Mietwagenrecht§wi§§en aktuell KW 36-1 14

Landgericht Koblenz 6 S 302/13 vom 26.08.2014

1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, die Abtretungsvereinbarung bedeutet keinen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und die Formulierungen des Formulars sind bestimmt genug.
2. Der Mietvertrag ist wirksam, insbesondere enthält er ausreichende Informationen zur Preisvereinbarung.
3. Entgegen ihrer Behauptung hat die Beklagte keine deutlich günstigeren Angebote aufgezeigt (konkreter Ort und Zeitraum und Vertragsbedingungen). Insgesamt hat die Beklagte nicht aufgezeigt, wie sich angebliche Mängel der Schwackeliste auf den konkreten Fall auswirken.
4. Besondere Leistungen gegenüber dem Geschädigten (hier Vorfinanzierung, Verzicht auf Sicherheitsleistungen, erhöhter Verwaltungsaufwand, Eilbedürftigkeit, Sonderrisiken durch ungeklärte Haftung am vorhergehenden Unfallgeschehen) sind mit einem 20%-igen Aufschlag auf den Normaltarif zu bemessen.

Zusammenfassung: In dieser Berufungsentscheidung bestätigt das Landgericht Koblenz ein Urteil des Amtsgerichtes Sinzig. Die Verwendbarkeit der Schwackeliste als Schätzgrundlage wird bestätigt. Der Beklagtenvortrag anhand alternativer Internetangebote wird als unzureichend zurückgewiesen, ein unfallbedingter Aufschlag und Kostenersatz für Nebenleistungen werden zugesprochen.

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Landgericht Koblenz 6 S 302/13 vom 26.08.2014
(Vorinstanz Amtsgericht Sinzig 4 C 605/12)

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Forderung

hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX, die Richterin am Landgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX auf Grund der mündlichen Verhandlung  vom 08.07.2014 für Recht erkannt:

1.    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Sinzig vom 29.11.2013, Az. 4 C 605/12, wird zurückgewiesen.

2.    Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das unter Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Sinzig ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.


Gründe:

I.
Die Parteien streiten um die Erstattung restlicher Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall vom 11.06.2012. Die volle Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Amtsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.545,12 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 192,90 € zahlen.

Gegen dieses Urteil, das den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 04.12.2013 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 23.12.2013 Berufung eingelegt und diese am 04.02.2014 begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.


Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil des Amtsgerichts.

Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet.

Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Mietwagenkosten gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 115 WG i.V.m. § 398 BGB in voller Höhe zu. Auch die Berufungsbegründung rechtfertigt keine der Beklagten günstigere Entscheidung.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da die Zeugin, die nach den von dem Amtsgericht getroffenen und nicht zu beanstandenden Feststellungen die geschädigte Eigentümerin des verunfallten Fahrzeugs ist, die ihr aus dem Verkehrsunfall vom 11.06.2012 gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche auf Erstattung der Mietwagenkosten wirksam durch Vereinbarung vom 11.06.2012 (Bl. 20 d. GA) an die Klägerin abgetreten hat.

Diese Abtretung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten eines Verkehrsunfalls auf Erstattung von Mietwagenkosten gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 RDG grundsätzlich erlaubt, wenn - wie hier - allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist (vgl. BGH, Urteil vom 05.03.2013 - VI ZR 8/12, zit. nach juris). Die Klägerin hat sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung nur die Forderung auf Erstattung der Mietwagenkosten in voller Höhe abtreten lassen. Diese Erklärung ist hinreichend bestimmt. Im Übrigen handelt es sich bei der Klägerin nach deren unwidersprochen gebliebenem Vortrag um ein registriertes Inkassounternehmen, das nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG die mit der Abtretung in Zusammenhang stehende Rechtsdienstleistung aufgrund besonderer Sachkunde erbringen darf.

Zwischen der Zedentin XXX und der Klägerin ist ein wirksamer Mietvertrag zustande gekommen. Die Geschädigte XXX hat bei Unterzeichnung des Mietvertrages schriftlich bestätigt, „dass ich in die derzeit gültige Preisliste bei Abschluss des Mietvertrages Einsicht nehmen konnte“. Weiter heißt es in dem Mietvertrag: „Die Preisliste ist ausdrücklich Bestandteil des Mietvertrages“. Mangels anderslautender Anhaltspunkte geht die Kammer danach davon aus, dass - entgegen der Auffassung der Berufungsführerin eine Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandsteile, die essentialia negotii, zustande gekommen ist. Dass die Geschädigte möglicherweise die Erwartung hatte, sie werde die Mietkosten letztlich nicht zu tragen haben, da die beklagte Haftpflichtversicherung die Kosten voll übernehmen werde, rechtfertigt kein anderes Ergebnis, insbesondere nicht die Annahme eines unzulässigen Vertrags zu Lasten Dritter.

Zu Recht hat das Amtsgericht angenommen, dass die geltend gemachten Mietwagenkosten erforderlich waren und in voller Höhe ersatzfähig sind. Hieran ändern auch die Ausführungen der Berufung nichts.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (BGH NJW 2011, 1947 m.w.N.). Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruches ist in erster Linie Sache das nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters (BGH a.a.O.). Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen dürfen nicht außer Acht bleiben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Ist grundsätzlich auch eine Schätzung aufgrund des "Schwacke-Mietpreisspiegels" zulässig. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf allerdings dann, aber auch nur dann, der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH, Urteil vom 18.12.2012 - VI 316/11, zit. nach juris).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist das Amtsgericht zu dem nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangt, dass die Beklagte keine deutlich günstigeren Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufgezeigt hat. Insbesondere genügen hierfür nicht die zu den Akten erreichten Onlineangebote, wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat. Insoweit ist die Vergleichbarkeit insbesondere im Hinblick auf den Zeitraum der Anmietung, die sofortige Verfügbarkeit, die Zustellmöglichkeiten, die Frage einer Selbstbeteiligung, die Kosten für einen Zusatzfahrer, die allgemeinen Anmietbedingungen mit etwaigen zusätzlichen Kosten und Auflagen sowie die Frage, wie sich die Preise verhalte, wenn bei Anmietung das Mietende offen Ist, nicht nachvollziehbar dargetan. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Urteilsgründe Bezug genommen.

Auch der Verweis auf die Fraunhofer-Liste ist nicht ausreichend, die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung anerkannte grundsätzliche Eignung der Schwacke-Liste als Geschäftsgrundlage nach § 287 ZPO in Frage zu stellen. Denn der Tatrichter ist grundsätzlich weder gehindert, seiner Schadensschätzung die Schwacke-Liste noch den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde zu legen. Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen (BGH, Urteil vom 12.04.2012 - VI ZR 300/09, zit. nach juris).

Danach Ist das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagtenvortrag nicht geeignet ist, Mängel der Schwacke-Liste, die sich auf den vorliegenden Fall auswirken, darzutun, so dass die Schwacke-Liste vorliegend als Schätzgrundlage herangezogen werden konnte.

Die Beklagte hat auch nicht deshalb nach § 254 BGB niedrigeren Schadensersatz zu leisten, weil feststeht, dass der Geschädigten ein günstigerer Normaltarif in der konkreten Situation „ohne weiteres“ zugänglich war (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2008 - VI ZR 234/07, zit. nach juris). Denn dies hat nach den allgemeinen Grundsätzen der Schädiger, hier die Beklagte, darzulegen und zu beweisen. Hierfür reicht jedoch der Beklagtenvortrag nicht aus. Insbesondere genügen dazu aus den oben bereits dargestellten Gründen nicht die vorgelegten Vergleichsangebote.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer kann die Klägerin auch einen pauschalen Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif zur Abgeltung der durch die besondere Unfallsituation veranlassten Leistungen verlangen. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 02.02.2010 - VI ZR 7/09 (zit. nach juris) entschieden, dass es noch nicht allein gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt, ein Kraftfahrzeug zu einem höheren Tarif mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen, das zum Zeitpunkt der Anmietung noch offene Mietende u.ä.) anzumieten, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den "Normaltarif" in Betracht kommt. Nicht erforderlich ist es, für die Frage der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines Unfallersatztarifs die Kalkulation des konkreten Vermieters nachzuvollziehen, vielmehr hat sich die Prüfung darauf zu beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein den Mehrpreis rechtfertigten (BGH, a.a.O.).

Vorliegend hat die Klägerin zu den hier angefallenen Mehrleistungen vorgetragen, der Mietzins und die Umsatzsteuer seien vorfinanziert worden, das Fahrzeug sei der Geschädigten ohne Sicherheitsleistung zur Verfügung gestellt worden, eine Vollkasko- und Teilkasko-Versicherung mit Selbstbeteiligung sei vereinbart worden, die nicht durch entsprechende Sicherheitsleistung (etwa per Kreditkarte) abgedeckt gewesen sei, in Abweichung zum Normaltarif sei ein erhöhter Verwaltungsaufwand angefallen, zum Zeitpunkt der Anmietung sei die Haftung nicht geklärt gewesen, die Anmietung sei eilbedürftig erfolgt - insoweit sei die Mobilität der Geschädigten unmittelbar nach dem Unfallereignis wieder hergestellt worden -, die Dauer der Anmietung sei bei Vertragsschluss nicht bekannt gewesen, womit ein dispositorisches Risiko verbunden gewesen sei.

Dieser Darlegung ist die Beklagte nicht entscheidend entgegengetreten. Die unfallbedingten Zusatzleistungen an sich hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Im Interesse einer einheitlichen Schadensabwicklung erscheint es der Kammer danach praktikabel und sinnvoll, den unfallbedingten Zusatzleistungen durch den vorgenannten pauschalen Aufschlag Rechnung zu tragen.

Auch die Kosten für den zweiten Fahrer hat das Amtsgericht zu Recht zugesprochen. Die Klägerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass das Unfallfahrzeug als Familienfahrzeug von den Eheleuten XXX genutzt wurde. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

Ein Abzug für ersparte Eigenkosten scheidet vorliegend aus, da die Geschädigte ein Fahrzeug angemietet hat, das einer niedrigeren Fahrzeugklasse (Volvo, Gruppe 5) als das verunfallte Fahrzeug1 (Ford Focus, Gruppe 6) angehörte.

Schließlich ist auch die Anmietdauer von 18 Tagen nicht zu beanstanden. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass die Wiederbeschaffungsdauer erst ab Vorliegen des Sachverständigengutachtens, das hier eine Wiederbeschaffungsdauer von 12 bis 14 Tagen vorsah, und damit am 14.06.2012 begann, da die Geschädigte erst dann disponieren konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision Ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die Schätzung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten anhand der Schwacke-Liste Ist bereits höchstrichterlich gebilligt. Im Übrigen handelt es sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung.


XXX                                               XXX                                                XXX
Vorsitzender Richter                        Richterin am                                     Richterin am
am Landgericht                               Landgericht                                      Landgericht
                                                    ist wegen Urlaubs an
                                                    der Unterschriftsleistung
                                                    gehindert



Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.545,12 € festgesetzt.


XXX                                               XXX                                                XXX
Vorsitzender Richter                        Richterin am                                     Richterin am
am Landgericht                               Landgericht                                      Landgericht
                                                    ist wegen Urlaubs an
                                                    der Unterschriftsleistung
                                                    gehindert

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Bedeutung für die Paxis:

 

Auch wenn das Urteil als Standard der Mietwagen-Rechtsprechung gelten kann, zeigt es, dass noch immer viele Versicherer - so auch hier die Beklagte - um die Frage möglicher Verstöße gegen das RDG und wegen angeblich unbestimmter Abtretungen streiten. Das erscheint völlig abwegig, denn der Bundesgerichtshof hat dazu längst entschieden. Das Motto scheint zu sein: Es wird einfach alles bestritten und gegen alles Denkbare vorgetragen. Es könnte ja mal etwas dabei herauskommen, wenn gegnerischer Anwalt oder Gericht nicht ganz sattelfest sind.
Das Berufungsgericht wendet die BGH-Rechtsprechung schulbuchmäßig an, insbesondere auch was den Aufschlag auf den Normaltarif angeht.