Abtretungen weiterhin verwendbar und notwendig

Der eine oder andere aus der Branche mag sich fragen, ob wir als Autovermieter für die Schadenersatzleistung Ersatzfahrzeug weiterhin mit Abtretungen arbeiten können. Denn in der Schadenbranche wird seit einiger Zeit immer wieder vor der Verwendung von Abtretungen gewarnt. Der Hintergrund ist die aktuelle BGH-Rechtsprechung zum Werkstattrisiko, nicht die Frage, ob ein verwendetes Formular zur Aktivlegitimation führt (also zu der Erlaubnis, den abgetretenen Schadenersatzbetrag im Namen des Autovermieters selbst bei Gericht einzuklagen).

Das sind zwei verschiedene Fragen. Auch Werkstätten können weiterhin mit einem Abtretungsformular selbst gegen den Versicherer vorgehen, sofern es korrekt formuliert ist (woran der Autor dieser Zeilen erhebliche Zweifel hat, das am Rande).

Notwendigkeit einer Abtretung

Doch das Vorgehen aus abgetretenem Recht entspricht hier (anders bei einer Autovermietung) gar nicht den gegebenen Notwendigkeiten. weil:

1. Die Geschädigte kann - für die Reparatur jedenfalls - auf eine Zahlungszusage des Versicherers warten, bevor er die Werkstatt anfangen lässt zu reparieren. Zitat BGH 115/19:

"Grundsätzlich ist es Sache des Schädigers, die Schadensbeseitigung zu finanzieren (...) Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist unter Umständen berechtigt (...) grundsätzlich aber nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen (...) Dieser Rechtsgrundsatz würde unterlaufen, sähe man den Geschädigten schadensrechtlich grundsätzlich als verpflichtet an, die Schadensbeseitigung zeitnah nach dem schädigenden Unfall vorzunehmen und damit ganz oder teilweise aus eigenen oder fremden Mitteln vorzufinanzieren. Das Bestehen einer derartigen Obliegenheit kommt nur dann in Betracht, wenn dem Geschädigten im Einzelfall ausnahmsweise ein Zuwarten mit der Schadensbeseitigung als Verstoß gegen Treu und Glauben vorgeworfen werden kann (...)" 

2. Bevor die Werkstatt das reparierte Fahrzeug an den Geschädigten herausgibt, kann sie auf das Geld des Versicherers warten, § 347 BGB, Zitat:

"Der Unternehmer hat für seine Forderungen aus dem Vertrag ein Pfandrecht an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten beweglichen Sachen des Bestellers, wenn sie bei der Herstellung oder zum Zwecke der Ausbesserung in seinen Besitz gelangt sind." 

Schon von daher hat ein Reparaturbetrieb gute Möglichkeiten, am Ende die Reparaturkosten in der Hand zu halten.

3. Des Weiteren kann der Reparaturbetrieb dem Geschädigten eher gut erklären, dass der sich einen (und welchen) Anwalt nehmen soll, der das Geld für ihn vom Versicherer besorgt (und die Wertminderung, Nutzungsausfall, ... dazu).

Das bedeutet:

Die Notwendigkeit, später aus abgetretenem Recht selbst gegen den Versicherer vorzugehen, besteht also für den Reparaturbetrieb eher selten. Daher ist die Frage, ob das Abtretungsformular für die Reparaturkosten richtig formuliert ist, für viele Reparaturbetriebe nicht so entscheidend. Anders mag es schon bei der Schadenersatzleistung des Abschleppens aussehen oder wenn der Reparaturbetrieb auch selbst vermietet. 

Möglichkeit der Abtretung

Trotzdem ist die Möglichkeit weiterhin gegeben, sich ein korrekt formuliertes Abtretungsformular unterschreiben zu lassen und wenn es denn mal benötigt wird, selbst gegen den Versicherer vorzugehen.

Was sollen dann all die Warnungen?

Warum heißt es nun seit einem Jahr immer wieder, die Abtretung sei tot?
(Siehe z.B. ZKF warnt vor Klagen aus abgetretenem Recht | schaden.news)

Weil damit etwas anderes gemeint ist. Lässt sich die Werkstatt die Schadenersatzforderungen abtreten, war es bis vor einem Jahr so, dass, weil das Werkstattrisiko beim Schädiger liegt, auch Teile der Forderungen aus abgetretenem Recht gegen den Versicherer durchgesetzt werden konnten, deren Begründung zweifelhaft war... und das eben aus abgetretenem Recht durch die Werkstatt selbst.

Beispiele solcher Rechnungspositionen: falscher Reparaturweg, Reparaturschritte teilweise nicht erforderlich, Teile abgerechnet, die ex post gesehen gar nicht verbaut wurden, die Werkstatt trödelt usw.

Dem Geschädigten kann es (auch heute noch) nicht zu seinen Lasten vorgeworfen werden, er hätte die falsche Werkstatt gewählt. Dieses "Werkstattrisiko" hat der Schädiger zu tragen, der den Unfall und damit die Reparatur erst verursacht hat.

Doch seit dem Urteil des BGH vom 26. April 2022, Az. VI ZR 147/21) macht es in dieser Frage einen Unterschied in Bezug darauf, dass der Schädiger das Werkstattrisiko zu tragen hat, ob der Geschädigte selbst den Anspruch durchsetzt oder der Reparaturbetrieb aus abgetretenem Recht. Die Werkstatt kann also nicht mehr unter dem Deckmantel "der Geschädigte konnte das nicht beeinflussen" Ansprüche für etwas stellen, dass sie gar nicht in die Reparaturrechnung hätte aufnehmen dürfen.

Mit der Frage, ob Abtretungen funktionieren und wie sie dafür formuliert sein müssen, hat das nichts zu tun.

Die oben verlinkte Warnung des ZKF "Vor Klagen aus abgetretenem Recht" ist daher falsch formuliert. Man müsste eher davor warnen, dass es nun nicht mehr möglich ist, sich hinter dem Werkstattrisiko versteckend auf Kosten der Versicherer den Betrag einer Reparaturkostenposition zu holen, die aus technischer Sicht nicht nötig gewesen wäre.

Abtretungsformular des BAV ist wirksam

Abschließend erlauben wir uns den Hinweis, dass wir uns im Oktober 2023 vor dem BGH für unsere Formulierungen der Forderungsabtretung zu rechtfertigen hatten. Der BGH hatte - anders als das Landgericht Frankfurt zuvor - keine Bedenken gegen unser Formular und sieht es als wirksam an. Sobald die BGH-Entscheidung ausgefertigt vorliegt, stellen wir sie unseren Mitgliedern mit einer entsprechenden Handlungsempfehlung zur Verfügung