Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 49-15

Landgericht Bonn 8 S 107/15 vom 17.11.2015

1. Die Kammer schätzt den Normaltarif in ständiger Rechtsprechung anhand des Mittelwertes aus Schwacke und Fraunhofer.
2. Die Klärung der Eignung einer Schätzgrundlage ist nur dann vorzunehmen, wenn sich Einwendungen auf den konkreten Fall beziehen und erhebliche Auswirkungen festzustellen sind.
3. Vorgelegte Preislisten sind dazu nicht geeignet. Dazu müsste belegt sein, dass für eine der konkreten Leistungen eine entsprechende Alternative mit allen Kategorisierungsmerkmalen zu einem erheblich günstigeren Gesamtentgelt im Zeitpunkt der Anmietung für den Geschädigten zugänglich gewesen wäre.
4. Die Klägerin hat unabhängig von einer Eil- oder Notsituation einen Anspruch auf einen unfallbedingten Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 20 Prozent. Auch andere Umstände wie ein offenes Mietende oder die Vorfinanzierung reichen jeweils hierfür aus.
5. Die tatsächlich angefallenen Nebenkosten sind zu berücksichtigen, soweit die dahinterstehenden Zusatzleistungen erforderlich gewesen sind.

Zusammenfassung: Die Mittelwertrechtsprechung des Landgerichtes Bonn wird beibehalten. Allerdings schließt sich das Landgericht der Rechtsprechung des OLG Köln zur Erstattungsfähigkeit eines unfallbedingten Aufschlages an, der nun in der Regel zugestanden wird, wenn unabhängig von einer Not- oder Eilsituation unfallbedingte Merkmale vorliegen.

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Landgericht Bonn 8 S 107/15 vom 17.11.2015
(Vorinstanz Amtsgericht Königswinter 9 C 215/14)


Im Namen des Volkes



Urteil



In dem Rechtsstreit XXX gegen XXX hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn auf die mündliche Verhandlung vom 27.10.2015 durch den Vizepräsidenten des Landgerichts XXX, die Richterin am Landgericht XXX und die Richterin am Landgericht XXX für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Königswinter vom 26.06.2014 teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.092.45 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2014 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 169,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.09.2014 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen werden die Berufung und die Anschlussberufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin zu 37 % und die Beklagte zu 63 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe:



I.

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht wird, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat zum geringen Teil Erfolg, während die zulässige Anschlussberufung der Klägerin erfolglos bleibt. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines -hinter dem erstinstanzlich zuerkannten Betrag in Höhe von 96,14 € zurückbleibenden - Betrages in Höhe von 1.092,45 € aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 1 und 3 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG sowie §§ 535 Abs. 2, 398 i. V. m. §§ 249 ff. BGB zu.

1.

Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann ein Geschädigter vom Schädiger den zur Schadenskompensation erforderlichen Geldbetrag verlangen. Zu den Kosten der Schadensbehebung nach einem Verkehrsunfall gehören grundsätzlich auch die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges. Allerdings sind die Mietkosten nicht unbegrenzt erstattungsfähig, sondern nur, soweit ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten sie für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH, Urteil vom 15.02.2005 -VI ZR 160/04/; Urteil vom 19.04.2005 -VI ZR 37/94). Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH Urteil vom 02.02.2010 -VI ZR 139/08). Ein gegenüber ·dem normalen Tarif für Selbstzahler (“Normaltarif“) erhöhter „Unfallersatztarif“ kann erforderlich in diesem Sinne sein, wenn die Mehrkosten aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt sind, d.h. auf konkreten, unfallbedingten Mehrleistungen des Vermieters beruhen (BGH, Urteil vom 15.02.2005 -VI ZR 160/04), und dem Geschädigten kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich und zumutbar war.

Dabei ist nach ständiger Kammerrechtsprechung die Schadensberechnung gemäß § 287 ZPO auf Grundlage des arithmetischen Mittels zwischen Schwacke- und Fraunhoferliste vorzunehmen (zuletzt Urteile vom 09.12.2014, Az.: 8 S 188/14, vom 27.01.2015, Az.: 8 S 213/14, und vom 24.02.2015, Az.: 8 S 258/14), wobei die Rechtsprechung der Kammer insoweit im Einklang steht mit der im Urteil vom 16.06.2015 nochmals bestätigten Auffassung des OLG Köln (Az.: 1 5 U 220/114, BI. 205 ff d. A.). Dem steht nicht entgegen, dass in anderen obergerichtlichen Entscheidungen allein auf die Fraunhoferliste abgestellt wird. Denn wie der Bundesgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, kann der Tatrichter in Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ grundsätzlich auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels" und der Fraunhofer-Liste ermitteln, wobei er die generelle Eignung beider Tabellenwerke zur Schadensschätzung betont hat (vgl. BGH NJW 2011, 1947, ff.) und auch eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen nicht als rechtsfehlerhaft erachtet hat (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 1251 ff.).

An der generellen Eignung beider Listen ändert auch nichts der Einwand der Beklagten, wonach die Fraunhoferliste realistischer sei. Es ist nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensschätzung sind vielmehr nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezeigen sind (OLG Köln, Beschluss vom 20.04.2009 – 13 U 6/09). Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 2008, 1519, 2919; NJW 2009, 58).

Soweit die Beklagte insoweit erstmals mit der Berufung Preislisten vorlegt, aus denen sich ergeben soll, dass Fahrzeuge zu deutlich niedrigen Preisen angemietet werden könnten, sind diese schon im Hinblick auf § 531 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Unabhängig davon wären diese auch nicht geeignet, konkrete Zweifel an der Eignung einer Schadensschätzgrundlage zu begründen. Denn solche bestehen erst dann, wenn belegt ist, dass ein dem jeweiligen konkreten Mietfahrzeug mit allen Kategorisierungsmerkmalen des Tabellenwerks vergleichbares Fahrzeug eines anderen Vermieters unter Berücksichtigung der Anmietsituation zu einem in erheblicher Weise niedrigeren Gesamtentgelt anzumieten gewesen wäre als dem Gesamtmietpreis, der sich nach dem Tabellenwerk ergibt (vgl. OLG Stuttgart Urteil vom 18.08.2011, 7 U 109/11). Dies aber lässt sich den von der Beklagten herangezogenen Preislisten nicht entnehmen. Zum einen betreffen diese einen ganz anderen Zeitpunkt, zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die Angaben gleichwertig sind, da die Angebote entsprechend der Liste aufgrund fehlender Spezifizierung zur konkreten Anmietsituation nicht annahmefähig sind.

2.

Bei der demnach vorzunehmenden Berechnung auf Grundlage des arithmetischen Mittels zwischen Schwacke- und Fraunhoferliste ist - was die Anschlussberufung zu Recht beanstandet - bei der Schwackeliste auf den Wert des arithmetischen Mittels (490,52 €) und nicht auf den Moduswert (476,00 €) abzustellen. Zudem ist für die Berechnung - was die Anschlussberufung ebenfalls zu Recht beanstandet - unabhängig von der bei Mietbeginn absehbaren bzw. geplanten Mietdauer – die jeweils tatsächlich erreichte Gesamtmietdauer maßgebend (OLG Köln, Urteil v. 01.08.2013, Az. 1-15 U 9/12, 15 U 9/12 -,juris). Dieser wird der davon umfasste größte Zeitabschnitt entsprechend den Tabellenwerken entnommen und daraus ein entsprechender 1-Tages-Wert errechnet, der sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Gesamtmiettage multipliziert wird (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2012, 802 ff.; OLG Köln, Schaden-Praxis 2010, 396 ff.).

3.

Die Klägerin hat vorliegend auch einen Anspruch auf einen pauschalen Aufschlag für unfallbedingte Sonderleistungen in Höhe von 20 % auf den ortsüblichen Normaltarif.

Nach ständiger Kammerrechtsprechung erfordert die Prüfung der Zulässigkeit eines Aufschlag auf den Normaltarif zwar nicht die Darlegung der betriebswirtschaftlichen Kalkulation des betreffenden Mietwagenunternehmens; vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische, in der Situation der Anmietung eines „Unfallersatzfahrzeuges" regelmäßig anfallende Mehrleistungen beim Kfz-Vermieter aus betriebswirtschaftlicher Sicht allgemein einen (pauschalen) Aufschlag rechtfertigen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Anmietung eines Fahrzeuges gerade in einer typischen Situation der „Unfallersatzanmietung" geschieht, da nur dann ein kausaler Zusammenhang zwischen einerseits der Anmietung des jeweiligen Fahrzeugs und andererseits dem gerade mit Blick auf die Situation der Unfallersatzanmietung typischerweise anfallenden und pauschal kalkulierten Zusatzaufwand besteht (OLG Köln, Urteil vom 14.06.2011, Az. 15 U 9/11, zitiert nach juris).

Die Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, unabhängig von der Frage, ob eine Eil- oder Notsituation bestand oder ob der Geschädigten eine Vorfinanzierung der Mietwagenkosten oder die Stellung einer Kaution mittels Einsatzes einer Kreditkarte oder auf andere Weise unmöglich oder unzumutbar war. Denn - wie sich auch zuletzt aus dem Urteil des OLG Köln vom 16.06.2015 ergibt - die Umstände; die einen pauschalen Aufschlag rechtfertigen können, müssen nicht kumulativ vorliegen, vielmehr reicht das Vorliegen einer der genannten Umstände aus. Demnach ist vorliegend ein pauschaler Aufschlag gerechtfertigt, weil dem Mietvertrag ein offenes Mietende zugrunde gelegt wurde. Insoweit hält die Kammer an ihrer Auffassung, dass eine zum Zeitpunkt der Anmietung bestehende Unsicherheit über das Datum des - von der Reparaturdauer abhängig gemachten – Rückgabetermins keinen pauschalen Aufpreis auf den „normalen" Tarif rechtfertigt, in Anlehnung an das Urteil des OLG Köln vom 16.06.2015 nicht mehr fest. Denn tatsächlich liegt in diesem Fall ein zusätzlicher Dispositionsaufwand nahe, so dass die Kammer nicht weiter besondere und konkrete Anhaltspunkte für erforderlich hält, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin derartige Unwägbarkeiten, die ihr im Falle der vorzeitigen Rückgabe eines Unfallersatzfahrzeugs die Möglichkeit einer frühen anderweitigen Verwertung eröffnen, nicht bereits durch die jeweilige Kalkulation und Staffelung der Mietwagenpreise berücksichtigt hat. Vielmehr erachtet sie allein die Tatsache, dass ein offenes Mietende vereinbart ist, als Rechtfertigung für einen pauschalen Aufschlag für ausreichend.

4.

Was die geltend gemachten Nebenkosten betrifft, bleiben die Einwendungen der Berufung erfolglos, während mit der Anschlussberufung zu Recht beanstandet wurde, dass die Kosten für die Anmietung außerhalb der Geschäftszeiten nicht bei der Berechnung eingestellt wurden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die tatsächlich angefallenen Nebenkosten ersatzfähig (vgl. OLG Köln, NZV 2007, 199 ff.). Gesondert in Rechnung gestellte weitere Leistungen - wie Winterreifen, Haftungsreduzierung, Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeuges, Navigationsgerät und Zusatzfahrer - sind dem arithmetischen Mittel aus den Tabellen von Fraunhofer und Schwacke zuzuschlagen, sofern sie im Rahmen der streitgegenständlichen Mietverhältnisse tatsächlich angefallen und erstattungsfähig sind, da diese Leistungen in den Grundtarifen beider Erhebungen nicht enthalten sind. Bei der Schadensschätzung legt die Kammer in Ermangelung entsprechender Angeben bei der Fraunhofer-Liste die in der Nebenkostentabelle der zeitlich anwendbaren Schwacke-Nebenkostentabelle 2013 angegebenen arithmetischen Werte zu Grunde. Demnach sind vorliegend folgende Nebenkosten zu erstatten:

a) Haftungsreduzierung

Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt es nicht darauf an, ob das Unfallfahrzeug vollkaskoversichert war. Denn die Kosten für eine Vollkaskoversicherung des Mietfahrzeugs sind unabhängig davon, ob das geschädigte Fahrzeug ebenfalls entsprechend versichert war, erstattungsfähig, weil der durch einen Unfall Geschädigte während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist (BGH NJW 2005, 1041). Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Vollkaskoschutz ohne Selbstbeteiligung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das Fahrzeug des Geschädigten in gleicher Weise versichert war, wenn der Geschädigte während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist (BGH, NJW 2006, 360 ff.; NJW 2005, 1041 ff.). Jedenfalls die Nebenkosten für eine - wie hier erfolgte - Reduzierung des Selbstbehaltes unter 500,00 € sind ersatzfähig.

b) Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeuges

Was die Zustellung und Abholung betrifft, sind die dafür in Ansatz gebrachten Kosten ebenfalls erstattungsfähig. Soweit die Beklagte in der Berufung erstmals explizit ausführt, die Geschädigte habe das Fahrzeug bei der Klägerin abgeholt, dürfte dies bereits verspätet sein im Sinne des § 531 Abs. 1 ZPO. Darüber hinaus stellt selbst dieser Vortrag angesichts dessen, dass in dem Mietvertrag als Zustell- und Abholort Oberpleis genannt ist, kein substantiiertes Bestreiten dar. Vielmehr hätte es der Beklagten oblegen darzulegen, weshalb trotz dieser Angaben im Mietvertrag die Geschädigte das Fahrzeug bei der Klägerin selbst abgeholt und zurückgebracht haben soll.

c) Zusatzfahrer

Darüber hinaus sind auch die Kosten für den Zusatzfahrer erstattungsfähig. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob der angegebene Zusatzfahrer das Fahrzeug tatsächlich nutzte. Maßgeblich ist allein, ob das angemietete Fahrzeug für die Nutzung auch durch einen Zusatzfahrer angemietet wurde. Bereits damit ist das mit der Nutzung des Fahrzeugs durch eine weitere Person verbundene Risiko eines intensiveren Fahrzeuggebrauchs eröffnet, welches mit den Kosten für den Zusatzfahrer abgedeckt werden soll. Von der Klägerin ist im Einzelnen dargelegt worden, dass das verunfallte Fahrzeug von einem weiteren Fahrer genutzt wurde. Diese wurden zum einen ausdrücklich in den Mietvertrag einbezogen - vorliegend hat sogar der Zusatzfahrer den Mietvertrag unterzeichnet - zum anderen sind die Kosten für den Zusatzfahrer der Geschädigten auch in Rechnung gestellt worden.

d) Anmietung außerhalb der Geschäftszeiten

Darüber hinaus sind über die vom Amtsgericht berücksichtigten Nebenkosten hinaus auch die Kosten für die Anmietung außerhalb der Geschäftszeiten in die Berechnung einzustellen. Kosten hierfür sind in der Nebenkostentabelle von Schwacke aufgeführt und vorliegend auch gerechtfertigt, weil die Anmietung an einem Sonntag erfolgte.

5.

Zu Recht hat die Beklagte mit der Berufung hingegen eingewandt, dass das Amtsgericht eine Anmietdauer von 25 Tagen zugrunde gelegt hat.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Anspruch auf Nutzungsentschädigung grundsätzlich auf die für die Reparatur oder Ersatzbeschaffung notwendige Zeit beschränkt (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage, § 249, Rdnr. 37). Diese wurde unstreitig von dem mit der Schadensbegutachtung beauftragten Sachverständigen mit zwölf bis 14 Tagen angesetzt.

Soweit das Amtsgericht die darüber hinausgehende Anmietdauer allein schon deshalb als gerechtfertigt angesehen hat, weil der Geschädigten das Gutachten erst am 03.05.2014 vorgelegen habe und ihr nach Zugang dessen eine Überlegungsfrist einzuräumen sei, hält diese Begründung einer rechtlichen Überprüfung. nicht stand.

Vorliegend ist nämlich ausnahmsweise als Beginn einer Überlegungsfrist nicht erst der Zeitpunkt des Zugangs des Gutachtens maßgeblich, sondern bereits der Zeitpunkt des Unfalls selbst, da das Unfallfahrzeug erkennbar einen Totalschaden erlitten hat (so auch LG Lübeck, Urteil vom 12.01.1988, Az.: 6 S 374/12, zitiert nach juris). Dabei verkennt die Kammer nicht, dass für einen Laien oft nicht erkennbar sein wird, ob ein Totalschaden gegeben ist. Allerdings hat die Beklagte vorliegend den Vortrag der Klägerin, dass für die Geschädigte dies bereits zum Unfallzeitpunkt erkennbar war, nicht explizit bestritten, was aber angesichts der Tatsache, dass es sich um einen 12 Jahre alten Renault Twingo, mithin einen Kleinwagen, mit einer Laufleistung von über 200.000 km handelte, erforderlich gewesen wäre. In einer solchen Situation, in der der Totalschaden auch für einen Laien erkennbar ist, kommt dem Gutachten nicht mehr die Aufgabe zu, eine Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen zu liefern, vielmehr steht schon zum Unfallzeitpunkt fest, dass es zur Schadensbeseitigung der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges bedarf, während das Gutachten lediglich noch dazu dient, die Höhe des Schadensersatzes zu ermitteln. Selbst bei Zugeständnis einer dreitägigen Überlegungsfrist ab diesem Zeitpunkt hatte die Geschädigte mithin allenfalls Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten für den von der Beklagten zugrunde gelegten Zeitraum von 17 Tagen.

Eine Verlängerung dieses Zeitraums kommt - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - auch nicht wegen der behaupteten finanziellen Notsituation der Geschädigten in Betracht. Zwar verlängert sich die zeitliche Dauer des entschädigungspflichtigen Nutzungsausfalls, wenn dem Geschädigten die Gebrauchsvorteile durch ein schuldhaftes Verhalten des Schädigers (Verzug oder zögerliches Regulierungsverhalten der einstandspflichtigen Versicherung) für eine längere Zeit entgehen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.08.2011, Az.: 1 U 54/11, zitiert nach juris). Das gilt aber wiederum nicht uneingeschränkt, vielmehr ist der Geschädigte im Rahmen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) gehalten, den Schädiger auf die Gefahr eines drohenden höheren Schadens hinzuweisen (Palandt a. a. o. § 254 Rn. 37, OLG Celle, VersR 1980, 633, KG Berlin, MDR 2010, 79). Dem ist die Geschädigte vorliegend nicht nachgekommen, denn sie hat die Beklagte hierauf nicht hingewiesen. Ein solcher Hinweis ergibt sich weder aus dem (zumal erst mit der Berufung erstmals vorgelegten) Schreiben ihres Prozessbevollmächtigen an die Beklagte noch aus sonstigen Umständen, insbesondere auch nicht aus der internen Kommunikation zwischen der Geschädigten und der Klägerin.

6.

Schließlich hat die Klägerin mit der Anschlussberufung zu Recht eingewandt, dass bei der Berechnung der von ihr gewählte Langzeitrabatt unberücksichtigt bleiben müsse. Eine der Geschädigten konkret gewährte Vergünstigung ist nämlich nicht in die abstrakte Schadensberechnung einzustellen.

7.

Die der Klägerin unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen noch zustehende Forderung in Höhe von 1.092,45 € errechnet sich nach alledem wie folgt.

17 Tage
Schwacke (TP)                                                 70,07 €
Fraunhofer (TP)                                               30,27 €
Arithmetisches Mittel/Tag                                50,17 €
Normalpreis                                                    852,89 €
20 %iger Aufschlag                                       170,58 €
Zwischenergebnis Grundpreis                    1.023,47 €
Vollkasko                                                        286,62 €
Zusatzfahrer                                                  231,20 €
Zustellung/ Abholung                                       53,36 €
Anmietung außerhalb der Öffnungszeiten      60,52 €
Zwischensumme Nebenkosten                       631,70 €
Summe                                                        1.655,17 €
Zahlung                                                          562,72 €
Rest                                                            1.092,45 €
Klage                                                          1.729,07 €
Amtsgericht                                                1.188,59 €
Ergebnis                                                      (-)96,14 €

8.

Die ausgeurteilte Verzinsung folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB, nachdem die Klägerin die Beklagte durch Schreiben vom 25.06.2014 in Verzug gesetzt hat. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten beruht auf §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, BGB, wobei deren Höhe auf Grundlage eines Gegenstandswerts von bis 1.500,00 € zu berechnen war, so dass die 1,33 fache Geschäftsgebühr - wie die Anschlussberufung zu Recht beanstandet hat, nicht bei 104,00 €, sondern bei 149,50 € liegt. Der zugehörige Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1,97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO besteht keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

V.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.729,04 €.

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Bedeutung für die Paxis: Kritisch zu hinterfragen ist es zunächst, dass das Berufungsgericht seit Ende 2013 die Anwendung des Mittelwertes ausschließlich mit der Vereinheitlichung der Rechtsprechung im Landgerichtsbezirk mit der Rechtsprechung des OLG Köln begründet (beginnend Ende 2013, Az. 8 S 81/13). Damit ist bisher in keinem der vielen Verfahren eine Begründung erfolgt.