Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 27-15

Amtsgericht Berlin-Mitte 111 C 3110/13 vom 06.02.2015

1. Das Gericht schätzt die Mietwagenkosten anhand des Normaltarifes der Schwackeliste.
2. Die Liste von Fraunhofer ist nicht geeignet, dort wird gewichtet, bereinigt und schlicht manipuliert.
3. Im Übrigen ist die Ungeeignetheit Fraunhofers nach der Erhebung von Niemann/Yousfi/Neidhardt erwiesen. Bereits diese Stichprobe für 2 Fahrzeugtypen, 64 Standorte und 3776 Einzelpreise reicht aus, das nachzuweisen.
4. Fraunhofers Argument der Anonymität ist weltfremd. Kein Geschädigter wird mit einem "Ätsch! Verrat ich nicht!" auf die Frage nach dem Anmietungsgrund antworten.
5. Die Internetbeispiele der Beklagten zeigen bereits nicht auf, dass ein vergleichbares Fahrzeug für den Geschädigten verfügbar gewesen ist, geschweige denn inklusive der erforderlichen Gesamt-Dienstleistung zum relevanten Zeitpunkt.
6. Es erfolgt kein Abzug für Eigenersparnis bei mit dem Mietwagen gefahrener Strecke unter 1.000 km.
7. Für den Geschädigten bestand keine Verpflichtung, sich weitergehend nach niedrigeren Preisen umzutun, da er nicht zu einem vielfach überteuerten Angebot gegriffen hat (BGH).

Zusammenfassung: Das Gericht macht deutlich, was es von der Fraunhofer-Methode hält: Nichts. Die Fahrzeug-Kategorien entsprechen nicht den Rechten des Geschädigten auf ein vergleichbares Ersatzfahrzeug, Fraunhofer übt sich in Bereinigungen und Gewichtungen und so seien die veröffentlichten Werte "schlicht manipuliert".

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Amtsgericht Berlin-Mitte 111 C 3110/13 vom 02.06.2015


Im Namen des Volkes


Urteil

gem. § 495a ZPO


In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 111, Littenstraße 12 - 17, 10179 Berlin, im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO durch den Richter am Amtsgericht XXX

für Recht erkannt:


Die Beklagte wird verurteilt,

    a) an die Klägerin 62 € nebst Zinsen in Höhe von 7,91 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.10.2011 sowie
    b) weitere 39 € nebst Zinsen in Höhe von 7,91 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.03.2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand



Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.



Entscheidungsgründe



Die Klage ist begründet.

Das Gericht schätzt die notwendigen Mietkosten gemäß § 287 Abs. 1 ZPO entsprechend der Berechnung der Klägerin auf Basis des Schwacke-Automietpreisspiegels auf 375 €, worauf die Beklagte nur 313 € gezahlt hat.

Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14.10.2008 ergibt sich nicht, dass der Schwacke­Mietpreisspiegel keine geeignete Schätzgrundlage ist. Es steht dem Tatrichter vielmehr frei, die Schätzgrundlage unter Berücksichtigung der vorgetragenen Bedenken zu wählen. Dieses Gericht hat in seiner ständigen Rechtsprechung den Schwacke-Mietpreisspiegel und nicht den Marktpreisspiegel des Fraunhofer Instituts gewählt.

Der Marktpreisspiegel des Fraunhofer Instituts ist nicht zugrunde zu legen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ist dieser Marktpreisspiegel keine geeignete Schätzgrundlage, da die ermittelten Werte durch ''Gewichtung" schlicht manipuliert sind und überwiegend auf Basis von Internetangeboten weniger Großanbieter erhoben worden sind.

Soweit sich das Fraunhofer Institut damit rühmt, es habe die Werte „anonym im Rahmen einer marktüblichen Anmietsituation erhoben“, haben dessen Statistiker noch nie ein Fahrzeug angemietet. In Gesprächen, die in Vermietstationen allgemein wahrnehmbar sind, werden von Mietern regelmäßig die Gründe für das Anmieten offenbart - seien es Urlaub, Umzug, Unfall oder anderes. Wenn Geschädigte nicht schon aus Aufregung oder Ärger von sich aus offenbaren, dass sie einen Unfall hatten, verschweigen sie dies auf Nachfragen im Rahmen der üblichen Anmietplauderei nicht. Kein Geschädigter wird auf die Frage, ob er das Fahrzeug wegen eines Unfalles anmieten muss, mit einem fröhlichen „Ätsch! Verrat ich nicht!" antworten. Das vom Fraunhofer Institut angewandte „Geheimverfahren" ist schlicht wirklichkeitsfremd und entspricht nicht realen Anmietsituationen. Die Erhebung von Schwacke, bei der den Vermietern offenbart worden ist, dass ein Unfallersatzfahrzeug benötigt wird, ist damit realitätsnah und besser geeignet, den Markt abzubilden.

Nicht nachvollziehbar ist, warum das Fraunhofer-Institut eine Methodik entwickeln musste, die den „echten" Marktpreis möglichst genau widerspiegelt und bestehende methodische Schwächen der Erhebung von EurotaxSchwacke beseitigt". Für die Schätzung gemäß § 287 ZPO sind die Preise maßgeblich, die ein Geschädigter am regionalen Markt zahlen muss. Dazu sind nur die absoluten Werte zu erheben, um zu ermitteln, welche Preisspanne es tatsächlich gibt und ob es einen Preis gibt, der von mehreren Vermietern verlangt wird oder der den Durchschnitt bildet. Diesen Erfordernissen genügt der Schwacke-Mietpreisspiegel - insbesondere auch aufgrund seiner Orientierung an dreistelligen Postleitzahl-Bereichen. Hier ist nichts nach Marktanteilen, statistischer Relevanz oder Sonstigem zu gewichten, bereinigen oder sonst zu manipulieren. Es ist insbesondere nicht erforderlich, zweistellige Postleitzahl-Bereiche zugrunde zu legen, weil sonst eine zu geringe Zahl von Werten nicht ausreicht, ,,um statistisch relevante Werte darzustellen“. Bei der richterlichen Schätzung sind die Marktpreise maßgeblich, nicht die Werte, die nach einer selbst oder vom Auftraggeber gewählten Methodik nach irgendeiner Gewichtung für relevant gehalten werden. Der Geschädigte hat auch nicht irgendeinen „statistisch relevanten" Mietzins, sondern den Preis am regionalen Markt zu zahlen.

Allerdings hält das Gericht einen weiteren Aufschlag von 20 % auf die Werte des Schwacke­Mietpreisspiegels nicht für gerechtfertigt. Der erforderliche unfallbedingte Mehraufwand der Vermieter ist bereits in den Werten berücksichtigt, da bei der Erhebung bekannt war, dass ein Unfallersatzfahrzeug vermietet werden soll. Wenn dann von den Befragten der Mietpreis für ein Unfallersatzfahrzeug angegeben worden ist, kann der darin enthaltene unfallbedingte Mehraufwand des Vermieters nicht ein zweites Mal im Wege eines prozentualen Zuschlages auf die Werte des Mietpreisspiegels berücksichtigt werden.

Geschädigte müssen sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts keinen Abzug für ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen, weil sie ein Fahrzeug derselben Typklasse angemietet haben. Die kurzfristige Nutzung eines Mietwagens führt angesichts der regelmäßig mehrjährigen Nutzungsdauer des eigenen Fahrzeugs zu keinen relevanten Ersparnissen. Verbrauch und Abnutzung des eigenen Fahrzeugs (Öl, Batterie, Reifenabrieb und sonstiger Verschleiß) sind bei derart kurzen Mietzeiträumen zu vernachlässigen; sie rechtfertigen jedenfalls keinen Abzug von bis zu 15 %. Kraftstoff wird nicht eingespart, da der Mietwagen auf eigene Kosten betankt und vollgetankt zurückgegeben werden muss. Bei Fahrstrecken bis 1.000 km entsteht für den Geschädigten kein messbarer Vorteil (BGH NJW 1983, 2694 zit. nach Juris Rn.21). Dies gilt nicht nur bei der Nutzung von Neuwagen, sondern erst recht, wenn der Geschädigte auf sein gebrauchtes Fahrzeug verzichten muss.

Es liegt auch kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vor, weil keine Vergleichsangebote eingeholt worden sind. Das Ersatzfahrzeug wurde noch am Unfalltag angemietet. Schon deshalb spricht eine tatsächliche Vermutung für die Eilbedürftigkeit der Anmietung. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass das Fahrzeug später und zu günstigeren Konditionen hätte anmietet werden können. Die von ihr genannten Beispiele bestehen nur aus Angeboten der sog. Marktführer (AVIS, Europcar, Sixt o. a.) im Internet. Bei diesen ist nicht gewährleistet, dass ein typgleiches oder ähnliches Fahrzeug kurzfristig angemietet werden kann. Dies hätte für die Unfallzeit substantiiert nachgewiesen werden müssen. Denn bei kurzer Vorbuchungszeit ist nicht ohne weiteres von einer Verfügbarkeit eines Fahrzeuges bei den Markführern auszugehen, da deren Geschäftsmodell wesentlich auf Vorbuchungszeiten von mindestens 48 Stunden über das Internet beruht (Niemann, Yousfi, Neidhardt, RheinAhrCampus Remagen, Einfluss der Vorbuchungszeit auf Verfügbarkeit und Preis bei Mietwagen im Internet, August 2011: Ein gängiges Modell wie der VW Golf war nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 % verfügbar und wäre bei Einbeziehung weiterer Anbieter nur zu 60 % zu mieten gewesen).

Die Einwendungen der Autovermieter

-    Fraunhofer IAO habe die sechs größten Anbieter mit verbindlicher Buchungsmöglichkeit als Grundgesamtheit zugrunde gelegt, während Neidhardt u. a. Buchbinder und Hertz nicht berücksichtigt hätten, weil kurzfristige Abfragen unter zwei Tagen nicht möglich waren,

-    Fraunhofer berücksichtige 532 der 1.574 angemeldeten Stationen, während Neidhardt und andere nur 64 Standorte berücksichtigten,

-    die Anzahl der Anmietzeitpunkte betrage statt 11 nur 2,

-    der Zeitraum zwischen Buchung und Anmietungstag Büro entgegen Fraunhofer auf nur zwei Zeitpunkten,

-    die untersuchte Mietdauer beschränke sich auf einen Tag,

-    statt 101.721 Einzelpreisen seien nur 3.776 untersucht worden,

-    statt 214 unterschiedlicher Fahrzeuge seien nur zwei (VW Golf und Minibus) ausgewählt worden,

-    die Abweichung für Anmietung am gleichen Tag bei einem Tag Anmietdauer nur 3,6 % statt 9 % beziehungsweise 14 %

entlarven sich selbst. Wenn es bei den statistisch geschönten Ergebnissen der Fraunhofer-Studie lediglich der Überprüfung von 3.776 Einzelfällen bedarf, um festzustellen, dass die Fahrzeuge tatsächlich nicht zur Verfügung stehen, wirft dies ein bezeichnendes Bild auf die Fraunhofer-Studie. Einem Geschädigten ist es auch nicht zuzumuten, mehrere Tausend Versuche zu unternehmen, bis die statistischen Ergebnisse im Mittel denjenigen der Fraunhofer-Studie entsprechen. Neidhardt und andere haben gezeigt, dass die statistischen Werte bereits dann nicht mehr der Wirklichkeit entsprechen, wenn man versucht, zwei Fahrzeugtypen bei einer geringeren Anzahl von Anbietern anzumieten. Die Werte verschlechtern sich bei einer derartigen Stichprobe drastisch. Geradezu absurd wird es, wenn die Haftpflichtversicherer beanstanden, dass Neidhardt u. a. Anbieter wie Buchbinder und Hertz nicht berücksichtigt hätten. Wäre dies geschehen, wären die Werte für die Verfügbarkeit der Fahrzeuge noch viel schlechter ausgefallen, weil kurzfristige Anmietung bei Buchbinder und Hertz nicht möglich war.

Die Anmietung noch am Unfalltag ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht untypisch. Unerheblich ist, dass Neidhardt und andere nur eine Mietdauer von einem Tag untersucht haben. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Kaufleute ein Fahrzeug nicht nur für einen Tag vermieten sollten, in der hypothetischen Erwartung, es könnte noch ein Kunde kommen, der es vielleicht für eine längere Zeit mietet.

Die Internetangebote, welche in der Klageerwiderung aufgeführt sind, um die sog. Schwackeliste als Schätzgrundlage zu entkräften, reichen nicht aus. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl. BGH NJW-RR 2011, 823 f. m.w.N.). Das ist nicht der Fall: Das Auflisten von Internetangeboten ist nichts anderes als die Verwendung der vom Gericht verworfenen Fraunhofer Marktpreisliste unter anderem Deckmantel. Würde man die Internetangebote als Vortrag ausreichen lassen, wäre die Schätzungsgrundlage mit weniger Aufwand zu entkräften, als mit den Daten der Fraunhofer-Erhebung, die wenigstens Angebote regionaler Vermieter gewichtet hat.

Angebote regionaler Autovermieter fehlen völlig. Diese waren aber Gegenstand des mit der Revision angefochtenen Urteils des LG Dresden, (21. Mai 2008, Az. 8 S 237/06, BGH Urt. v. 02.02.2010, VI ZR 139/08). Dies lässt sich auch nicht damit umgehen, dass im Internet eine regionale Mietstation der Marktführer gewählt wird.

Die Klägerin muss sich auch nicht entgegenhalten lassen, der Geschädigte habe keine Vergleichsangebote eingeholt. Das muss sich der Geschädigte selbst nur entgegenhalten lassen, wenn sich ihm aufdrängen muss, der Mietzins liege weit über Vergleichspreisen oder das Angebot des Vermieters sei um ein Vielfaches überhöht (vgl. BGH Urteil vom 09.03.2010, VI ZR 6/09; VersR 10, 1053).
Das ist hier nicht der Fall.

Die Vergütung für die vorgerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist zu erstatten.

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 BGB begründet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713, 511 Abs.4 ZPO.

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Bedeutung für die Praxis: Die Deutlichkeit der Formulierungen des Gerichtes macht es aus. Aufgrund der Erhebung von Niemann/Yusfi/Neidhardt lassen sich die Behauptungen der Beklagten in Bezug auf Schwacke, Fraunhofer und Alternativangebote prüfen und beantworten. Die Ergebnisse von Niemann/Yusfi/Neidhardt sind auf den Seiten des BAV nachzulesen (diesen Link anklicken).

 

Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V.

Wir stellen uns vor.

Der Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V. (BAV) wurde am 05. April 1954 gegründet. Er ist eine Interessenvertretung von Unternehmen, die Pkw, Anhänger, Transporter und Lkw vermieten. Der BAV repräsentiert ca. zwei Drittel des Gesamtmarktes der Autovermietung. Er steht den Mitgliedern für alle branchenrelevanten Aufgaben zur Verfügung.

Alles Wissenswerte haben wir für Sie in einer Verbandsbroschüre aufbereitet. Bitte schauen Sie hinein. Sie erfahren wer wir sind und welche Aufgaben der BAV für die Branche der Autovermietung übernommen hat. Sie sehen, wie erfolgreich wir dabei bisher gewesen sind und warum es sich lohnt, unserer Interessengemeinschaft beizutreten und in Zukunft mit uns zusammenzuarbeiten.

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Urteilsdatenbank des BAV

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Meinung der Nutzer (10.08.2022):
„Die Datenbank des BAV ist für die Mitglieder von großem Nutzen. Hier kann sich der Autovermieter oder sein Anwalt jederzeit über den aktuellen Stand der lokalen Rechtsprechung informieren. Von unschätzbarem Wert ist die Datenbank für die überregionale bundesweite Rechtsprechung. Wenn ein Autovermieter nicht lokal Klagen kann, sondern am entfernten Unfallort oder am Sitz der Versicherung klagen muss, bietet die Datenbank wichtige Informationen über die dortige Rechtsprechung und insbesondere die möglichen Erfolgsaussichten einer Klage fern der Heimat.“

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