Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 46-16

 

Oberlandesgericht Dresden 7 U 685/16 vom 09.11.2016

1. Der Schwacke-Automietpreisspiegel kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als Schätzgrundlage herangezogen werden.
2. Die speziellen, fallbezogenen Einwendungen der Beklagten gegen die Schwacke-Anwendung greifen nicht durch.
3. Die Angebote sind mit der Anmietsituation nicht vergleichbar und können deshalb nicht aufzeigen, dass sich etwaige Mängel der Liste auf den konkreten Fall in erheblichem Umfang auswirken.
4. Den Beispielen ist nicht zu entnehmen, ob für den angegebenen Preis die Mietdauer offen bleiben, sie unproblematisch verlängert oder verkürzt werden kann.
5. Die Möglichkeiten und Kosten der Inanspruchnahme am Ort des Mobilitätsbedarfs sind nicht ersichtlich.
6. Eine Anwendung von ACRISS-Mietwagenklassen ist rechtsfehlerhaft.
7. Eine Erkundigungspflicht nach günstigeren Angeboten oblag den Geschädigten nicht, da die vereinbarten Preise nicht deutlich überhöht gewesen sind.
8. Kosten für Nebenleistungen wie Winterreifen, Haftungsreduzierung und Zweitfahrer sind zu erstatten, wenn erforderlich und angefallen.

Zusammenfassung: Der Berufung der Klägerin wird teilweise stattgegeben und weiterer Schadenersatz wegen Mietwagenkosten zugesprochen. Das Oberlandesgericht wendet die Schwackeliste an und weist den Vorwurf der Verletzung einer Erkundigungspflicht nach günstigeren Tarifen zurück.

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Oberlandesgericht Dresden 7 U 685/16 vom 09.11.2016
(Vorinstanz Landgericht Dresden 9 O 3169/14)


IM NAMEN DES VOLKES



ENDURTEIL




In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Forderung

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

Richter am Oberlandesgericht XXX als Einzelrichter

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2016 am 09.11.2016


für Recht erkannt:


I.    Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Dresden vom 29.04.2016 - Az.: 9 O 3169/14 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 6.696,99 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 03.01.2015 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,50 € zu zahlen.

II.    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

III.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.


und beschlossen:


Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.761,07 € festgesetzt.


Gründe:




Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung der Kläger hat auch in der Sache Erfolg.

Denn nach Auffassung des erkennenden Senats hat die Klägerin vorliegend Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Mietwagenkosten für insgesamt 14 Fahrzeugvermietungen auf der Basis der mit den Zedenten vertraglich vereinbarten Mietpreise. Diese Preise liegen nämlich nicht oberhalb des vom Senat in ständiger Rechtsprechung als Schätzgrundlage gemäß § 287 ZPO herangezogenen „Schwacke-Mietpreisspiegels“. Dieser kann nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für die Schätzung des „Normaltarifs" im maßgeblichen Postleitzahlengebiet als geeignete Schätzgrundlage herangezogen werden (vgl. nur BGH, Urt. v.17.05.2011 – Az.: VI ZR 142/10).
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darf die Schadenshöhe lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden; ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Allein der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt noch nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage (die Beklagte und das Landgericht favorisieren insoweit die „Fraunhofer-Liste") zu begründen. Zudem darf das (Tatsachen-)Gericht im Rahmen seines Ermessens unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalle von diesen Listen - ggf. durch Abschläge oder Zuschläge auf den Normaltarif - abweichen (vgl. BGH Urt. v. 18.12.2012, Az.: VI ZR 316/11).

Aber auch die speziell fallbezogenen Einwendungen der Beklagten überzeugen im Ergebnis vorliegend nicht. Denn die von ihr erstinstanzlich vorgelegten verschiedenen Preisangebote anderer Autovermieter (siehe die Anlagen KE 1 bis 14) sind in ihrer Gesamtschau den von Klägerseite dargelegten Anmietsituationen nicht hinreichend vergleichbar, um aufzuzeigen, dass sich etwaige Mängel der Schätzgrundlage auf die hier streitgegenständlichen konkreten Anmietsituationen in erheblichem Umfang auswirken.
Die von Beklagtenseite vorgelegten „Screenshots" sind nämlich nicht geeignet, ein deutlich niedrigeres Gesamtentgelt für ein in sämtlichen Merkmalen und Anmietbedingungen konkret vergleichbares Fahrzeug in den jeweiligen Anmietzeiträumen darzulegen. Denn diesen Angeboten der Beklagten ist bereits nicht zu entnehmen, dass die im Zeitpunkt der Anmietung der Unfallersatzwagen noch nicht genau feststehende Reparatur- und damit Mietdauer auch bei einer Buchung der von der Beklagten vorgelegten Internet-Angebote zunächst hätte offen bleiben bzw. unproblematisch verkürzt oder verlängert werden können. Vielmehr ist nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin vom Gegenteil auszugehen.
Zudem müssten gemäß den von Beklagten vorgelegten Angeboten diese Fahrzeuge generell bei den Mietwagenanbietern abgeholt werden (was dem Geschädigten nach der Rechtsprechung des Senates regelmäßig nicht zumutbar ist).

Selbst unter Berücksichtigung der von der Klägerin in ihrer Replik vom 01.04.2015 unwidersprochen der Höhe nach errechneten Schwacke-Listenpreise bei Heranziehung von Wochenpauschalen bzw. 3-Tages-Pauschalen in den streitgegenständlichen Fällen ergeben sich Normaltarife, die nicht über den jeweiligen von der Klägerin berechneten Endpreisen liegen. Dies gilt jedenfalls bei Zugrundelegung der - zwischen den Parteien sogar unstreitigen - Mietwagen-Schadensklassen (wohingegen das Landgericht abweichend hiervon rechtsfehlerhaft ACRISS-Klassifikationen herangezogen hat).
Unabhängig davon hat die Klägerin bereits erstinstanzlich ausführlichen Sachvortrag zur betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung ihrer Preiskalkulation unterbreitet, der von der Beklagten nicht substantiiert bestritten worden ist.

Soweit die Beklagte in den streitgegenständlichen Einzelfällen jeweils moniert, die Mieter hätten vor Vertragsschluss zwingend Vergleichsangebote auf dem örtlichen Markt einholen müssen, verweist der Senat auf seine ständige Rechtsprechung, wonach ein derartiger Anlass für den Geschädigten, nach einem günstigeren Tarif als dem ihm angebotenen zu fragen oder weitere Erkundigungen einzuholen, im Regelfall nur dann besteht, wenn sich diesem aufgrund eines erheblichen oder aber auffällig hohen Abweichens von den Preisen von der Schwacke-Liste Bedenken wegen der Angemessenheit des ihm angebotenen Tarifs hätten aufdrängen müssen (siehe auch BGH, Urt. v. 04.07.2006, Az.: VI ZR 237/05). Der Senat ist nach wie vor der Überzeugung, dass sich ein in diesem Sinne beachtliches Missverhältnis in der Regel dem Geschädigten nur dann aufdrängen muss, wenn der maßgebliche Tarif der Schwacke-Liste um mindestens 50 % überschritten worden ist Eine solche - zugegebenermaßen pauschalierte - Wertrelation hält sich zum einen in den Grenzen des von § 287 ZPO eröffneten Ermessens und befriedigt zum anderen das Bedürfnis des Rechtsanwenders sowie der Instanzgerichte nach handhabbaren, praxistauglichen Vorgaben für die Schadensabwicklung im Alltag. Es dient damit nicht zuletzt auch der Rechtsanwendungsgleichheit als Teil der Rechtssicherheit.

Hinsichtlich der Ersatzfähigkeit von Kosten für Winterreifen, Zweitfahrer und Haftungsfreistellung kann auf die gefestigte Rechtsprechung des Senates verwiesen werden, mit welcher derartige Kosten regelmäßig zugesprochen werden.
Im Hinblick auf die Winterreifenproblematik ist dies auch von der jüngeren BGH-Rechtsprechung bestätigt worden (vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2013, Az.: VI ZR 245/11).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und auch für die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts. Wie bereits vorstehend ausgeführt, sieht sich der Senat mit seiner Rechtsprechung im Einklang mit derjenigen des Bundesgerichtshofs zur Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten.

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Bedeutung für die Praxis: Der siebte Senat des OLG Dresden bleibt bei seiner nachvollziehbar begründeten Mietwagen-Rechtsprechung, die aus drei Bausteinen besteht: Anwendung der Schwackeliste, Erkundigungspflicht nur wenn sich Bedenken wegen eines hohen Mietpreises ergeben müssen und Erstattung der Kosten für Nebenleistungen.

 

 

 

 

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