Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 10-15

 

 

Landgericht Leipzig 08 S 339/14 vom 13.02.2015

1.    Die vom Amtsgericht vorgenommene Anwendung der Schwackeliste als Schätzgrundlage des Normaltarifes der
       Mietwagenkosten wird in der Berufung bestätigt.
2.    Ein substantiiertes Bestreiten der Beklagten liegt nicht vor.
3.    Vorgelegte Angebote großer Internetanbieter sind unerheblich, da anders oder gar nicht datiert, auf einen
       feststehenden Gesamtzeitraum bezogen und/oder eine Vorreservierungszeit notwendig ist.
4.    Die von der Beklagten aufgezeigten Preise liegen auch im Intervall der Schwacke-Werte. Der Minimumwert der
       Schwackeliste liegt teilweise erheblich unterhalb der Internetwerte, wie sie die Beklagte anführt.
5.    Forderung liegt unterhalb des Mittelwertes von Schwacke und somit berechtigt.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht begründet konkret, warum die Schätzung anhand der Schwackeliste Bestand hat.

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Landgericht Leipzig 08 S 339/14 vom 13.02.2015
(Vorinstanz Amtsgericht Leipzig 113 C 775/14)

Im Namen des Volkes



Urteil



In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Forderung

hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig durch Vorsitzende Richterin am Landgericht XXX als Einzelrichterin im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 15.01.2015 eingereicht werden konnten,

am 13.02.2015

für Recht erkannt:


1.    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 18.06.2014, Az. 113 C 77S/14, wird zurückgewiesen.

2.    Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Beschluss:



Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 868,68 € festgesetzt.


G r ü n d e :



I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Leipzig Bezug genommen. Das Amtsgericht hat der Klägerin Mietwagenkosten in Höhe von 868,68 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zugesprochen. Bei der Bemessung der erstattungsfähigen erforderlichen Mietpreiskosten hat das Amtsgericht den Schwacke-Mietpreisspiegel zu Grunde gelegt. Die von der Beklagten als Anlage B1 vorgelegten Angebote seien nicht geeignet, die klägerische Forderung in Frage zu stellen, da sie vom 10.03.2014 datieren, während die von Klägerseite vorgelegten Angebote weitaus zeitnäher zum Unfallzeitpunkt liegen. Das Amtsgericht hat die erstattungsfähigen Kosten nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2011 für zweimal 7 Tage und einmal 12 Tage sowie 26 Tage Haftungsbefreiung und Zu- und Abholkosten mit 2.723,00 € berechnet. Hiervon hat es einen Eigenersparnisabzug von 10 % vorgenommen. Nach Abzug der gezahlten 1.212,95 € ergibt sich ein Betrag von 1.237,75 €, der unter der klägerischen Forderung liegt.

Gegen das am 24.06.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.07.2014 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 06.082014 begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Amtsgericht hätte den Schwacke-Mietpreisspiegel nicht verwenden dürfen, da die Beklagte substantiiert zu den Schwächen dieser Erhebung vorgetragen und drei alternative Mietwagenangebote (Anlage B01) vorgelegt habe. Dass diese Angebote aus einem anderen Zeitraum stammten, sei unerheblich, da sich die Preise kaum verändert hätten. Die Internetangebote spiegelten das am realen Markt vorherrschende Preisniveau wider. Die Beklagte bestreitet, dass ein Fahrbedarf bei der Geschädigten bestanden habe. Wenn die Geschädigte keine Möglichkeit zur Nutzung einer Kreditkarte gehabt habe, hätte sie die der Beklagten mitteilen müssen.

Die Beklagte beantragt,

das am 18.06.2014 verkündete und am 24.06.2014 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Leipzig, Az. 113 C 775/14, abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Die von der Beklagten erstinstanzlich vorgelegten Angebote könnten die gerichtliche Schätzung auf Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels nicht erschüttern. Sie stammten vielmehr aus dem Sondermarkt Internet und entsprächen nicht den tatsächlich üblichen Preisen bei unfallbedingten Anmietungen. Dies zeige schon die Tatsache, dass eine Anmietung mit offenem Mietzeitende über das Internet nicht möglich sei. Wegen der für den Unfallfolgetag zwingend erforderlichen Anmietung seitens der Geschädigten habe keine notwendige Vorreservierungsfrist eingehalten werden können.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze verwiesen.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung mit schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO einverstanden erklärt.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist unbegründet.

Die Verwendung der Schwackeliste als Schätzgrundlage durch das Amtsgericht und die zur Begründung dazu gemachten Ausführungen begegnen keinen Bedenken. Der Tatrichter ist nach ständiger BGH-Rechtsprechung in seinem Ermessen gemäß §287 ZPO bei der Heranziehung von Listen und Tabellen zur Schadensermittlung weitgehend frei. Die Heranziehung der Schwackeliste wird auch von der BGH-Rechtsprechung grundsätzlich gebilligt.

Die Eignung der Schwackeliste zur Schadensschätzung im vorliegenden Fall wurde von der Beklagten nicht substantiiert bestritten. Mit den von ihr vorgelegten Angeboten hat sie nicht aufgezeigt, dass der Zedentin erheblich günstigere Tarife für tatsächlich vergleichbare Anmietkonstellationen zugänglich waren.

Die der Klagerwiderung vom 26.02.2014 beigefügten Ausdrucke aus Internetangeboten der Vermieter Avis, Sixt und Europcar erstrecken sich jeweils auf einen Anmietzeitraum von 26 Tagen. Das Angebot von Sixt enthält keinen konkreten Zeitraum, die anderen beiden Angebote gehen von einer Abholung am 10.03.2014 um 9.00 Uhr aus. Wann die Ausdrucke erfolgten, ist nicht ersichtlich. Für die von der Klägerin bestrittene Behauptung, dass eine Vorreservierungszeit erforderlich ist, die in der Unfallsituation bis zum Folgetag nicht hätte eingehalten werden können, hat die Beklagte keinen Gegenbeweis angeboten. Sie behauptet lediglich, die Angebote wären mit einer Vorbuchungszeit von nur zwei Stunden sofort verfügbar gewesen.

Zu dem Argument, die Anmietdauer sei der Zedentin nicht bekannt gewesen behauptet die Beklagte, bei praxisnaher Betrachtungsweise sei von einer Anmietung für eine bestimmte Zeit, zum Beispiel die prognostizierte Reparaturdauer, auszugehen. Die Anmietdauer könne problemlos telefonisch verlängert werden, ansonsten wäre schlicht ein zweiter Anmietvorgang durchzuführen. Die Beklagte trägt jedoch nichts dazu vor, wie sich die Preise im Fall einer Verlängerung eines zunächst kürzeren Anmietzeitraums gestalten und bietet auch keinen Beweis dafür an, ob die spätere Erweiterung einer Buchung über das Internet überraupt möglich ist. Ob ein zweiter Anmietvorgang für die Geschädigte zumutbar ist, kann vorliegend dahinstehen, da die Beklagte auch insoweit nichts zu den sich dann ergebenden Preisen vorgetragen hat.

Die Beklagte hat mit den drei Internetangeboten auch nicht aufgezeigt, dass die Schwackeliste die ortsüblichen Angebote im Anmietort nicht widerspiegeln würde. Die Schwackeliste 2011 weist für das Postleitzahlengebiet 011 19 Nennungen auf. Teilt man den Anmietzeitraum von 26 Tagen in drei Wochenpauschalen, eine 3-Tagespauschale und zwei 1-Tagespauschalen auf, liegen die von der Beklagten genannten Preise durchaus innerhalb der In der Schwackeliste angegebenen Schwankungsbreite (minimal/maximal). Der Minimalbetrag beliefe sich demnach auf 860,00 € (dreimal 220,00 € + 120.00 € + zweimal 40,00 €) und liegt noch unter den Angeboten von Avis (985,15 €) und Europcar (1.064,92 €), die ebenfalls keine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung enthalten. Das Angebot von Sixt beläuft sich ohne die Haftungsreduzierung auf 963 €.

Da die Geeignetheit der Schwacke-Mietpreisliste somit nicht erfolgreich in Frage gestellt wurde und der streitgegenständliche Mietpreis nicht über dem gewichteten Mittel der Schwackeliste liegt, hat die Beklagte die Kosten in voller Höhe zu ersetzen. Bezogen auf das Postleitzahlgebiet 011 ergibt sich bei Heranziehung von drei Wochenpauschalen, einer 3-Tagespauschale und zwei 1-Tagespauschalen eine Summe von 2.026,50 €. Zuzüglich Haftungsbefreiung und Abhol- und Zustellkosten sind das 2.592,50 €.

Selbst wenn das Postleitzahlengebiet 010 (Dresden-Zentrum) mit einbezogen wird, ergibt sich ein Betrag von 1.857,00 €, zuzüglich Haftungsbefreiung und Abhol- und Zustellkosten mithin 2.423,00 €. Nach Abzug einer Eigenersparnis von 10 % und des gezahlten Betrages von 1.212,95 € ergäbe sich dann ein Betrag von 942,95 €, der immer noch über der Klageforderung liegt.

Der Fahrbedarf der Geschädigten wurde durch die Vorlage der Mietwagenrechnung (Anlage K4) nachgewiesen, woraus sich ergibt, dass mit dem Mietwagen 1.094 km zurückgelegt wurden.

Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.

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Hinweise für die Praxis: Die Substanz der von der Beklagten vorgelegten Internetangebote wird auch deshalb verneint, weil das Preisniveau, das sich aus diesen Internetangeboten ergibt, in der Schwackeliste am unteren Ende der Bandbreite der Werte berücksichtigt ist. Diese Bandbreite der Nennungen der Schwackeliste umfasst mehr als die überregionalen Anbieter, was die Eignung der Liste unterstreicht.