Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 2-17

 

Amtsgericht Schwäbisch Hall 6 C 718/15 vom 03.11.2016 

1. Der Geschädigten obliegt es nicht, Marktforschung nach günstigen Tarifen zu betreiben, doch die Einholung eines Vergleichsangebotes ist ihr zuzumuten, wenn die Anmietung erst mehrere Tage nach dem Unfall erfolgt.
2. Die Schwackeliste-Automietpreisspiegel ist für ein Transporter-Fahrzeuge eine ausreichende und angemessene Schätzgrundlage.
3. Der Aufschlag wegen erforderlicher unfallbedingter Mehrleistungen wird mit 20 Prozent bemessen.
4. Kosten der Zusatzleistungen Haftungsreduzierung, Zweitfahrer und Zustellung/Abholung sind zu erstatten, da die Leistungen erforderlich gewesen sind.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht wendet anders als sonst üblich die Werte der Schwackeliste zur Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten an. Für unfallbedingte Mehrleistungen ist eine Aufschlag von 20 Prozent zu erstatten. Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind ebenso erstattungsfähig.

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Amtsgericht Schwäbisch Hall 6 C 718/15 vom 03.11.2016

Im Namen des Volkes



Urteil



In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Schwäbisch Hall durch den Richter XXX am 03.11.2016 im Rahmen der Fortführung des Verfahrens auf Grund der Rüge gemäß § 321a ZPO auf Grund des Sachstands vom 26.10.2016 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:

Das Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Hall vom 21.01.2016, Az. 6 C 718/15, wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.255,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.08.2015 zu zahlen.

2.    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der auszuzahlenden Kostenquote zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.    Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 6 % und die Beklagte 94 % zu tragen.

4.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

5.    Der Streitwert wird auf bis 1.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten restliche Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht.

Am 21.04.2015 ereignete sich in Schwäbisch Hall ein Verkehrsunfall, an dem das vollkaskoversicherte Fahrzeug der Geschädigten der Marke Renault Traffic mit dem amtlichen Kennzeichen XXX einerseits und das Fahrzeug des Schädigers mit dem amtlichen Kennzeichen XXX, welches bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, anderseits, beteiligt war. Die vollständige Haftung der Beklagten steht zwischen den Parteien außer Streit.

Im Zeitraum vom 27.04.2015 bis zum 09.05.2015 mietete die vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte bei der Klägerin einen entsprechenden Mietwagen an. Die Klägerin rechnete hierfür 2.036,00 € netto ab. Der Betrag setzt sich folgendermaßen zusammen:

13 Tage Anmietzeit zu je 115,00 €                 1.495,00 €
13 Tage Haftungsreduzierung zu je 25,00 €       325,00 €
13 Tage Zusatzfahrer zu je 12,00 €                  156,00 €
Zustell-/Abholkosten                                        60,00 €
Gesamt                                                      2.036,00 € netto

Während der Mietzeit wurde das Fahrzeug insgesamt 4.077 km gefahren.

Die Beklagte hat auf die Forderung der Klägerin, welche von der Geschädigten an die Klägerin abgetreten wurde, einen Betrag i.H.v. 703,00 € beglichen und mit Schreiben vom 01.08.2015 weitere Zahlungen abgelehnt.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Anmietung des Mietwagens sei erforderlich gewesen, da dieser von der Geschädigten sowie einem weiteren Fahrer genutzt worden sei. Der Geschädigten sei zum damaligen Zeitpunkt kein günstigerer Tarif zugänglich gewesen, da im Einzugsbereich der Geschädigten sich die Mietkonditionen anderer Mietwagenunternehmen nicht oder nicht wesentlich zu denen der Klägerin unterscheiden würden. Eine Marktforschung hinsichtlich günstigerer Tarife habe von der Geschädigte nicht vorgenommen werden müssen. Die Mietwagenkosten seien daher erforderlich, ortsüblich und angemessen. Günstigere Tarife als die der Klägerin habe die Geschädigte nicht in Anspruch nehmen können. Überregionale Firmen hätten der Geschädigten kurzfristig kein Fahrzeug zur Verfügung stellen können. Die Geschädigte habe zudem keine Kenntnis über unterschiedliche Tarifgestaltungen im Mietwagengeschäft gehabt. Aufgrund verschiedener Faktoren sei die Klägerin im Unfallersatzgeschäft zudem gezwungen einen gewissen Mietpreis anzusetzen.

Die Klägerin beantragt daher,

1.    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.333,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.08.2015 zu zahlen.

2.    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der auszuzahlenden Kostenquote zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die von der Klägerin abgerechneten Kosten seien zu hoch bemessen. Die Mietwagenkosten seien nach Fraunhofer abzurechnen. Es wird bestritten, dass sich die Geschädigte vor der Anmietung bei der Klägerin über günstigere Anmietmöglichkeiten erkundigt habe. Die Geschädigte hätte zudem ein anderes Fahrzeug nutzen können. Die Erforderlichkeit der Zustell­ und Abholkosten werden bestritten. Ebenso wird bestritten, dass überregionale Firmen kurzfristig kein anderes Fahrzeug zur Verfügung gehabt hätten.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2016 nebst Anlagen (BI. 68-85 der Akte) verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens durch Herrn Dipl.-Ing. XXX. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2016 nebst Anlagen (BI. 68-85 der Akte) Bezug genommen und verwiesen.

Mit Datum vom 21.01.2016 erging in dieser Sacher ein Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Hall, in dem die Beklagte in der Hauptsache zur Zahlung eines Betrag in Höhe von 937,05 € verurteilt wurde. Hiergegen erhob die Klägerin die Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO, mit der Begründung, das Gericht habe einen wesentlichen Vortrag der Klägerin zur besonderen Anmietsituation, welche einen Aufschlag auf den Mietwagentarif rechtfertige, im Rahmen des Urteils übergangen und unberücksichtigt gelassen. Mit Beschluss des Gerichts vom 19.09.2016 wurde das Verfahren fortgeführt. Beide Parteien habe die Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren erteilt.



Entscheidungsgründe



Die Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadenersatzanspruch auf restliche Mietwagenkosten in Höhe von noch 1.255,41 € gemäß §§ 7, 18 StVG, 823, 249 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG i.V.m. § 398 BGB. Ein darüber hinausgehender Betrag steht der Klägerin nicht zu. Die erforderlichen Mietwagenkosten schätzt das Gericht auf Grundlage der Schwacke-Liste gemäß § 287 ZPO.

1.    Die Unfallgeschädigte hat ihre Schadenersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 21.04.2015 in Schwäbisch Hall bezüglich der Mietwagenkosten wirksam an die Klägerin abgetreten (Anlage K2). Die Wirksamkeit der Abtretung wurde nicht bestritten.

2.    Der Unfall wurde unstreitig allein vom Fahrzeugführer des bei der Beklagten versicherten Pkw verschuldet. Der dem Grunde nach unstreitige und wirksam an die Klägerin abgetretene Schadenersatzanspruch ist gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB auf einen Betrag i.H.v. insgesamt 1.958.41 € netto beschränkt. Hiervon hat die Beklagte unstreitig bereits 703,00 € reguliert, so dass der Klägerin noch restliche 1.255,41 € netto zustehen.

Die Mietwagenkosten sind für den Zeitraum 27.04.2015 bis zum 09.05.2015 und somit für die von der Klägerin geltend gemachte Dauer von 13 Tagen zu ersetzen.

a)    Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann ein durch einen Verkehrsunfall Geschädigter nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten ersetzt verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte kann somit grundsätzlich höchstens den günstigsten Mietpreis, d.h. in der Regel den angebotenen Normaltarif für ein dem Unfallfahrzeug vergleichbares Ersatzfahrzeug verlangen (Palandt/Grüneberg, BGB 75. Aufl. 2016, § 249 Rn. 33). Hierbei muss der Geschädigte darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt - zumindest auf Nachfrage - kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (BGH, Urteil vom 09.05.2006, VI ZR 117/05). Hierbei kann es erforderlich sein, gegebenenfalls ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen (BGH a.a.O).

Vorliegend wäre es der Geschädigten im Rahmen der Schadensgeringhaltungspflicht zumutbar gewesen, zumindest ein Vergleichsangebot einer anderen Mietwagenfirma einzuholen, um einen Mietwagen gegebenenfalls günstiger anmieten zu können. Dass die Geschädigte überhaupt bei einer anderen Mietwagenfirmen als der Klägerin hinsichtlich einer Anmietung eines entsprechenden Fahrzeugs nachgefragt hat, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Allein die Angabe, günstigere Angebote seien aufgrund ähnlicher Preisgestaltung bei Konkurrenzunternehmen nicht zu erreichen gewesen, reicht für eine Einhaltung der Schadensgeringhaltungspflicht seitens der Geschädigten nicht aus. Auch wenn bei einer Nachfrage günstigere Angebote nicht vorhanden gewesen wären oder die entsprechenden Firmen hierzu überhaupt keine Auskunft erteilt hätten, wäre die Geschädigte hiermit dennoch ihrer Verpflichtung, den Schaden möglichst gering zu halten nachgekommen, da allein das Tätigwerden der Geschädigten zur Einhaltung der  entsprechenden Pflicht entscheidend ist und nicht das hieraus folgende, noch nicht absehbare ggf. auch erfolglose Ergebnis einer Erkundigung. Zwar ist der Geschädigte nicht zu einer intensiven Marktforschung verpflichtet, jedoch war es der Geschädigten in der konkreten Situation zumutbar, wenigstens ein Vergleichsangebot einzuholen. Der Unfall ereignete sich am 21.04.2015. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Schadensgutachtens des Kfz-Sachverständigenbüros Schmitt (BI. 75 ff. der Akte) erfolgte eine Besichtigung des verunfallten Fahrzeugs der Geschädigten durch den Sachverständigen am 25.04.2015. Das Sachverständigengutachten wurde sodann mit Datum vom 27.04.2015 erstellt. Aufgrund der aus dem Sachverständigengutachten beschriebenen Beschädigung des Fahrzeugs mit erkennbar deformierter Karosserie und verbogener Zier- und Anbauteilen, musste der Geschädigten klar sein, dass für eine entsprechende Reparatur das Fahrzeug für zumindest einen Tag nicht nutzbar sein würde. Demnach hatte die Geschädigte bis zur Überlassung des Fahrzeugs an den Sachverständigen zur Begutachtung genügend Zeit, um sich bereits in diesem Zeitraum bzgl. entsprechender Tarife von Mietwagenfirmen zu erkundigen. Auch am 27.04.2015, an dem Tag, an dem das Mietfahrzeug bei der Klägerin von der Geschädigten angemietet und der Geschädigten das Gutachten des Sachverständigenbüros XXX vorgelegen hat, wäre es der Geschädigten noch zumutbar gewesen, bzgl. anderer Tarife Erkundigungen bei jedenfalls einem Konkurrenzunternehmen einzuholen. Eine Eil- oder Notsituation bei der Anmietung lag insofern nicht vor. Die Anmietung erfolgte an einem Montag und damit an einem „normalen“ Werktag. Eine Marktforschung liegt insofern nicht vor, da von der Geschädigten gerade nicht verlangt wird, den gesamten Mietwagenmarkt zu untersuchen, sondern lediglich zumindest ein Vergleichsangebot einzuholen. Ein Vortrag, dass die Geschädigte in dieser Richtung überhaupt tätig geworden ist, liegt seitens der Klägerin nicht vor. Der Umstand, dass die Geschädigte davon ausgegangen ist, dass die unterschiedlichen Mietwagenfirmen keine unterschiedlichen Tarifgestaltungen haben, spielt hierbei keine Rolle, da die Geschädigte in dieser Hinsicht zumindest fahrlässig gehandelt hat. Einem vernünftig und wirtschaftlich denkenden Menschen muss aufgrund der allgemeinen Konkurrenzsituation in beinahe sämtlichen Branchen der Wirtschaft bekannt sein, dass aufgrund des zwischen den einzelnen Unternehmen herrschenden Wettbewerbs eine (wenn auch mehr oder weniger ausgeprägte) unterschiedliche Preisgestaltung vorherrscht.

b)    Die - wenn wie vorliegend ein Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungspflicht gegeben ist - dann erforderlichen Mietwagenkosten kann der Tatrichter - gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen - gemäß § 287 ZPO - schätzen. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Mietwagenkosten kann der Tatrichter im Rahmen seines Ermessens gemäß § 287 ZPO zur Schadenschätzung auf die einschlägigen Listen oder Tabellen zurückgreifen. Die Eignung solcher Listen oder Tabellen zur Schadenschätzung bedarf nur dann der Klärung wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, das geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH, Urteil vom 18.05.2010, VI ZR 293/08, juris).

Die erforderlichen Mietwagenkosten schätzt das Gericht im vorliegenden Fall gemäß § 287 ZPO anhand der Liste nach Schwacke. Nach dem durch den Sachverständigen festgestellten dortigen arithmetischen Mittel werden für die Anmietung des Transporters durch die Geschädigte unter Berücksichtigung einer Haftungsreduzierung, eines Zusatzfahrers sowie Kosten für Zustellung und Abholung ein Preis in Höhe von insgesamt 1.951,67 € (brutto), was einem Nettopreis i.H.v. 1.640,05 € entspricht, ausgewiesen.

Das Gericht ist der Auffassung, dass es sich bei der Schwacke-Liste in der konkreten Fallsituation - entgegen der gängigen Rechtsprechung des Amtsgerichts Schwäbisch Hall, welches sonst üblicherweise die Fraunhofer-Liste als Schätzgrundlage heranzieht - um eine ausreichende und angemessene Schätzgrundlage handelt. In der vorliegenden Fallkonstellation scheidet die Fraunhofer-Liste nach Auffassung des Gerichts als verlässliche Schätzgrundlage aus. Dies deshalb, weil es sich vorliegend bei dem angemieteten Fahrzeug um einen Transporter und gerade keinen Pkw handelt. Ausweislich der Angaben des Sachverständigen XXX in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2016 und der dem Gutachten zugrundeliegenden Anlagen (BI. 73, 74 der Akte) unterscheidet die Schwacke-Liste zwischen einem „Transporter“ und einem „Pkw“. Eine solche Unterscheidung findet im Rahmen der Fraunhofer-Liste nicht statt. Demnach stellt sich die Schwacke-Liste im vorliegenden Fall in Bezug auf ein Spezialfahrzeug, wie es ein Transporter darstellt, als eine differenziertere Schätzgrundlage als die Fraunhofer-Liste dar. Im Übrigen hat der Sachverständige eine Internetrecherche bezüglich aktueller Anmietpreise bei vier Mietwagenfirmen durchgeführt. Aus dem dort gewonnenen Ergebnis der ermittelten Mietpreise ist ersichtlich, dass diese sich im Rahmen von ca. 1.470 € brutto bis ca. 1.902 € brutto bewegen und damit deutlich näher an den ermittelten Werten der Schwacke-Liste liegen. Für die Fraunhofer-Liste hat der Sachverständige einen Betrag i.H.v. 769,52 € brutto errechnet, wobei jedenfalls die Gebühren für eine Haftungsreduzierung sowie Gebühren für die Zustellung und Abholung des Fahrzeugs gesondert hinzuzurechnen wären. Die tagesaktuell angefragten Mietpreise, welche zwar keine verlässlichen Werte hinsichtlich des streitgegenständlichen Anmietzeitraums geben, vermögen jedoch eine lndizwirkung dahingehend auszuüben, als dass die Schwacke-Liste deutlich näher an die örtlichen Mietwagenpreisen angelegt ist, als die der Fraunhofer-Liste.

Die vom Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzten erforderlichen Kosten für die Anmietung des Mietfahrzeugs durch die Geschädigte belaufen sich daher zunächst auf einen Bruttobetrag i.H.v. 1.951,67 €, was einem Nettobetrag i.H.v. 1.640,05 € entspricht.

Hierin enthalten sind - unter Zugrundelegung der vom Sachverständigen ermittelten Werte nach der Schwacke-Liste - die Grundkosten für die Anmietung für 13 Tage (insgesamt 1.436,00 € brutto) sowie eine Haftungsreduzierung (294,97 € brutto), welche durch die Beklagte bereits dem Grunde nach nicht bestritten wurde. Ebenso wurde der Tarif für einen Zusatzfahrer (163,20 € brutto) berücksichtigt, welcher von den Beklagten ebenfalls dem Grunde nach nicht bestritten wurde. Auch sind hierin enthalten die Kosten für die Zustellung und Abholung des Mietfahrzeugs (57,50 € brutto).

Nach Auffassung des Gerichts war eine solche Zustellung und Abholung des Fahrzeugs erforderlich, da die Reparatur des verunfallten Fahrzeugs an einer anderen Örtlichkeit als die des Unternehmens der Klägerin durchgeführt wurde.

Die Anmietung eines Mietwagens war auch insgesamt erforderlich, was bereits aus den innerhalb des Anmietzeitraums tatsächlich gefahrenen 4.077 km ersichtlich ist. Auf ein anderes Fahrzeug musste sich die Geschädigte nicht verweisen lassen, da es sich um ein Spezialfahrzeug in Form eines Transporters handelt.

Angesichts des Umstandes, dass jedenfalls die Anmietdauer des Mietfahrzeuges bei der Anmietung nicht feststand und der Mietpreis nicht vor Übergabe des Fahrzeuges ausgeglichen wurde, liegen nach Auffassung des Gerichts besondere Umstände vor, die einen pauschalen Aufschlag im Umfang von 20 % auf die Anmietkosten rechtfertigt (OLG Stuttgart, Urteil vom 22.06.2010, 12 U 16/10). Diese besonderen Umstände hat das Gericht im Ausgangsurteil trotz entsprechenden Vortrags der Klägerin versehentlich übersehen. Das Gericht nimmt einen solchen pauschalen Aufschlag im Rahmen der Schätzung gemäß § 287 ZPO vor. Von dem Aufschlag sind die Kosten für Zustellung und Abholung ausgenommen, da diese unabhängig von der vorliegenden besonderen Anmietsituation anfallen. Nachdem die Anmietkosten für das Fahrzeug vom Sachverständigen nach der Schwacke-Liste unter Abzug der Kosten für Zustellung und Abholung auf insgesamt 1.894,17 € brutto beziffert wurden, belaufen sich die Netto-Kosten unter Berücksichtigung des Aufschlages auf einen Betrag in Höhe von 1.910,09 €. In Verbindung mit den Kosten für die Zustellung und Abholung ergibt sich daher ein Netto-Betrag in Höhe von insgesamt 1.958,41 €.

c)    Die Klägerin hat unter Berücksichtigung der Zahlung der Beklagten in Höhe von 703,00 € somit noch einen restlichen Anspruch in Höhe von insgesamt 1.255,41 € (netto). Hinsichtlich eines darüber hinausgehenden Betrages, welcher von der Klägerin verlangt wurde, besteht kein Anspruch, so dass die Klage entsprechend abzuweisen war.

II.

1.    Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zinsen hinsichtlich der berechtigt geltend gemachten Forderung gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB. Mit Schreiben vom 01.08.2015 (Anl. K4) hat die Beklagte eine über die bereits bezahlten 703,00 € hinausgehende Zahlung verweigert und strikt abgelehnt, so dass die Forderung der Klägerin ab diesem Zeitpunkt zu verzinsen war.

2.    Der von der Klägerin geltend gemachte Feststellungsantrag war ebenfalls aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB stattzugeben. Aufgrund des Verzuges der Beklagten ist ein entsprechender Feststellungsanspruch gegeben. § 104 Abs. 1 ZPO schließt einen über die Verzinsung ab Eingang des Kostenfestsetzungsgesuchs hinausgehenden Schadenersatzanspruch nicht aus.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.

Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus den §§ 3 ZPO, 39 Abs. 1, 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 S. 1 GKG.

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Bedeutung für die Praxis: Das Gericht sieht eine generelle Verpflichtung zur Erkundigung nach einem anderen Anbieter. Das geht weit über das hinaus, was die überwiegende Rechtsprechung von Unfallopfern fordert. Denn überwiegend wird das davon abhängig gemacht, ob der vereinbarte Preis erheblich teurer ist als der Marktpreis und dem Geschädigten durch den eklatanten Preisunterschied hätte auffallen müssen, dass der Preis unangemessen sein könnte. Die BGH-Rechtsprechung spricht von mehrfacher Überhöhung. Zudem steht diese Linie des Gerichtes im Widerspruch zum Ergebnis seiner Schätzung nach § 287 ZPO. Wie der hinzugezogene Sachverständige ermittelte, ist von einem Marktpreis nahezu im Rahmen der klägerischen Abrechnung und auf dem Schwacke-Niveau auszugehen, weshalb das Gericht die offenen Forderungen gegen den Haftpflichtversicherer letztlich auch fast vollständig zuspricht. Bemerkenswert deshalb, weil das Gericht anstatt wie üblich die Fraunhoferliste anzuwenden, hier auf die Werte der Schwackeliste zurückgreift, die es plötzlich für angemessen hält. Hintergrund ist zwar, dass das konkrete Fahrzeug - ein Transporter - in Fraunhofer nicht berücksichtigt ist. Doch kommen die Schwacke-Werte dem Ergebnis der Sachverständigenermittlungen sehr nahe, wie das Gericht feststellt. Abzuwarten ist nun, ob das Gericht die Schwacke-Werte für Pkw zukünftig weiterhin rundweg ablehnt, obwohl es in diesem hier diskutierten Verfahren erkannt hat, dass sie bei Transporterfahrzeugen sehr wohl angemessen sind.

Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V.

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Meinung der Nutzer (10.08.2022):
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In der Datenbank sind - zumeist im Format PDF - enthalten:
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- jeweils mindestens ein Urteil einer Abteilung eines Amtsgerichtes seit 2008, soweit bekannt und von Bedeutung
- alle aktuellen uns bekannten Urteile seit Mitte 2010

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