Mittelwert: "Bielefelder Modell" ist falsch und unangemessen

 

LG Bielefeld 21 S 27/09 vom 13.05.2009

Die Bildung des Mittelwertes zwischen Schwacke und Fraunhofer wird inzwischen als "Bielefelder Modell" bezeichnet. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen gangbaren Weg für die Klärung der richtigen Schätzgrundlage von Mietwagenkosten. Es findet trotzdem bei einigen Gerichten Anwendung, denen an Vereinfachung und Arbeitserleichterung gelegen ist und die sich aus unterschiedlichen, teilweise nachvollziehbaren Gründen, mit den Methodiken und Inhalten der Schätzgrundlagen nicht tiefgehend genug befassen.

Wie ist das Urteil zu bewerten und was taugt demzufolge das Bielefelder Modell?

Die 21. Berufungskammer des Landgerichtes beschreibt zunächst die oberflächlich vorhandenen Vor- und Nachteile der Erhebungen Schwacke 2007 und Fraunhofer 2008, (teilweise fehlerhaft).

Schwacke:
Für Schwacke werden einige vorteilhafte Aspekte aufgezählt, wie
- die größere PLZ-Tiefe,
- die Nichtverwendung von Internettarifen
- oder die Existenz eines Modus, der einem realen Wert des Marktes entspricht. 

Fraunhofer:
Der Fraunhofer-Erhebung wird der Vorteil der anonymen Erhebung und, was völlig falsch ist, eine größere Anzahl von Nennungen zugesprochen.
Als Kritikpunkte werden genannt:
- einwöchige Vorbuchungsfrist,
- PLZ-Vergröberung,
- Internetwerte (Anmerkung: das betrifft fast 90% aller Werte) sind verwendet.

Der Vorteil der Anonymität ist für das Gericht das erkennbare Kernargument dafür, dass die Fraunhofer-Liste nicht verworfen wird, sondern zur Mittelwertbildung herangezogen wird. Diesen Vorteil hat Fraunhofer jedoch überhaupt nicht, da auch Schwacke eine ebenso hohe Anzahl an anonymen Daten verarbeitet, wie aus dem Vorwort deutlich wird (siehe auch MRW 1-2010, Seite 2 ff.).

Was ist also von dieser Betrachtung zu halten?

1. Die Gesamtzahl (Internetwerte und Telefonwerte) der Fraunhofer-Daten liegt unter 100.000 Werten. Die Teilmenge nur derjenigen Schwacke-Werte, die anonym über das Internet (vom Anbieter damit nicht beeinflussbar) erhoben worden sind, liegt mindestens bei derselben Anzahl, in 2009 sogar bereits im Bereich von 200.000 Werten. Dazu wurden die Internetseiten vieler Anbieter selbständig ohne direkten Kontakt ausgewertet. Das wird aus dem Vorwort der Schwacke-Liste AMP 2009 konkret ersichtlich. Ergebnis: Schwacke hat keinen Nachteil aufgrund fehlender Anonymität.

2. Da das Gericht die Internetwerte nicht berücksichtigen möchte, das wird aus dem Urteil deutlich (Seite 6 des Urteils: ".., dass Internetangebote bei der Ermittlung des Normaltarifs nicht zu berücksichtigen sind."), bleiben aus der Fraunhofer-Gesamtdatenmenge insgesamt gar nur ca. 15.000 verwendbare Werte, die aus der Telefonerhebung. Im Vergleich zu den insgesamt mindestens 500.000 Werten der Schwacke-Erhebung handelt es sich also nicht IN KEINSTER WEISE um einen Vorteil von Fraunhofer aufgrund einer höheren Anzahl der Nennungen, wie das Gericht glaubt.

Konkret auf das PLZ-Gebiet bezogen bedeutet das ein Datenmengenverhältnis von 20 : 1 für Schwacke, denn Schwacke weist im Bereich PLZ 33 (330, 331,..) fast 100 Nennungen pro Cluster (Beispiel für ein Cluster: Gruppe 1 für 1 Tag) aus. Fraunhofer weist im (riesigen) PLZ-Gebiet 3 (Telefonerhebung) nur zwischen 20 und 50 Nennungen pro Cluster aus. Das entspricht sicherlich dem oben genannten Verhältnis von ca. 20 : 1 (Schwacke-Datenumfang zu Fraunhofer-Telefonerhebung).

Andere Vergleichsbetrachtung zur Anzahl der Werte in PLZ 3 insgesamt:
Fraunhofer weist aufgrund Telefonerhebung ca. 1.200 Werte aus (Seite 88).
Schwacke weist im selben Gebiet mehr als 30.056 Werte aus (Schwacke 2007, Seite 334) zu PLZ 3 mit 578 Nennungen jeweils für Gruppe 1, Gruppe 2, ... 7-Bus und das jeweils noch für 1 Tag, 3 Tage, 1 Woche, Wochenende.
Auch hier ergibt sich ein Verhältnis von 20 : 1.

3. Die Art der Ermittlung dieser Telefonwerte liegt völlig im Dunkeln. Es geht dabei darum, welche Fragen zu Nebenkosten, Vorfinanzierung, Sicherheiten, konkretem Fahrzeug usw. gestellt wurden. Noch nicht einmal das Fahrzeug kann in einem Telefonat so konkret - aber für den Befragten unauffällig - beschrieben worden sein, dass ein verwendbarer Wert genant wird. Die Kammer des Gerichtes nimmt trotzdem nur auf Basis dieser Telefon-Werte eine Mittelwertbildung vor.

4. Das arithmetisches Mittel aus Schwacke wird abgelehnt, da es keinen realen Wert darstellt. Das Gericht hebt seine Präferenz für den Modus/das gewichtete Mittel hervor. Doch in Fraunhofer gibt es einen solchen Wert gar nicht. Dort sind ausschließlich rechnerische Mittelwerte enthalten. Trotzdem werden diese dann verwendet. Das ist völlig unlogisch.

5. Die Fraunhofer-Telefon-Werte sollen inkl. einer Haftungsreduzierung erfragt worden sein. Dass es da in Bezug auf die vereinbarte Selbstbeteiligung erhebliche Unterschiede gibt (Fraunhofer-SB ca. bei 1000 Euro; Schwacke erheblich weniger), die sich im Preis für diese Nebenleistung niederschlagen dürften, wurde in den ausführlichen Berechnungen des Gerichtes nicht berücksichtigt. Es konnte ja auch nicht berücksichtigt werden, da Fraunhofer diese Nebenkosten nicht erhoben hat. Das kann doch aber dann nur dazu führen, dass die Fraunhofer-Werte als Rumpfpreise gelten müssen und nicht vergleichbar sind. Alternativ müssten die Nebenleistungen der speziellen Internetangebote ganz konkret und rückwirkend erfasst werden, aber nicht ignoriert werden. Ebenso kann es nicht sein, dass in den ausführlichen Berechnungen sogar Fraunhofer- und Schwacke-Werte addiert werden, um das Problem zu umgehen, dass in Fraunhofer viele Werte fehlen (hier: Zustellen/Abholen).

6. Sämtliche Kritikpunkte an der Fraunhofer-Tabelle  - einige sind im Urteil benannt - sind von diesem Gericht nicht als so gravierend eingeschätzt worden, als dass sie den Vorteil der Anonymität aufheben (der ja gar nicht in dem Maße existiert). Beispiel: Die Unterstellung einer Vorbuchungsfrist ist geeignet, die Werte um 30% gedrückt zu haben. Das wurde bereits nachgewiesen. Beispiel 2: Nur jeder vierte Geschädigte erfüllt die Bedingungen der Internetanbieter, die anderen bekommen diese Preise nicht oder dasselbe Fahrzeug teurer usw.

Das Urteil enthält im Zusammenhang mit einer anonymen Erhebungsmethodik die Formulierung, dass diese "etwaige Manipulationen ...vermeidet". Dieses Fraunhofer zuzusprechen ist schlicht verkehrte Welt: Jeder Wert ist durch die besondere Fraunhofer-Methodik (Kritikpunkte 1,2,3...) in Richtung der Interessenlage der Versicherungswirtschaft "manipuliert".

Nur auf Basis dieser wenigen und zweifelhaften Telefon-Werte nimmt die Kammer eine Mittelwertbildung Schwacke/Fraunhofer vor. Das Gerichtsurteil setzt sich mit den Schätzgrundlagen nicht ausreichend auseinander. Die Lösung des Landgericht Bielefeld mag auf den ersten Blick pragmatisch erscheinen. Im Ergebnis ist sie leider falsch, denn es besteht keine Vergleichbarkeit der Fraunhofer- und Schwacke-Liste. Beide haben völlig andere Dinge betrachtet. Deshalb ist eine Mittelwertbildung nicht möglich.

 

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