29,14 € erweitert. Eine ausdrückliche Zustimmung der Beklagten zur Klageerweiterung liegt nicht vor. Soweit die Beklagte ohne nähere Begründung meint, dass die Klägerin nicht mehr als in der ersten Instanz verlangen könne, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Die Klageerweiterung im Berufungsverfahren ist schon gem. §§ 525, 264 Nr. 2 ZPO zulässig, jedenfalls aber gemäß § 263 ZPO sachdienlich, da der der Klageerweiterung zugrundeliegende Sachverhalt bereits in erster Instanz vollständig vorgetragen war.

c)    Fall 3:

Anspruch nach Fracke:     339,89 €
gezahlt:                           180,88 €
Landgericht:                    129,47 €
offen:                               28,54 €

Die Klägerin hatte in erster Instanz für Fall 2 lediglich 120,93 € gefordert. Das Landgericht hat 129,47 € zugesprochen. Soweit darin wegen § 308 ZPO verfahrensfehlerhaft mehr als beantragt zugesprochen wurde, wirkt sich dies im Hinblick auf die zulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nicht (mehr) aus.

d)    Fall 4:

Anspruch nach Fracke:     969,72 €
gezahlt:                           392,70 €
Landgericht:                     371,82 €
offen:                              205,20 €

e)    Fall 5:

Die Klägerin beanstandet die Kürzung der Mietwagendauer von vier auf drei Tage und meint, ihr sei das Fahrzeug in der Disposition entzogen, da unklar sei, ob das Fahrzeug am Morgen oder am Abend zurückgegeben werde. Im Übrigen hätten die Parteien keine stundenweise sondern tageweise Vermietung vorgenommen. Sie begehrt daher für Fall 5 eine weitere Zahlung in Höhe von 196,59 €.

Die Einwendungen der Klägerin bleiben ohne Erfolg. Mietdauer war vom 19. Mai 2010 bis 22. Mai 2010. Das Fahrzeug ist am 19. Mai 2010 um 10.30 Uhr gemietet worden und stand dem Mietwagenunternehmen nach dem letztlich unstreitigen Vorbringen am 22. Mai 2010 um 10.00 Uhr wieder zur Verfügung (vgl. Mietvertrag BI. 28 d. A.). Demnach konnte das Mietwagenunternehmen das Fahrzeug am 22. Mai 2010 ein weiteres Mal vermieten, so dass es auch gerechtfertigt ist, lediglich von einer Mietdauer von drei Tagen auszugehen. Daraus folgt:

Anspruch nach Fracke:     400,21 €
gezahlt:                          296,31 €
Landgericht:                      21,63 €
offen:                               82,27 €

f)    Fall 6:

Anspruch nach Fracke:     627,20 €
gezahlt:                          370,09 €
Landgericht:                    119,97 €
offen:                             137,14 €


g)    Fall 7:

Anspruch nach Fracke:     817,65 €
gezahlt:                          392,70 €
Landgericht:                    252,95 €
offen:                             172,00 €

h)    Fall 8:

Anspruch nach Fracke:     884,16 €
gezahlt:                          539,07 €
Landgericht:                    109,25 €
offen:                             235,84 €

i)    Fall 9:

Die vom Landgericht vorgenommene Kürzung hinsichtlich der Kosten der Abholung in Höhe von 30,14 € greift die Klägerin mit der Berufung nicht mehr an.

Anspruch nach Fracke:     718,13 €
gezahlt:                          374,85 €
Landgericht:                    166,43 €
offen:                             176,85 €

Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsschrift (BI. 371 d. A.) nur 175,35 € verlangt, ist dieser Betrag nicht nachvollziehbar errechnet (Ausgangszahlen als auch Rechenergebnis teilweise falsch). Da hier aber von einem offenkundigen Schreib­ und Rechenfehler auszugehen ist, liegt kein Fall des § 308 ZPO vor.

j)    Fall 10:

Anspruch nach Fracke:     347,35 €
gezahlt:                          260,61 €
Landgericht:                      24,02 €
offen:                               62,72 €

k)    Fall 11:

Hier ist von einem offenkundigen Schreibfehler im landgerichtlichen Urteil bei der Addition der zuvor ermittelten Einzelbeträge auszugehen (207,82 € anstatt 270,82 €). Einer Korrektur des Urteils gem. § 319 ZPO bedarf es im Hinblick auf den Erfolg der Berufung insoweit jedoch nicht.

Anspruch nach Fracke:     1.464,44 €
gezahlt:                             753,99 €
Landgericht:                       207,82 €
offen:                                502,63 €

l)    Fall 12:

Anspruch nach Fracke:     816,43 €
gezahlt:                          458,15 €
Landgericht:                    108,33 €
offen:                             249,95 €

m)    Fall 13:

Die Klägerin beanstandet ohne Erfolg die Kürzung um die Position Winterreifen. Insoweit wäre es dem Geschädigten im Hinblick auf seine Schadensminderungspflicht zuzumuten gewesen, sein Fahrzeug zeitnah, mithin bereits im September 2010 reparieren zu lassen, so dass die durch das Zuwarten des Geschädigten entstandenen höheren Kosten für Winterreifen nicht erstattungsfähig sind.

Anspruch nach Fracke:     355,27 €
gezahlt:                          245,14 €
Landgericht:                     44,26 €
offen:                              65,87 €

n)    Fall 14:

Anspruch nach Fracke:     1.019,96 €
gezahlt:                             446,25 €
Landgericht:                      288,02 €
offen:                               285,69 €

o)    Fall 15:

Die Klägerin beanstandet, dass das Landgericht als Mietdauer lediglich den Zeitraum für die Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen für erstattungsfähig gehalten hat und meint - mit erstmalig in der Berufungsinstanz gehaltenen und daher gem. § 531 ZPO verspäteten Vortrag -, dass auch die Dauer der Schadenfeststellung von drei Tagen zu berücksichtigen sei. Die Mehrforderung ist daher unberechtigt.

Anspruch nach Fracke:     1.344,82 €  netto
gezahlt:                             834,00 €  netto
Landgericht:                        90,74 €   netto
offen:                                420,08 €  netto

p)    Fall 16

Anspruch nach Fracke:     514,53 €
gezahlt:                           393,53 €
Landgericht:                      11,28 €
offen:                             109,72 €

q)    Fall 17:

Anspruch nach Fracke:     293,13 €
gezahlt:                          139,23 €
Landgericht:                    117,06 €
offen:                               36,84 €

r)    Insgesamt stehen der Klägerin damit über die vom Landgericht bereits zugesprochenen Mietwagenkosten weitere Mietwagenkosten in Höhe von 2.946,64 € zu.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 10, 713, 543 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

==============================

Bedeutung für die Praxis: Das Erstgericht hatte die Ermittlung erstattungsfähiger Mietwagenkosten - dem Weg und den Argumenten des OLG Düsseldorf folgend - anhand der Fraunhoferliste vorgenommen. Das hat das Berufungsgericht korrigiert und seiner eigenen ständigen Rechtsprechung sowie der Argumentation der Klägerin folgend den Mittelwert zwischen Schwacke und Fraunhofer angewendet. Der Senat hat erkannt, dass der Vortrag der Beklagten, angelegt wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, erst die Fraunhoferwerte zum Maßstab erhebt und sodann auf dieselbe unzulängliche Art erhobene Internetwerte zum Beleg für die Fraunhoferwerte vorträgt und somit konkrete Bedingungen dieser Werte absichtlich oder unabsichtlich unberücksichtigt lässt. Dabei findet das Gericht deutliche Worte. Zumindest die Fraunhoferliste hält das Gericht nicht für eine statistische Erhebung, ja noch nicht einmal für eine hinreichend repräsentative Umfrage, weil die Auswahl der Anbieter nicht zufällig ist, sondern von Fraunhofer vorgegeben ist. Eine Schätzung allein auf Werten der Fraunhoferliste scheidet deshalb aus. Überraschend werden Kosten wintertauglicher Bereifung zurückgewiesen, weil der Geschädigte hätte sein Fahrzeug schon in einer Zeit hätte reparieren können, als ein Ersatzmietwagen noch ohne diese Zusatzkosten hätte angemietet werden können.