Mietwagenrecht§wi§§en aktuell KW 34-1 14


Landgericht Schwerin vom 23.07.2014 Aktenzeichen 6 S 124/13.

1. Der Geschädigte war auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen.
2. Die Anforderungen an das Vorbringen zur Erschütterung einer Schätzgrundlage sind nicht überdehnt.
3. Auch der BGH lässt die Schätzung mittels Schwacke-Automietpreisspiegel ausdrücklich zu.

Zusammenfassung: In einer Berufungsentscheidung bestätigt das Landgericht Schwerin ein Urteil des AG Parchim. Dabei wird die Anwendung der Schwackeliste als Schätzgrundlage bestätigt. Alternative Mietangebote werden mit zutreffender Begründung als "nicht ausreichend" abgelehnt. Das Berufungsgericht verweist dazu auch auf eine aktuelle Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichtes in Rostock, nach der die Schwackeliste zu Anwendung kommen müsse.

 

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Landgericht Schwerin vom 23.07.2014 Aktenzeichen 6 S 124/13.

(Vorinstanz Amtsgericht Parchim vom 04.09.2013, Az: 4 C 144/12)

 

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

 
XXX

 
gegen

 
XXX

 
hat das Landgericht Schwerin - Zivilkammer 6 - durch den Vizepräsidenten des Landgerichts XXX, die Richterin am Landgericht XXX und den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2014 für Recht erkannt:
 
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Parchim 04.09.2013 - 4 C 144/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Berufungsklägerin zu tragen.

3. Das Berufungsurteil sowie das in Ziffer 1. genannte Urteil des Amtsgerichts Parchim sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf € 1.282,23 festgesetzt.

 

 

Gründe

I.
 
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung in Anbetracht des Umfang ihrer Beschwer unzweifelhaft nicht zulässig ist.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Amtsgericht Parchim die Berufungsklägerin zur Zahlung weiterer € 1.282,23 an die Berufungsbeklagte verurteilt.

Die dagegen mit der Berufung geltend gemachten Aspekte rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Entgegen der Rechtsauffassung der Berufungsklägerin war die Eilbedürftigkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs bereits am 16.11.2010 - dem Tag des Unfalls - durch den seinerzeit Geschädigten zwischen den Parteien des Rechtsstreites erstinstanzlich nicht streitig: Bereits auf BI. 2 ihrer Klageschrift führte die Berufungsbeklagte aus, dass der Geschädigte, dessen Ersatzansprüche sie aufgrund vorausgehender Abtretung im Klagewege geltend macht, am Unfalltage auf ein Ersatzfahrzeug dringend angewiesen war. Erläuternd führt sie auf Seite 3 der Klageschrift aus, dass der Unfallgeschädigte eines Ersatzfahrzeuges aufgrund der notwendigen Ausübung seiner weiteren Tätigkeit bedurfte. Wenn die Berufungsklägerin daraufhin im Rahmen der erstinstanzlichen Klageerwiderung ausführt, dass „nicht nachvollzogen werden“ könne,wenn ein Ersatzfahrzeug bereits ab dem 16.11.2010 angemietet worden sei, zumal das geschädigte Fahrzeug nach den Feststellungen des seinerzeitigen Gutachters weiterhin verkehrssicher gewesen sei,ist hierin kein zivilprozessual relevantes Bestreiten des Tatsachenvortrages der Klägerin zu sehen. Dabei übersieht die Berufungsklägerin zudem, dass dem seinerzeit Geschädigten zum Zeitpunkt der Anmietung des (ersten) Ersatzfahrzeuges am 16.11.2010 das Ergebnis der gutachterlichen Feststellungen vom 17.11.2010, die dem Geschädigteüberdies erst in den Folgetagen bekannt gegeben worden ist, allein unter chronologischen Gesichtspunktennicht bekannt gewesen sein kann.

Überdies hat das Amtsgericht Parchim die Anforderungen an das Vorbringen zur Erschütterung einer tatrichterlichen Schätzung in Anwendung des § 287 ZPO entgegen der Rechtsauffassung der Berufungsklägerin nicht überdehnt. Die erstinstanzlich von der Berufungsklägerin vorgelegten alternativen Mietwagenangebote hat das Amtsgericht mit zutreffender Begründung als „nicht ausreichend“ zurückgewiesen. Selbst nach der von der Berufungsklägerin zitierten Rechtsprechung des BGH (MDR 2013, 334) begegnet weder die Heranziehung der Schwacke-Liste-Automietpreisspiegel noch des von der Berufungsklägerin erkennbar präferierten Marktpreisspiegels Mietwagen des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO durch den Tatrichter in Anwendung des § 287 ZPO Bedenken, so lange nicht die Parteien deutlich günstigere bzw. ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufzeigen. Dies ist der Berufungsführerin erstinstanzlich weder in der einen noch in der anderen Hinsicht gelungen. Insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Ergänzend gilt Folgendes: In Bezug auf die von der Berufungsklägerin erstinstanzlich in das Verfahren eingeführten Internetausdrucke zu Alternativen für eine seinerzeit vermeintlich günstigere Anmietung - allerdings für einen gegenüber dem Zeitpunkt des vom Unfallgeschehens am 16.11.2010 und den anschließenden Mietdaten abweichenden Zeitraum - fällt ins Gewicht, dass sämtliche Alternativangebote der Fa. Sixt und Avis sich auf Anmietstationen in Neubrandenburg beziehen. Demgegenüber hat sich der hier in Rede stehende Unfall mit der Notwendigkeit der sofortigen Anmietung eines Ersatzfahrzeuges in Parchim ereignet, wo die Berufungsbeklagte eine eigene Station unterhält. Dementsprechend ist schon i. S. der Rechtsprechung des BGH kein Gegenangebot für den konkreten Zeitraum am Ort der Autoanmietung aufgezeigt worden. Dies wiegt besonders schwer, weil Parchim und Neubrandenburg nicht unerheblich räumlich auseinanderliegen und der Geschädigte zudem süd-westlich von Hamburg wohnte. Es war ihm nach Überzeugung der Kammer daher am Unfalltage nicht zuzumuten, zunächst von Parchim gut 60 km in Richtung Osten nach Neubrandenburg "auszuweichen", um hier ein vermeintlich günstigeres Mietwagenangebot anzunehmen.

Soweit es schließlich die grundsätzlichen Bedenken der Berufungsklägerin gegen die Heranziehung des Automietpreisspiegels Schwacke in Anwendung des tatrichterlichen Ermessens i. S. d. §287 ZPO anlässlich der Entscheidungsfindung anbetrifft, wird ergänzend auf die von der Berufungsklägerin selbst zitierte Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 18.12.2002, Az. VI ZR 316/11), die hier angewandt worden ist, sowie auf ein neueres Urteil des OLG Rostock Bezug genommen, das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23.05.2014 zum Az. 5 U 96/12 erging. Danach bestehen weiterhin keine greifbaren Bedenken, in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den erstattungsfähigen „Normaltarif“ grundsätzlich auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels im maßgebenden Postleitzahlgebiet zu ermitteln Dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen mögen, genügt danach nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzungsgrundlage zu begründen.

Für den hier zur beurteilenden Einzelfall kommt hinzu, dass die Berufungsklägerin die aus Ihrer Sicht entscheidungsrelevanten Differenzen der beiden in Rede stehenden Schätzungsgrundlagen auf unzutreffender Tatsachengrundlage ermittelt hat: Der Ort des Unfalls und der Anmietung eines Ersatzwagen ereignete sich - wie dargestellt - in Parchim, mithin im Postleitzahlgebiet "19". Demgegenüber stellt die Berufungsklägerin insbesondere mit Schriftsatz vom 13.11.2012 unzutreffend auf das Postleitzahlgebiet "17" ab, das in den hier in Betracht kommenden Fahrzeugklassen erkennbar niedrigere Mietpreise ausweist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Entscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10, 710 ZPO.

 
Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Landgericht Schwerin

Demmlerplatz 1 - 2

19053 Schwerin

einzulegen.

 

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

 

 

 

XXX                                                     XXX                                                     XXX

Vizepräsident                                      Richterin                                             Vorsitzender Richter

des Landgerichts                                am Landgericht                                  am Landgericht

 

 

 

 

 

 

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Abschrift

Az: 6 S 134/13

4 C 144/12 AG Parchim

 

 
Protokoll



aufgenommen in der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Schwerin, Zivilkammer 6,

am Mittwoch, 16.07.2014 in Schwerin

 
Gegenwärtig:


Vizepräsident des Landgerichts XXX als Vorsitzender

Richterin am Landgericht XXX

Vorsitzender Richter am Landgericht XXX

 

Von der Zuziehung eines Protokollführers wurde gem. § 159 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

 

In Sachen

 

XXX ./. XXX

 

erscheinen bei Aufruf der Sache:

 

für die Berufungsklägerin:       Herr Rechtsanwalt XXX,

 

für die Berufungsbeklagte:      Herr Rechtsanwalt XXX mit dem Geschäftsführer der Beklagten. Dieser erläutert, dass er Geschäftsführer der Beklagten für den Bereich Neubrandenburg sei.

Der Vorsitzende führt in der gebotenen Kürze in den Sach- und Streitstand ein.

Im Hinblick auf die gerichtliche Verfügung vom 08.07.2014 legt der Prozessbevollmächtigte der Berufungsbeklagten Kopie des originären Automietvertrages vom 16.11.2010 vor. Auf dieser Grundlage erläutert der Geschäftsführer der Berufungsbeklagten:

Die überlassene Kopie des Automietvertrages mit dem seinerzeit Geschädigten bringt zum Ausdruck, dass das Auto am 16.11.2010 angemietet worden ist, der Termin der Rückgabevereinbarung ist bewusst offen gelassen worden. Weiterhin ist aus diesem Mietvertrag zu entnehmen, dass es sich um die Anmietung eines Fahrzeugs der Mercedes-Benz A-Klasse handelt; dieser Wagen ist dann später nacheinander durch 2 Mercedes-Benz C-Klasse-Wagen ersetzt worden.

- Laut diktiert und genehmigt. –

Im Hinblick auf die zweite sich in diesem Zusammenhang stellende Rechtsfrage überlässt der Prozessbevollmächtigte der Berufungsbeklagten eine Entscheidung des OLG Rostock zum Aktenzeichen 5 U 96/12. Danach geht das OLG Rostock davon aus, dass die Schwacke-Liste in den hier in Rede stehenden Fallkonstellationen zur Anwendung kommen müsse. Im Hinblick darauf, dass nach dem Automietvertrag eine Anmietung nur bis zum 03.12.2010 stattgefunden hat, wird der Geschäftsführer der Beklagten befragt, weshalb hierauf aufbauend eine Abrechnung bis zum 04.12.2010 erfolgt ist.

Der Prozessbevollmächtigte der Berufungsbeklagten erläutert, dass die Frage, warum bis zum 04.12.2010 abgerechnet worden ist, sich aus dem "System" (iPad) nicht ersehen lasse.

Das Gericht weist darauf hin, dass gleichwohl der berechnete Betrag jenem entspreche, der der ursprünglichen Klageforderung zugrunde lag.


Insoweit wird Bezug genommen auf BI. 4 d. A

Der Vorsitzende legt hierauf aufbauend die vorläufige Rechtsauffassung der Kammer dar.

Er erläutert insbesondere, dass die Vergleichsberechnungen der Berufungsklägerin auf Anmietung in Neubrandenburg beruhen, während der tatsächliche Unfall sich in Parchim ereignet hat. Es dürfte dabei zu berücksichtigen sein, dass der ursprünglich Geschädigte in der Nähe von Hamburg wohnt und auf dieser Grundlage ihm schwerlich zumutbar wäre, zunächst nach Osten nach Neubrandenburg zu fahren, um sich einen Wagen anzumieten. Hinzu tritt, dass die Vergleichsberechnungen der Berufungsklägerin auf den einschlägigen Spalten der Fraunhofer Liste mit der Postleitzahl „17“ beruhen, während hier im Hinblick auf den seinerzeitigen Unfallort das Postleitzahlgebiet „19“ zugrunde zu legen gewesen wäre.

B. u. v.:

Termin zur Verkündung einer Entscheidung wird anberaumt auf Mittwoch, 23.07.2014, 13.00 Uhr, Saal 14 des Landgerichts.

Die Verhandlung wird um 12.10 Uhr geschlossen.
 

XXX

Vizepräsident des Landgerichts

 

...

Bedeutung für die Paxis:

Die immer wieder gleichen Argumente der Haftpflichtversicherer verweisen auf beliebige irgendwann und irgendwo recherchierte Angebote im Internet zu niedrigen Preisen. Diese Ausdrucke enthalten zumeist nicht die relevanten Leistungen, stellen die genauen Anmietbedingungen gar nicht da und sollen nach dem Willen der Beklagten doch nachweisen, dass die Fraunhofer-Erhebungen realistische Werte beinhalten.

Das Amtsgericht und in der Berufung auch das Landgericht haben das als nicht vergleichbar und damit als nicht ausreichend zurück gewiesen. Die Auffassung der Beklagten zu Inhalten selbst eingebrachter BGH-Rechtsprechung wird berichtigt.