Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 20-15

Landgericht Mannheim 10 S 100/14 vom 21.04.2015

1. Auf die Berufung des Klägers hin wird das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung vollständiger Mietwagenkosten und Rechtsverfolgungskosten verurteilt.
2. Das Berufungsgericht stellt als unstreitig fest, dass dieser Markt für Vermietungen nach Unfällen dauerhaft nur aus zwei Autovermietungen besteht und dass die verlangten Mietwagenkosten dem durchschnittlichen Preis für Mietwagen vergleichbarer Art am konkreten regionalen Markt entsprechen.
3. Hat der Geschädigte - wie hier - zur Erforderlichkeit der Mietwagenkosten konkret vorgetragen, genüge das Bestreiten der Beklagten mittels Verweis auf die Fraunhoferliste nicht den Anforderungen an einen stubstanziellen Vortrag.
4. Damit hat der Kläger im Hinblick auf seinen Einzelfall die Darlegungsanforderungen erfüllt, dass es ihm nicht möglich gewesen ist, einen günstigeren Tarif zu erlangen. Eine Schätzung des Normaltarifes nach § 287 ZPO ist aus diesem Grund nicht angezeigt.
5. In anderen Fällen der Schätzung des Normaltarifes würde die Kammer eine Berechnung des Mittelwertes aus den Listen Schwacke und Fraunhofer durchführen.

Zusammenfassung:  Das Berufungsgericht gibt der Berufung des Klägers ausnahmsweise statt, weil er vorgetragen hat - und von der Beklagten nicht überzeugend bestritten wurde -, dass in dem für ihn regionalen Markt keine günstigeren Mietwagenpreise vorzufinden sind.

Bedeutung für die Praxis: Das Berufungsgericht legt einen groben Fehler der Fraunhoferliste offen und wendet ihn doch leider nur auf den Einzelfall an. Die grundsätzliche Listenanwendung wird selbst hier in diesem Fall nicht in Zweifel gezogen, in dem aber doch deutlich wird, dass ein Geschädigter je nach seiner individuellen Situation eben nicht immer und überall die Fraunhofer-Preise erlangen kann.
Die Beweislast des Geschädigten, ausnahmsweise berechtigt einen über dem Normaltarif liegenden Preis vereinbart zu haben, ist als korrektives Instrument untauglich, da es um die generelle Frage der Anwendung der Schätzgrundlagen geht. Deren Werte liegen so weit auseinander, dass bei Anwendung der Fraunhoferliste oder des Mittelwertes der Listen zunehmend der Vorwurf an den Geschädigten im Raum steht, er habe zum überhöhten Unfallersatztarif angemietet, obwohl sich die Werte im Rahmen der Schwackeliste bewegen. Dem Geschädigten wird damit die Beweislast auferlegt, dass kein günstigeres Angebot zugänglich gewesen sei, obwohl die Schwackeliste eine nach Ansicht des BGH verwendbare Schätzgrundlage darstellt.

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Landgericht Mannheim 10 S 100/14 vom 21.04.2015
(Vorinstanz Amtsgericht Mannheim 3 C 406/14)


Urteil



In dem Rechtsstreit


XXX
Kläger

g e g e n

XXX
Beklagte

wegen Forderung

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO nach dem Sach- und Streitstand vom 31.03.2015 unter Mitwirkung von Präsident des Landgerichts XXX, vors. Richterin am Landgericht XXX, Richter am Landgericht XXX

für Recht erkannt:

1.     Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG Mannheim vom 07.11.2014 (3 C 406/14) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.541,27 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2011 zu zahlen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von € 114,48 durch Zahlung an die Rechtsanwälte Thomas Scheuermann und Coll. in Walldürn freizustellen.

c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3.    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

4.    Dieses Urteil und das Urteil erster Instanz - soweit es aufrechterhalten wird - sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

5.    Die Revision wird nicht zugelassen.


Entscheidungsgründe


(ohne Tatbestand gem. §§ 540 II, 313 1 ZPO)

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung weiterhin seinen erstinstanzlich gestellten Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von € 1.263,80 anlässlich eines Verkehrsunfalls, nachdem das Amtsgericht ihm aus der Gesamtrechnung in Höhe von € 2.538,59 unter Abzug einer vorgerichtlichen Zahlung der Beklagten in Höhe von € 870,40 einen Betrag von € 324,99 zugesprochen hatte. Der Kläger trägt zur Begründung vor, dass eine Schätzung nach § 287 ZPO gar nicht hätte erfolgen dürfen, da unstreitig geblieben sei, dass die streitgegenständliche Autovermietung im mittleren Preissegment angesiedelt sei (hierzu nimmt der Kläger Bezug auf ein vom AG Buchen eingeholtes Sachverständigengutachten) und dass die hier verlangten Preise den ortsüblichen Mietzins für vergleichbare Fahrzeuge im Neckar-Odenwald­Kreis darstellten. Das Amtsgericht habe daher den Anspruch des Klägers nicht auf einen Mittelwert aus den Listen von Schwacke und Fraunhofer schätzen dürfen. Dies werde auch der besonderen Situation im Neckar-Odenwald-Kreis nicht gerecht.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das Urteil des Amtsgerichts und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Zu Recht habe das Amtsgericht ausgeführt, dass der Kläger nicht vorgetragen habe, dass er sich bei anderen Vermietern nach deren Preisen erkundigt habe. Das klägerische Vorbringen zur Ortsüblichkeit der Mietwagenpreise sei auch nicht unstreitig geblieben, da die Beklagte in der erstinstanzlichen Klagerwiderung unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung unmissverständlich darauf hingewiesen habe, dass keinesfalls ein Ausgleich der vorliegend geltend gemachten Mietwagenkosten verlangt werden könne, sondern dass der angemessene Mietzins anhand der Fraunhofer-Liste oder aber allenfalls aus dem arithmetischen Mittel der Fraunhofer-Liste und der Schwacke-Liste zu ermitteln sei.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 26.02.2015 Hinweise erteilt; auf den Hinweisbeschluss (II 21f.) wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 12.03.2015 (II 28) wurde das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet.

II.

Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Nach der ständigen BGH-Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Urteil vom 12.04.2011, VI ZR 300/09, Randziffer 10 mit weiteren Nachweisen, zitiert nach Juris, veröffentlich u.a. in VersR 2011, 769-771; BGH, Urteil vom 09.03.2010, VI ZR 6/09, Randziffer 13, zitiert nach Abrechnung nach der Fraunhofer-Liste verwiesen hat, genügt für ein substantiiertes Bestreiten des klägerischen Vortrags nicht. Die Fraunhofer-Liste kann Grundlage für eine Schätzung nach § 287 ZPO sein; hält der Geschädigte aber konkreten Vortrag zur Erforderlichkeit der Mietwagenkosten im Einzelfall, genügt ein Hinweis des Schädigers auf Listen für ein substantiiertes Bestreiten nicht. Weiter ist unstreitig geblieben, dass es im streitgegenständlichen Verbreitungsgebiet nur zwei Autovermietungen gibt, die für Unfälle Ersatzfahrzeuge vorhalten (vgl. kläg. Schriftsatz vom 16.09.2014, I 25). Wenn der Kläger - wie hier nach Ansicht der Kammer erfolgt - darlegt, dass es ihm im Hinblick auf die Besonderheiten seines Einzelfalls (hier dem für ihn  örtlich relevanten Markt) nicht möglich ist, einen günstigeren Tarif zu erlangen und er damit die erforderlichen Mietwagenkosten (also die Schadenshöhe) konkret nachweist, ist eine Schätzung des Normaltarifs gar nicht erforderlich; wegen der dargestellten Besonderheit des Einzelfalls (nämlich des unstreitig gebliebenen Vortrags zur konkreten Schadenshöhe) ist ausnahmsweise eine Errechnung der ersatzfähigen Mietwagenkosten unter Anwendung des arithmetischen Mittels aus der Fraunhofer-Liste und der Schwacke-Liste nicht möglich. Die Kammer hält aber daran fest, dass für andere Fälle grundsätzlich eine solche Schätzung nach § 287 ZP O auf der Grundlage beider Listen zulässig und nicht zu beanstanden ist.

Der Kläger kann auch die Kosten für die Winterreifen verlangen. Ein marktüblicher und vereinbarter Zuschlag wegen Winterreifen ist vom Schädiger zu erstatten, da diese nicht das ganze Jahr über erforderlich sind und ihre separate Inrechnungstellung daher anerkanntermaßen marktüblich ist (OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 01.02.2013, 1 U 130/12, Randziffer 61, zitiert nach Juris). Ein fünfprozentiger Abzug wegen Eigenersparnis ist allerdings – wie das Amtsgericht völlig zu Recht ausführt – vorzunehmen; insoweit wird auf die Ausführungen des Amtsgerichts im angegriffenen Urteil Bezug genommen.

Letztlich ergibt sich folgende Rechnung: € 2.538,59 abzüglich 5 %= € 2.411,67; abzüglich vorgerichtlicher Zahlung der Beklagten in Höhe von € 870,40 = € 1.541,27.

Zu den Nebenforderungen wird auf die Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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Hinweis:

Ob das Urteil rechtkräftig ist, ist nicht bekannt.

 

 

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