Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 7-15

Landgericht Siegen 3 S 26/14 vom 15.12.2014

1. Das Berufungsgericht bestätigt das Urteil der ersten Instanz, welche die Anwendbarkeit des gerichtlich eingeholten Gutachtens verneint und den Normaltarif auf der Basis des Schwacke-Automietpreisspiegels geschätzt hatte.
2. Das Gericht wendet den Mietpreisspiegel aus 2003 an, da dessen Werte des Normaltarifes frei sind von irgendeinem Manipulations-Vorwurf.
3. Ein Angriff auf eine anerkannte Schätzgrundlage erfordert den Vortrag konkreter Tatsachen, dass sich Mängel auf den Fall erheblich auswirken.
4. Das Fehlen einer Eignung hat der Schädiger zu beweisen, indem wesentlich günstigere Angebote anderer Anbieter aufgezeigt werden. Das hat die Beklagte nicht getan.

Zusammenfassung: Das Landgericht Siegen bestätigt in der Berufung seine gefestigte Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten nach Unfällen, indem auf die Schwackeliste 2003 zurückgegriffen und ein Inflationszuschlag hinzugerechnet wird.

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Landgericht Siegen 3 S 26/14 vom 15.12.2014
(Vorinstanz Amtsgericht Siegen 14 C 460/11)


Im Namen des Volkes

 

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX


hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Siegen auf die mündliche Verhandlung vom 24.11.2014 durch die Präsidentin des Landgerichts XXX, die Richterin am Landgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX

für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das 09.04.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Siegen - 14 C 460/11 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe:

 

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO)


Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Dem Kläger steht der durch das Amtsgericht Siegen mit dem angefochtenen Urteil zugesprochene Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 754,48 € nebst Zinsen in voller Höhe zu. Für den in Rede stehenden Anmietzeitraum Oktober/November 2010 stellt die Kammer zur Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten auf den Schwacke-Mietpreisspiegel von 2003 ab. Dieser stellt dafür - unter Berücksichtigung der Preissteigerung und der geänderten Mehrwertsteuer - die am besten geeignete Vergleichsgrundlage dar (vgl. LG Siegen NZV 2010, 146, Urteil vom 17.11.2009, Az. 1 S 49/09, zitiert nach juris, Rn 4 ff.; LG Braunschweig, Urteil vom 15.01.2009, Az. 7 S 278/08, zitiert nach juris, Rn 35 ff.; LG Frankfurt, Urteil vom 19.06.2009, Az. 24 S 186/08, Rn. 34 ff., zitiert nach juris; LG Chemnitz NZV 2010, 147, Urteil vom 23.10.2009, Az. 6 S 83/09, zitiert nach juris, Rn 16 ff.). Der Hauptvorteil dieser Liste liegt darin, dass die Mietwagenunternehmer zum Zeitpunkt der Erhebung der Liste noch keine Kenntnis von der Änderung der Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit des Unfalltarifs haben konnten, so dass es unschädlich ist, dass die Datenabfrage nicht anonymisiert erfolgte. Auch der BGH hat unter Hinweis auf die besondere Freiheit des Tatrichters die Zugrundelegung dieser Liste gebilligt (vgl. BGH NJW 2009, 58, Urteil vom 14.10.2008, Az. VI ZR 308/07, Rn 22).

Der Schwacke-Mietpreisspiegel 2003 ist als Schätzgrundlage nicht erschüttert.

Wer eine grundsätzlich anerkannte Methode angreifen will, muss mit konkreten Tatsachen vortragen, dass Mängel der Grundlage sich auf den Fall in erheblichem Umfang (BGH, NZV 2011, 431, NZV 2010, 499) auswirken. Es müssen wesentliche bzw. deutlich günstigere Angebote anderer Anbieter aufgezeigt werden (vgl. LG Siegen 1 S 8/11, zitiert nach Juris, Rn.9). Vorliegend hat die Beklagte zur Erschütterung der Schätzgrundlage ausreichend vorgetragen, indem sie günstigere Angebote aufgeführt hat. Sie hat den entsprechenden Beweis aber nicht geführt. Das Fehlen einer Eignung der gewählten Schätzgrundlage muss der Schädiger beweisen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 20. Juli 2011, 13 U 108/10, r+s 2011, 536, zitiert nach juris, Rn. 15). Dem entspricht, dass der BGH eine Verpflichtung des Tatrichters, sich mit der Schätzgrundlage näher zu befassen, dann bejaht hat, wenn der Schädiger "unter Beweis gestellten" Sachvortrag dazu gehalten hat, dass der Geschädigte ein vergleichbares Fahrzeug zu wesentlich günstigeren Preisen hätte anmieten können (vgl. BGH, NZV 2011, 431, zitiert nach juris, Rn. 9/10). Die Kammer hat mit dem Beschluss vom 17.11.2014 u.a. auf die Beweislastverteilung hingewiesen. Diese Frage ist auch im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.11.2014 erörtert worden. Der Gewährung einer Stellungnahmefrist bedurfte es nicht, zumal es sich um eine Rechtsfrage handelt und der Beklagtenvertreter die gegenteilige Rechtsauffassung im Termin kundgetan hat.

Nach den Ausführungen in dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten vom 30.11.2012 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 30.01.2014 ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass der Kläger im konkreten Anmietzeitraum ein vergleichbares Fahrzeug zu wesentlich günstigeren Preisen hätte anmieten können. Auf eine gezielte Abfrage von Mietwagenpreisen für den Zeitraum Oktober 2010 erhielt der Sachverständige nur Rückmeldungen von drei Firmen, die wenig aussagekräftig sind. In seinem Gutachten kam er noch zu dem Ergebnis, dass die vorliegende Mietwagenabrechnung markt- und ortsüblich war. Im Ergänzungsgutachten hat er dann ausgeführt, dass, wenn nur die konkreten Anbieter in der Stadt Siegen berücksichtigt würden, die Preise der Fa. XXX etwa um das 1,9 bis 3,3-Fache über dem Mittelwert der übrigen Anbieter lägen. Dem liegt allerdings ein Vergleich der Preise der Firma XXX mit Preisabfragen aus Oktober/November 2012 zugrunde.

Wie sich die Anmietsituation im konkreten Anmietzeitraum zwei Jahre früher darstellte, ist nicht ersichtlich. Das genügt der Kammer zur Erschütterung des Schwacke­Mietpreisspiegels 2003 als Schätzgrundlage für die Zeit vom 25.10.2010 bis zum 05.11.2010 nicht.

Dem Kläger stehen damit jedenfalls die vom Amtsgericht danach berechneten Mietwagenkosten einschließlich der Kosten für die Zustellung/Abholung, den Zusatzfahrer und die Haftungsfreistellung zu. Es ergäbe sich unter Berücksichtigung der Inflation, der geänderten Mehrwertsteuer und der außergerichtlichen Zahlung rechnerisch noch ein Anspruch auf Zahlung von 795,33 € (525 € + 294 € + 112 € + 30 € + 165 € + 275 € = 1.401 € : 1,16 x 1,19 € - Mehrwertsteuer - = 1.437,23 € x 1,11 - Inflation - = 1.595,33 € abzüglich Zahlung von 800 € = 795,33 €.) Der Kläger kann daher jedenfalls die Zahlung des zugesprochenen Betrages von 754,48 € verlangen.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

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Bedeutung für die Praxis: Von Bedeutung ist vor allem die klare Aussage zur Beweislast. Die Beklagte scheitert mit dem Versuch, unkonkrete und nicht vergleichbare Beispiele von Internetangeboten zur Erschütterung der Schätzgrundlage einzusetzen. Damit könne sie nicht beweisen, dass der Geschädigte ein vergleichbares Fahrzeug zu wesentlich günstigeren Konditionen hätte anmieten können.

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